„Wir sind keine Bank“: IOR – Präsident von Freyberg im Interview

Ernst_von_FreybergSein Traum ist, dass die Vatikanbank keine Aufmerksamkeit mehr auf sich zieht. So beschreibt der neue Präsident des Aufsichtsrates, Ernst von Freyberg, im Interview mit Radio Vatikan seine Vision. Seit dem 15. Februar leitet er das IOR, das Istituto per le Opere di Religione, das ‚Institut für Religiöse Werke’.

„Es ist ein großes Privileg, hier zu arbeiten. Und es ist eine große Herausforderung, dem Papst dabei zu helfen, die Reputation dieses Institut wieder herzustellen." In aller Kürze beschreibt Ernst von Freyberg seine Sicht auf die Aufgabe. Zuvor war er von Frankfurt aus im Aufsichtsrat verschiedener Firmen, unter anderem ist der Malteserritter Aufsichtsratsvorsitzender von Blohm+Voss. Nach einem langen und ausführlichen Auswahlverfahren ausgesucht, ist er nun Präsident des Aufsichtsrates des IOR, vereinfachend manchmal schlicht „Vatikanbank" genannt.

Herr von Freyberg, Wie haben Sie sich Ihre Arbeit vorgestellt, bevor Sie herkamen?

„Anders als sie tatsächlich ist. Als ich herkam dachte ich, dass ich vor allem tun müsste, was man allgemein als ‚Aufräumen’ bezeichnet, und dass ich mit unvorschriftsmäßigen Konten umgehen müsste. Aber davon kann ich – bis jetzt – nichts entdecken. Das heißt zwar nicht, dass es das nicht gibt, aber es meint, dass es wichtigere Dinge gibt. Die wichtigste Aufgabe betrifft unsere Reputation. Unsere Arbeit – meine Arbeit – ist viel mehr Kommunikation, als ich das gedacht hatte. Vor allem ist es mehr Kommunikation innerhalb der Kirche; davon haben wir in der Vergangenheit nicht genug gehabt. Wir schulden der Kirche Transparenz und eine gute Erklärung dessen, was wir tun und wie wir zu Diensten zu sein versuchen."

Wie kommt es, dass jemand wie Sie, mit Ihrer Erfahrung, nach all den Geschichten und der Vergangenheit ausgerechnet für die Bank des Vatikan arbeiten möchte?

„Das kann man nicht wollen. Es ist nicht so, dass man zu Hause sitzt und davon träumt. Selbst während der Einstellungsgespräche sagt man sich nicht ‚Ich will das unbedingt machen’. Wenn man dazu berufen wird, dann nimmt man das gerne an, das gilt für mich wie für die anderen Kandidaten, die für diese Position in Frage kamen. Ich habe dann hier festgestellt, dass es eine gute Erfahrung ist und viel weniger mit Komplikationen und internen Problemen belastet, als man von außen annehmen würde."

Kommunikation gehört zu den Hauptaufgaben

Wie sieht so ein normaler Arbeitstag aus? Wenn wir hier aus Ihrem Fenster sehen, schauen wir auf den Petersplatz, ich nehme also einmal an, dass die Arbeit sehr verschieden ist von Ihrer Arbeit in Frankfurt.

„Ein normaler Tag beginnt recht außergewöhnlich, denn ich habe das Privileg, in Santa Marta zu wohnen und deswegen ab und zu die Gelegenheit, bei den Messfeiern mit Papst Franziskus dabei zu sein. Das ist schon ein Privileg, morgens um sieben Uhr dabei zu sein und seinen kurzen und immer treffenden Predigten zuzuhören.
Dann ist mein Tag nach Projekten geordnet. Ich bin ein Fan davon, Aufgaben systematisch in Projekte aufzuteilen und anzugehen. Die großen Aufgaben werden in Projekte und Unterprojekte aufgeteilt und ich nehme an den Sitzungen teil, in denen diese Projekte vorangetrieben werden.
Einiges an Zeit verbringe ich jeden Tag mit dem Direktor und dem Vizedirektor des IOR, mit denen ich durch das Tagesgeschäft gehe, dann bereite ich Sitzungen vor und kommuniziere. In der Kirche, mit Journalisten, mit Botschaftern, denen ich allen zu erklären versuche, was wir machen.
Sie werden mich genau da finden, zwischen Projekt-Management, Tagesgeschäft und Kommunikation."

Als Sie die Aufgabe übernommen haben, war von nur einigen Tagen in der Woche die Rede. Ist das machbar, ein Teilzeitdirektor zu sein?

„Wenn Sie auf die Statuten schauen, werden Sie feststellen, dass sich der Aufsichtsrat alle drei Monate treffen soll und dass ich einmal im Monat die wirtschaftlichen Ergebnisse gemeinsam mit dem Direktor durchgehen soll. So wollten es die Gründer der Bank von meiner Position. Bei den Einstellungsgesprächen hieß es, ‚ein oder zwei Tage pro Woche’, im Augenblick bin ich drei Tage der Woche in Rom und arbeite noch einmal zwei oder drei Tage für das Institut von anderen Orten in der Welt aus.
Ich glaube aber, dass ich mittelfristig eher wieder zu den Regelungen der Statuten zurück sollte."

Aber für den Augenblick ist Ihre Arbeitszeit angemessen?

„Wenn sie sich die Herausforderungen ansehen, dann brauchen wir dafür jede Stunde."

Ihre Aufgabe erfüllen Sie aber nicht allein, sie arbeiten mit anderen zusammen, Beratungsagenturen zum Beispiel.

„Es gibt hauptsächlich eine Agentur, die aber keine Beratungsagentur ist, sondern unser Supervisor AIF [Autorità di Informazione Finanziaria]. Das ist das Kontrollgremium, das alle Institutionen des Vatikan in Bezug auf Geldwäsche überwacht. Mit denen arbeiten wir ganz eng zusammen.
Aber richtig, es gibt auch externe Berater, ich habe eine ganze Reihe engagiert. So habe ich die wahrscheinlich führende Beraterfirma in Sachen Anti-Geldwäsche engagiert, damit sie jedes einzelne unserer Konten und auch unsere Strukturen untersucht.
Der Heilige Stuhl hat sich den international geltenden Standards angeschlossen. Ich wende dieses Recht an und die höchsten Standards, die verlangt werden. Ich persönlich habe jede Woche alle verdächtigen Fälle auf meinen Schreibtisch. Wir verfolgen eine Null-Toleranz Politik bei Kunden aber auch bei Angestellten, die irgendwie in Geldwäsche verwickelt sein sollten."

Was ist das, das IOR?

Lassen Sie uns ein wenig über die Bank sprechen: Da gibt es viele Mythen und romanhafte Vorstellungen. Einmal abgesehen von diesen Mythen: Was genau ist das IOR?

„Das IOR ist immer noch, wie es 1942 gegründet wurde. Es tut nur zwei Dinge: Erstens nimmt es Einlagen von Kunden und sichert sie ab. Wir sind so etwas wie ein Familienbüro, das die Vermögen der Familienmitglieder verwaltet. Das sind der Heilige Stuhl, mit ihm zusammen hängende Einrichtungen, Ordensgemeinschaften mit ihren weltweiten Aktivitäten, Priester und Angestellte des Vatikan.
Zweitens leisten wir Auszahlungsdienste vor allem für den Vatikan und für Orden, die weltweit tätig sind: Wir bringen die Vermögen dorthin, wo immer diese Aktivitäten stattfinden."

Also sind Sie streng genommen gar keine Bank?

„Wir sind keine Bank. Wir verleihen kein Geld, wir machen keine direkten Anlagengeschäfte, wir machen keine Spekulationsgeschäfte. Unser Kerngeschäft ist das Anlegen von Einlagen in Rentenpapiere, einige Unternehmensanleihen etc., so dass wir den Kunden ihr Geld geben können, wann immer sie es haben möchten. Wir stellen sicher, dass das Geld überall hinkommt, sogar an die merkwürdigsten Orte der Welt."

Was Sie mit Banken gemeinsam haben ist die Tatsache, dass Sie Gewinn machen. Ist das Absicht oder einfach nur ein Extra?

„Unser Auftrag ist ein Dienstauftrag. Wenn wir diesen Auftrag gut erfüllen, können wir erwarten, einen Überschuss zu erwirtschaften. Durchschnittlich tragen wir 55 Millionen Euro pro Jahr zum Haushalt des Vatikan bei, damit sind wir eine wichtige wirtschaftliche Säule. Jetzt werden Sie fragen, wie man 55 Millionen Euro verdient: Wenn Sie auf unsere Bilanz schauen, sehen Sie drei Elemente. Eines sind die Zinsen, die wir zahlen. Dann sind es Zinsen, die wir bekommen, das ist der wichtigste Teil unseres Einkommens, etwa 50 bis 70 Millionen Euro pro Jahr, davon muss man unsere Kosten dann abziehen. Dazu kommen dann noch einige Gewinne aus Kursschwankungen und so errechnet sich unser Gewinn. Dieser Gewinn geht dann an den Vatikan."

Warum braucht der Vatikan das IOR?

Was ist denn das Alleinstellungsmerkmal, das Besondere, das nur Ihr Institut hat und andere nicht?

„Was uns einzigartig macht ist, dass wir wirklich die Welt der Kirche und ihres Auftrages verstehen. 112 Menschen arbeiten im IOR und wir haben 19.000 Kunden. Die meisten von ihnen sind Ordensleute, die ihre Sachbearbeiter seit 20 bis 30 Jahren kennen. Wir wissen, was sie brauchen und sie haben eine vertrauenswürdige Person hier.
Wir stehen im Wettbewerb wie alle anderen Banken auf der Welt auch, unsere Kunden werden von anderen Banken umworben, aber sie entscheiden sich, bei uns zu bleiben.
Wir haben viele Vorteile: Das IOR ist stark mit Kapital ausgestattet, 800 Millionen Euro gegenüber 5 Milliarden im Haushalt. Das ist doppelt so viel, wie Sie es außerhalb des Vatikan finden würden. Während der Wirtschaftskrise hatten wir keine Probleme, keine Regierung hat uns retten müssen, wir sind sehr, sehr sicher."

Und warum sollte der Vatikan überhaupt eine Bank haben? Besonders jetzt, nach der Wahl von Papst Franziskus, wird diese Frage immer wieder gestellt. Was ist Ihre Antwort?

„Ich betrachte das von zwei Perspektiven: Eine ist der Kunde. Er will sein Geld bei uns anlegen. Die zweite Perspektive ist die Frage, ob wir unseren Dienst für den heiligen Vater leisten. Hier haben wir keinen guten Dienst geleistet, mit einer Reputation, welche die Botschaft verdunkelt. Das anzugehen sehe ich als meine erste und wichtigste Aufgabe."

Um aus der Ecke heraus zu kommen?

„Um aus dem Rampenlicht herauszukommen und in die Ecke hinein, also um demütig unseren Dienst zu tun und nicht dauernd in der Aufmerksamkeit zu stehen."

Sie haben die Menge Ihrer Kunden erwähnt, 19.000. Ist das im Vergleich viel, wenig …

„Das ist winzig. Es gibt wenige kleinere Banken als unser Institut."

Wenn Sie also nach Zürich oder an einen anderen Bankenplatz kommen, wären sie ein Vertreter einer kleinen Bank …

„Winzig, nicht nur klein: Winzig."

Es gibt keine Nummernkonten

Es gibt Spekulationen über Nummernkonten ohne Namen, darauf sollen sich große Summen befinden. Gibt es die?

„Das ist reine Erfindung. Es gibt keine Nummernkonten. Seit 1996 ist es technisch unmöglich, in unserem System ein Nummernkonto zu eröffnen und es wäre auch gegen Vatikanrecht. Ich habe mir selber das System angesehen und Zufallsproben gemacht: Ich habe keine Anzeichen für Nummernkonten gefunden."

Nicht mal aus der Vergangenheit geerbt?

„Das würde in unserem System nicht funktionieren."

Die Politik der Transparenz

Wir sitzen hier zum Interview, in der vergangenen Woche hat Ihre Aufsichtsbehörde AIF einen Bericht vorgelegt: Ist Transparenz das neue Motto des IOR?

„Transparenz ist ein Schlüssel, aber das ist nicht alles, es zählt auch das, was man dann sieht, wenn man transparent ist: Dass wir so sauber sind wie man es sein muss, um in der internationalen Finanzwelt akzeptiert zu sein.
Transparenz ist übrigens nichts, was die Welt immer schon hatte und zu dem man den Vatikan zwingen müsste. Vor fünfzehn Jahren waren wir wahrscheinlich genauso normal wie andere private Institute, was das Bankengeheimnis angeht. Nach dem 11. September und der Frage der Terrorfinanzierung, den Sozialen Medien mit ihrer Neudefinition von Vertraulichkeit und Geheimnis und der Bankenkrise hat sich einiges entwickelt. Die Welt hat sich geändert und wir sind vielleicht etwas spät dran, uns daran anzupassen. Wir beeilen uns, das nachzuholen und dort zu sein, wo wir vor fünfzehn Jahren waren: Ein relativ normales Institut im vergleich mit anderen Finanzinstituten."

Aber wie Sie gesagt haben: Im Augenblick trübt das IOR eher das Bild des Vatikan, offensichtlich läuft etwa nicht richtig oder es ist noch nicht richtig umgesetzt.

„Ja, damit kommen wir zurück zur Frage der Reputation. Das ist der wichtigste Teil meiner Arbeit, diesen Schatten zu vertreiben."

Ist das möglich?

„Ja. Ich bin überzeugt, dass wir eine gut geführte, saubere Finanzinstitution sind. Natürlich können wir, so wie alle anderen, auch noch besser werden.
Vor allem müssen wir kommunizieren. In der Vergangenheit haben wir mit niemandem geredet, angefangen bei unseren Auftraggebern. Wir haben nicht auf systematische Weise mit den Kardinälen gesprochen, wir haben nicht mit der Kurie gesprochen, wir haben nicht mit der Kirche gesprochen. Es ist das Recht jedes Mitglieds der Katholischen Kirche auf der ganzen Welt, über diese Institution gut informiert zu sein.
Was machen wir nun? Wir beginnen, mit den Medien zu sprechen und innerhalb der Kirche zu kommunizieren und unsere wichtigsten Auftraggeber systematisch zu informieren, außerdem werden wir einen Jahresbericht vorlegen wie jedes andere Finanzinstitut auch und wir werden das am ersten Oktober ins Internet stellen, auf unserer eigenen Webseite."

Sie haben Ihre Aufgaben in der Mitte einer Amtsperiode übernommen, die Ihrige endet also im Jahr 2015. Was würden Sie dann als Erfolg bezeichnen?

„Mein Traum ist sehr klar. Mein Traum ist, dass unsere Reputation so ist, dass die Menschen nicht mehr an uns denken, wenn sie an den Vatikan denken, sondern darauf hören, was der Papst sagt."

Herr von Freyberg, herzlichen Dank für das Gespräch. (rv)

Lombardi: „Weiterhin nur Auszüge aus Papstmorgenmesse“

Pater Lombardi PressekonferenzDie Predigten des Papstes bei den täglichen Morgenmessen im vatikanischen Gästehaus Santa Marta werden auch weiterhin nur als „ausführliche Zusammenfassung" in Text und Ton einem größeren Publikum zugänglich sein, eine Volltextversion wird es ebenso wenig geben wie eine Live-Übertragung der ganzen Messen in Bild und Ton. Das hat Vatikansprecher Pater Federico Lombardi an diesem Mittwoch bekanntgegeben. Von den Morgenpredigten des Papstes hat der Vatikan bislang nur Auszüge und kurze Zusammenfassungen über Radio Vatikan und über die Vatikanzeitung „L’Osservatore Romano" veröffentlicht.
Der Papst wolle den familiären Charakter der Morgenmessen bewahren, gab Lombardi als Grund dafür an. Er habe „explizit gewünscht", dass die Messen „nicht live in Bild und Ton übertragen werden". Bei den morgendlichen Ansprachen des Papstes vor Vatikanpersonal handele es sich um „spontan gehaltene Predigten" im familiären Ambiente und auf Italienisch, einer Sprache, die der Papst zwar „sehr gut" beherrsche, die aber „nicht seine Muttersprache" sei, führte Lombardi aus.
Eine komplette Verschriftlichung dieser Predigten würde eine besondere Aufbereitung erfordern, nämlich eine Abschrift und Modifizierung des Redetextes an einigen Stellen sowie eine erneute Revision durch den Papst selbst. Das Resultat würde der Natur der Sache dann aber nicht mehr gerecht, so Lombardi: Eine Volltextversion würde notwendig von dem abweichen, was Franziskus „jeden Morgen tun möchte", wie es der Vatikansprecher formulierte – die mündliche Form der Predigten sei im Fall der Morgenmessen „die ursprüngliche Form", die der Papst „absichtlich gewählt" habe.
Für die Verbreitung der Morgenpredigten in Form einer ausschnitthaften, doch ausführlichen Synthese habe sich der Vatikan nach aufmerksamer Reflektion entschieden, so Lombardi weiter. Man wolle den „Reichtum" der Papstpredigten in ihrer ursprünglichen Form einem großen Publikum zugänglich machen – dies geschehe über die „ausführliche Zusammenfassung" der Papstpredigten durch Radio Vatikan, in diesem Fall aufbereitet für den Hörfunk, und etwas ausführlicher durch die Vatikanzeitung „L’Osservatore Romano". Grundsätzlich gelte es zwischen frei gehaltenen Predigten des Papstes im familiären Kontext und den öffentlichen Auftritten des Papstes mit Live-Übertragungen zu unterscheiden, unterstrich Lombardi abschließend. (rv)

Kardinal Sandri im Libanon: „Es fehlt an allem“

Kardinal SandriDer zweitwichtigste Argentinier aus dem Vatikan war in den vergangenen Tagen im Libanon: Kardinal Leonardo Sandri, der Präfekt der Ostkirchenkongregation und Landsmann des Papstes, will den Christen im Nahen Osten die geistliche Nähe von Papst Franziskus bezeugen.

„Ich habe allen Bischöfen der vier Riten, die ich besucht habe, eine Botschaft des Friedens und der Hoffnung übergeben, die mir Franziskus persönlich mitgegeben hatte, und gesagt, wie sehr er an die Menschen in dieser Region und an ihre Leiden denkt. In der Nähe der syrischen Grenze konnte ich auch ein Lager von syrischen Flüchtlingen besuchen. Der Papst hofft darauf, dass man hinter diesen Krieg in Syrien endlich einmal das Wort „Ende" hinschreiben kann!"

Schon letztes Jahr hatte Vatikankardinal Robert Sarah, damals noch im Auftrag von Papst Benedikt XVI., syrische Flüchtlinge im Libanon besucht. Auch für Kardinal Sandri waren seine Stunden im Flüchtlingscamp am letzten Sonntag eine bewegende Erfahrung.

„Wir sind alle wirklich aufgewühlt: all diese Kinder zu sehen, die da im Exil sind, in Armut, ohne Hygiene-Möglichkeiten. Ich habe gesehen, dass es da an allem fehlt, an Medikamenten, vor allem für schwangere Frauen und für Kinder."

Seit mehr als einem Monat sind zwei orthodoxe Metropoliten aus dem syrischen Aleppo in der Hand von Entführern – auch darüber hat Kardinal Sandri im Libanon Gespräche geführt, er hofft auf die Freilassung der beiden.

„Einen von ihnen, Ibrahim, kenne ich, er ist syrisch-orthodoxer Bischof von Aleppo. Man hört so allerlei: einmal, dass es ihnen gut gehe, dann wieder, es gehe ihnen schlecht. Ich bitte euch Entführer, gebt sie ihren Kirchen und ihrem Land, ihrem Bistum wieder! Eine solche Geste wird euch Ehre einbringen und mit Sicherheit auch den Segen Gottes!"

„Natürlich", von den starken Spannungen im Libanon hat auch der Besucher aus Rom einiges gespürt, es gebe „einige Zeichen der Gewalt", so Sandri.

„Aber alles wird doch noch von großer Hoffnung dominiert. Alle, mit denen ich gesprochen habe – Katholiken, andere Christen, orthodoxe Bischöfe, Laien, Ordensleute – tun alles dafür, dass der Krieg nicht aus Syrien auf den Libanon übergreift und dass der Friede die Oberhand behält. Viele Leute, auch viele junge, kommen zum Marienwallfahrtsort von Harissa, einige steigen barfuss hinauf, um vor Unserer Lieben Frau vom Libanon um Frieden zu beten, aber auch für den Papst und für die ganze Welt."

Nach seinem Besuch im Libanon reiste Kardinal Sandri weiter nach Jordanien, wo er bis zum 1. Juni bleiben wird. (rv)

D: Erzbischof Schick fordert mehr Einsatz gegen Menschenhandel

Erzbischof SchickMit einem Appell, Menschenhandel in seinen modernen Formen wirksam entgegenzutreten, ist heute die „Jahrestagung Weltkirche und Mission" in Würzburg zu Ende gegangen. Drei Tage lang berieten 140 Teilnehmer aus der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK), den kirchlichen Hilfswerken sowie aus Diözesen und Ordensgemeinschaften darüber, welche Möglichkeiten es im Kampf gegen Menschenhandel gibt. Die Tagungsleitung übernahm unter anderem der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick. Im Gespräch mit Radio Vatikan beklagt er einen grundsätzlichen Anstieg des Menschenhandels, der eine moderne Form der Sklaverei sei.

„Der Menschenhandel nimmt zu und Prostitution ist eine Facette davon. Dazu gehört aber vor allen Dingen auch der Menschenhandel für billige Arbeitskräfte in europäischen Ländern – bei uns etwa die Frage der Leiharbeit. Dazu gehört aber genauso, wenn in Pakistan, in Indien oder in Bangladesch in Fabriken billige Kleider hergestellt werden – unter menschenunwürdigen Bedingungen ohne Arbeitsrechte."

Das zunehmende Ausmaß von Menschenhandel verlangt nach Meinung des Vorsitzenden der „Kommission Weltkirche" ein deutlicheres Einschreiten in vielen europäischen Ländern. Er beklagt, dass die im Jahr 2011 verabschiedete „EU-Richtlinie zur Bekämpfung des Menschenhandels", die durchaus positive Impulse aufweise, in vielen beteiligten Ländern bis heute nicht zum nationalen Recht wurde.

„Die Richtlinie der EU fordert, dass Menschenhandel als Verbrechen stärker deklariert und dann auch bestraft wird. Diese Richtlinie ist noch nicht in allen Ländern umgesetzt worden, auch in Deutschland nicht. Die Länder müssen das in ihre eigene Gesetzgebung einbringen und dann auch darüber wachen, dass diese Gesetze eingehalten werden – und wenn nicht entsprechende Strafen folgen."

Ein besonderes Anliegen ist dem Erzbischof, jede Form von Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung zu unterbinden. Das Engagement der Caritas in Osteuropa zeige, wie wichtig es sei, junge Frauen dafür zu sensibilisieren – damit sie gar nicht erst in die Fänge von Menschenschleppern geraten. Auch in Deutschland dränge das Thema: Seitdem das Prostitutionsgesetz von 2001 in Kraft getreten ist, das die rechtliche Stellung von Prostituierten gesetzlich regelt, sei es für die deutsche Caritas schwieriger geworden, Prostitution grundsätzlich als menschenunwürdig kenntlich zu machen. Schick dazu:

„Die Politik hat Gesetze gemacht, die die Würde und auch die Rechte der Frauen, die leider Gottes in diesem Gebiet tätig sind, nicht genügend schützt. Das Gesetz von 2001 ist inzwischen von allen als veränderungsbedürftig erachtet worden. Die Kirche sagt, Prostitution soll insgesamt unterbunden werden. Der Staat muss Gesetze erlassen, die diesem Ziel möglichst nahe kommen."

Bei der Tagung in Würzburg waren sich alle Teilnehmer darin einig, künftig tatkräftiger gegen Sklaverei und Menschenhandel vorzugehen und dabei auch Politiker mit ins Boot zu holen:

„Wir haben eine Resolution verfasst, einhellig mit allen ungefähr 140 Akteuren im weltkirchlichen Bereich. Um es schlagwortartig zu sagen geht es darum: Die Bevölkerung sensibilisieren, damit sie auf Menschenhandel aufmerksam wird und mithilft, dass er unterbunden wird. Das andere ist, dass wir Organisationen der Kirche unterstützen, die gegen Menschenhandel agieren – und zwar sowohl in Afrika, Asien, Lateinamerika, als auch bei uns. Dass wir sie ideell und finanziell noch mehr unterstützen. Hier in Europa werden solche Stellen auch staatlich gefördert, und wir fordern, dass der Staat sie noch stärker fördert, damit sie noch aktiver werden können. Wir haben uns auch verpflichtet, mit den Politikern ins Gespräch zu kommen, um Gesetze mitzuerwirken, die den Menschenhandel unterbinden." (rv)

Vatikan fordert härtere Strafverfolgung gegen Kirchen-Vandalismus

VatikanfahneVandalismus gegen Kirchen und Friedhöfe soll härter verfolgt werden. Das fordert der vatikanische Rat „Justitia et Pax" in einer Stellungnahme vom Dienstag. Beleidigende Schmierereien und beschädigte oder umgestürzte Grabsteine seien nicht „harmlose Handlungen von verantwortungslosen Teenagern oder geistig verwirrten Personen", sondern müssten als „Hassbotschaft und Hassverbrechen gegen Christen" eingestuft werden, hieß es in der Stellungnahme des Sekretärs des päpstlichen Menschenrechtsrates, Bischof Mario Toso. Die Erklärung gab den Redebeitrag Tosos bei der OSZE-Konferenz vom 21. Mai in Tirana wieder. Zugleich beklagte der Menschenrechtsbeauftragte eine wachsende „Intoleranz im Namen von Toleranz". Öffentliche religiöse Beiträge zu moralischen Fragen zu verweigern, sei „intolerant und antidemokratisch". (rv)

China: Situation der Christen ist vielen nicht ausreichend bewusst

ChinaAm vergangenen Freitag wurde der Gebetstag für die Christen in China begangen. Papst Franziskus hatte im Vorfeld zu Gebet für die Glaubensbrüder in dem kommunistisch geprägten Land aufgerufen und am Donnerstag einen Tweet abgesetzt, in dem er die chinesischen Christen in neun Sprachen dem Schutz der Muttergottes von Sheshan anvertraute. An ihrem Festtag hatte Papst Benedikt XVI. im Jahr 2007 den Gebetstag für die oft bedrängten Christen Chinas eingeführt. Wie es um die Christen aktuell in China steht, erklärt Savio Hon Tai-Fai, der Sekretär der Kongregation für die Evangelisierung der Völker, im Interview mit Radio Vatikan:

„Die verschiedenen Gemeinschaften haben große Schwierigkeiten, ihre katholische Identität zu behalten. Ich spreche hierbei nicht nur von der Untergrundkirche, sondern auch von der offiziell durch den chinesischen Staat anerkannten. Die zweite Schwierigkeit betrifft die Religionsfreiheit, denn die Mehrheit der Katholiken verehrt den Papst und hat den Wunsch nach Gemeinschaft mit dem Nachfolger des Apostels Petrus. Doch dieser Wunsch, auch eine sichtbare Verbindung mit dem Papst zu haben, wird beschnitten."

Der Gebetstag wurde von Papst Benedikt eingeführt, um die Situation der Christen in China ins Bewusstsein der anderen katholischen Gemeinschaften zu rücken und den Chinesen selbst gleichzeitig die Gewissheit zu vermitteln, dass ihre Glaubensbrüder weltweit an sie und ihre schwierige Situation denken. Der Tag sei vor allem aus zwei Gründen wichtig, so der Sekretär der Missionskongregation:

„Der erste ist die Gemeinschaft mit der Kirche, die nicht auf einen Ort beschränkt ist; die Gemeinschaft betrifft die Universalkirche und in diesem Zusammenhang hat Papst Franziskus eine wichtige Rolle. Das zweite, was uns dieser Tag vermittelt, ist die Wichtigkeit des Gebetes."

Wie sehr die chinesischen Katholiken die Einrichtung eines eigenen Gebetstages für sie schätzen, geht aus den Worten des italienischen PIME-Missionars Gianni Criveller hervor. Er lebt und wirkt seit 23 Jahren in China:

„Meiner Ansicht nach handelt es sich um einen sehr wichtigen Termin, sehr wertvoll, auch wenn der Universalkirche die gravierende Situation der katholischen Kirche in China noch nicht ausreichend bekannt und bewusst ist. Für die chinesischen Katholiken hingegen ist dieser Tag besonders bedeutsam, seit Benedikt ihn im Jahr 2007 eingerichtet hat. Er konzentriert sich vor allem auf das Nationalheiligtum von Sheshan in Shanghai."

Insbesondere im Marienmonat Mai träfen sich im Heiligtum der Muttergottes von Sheshan, dem wichtigsten Marienwallfahrtsort Chinas, zahlreiche Katholiken aus den beiden katholischen Kirchen, die es im Land gibt. Bereits die Existenz dieser zwei Kirchen macht die schwierige Situation der chinesischen Katholiken deutlich: sie sind aufgespalten in eine offizielle, staatstreue Kirche und in eine Untergrundkirche. Doch diese Unterschiede zerfließen angesichts des Gebetstages für die Christen, der der Einheit der Kirche in China und der Universalkirche gewidmet ist und an dem sich die Gedanken aller Katholiken, so der Missionar, dem Heiligtum zuwendeten. (rv)

Papst bekommt von Schriftsteller-Witwe Borges-Gesamtausgabe

Kardinal Gianfranco RavasiDie Witwe des argentinischen Schriftstellers Jorge Luis Borges (1899-1986) hat dem Papst eine Gesamtausgabe der Werke ihres Mannes geschenkt. Das berichtet die Vatikanzeitung „L´Osservatore Romano" in der Sonntagsausgabe. Der vatikanische Kultur-Beauftragte Kardinal Gianfranco Ravasi überreichte dem Papst die Werke im Auftrag von Maria Kodama am Samstag während einer Audienz. Borges ist einer der bekanntesten Vertreter der spanischsprachigen Literatur der Gegenwart. Kennzeichnend für seine Erzählungen sind metaphysische Spekulationen sowie fantastische Elemente. Zu seinen bekanntesten Werken gehören die erstmals 1935 unter dem Titel „Universalgeschichte der Niedertracht" veröffentlichten Erzählungen. Der heutige Papst hatte Borges Mitte der 60er Jahre als Professor für Literatur und Psychologie eingeladen, am Kolleg der Imaculata in Santa Fe einen Kurs über südamerikanische Literatur abzuhalten. (rv)

Italien: Don Puglisis Seligsprechung unterstützt Kampf gegen die Mafia

Rund 100.000 Gläubige haben an diesem Samstag in Sizilien an der Seligsprechung für Don Giuseppe Puglisi teilgenommen – einem Priester, der sich dem Kampf gegen die organisierte Kriminalität verschrieben hatte und sich besonders um Straßenkinder kümmerte. Die Mafia ermordete Don Puglisi am 15. September 1993 – genau an seinem 56. Geburtstag. Fünf Jahre später wurde der Seligsprechungsprozess eingeleitet; Papst Benedikt XVI. verabschiedete das Seligsprechungsdekret aufgrund des Martyriums „aus Hass gegen den Glauben" am 28. Juni 2012. Als Vertreter des Papstes war Kardinal Salvatore de Giorgi bei der Zeremonie anwesend. Radio Vatikan hat kurz vor seiner Reise nach Sizilien mit ihm gesprochen:

„Die Seligsprechung von Don Puglisi aufgrund seines Martyriums für den Glauben bedeutet ein Geschenk Gottes, wichtig für ganz Sizilien und darüber hinaus nicht nur für die Insel. Die Anerkennung seines Martyriums durch die Kirche ist auch ein Gütesiegel für die ewige Gültigkeit seiner Botschaft: Mit der Stimme des Blutes ruft er uns alle zu Mut, Kohärenz und Kraft auf, zu ‚heiliger Kühnheit’ – im Priesteramt genauso wie in jedem Dienst an der Kirche. Er betont den Triumph des Guten über das Böse und über alle Aggressionen und Perversionen des Bösen. Das gilt ganz besonders dann, wenn es sich – so wie dies bei der Mafia der Fall ist – um eine perverse Struktur der Sünde gegen die Menschlichkeit und gegen das Evangelium handelt. Besonders hinterhältig und gefährlich dabei ist, dass die Mafia sich auch noch mit religiösen Zeichen und Bezügen umgibt."

Don Puglisi war als Priester vor allem für seinen Einsatz mit Straßenkindern bekannt, für die er auch das „Zentrum Vater Unser" gegründet hatte. Mit seiner leisen, aber sehr wirksamen seelsorgerischen Arbeit habe er viele junge Leute vor den Verführungen des Bösen bewahrt. Der organisierten Kriminalität sei das ein Dorn im Auge gewesen, so dass sie ihn schließlich aus Hass auf den Glauben umbringen ließ. Kardinal de Giorgi ist überzeugt: Don Giuseppe Puglisis Seligsprechung ist eine große Unterstützung im Kampf gegen die Mafia.

„Auch 20 Jahre nach seiner frevelhaften Ermordung erhebt Don Puglisi noch seine Stimme. Es geht darum, ein Gewissen und Respekt vor den Menschen zu haben, gegenseitige Liebe spüren zu können, den Geschmack der Solidarität und den Sinn der Legalität zu spüren, sowie verzeihen zu können. So lässt sich jede Form von Gewalt, Übergriffen und Zusammenarbeit mit der Kriminalität besiegen. Es gibt diesbezüglich noch einige alte Wunden, die noch nicht verheilt sind. Aber die Stimme von Don Puglisi erreicht die Christen und erinnert sie daran, dass wir heute das Evangelium bezeugen müssen wie nie zuvor."

Don Puglisi erinnere die Eltern daran, ihre Kinder im Sinne des Guten zu erziehen, gerade in einer Zeit von Drogen, sozialer Ausbeutung, sexueller Gewalt und weit verbreiteten Versuchungen des organisierten Verbrechens. Doch nicht nur die Eltern seien gefordert:

„Don Puglisis Stimme spricht auch zu allen, die politische Verantwortung tragen und fordert sie auf, sich besonders die Stadtviertel, die Probleme haben, zu Herzen zu nehmen und nach einer Lösung zu suchen. So, wie er selbst es auch für sein Viertel tat, wo seine Träume bis heute allerdings noch nicht ganz realisiert werden konnten. Die Stimme von Don Puglisi richtet sich aber auch, und ich würde sogar sagen, vor allem, an die Kriminellen – er sagt ihnen, dass Jesus sein Blut vergossen hat, um sie von ihren Sünden zu befreien. Das Lächeln, mit dem Don Puglisi zu seinem Killer sagte: ‚Ich habe damit gerechnet’, ist eine Aufforderung, entschieden umzukehren, sich zu Gott zu bekehren." (rv)

Vatikan: Pilger-Paket für Papst Franziskus

WJT Rio2013Zwei Monate vor dem Weltjugendtag in Rio de Janeiro ist Papst Franziskus für die Großveranstaltung gerüstet: Am Freitag erhielt er vom Erzbischof der brasilianischen Metropole, Orani João Tempesta, als Erster das Pilger-Paket, das auch jeder Teilnehmer am Weltjugendtag bekommen wird. Für seine erste Auslandsreise Ende Juli hat Franziskus damit schon jetzt einen Rucksack, ein T-Shirt, eine Kappe, eine Trinkflasche und den Pilgerführer, die im Pilger-Paket enthalten sind. Aktuell werde das große Gelände für die Abschlussmesse in Guaratiba vorbereitet. Vier Millionen Menschen würden als Teilnehmer der Messe am 28. Juli erwartet, so der Erzbischof gegenüber Radio Vatikan. (rv)

Wenn Forschung und Glaube aufeinandertreffen: Astronomen in Castel Gandolfo

CastelgandolfoWer kennt es nicht? Castel Gandolfo, bekannt für die hier gelegene Residenz des Papstes, in die er sich alljährlich im Sommer zurück zieht. Aber es ist nicht nur der Papst, den es immer wieder in die Albaner Berge zieht. Denn zu seiner Anlage gehört auch die Vatikanische Sternwarte, in der ein ausgewähltes Team von Astronomen das Universum erforscht. Zuletzt kamen rund 25 Wissenschaftler aus der ganzen Welt in die Sternwarte des Papstes, um sich ausschließlich mit dem Sternbild Cygnus zu befassen. Eine solche Herangehensweise war für die teilnehmende Astrophysikerin Nikola Schneider neu:

„Um Sternentstehung zu verstehen, ist es eine neue Art, dass man sich nur auf eine Region konzentriert und diese versucht, ganz zu verstehen – und dadurch dann extrapoliert auf die gesamte Milchstraße und auf die gesamte Art und Weise, wie Sterne entstehen. Wir wissen, dass sich Sterne aus Molekülwolken bilden, die überall am Himmel verteilt sind und sich dadurch Sterne formen. Aber man weiß nicht genau, wie das funktioniert."

Für weitere Erkenntnisse in der Sternentstehung kam auch Hans Sennecker in die Vatikanische Sternwarte – und zwar aus Kalifornien, womit er unter den Teilnehmern den längsten Anfahrtsweg hatte.

„Wir wissen erst seit vielleicht 50 Jahren, dass Sterne überhaupt entstehen. Das heißt also, wir leben in einer besonderen Zeit, weil wir lange Zeit keine Ahnung hatten, was da eigentlich abläuft. Aber jetzt, mit den modernen Beobachtungstechniken können wir Dinge verstehen, an die wir nicht im Traum gedacht haben."

Die beiden Astronomen sind sich einig: Für sie ist es ein Glück, in einer Zeit forschen zu können, in der man technisch so vielseitige Möglichkeiten hat. Früher war der einzige Anhaltspunkt der Blick durch das Teleskop in den Himmel:

„Die Anfänge gehen natürlich auf die Optik zurück – der Bezug zur Vatikanischen Sternwarte: Die ersten Teleskope im 17. Jahrhundert, Galilei und so weiter. Inzwischen muss man aber das gesamte Wellenlängenspektrum studieren. Aber Astronomie wurde schon früher gemacht. Gerade hier im Vatikan. Das wusste ich gar nicht, dass es so viele Teleskope gibt, dass so viele interessante Studien gemacht worden sind. Wir haben gestern Bücher gesehen aus dem 17. Jahrhundert, von Galileo, von Newton – das war für mich ein erhebender Moment. Und faszinierend war auch, dass ich Jesuitenbrüder gesehen habe, die Wissenschaftler sind."

Bruder Guy Consolmagno ist einer der Jesuitenbrüder, die vom Vatikan mit der Forschung in der Sternwarte betraut sind.

„Die Vatikanische Sternwarte geht auf die Kalenderreform von 1582 zurück. Sie ist eine der letzten traditionellen, nationalen Sternwarten, in der wir die Freiheit haben, Forschung zu betreiben, wo immer wir interessante Themen finden. Zum anderen arbeiten wir immer zusammen mit externen Forschern, als Teil der Wissenschaftsgemeinschaft – aber immer als Priester."

Die jüngste Tagung anlässlich des Sternbildes Cygnus ist das beste Beispiel dafür, wie offen und fortschrittlich die Jesuiten an der Vatikanischen Sternwarte heute arbeiten.

„Optisch sieht man das Sternbild Schwan, im Sommer oder im Herbst wunderbar am Himmel zu sehen – wie ein Kreuz. Insofern ist das gar nicht so dumm, das hier im Vatikan zu machen."

Dieser Gedanke kommt Hans Sennecker halb scherzhaft über die Lippen. Später greift er ihn aber noch einmal auf – in ernsthafterer Weise und in Erinnerung an ein Bild, dem er in der Vatikanischen Sternwarte begegnet ist.

„Ein Bild von Benedikt XVI., der einen Meteoriten in der Hand hält und sich anschaut. Er war ja sehr wissenschaftszugeneigt – und es gibt sicherlich keinen Widerspruch zwischen Wissenschaft und Glaube. Aber ich glaube, das muss jeder für sich selber entscheiden. Ich kenne viele Wissenschaftler, die sind tiefreligiös."

Auch Nikola Schneider ist die Frage nach dem Verhältnis von Glauben und Wissenschaft nicht unbekannt.

„Das ist eine Frage, der ich sehr oft begegne. Da ich Wissenschaftlerin bin, versuche ich immer Beweise zu finden, bevor ich etwas glaube. Jetzt habe ich aber im Gespräch mit vielen, vielen Leuten gemerkt, dass man das nicht so scharf trennen kann. Ich kann weder eine Existenz noch eine Nicht-Existenz Gottes beweisen. Deshalb denke ich, man muss mehr kommunizieren, man muss mehr wissen: Von der rationalen Seite her mehr Wissen vermitteln – und ich kann von den Menschen lernen, die glauben, und versuchen, mal einfach nur was zu glauben und zu akzeptieren."

Der Jesuitenbruder Guy Consolmagno hat diese Frage für sich längst beantwortet. Heute weiß er:

„Gute Katholiken und Christen sollten keine Angst haben vor Wissenschaft, sondern sie lieben – als einen Weg, Gott besser kennenzulernen." (rv)