Erzbischof Vigano veröffentlicht neues Schreiben (Bericht und vollständiger Wortlaut)

VATIKANSTADT – Erzbischof Carlo Maria Vigano hat eine Antwort auf Kardinal Marc Ouellet veröffentlicht. Darin widerspricht der ehemalige Nuntius in den USA der Aussage, der Heilige Stuhl habe nur von „Gerüchten“ über das Verhalten Theodore McCarricks gewusst, die nicht für Disziplinarmaßnahmen gegen den mutmaßlichen Straftäter ausgereicht hätten.

Vigano schreibt auch über „homosexuelle Korruption und moralische Feigheit“ in der Kirche. Er appelliert an Bischöfe und Priester, sich ebenfalls zu äußern.

Wie CNA Deutsch berichtete, hat Erzbischof Vigano in zwei Schreiben schwere Vorwürfe gegen Papst Franziskus, mehrere Kardinäle und hochrangige Kurienvertreter erhoben sowie Kardinal Marc Ouellet aufgefordert, die Akten im Fall McCarrick offenzulegen. In seiner Antwort kritisiert Ouellet zwar Vigano aufs Schärfste – bestätigt jedoch einen der zentralen Vorwürfe.

CNA Deutsch hat den vollen Wortlaut des auf den 19. Oktober 2018 datierten Schreibens von Erzbischof Vigano übersetzt.

Am Festtag der Nordamerikanischen Märtyrer

  1. Zeugnis abzulegen über die Korruption in der Hierarchie der katholischen Kirche war und ist für mich eine schmerzhafte Entscheidung. Aber ich bin ein alter Mann, der weiß, dass er dem Richter bald Rechenschaft über seine Taten und Unterlassungen ablegen muss, der Ihn fürchtet, der Körper und Seele in die Hölle werfen kann. Ein Richter, der, selbst in seiner unendlichen Barmherzigkeit, jedem Menschen Erlösung oder Verdammnis nach dem, was er verdient hat, bringen wird. In Erwartung der schrecklichen Frage dieses Richters — „Wie konntest du, der du die Wahrheit kennst, inmitten von Falschheit und Verderbtheit schweigen?“ — Welche Antwort könnte ich geben?
  2. Ich legte mein Zeugnis ab im vollen Bewusstsein, dass dieses viele bedeutende Persönlichkeiten alarmieren und bestürzen würde: Kirchenmänner, Mitbischöfe, Kollegen, mit denen ich gearbeitet und gebetet hatte. Ich wusste, dass sich viele verletzt und verraten fühlen würden. Ich erwartete, dass einige ihrerseits mich und meine Motive angreifen würden. Am schmerzhaftesten war mir, dass ich wusste, dass viele der unschuldigen Gläubigen durch das Schauspiel eines Bischofs, der Kollegen und Vorgesetzte bezichtigt, Amtsmissbrauch, sexuelle Sünden und schwere Pflichtverletzung begangen zu haben, verwirrt und verunsichert sein würden. Doch glaube ich, dass mein fortwährendes Schweigen viele Seelen in Gefahr bringen und sicherlich auch meine eigene [Seele] verdammen würde. Nachdem ich meinen Vorgesetzten und sogar dem Papst mehrmals über das abwegige Verhalten von Theodore McCarrick berichtet hatte, hätte ich die Wahrheiten, die mir bereits vorher bekannt waren, früher öffentlich verurteilen können. Wenn ich an dieser Verzögerung eine gewisse Verantwortung trage, dann bereue ich das. Diese Verzögerung war auf die Schwere der Entscheidung, die ich treffen würde, und auf das langwierige Bemühen meines Gewissens zurückzuführen.
  3. Mir wurde vorgeworfen, durch mein Zeugnis Verwirrung und Spaltung in der Kirche hervorgerufen zu haben. Für diejenigen, die glauben, dass es vor dem August 2018 keine nennenswerte Verwirrung und Spaltung gab, mag eine solche Behauptung vielleicht plausibel sein. Die meisten unparteiischen Beobachter wissen jedoch, dass es beides seit langem im Übermaß gegeben hat, wie es nun mal unvermeidlich ist, wenn der Nachfolger Petri bei der Ausübung seiner Hauptaufgabe fahrlässig verfährt, nämlich der Vergewisserung der Brüder im Glauben und in einer fundierten Morallehre. Wenn er dann die Krise durch widersprüchliche oder verwirrende Aussagen über diese Lehren noch verschlimmert, spitzt sich die Verwirrung zu.
  4. Deshalb habe ich gesprochen. Denn es ist dieses Schweigekomplott, dass in der Kirche großen Schaden angerichtet hat und weiterhin schadet — so vielen unschuldigen Seelen, der Berufung junger Priester, den Gläubigen im Allgemeinen. In Bezug auf meine Entscheidung, die ich mit meinem Gewissen vor Gott gefällt habe, nehme ich gerne jede brüderliche Zurechtweisung, jeden brüderlichen Rat, jede brüderliche Empfehlung und jede brüderliche Einladung an, in meinem Leben im Glauben und der Liebe zu Christus, zur Kirche und dem Papst voranzukommen.

Lassen Sie mich die Kernpunkte meines Zeugnisses wiederholen.

  • Im November 2000 informierte der Nuntius in den USA, Erzbischof Montalvo, den Heiligen Stuhl über das homosexuelle Verhalten von Kardinal McCarrick gegenüber Seminaristen und Priestern.
  • Im Dezember 2006 informierte der neue Nuntius in den USA, Erzbischof Pietro Sambi, den Heiligen Stuhl über das homosexuelle Verhalten von Kardinal McCarrick mit einem weiteren Priester.
  • Im April 2008 wurde ein Offener Brief von Richard Sipe an Papst Benedikt durch den Präfekten der Glaubenskongregation, Kardinal Levada, an Kardinalstaatssekretär Bertone weitergeleitet, in die weiteren Vorwürfe erhoben werden, dass McCarrick mit Seminaristen und Priestern geschlafen hat. Ich habe diesen einen Monat später erhalten, und im Mai 2008 habe ich selbst dem damaligen Substituten Erzbischof Fernando Filoni ein zweites Memorandum übermittelt, in dem ich über die Vorwürfe gegen McCarrick berichtete und Sanktionen gegen ihn forderte. Auch dieses zweite Memorandum erhielt keine Antwort.
  • Im Jahr 2009 oder 2010 erfuhr ich von Kardinal Re, [damals] Präfekt der Bischofskongregation, dass Papst Benedikt McCarrick angewiesen hatte, sein öffentliches Wirken einzustellen und ein Leben des Gebets und der Buße anzutreten. Nuntius Sambi überstellte McCarrick die Anweisungen des Papstes in einer Lautstärke, dass dies im Flur der Nuntiatur zu hören war.
  • Im November 2011 wiederholte Kardinal Ouellet, der neue Präfekt der Bischofskongregation, mir gegenüber, der ich der neue Nuntius in den USA war, die Sanktionen des Papstes für McCarrick, und ich selbst teilte sie McCarrick persönlich mit.
  • Am 21. Juni 2013, gegen Ende einer offiziellen Zusammenkunft der Nuntien im Vatikan, übte Papst Franziskus mir gegenüber mit einigen kryptischen Aussagen Kritik am Episkopat der USA.
  • Am 23. Juni 2013 traf ich Papst Franziskus persönlich in seiner Wohnung, um um Aufklärung zu bitten, und der Papst fragte mich: „il cardinale McCarrick, com’è (Kardinal McCarrick — was hältst du von ihm)?“– was ich nur als Vortäuschung von Neugierde interpretieren kann, um herauszufinden, ob ich ein Verbündeter von McCarrick war oder nicht. Ich erzählte ihm, dass McCarrick Generationen von Priestern und Seminaristen sexuell korrumpiert hatte und von Papst Benedikt angewiesen worden war, sich auf ein Leben voller Gebet und Buße zu beschränken.

Stattdessen genoss McCarrick weiterhin die besondere Wertschätzung von Papst Franziskus und erhielt von ihm neue Verantwortlichkeiten und Aufträge.McCarrick war Teil eines Netzwerks von Bischöfen, welche die Homosexualität vorantrieben und die Gunst von Papst Franziskus ausnutzten, um Bischofsernennungen zu beeinflussen, damit sie sich vor rechtlichen Konsequenzen schützen und das homosexuelle Netzwerk in der Hierarchie und in der Kirche insgesamt stärken konnten.Papst Franziskus selbst hat sich entweder an dieser Korruption beteiligt oder weiß, was er tut, und ist äußerst fahrlässig in seinem Versäumnis, sich dem zu widersetzen und es auszumerzen.

Ich habe vor Gott die Wahrheit meiner Behauptungen bezeugt, und niemand hat diese widerlegt. Kardinal Ouellet hat mir geschrieben, um mich für meine Frechheit zurechtzuweisen, das Schweigen gebrochen und solche schwerwiegenden Anschuldigungen gegen meine Brüder und Vorgesetzten erhoben zu haben, aber tatsächlich bestätigt er mit seiner Zurechtweisung meine Entscheidung, und rechtfertigt diese sowohl im Einzelnen wie insgesamt.

  • Kardinal Ouellet räumt ein, dass er mit mir über die Situation von McCarrick gesprochen hat, bevor ich nach Washington ging, um meinen Posten als Nuntius anzutreten.
  • Kardinal Ouellet räumt ein, dass er mir schriftlich die Bedingungen und Einschränkungen mitgeteilt hat, die Papst Benedikt McCarrick auferlegt hat.
  • Kardinal Ouellet räumt ein, dass diese Sanktionen McCarrick verboten haben, zu reisen oder öffentlich aufzutreten.
  • Kardinal Ouellet räumt ein, dass die Bischofskongregation schriftlich, zuerst durch Nuntius Sambi und dann noch einmal durch meine Person, McCarrick aufgefordert hat, ein Leben des Gebets und der Buße zu führen.

Was bestreitet Kardinal Ouellet?

  • Kardinal Ouellet bestreitet die Möglichkeit, dass Papst Franziskus an einem Tag, an dem er viele Nuntien traf und nur wenige Augenblicke mit einem jeden sprach, wichtige Informationen über McCarrick hätte aufnehmen können. Aber das war nicht meine Aussage. Meine Aussage ist, dass ich den Papst bei einem zweiten, privaten Treffen informiert habe, indem ich dessen eigene Frage über Theodore McCarrick beantwortete, der damals emeritierter Kardinalerzbischof von Washington war und eine prominente Persönlichkeit der Kirche in den USA, und dass ich dem Papst sagte, dass McCarrick seine eigenen Seminaristen und Priester sexuell korrumpiert habe. Kein Papst könnte das vergessen.
  • Kardinal Ouellet bestreitet, dass es in seinem Archiv Briefe von Papst Benedikt oder Papst Franziskus über Sanktionen gegen McCarrick gibt. Aber das war nicht meine Aussage. Meine Aussage war, dass sich in seinem Archiv wichtige Dokumente – unabhängig von deren Herkunft – befinden, die McCarrick belasten und dahingehend getroffene Maßnahmen dokumentieren, sowie andere Beweise für die Vertuschung seiner Situation. Und dies bestätige ich noch einmal.
  • Kardinal Ouellet bestreitet, dass in den Akten seines Vorgängers Kardinal Re „Audienz-Memoranden“ existieren, die McCarrick die bereits erwähnten Sanktionen auferlegen. Aber das war nicht meine Aussage. Meine Aussage ist, dass es andere Dokumente gibt: zum Beispiel eine Notiz von Kardinal Re, die nicht ex-Audientia SS.mi, unterzeichnet entweder vom Staatssekretär oder dem Substituten.
  • Kardinal Ouellet bestreitet, dass es falsch ist, die gegen McCarrick ergriffenen Maßnahmen als „Sanktionen“ darzustellen, die von Papst Benedikt erlassen und von Papst Franziskus aufgehoben wurden. Stimmt. Es handelte sich rein technisch nicht um „Sanktionen“, sondern um Maßnahmen, „Bedingungen und Einschränkungen“. Spitzfindig darüber zu debattieren, ob es sich um Sanktionen, Maßnahmen oder etwas anderes handelte, ist reiner Legalismus. Aus pastoraler Sicht sind sie alle genau das gleiche.

Kurzum: Kardinal Ouellet räumt die wichtigen Aussagen ein, die ich gemacht habe und auch weiterhin mache, und er bestreitet Aussagen, die ich nicht mache und nie gemacht habe.

In einem Punkt muss ich absolut widerlegen, was Kardinal Ouellet geschrieben hat. Der Kardinal erklärt, dass der Heilige Stuhl nur von „Gerüchten“ Kenntnis hatte, die nicht ausreichten, um Disziplinarmaßnahmen gegen McCarrick zu rechtfertigen. Ich behaupte dagegen, dass der Heilige Stuhl von einer Vielzahl konkreter Tatsachen Kenntnis hatte und im Besitz von Dokumenten ist, und dass die Verantwortlichen sich dennoch entschieden haben, nicht einzugreifen oder daran gehindert wurden. Entschädigung der Erzdiözese Newark und der Diözese Metuchen an die Opfer des sexuellen Missbrauchs von McCarrick, die Briefe von Pater Ramsey, der Nonnen Montalvo im Jahr 2000 und Sambi im Jahr 2006, von Dr. Sipe im Jahr 2008, meine beiden Memoranden an die Vorgesetzten des Staatssekretariats, welche die konkreten Vorwürfe gegen McCarrick ausführlich beschrieben haben; sind das alles nur Gerüchte? Es handelt sich um offizielle Korrespondenz, nicht um Klatsch und Tratsch aus der Sakristei. Die gemeldeten Verbrechen waren sehr schwerwiegend, einschließlich des Versuchs, Komplizen bei perversen Handlungen die sakramentale Absolution zu erteilen, mit anschließender sakrilegischer Feier der heiligen Messe. Diese Dokumente belegen die Identitäten der Täter und ihrer Beschützer sowie die zeitliche Abfolge der Fakten. Sie werden in den entsprechenden Archiven aufbewahrt; es sind keine außergewöhnlichen Ermittlungsverfahren erforderlich, diese ausfindig zu machen.

In den öffentlichen Zurechtweisungen meiner Person habe ich zwei Unterlassungen festgestellt, zwei tragische Fälle des Verschweigens. Das erste, was verschwiegen wird, ist die Not der Opfer. Das zweite betrifft den eigentlichen Grund, warum es so viele Opfer gibt, nämlich den korrumpierenden Einfluss der Homosexualität im Priestertum und in der Hierarchie. Was den ersten betrifft, so ist es erschreckend, dass inmitten all der Skandale und Empörungen so wenig über die Menschen nachgedacht werden sollte, die durch diese Sexualverbrechen geschädigt wurden und welche jene verübt haben, die zu Dienern des Evangeliums bestellt waren. Es geht hier nicht darum, Rechnungen zu begleichen oder über die Unbeständigkeit kirchlicher Laufbahnen zu schmollen. Es geht nicht um Politik. Es geht nicht darum, wie Kirchenhistoriker dieses oder jenes Papsttum bewerten werden. Es geht um Seelen. Die ewige Erlösung vieler Seelen stand – und steht weiterhin – auf dem Spiel.

Was den zweiten Umstand betrifft, der verschwiegen wird: Diese sehr schwere Krise kann nicht angemessen angegangen und gelöst werden, wenn wir nicht die Dinge bei ihrem wahren Namen nennen. Dies ist eine Krise aufgrund der Geißel der Homosexualität, ihrer Akteure, ihrer Motive, ihres Widerstands gegen Reformen. Es ist keine Übertreibung zu sagen, dass Homosexualität zu einer Plage im Klerus geworden ist, und sie kann nur mit spirituellen Waffen ausgemerzt werden. Es ist eine enorme Heuchelei, den Missbrauch zu verurteilen, zu behaupten, man weine um die Opfer, und sich dennoch zu weigern, die Grundursache für so viel sexuellen Missbrauch anzugeben: die Homosexualität. Es ist Heuchelei, sich zu weigern, zuzugeben, dass diese Geißel auf eine schwere Krise im geistlichen Leben des Klerus zurückzuführen ist, und nicht die notwendigen Schritte zu unternehmen, diese zu beseitigen.

Zweifellos gibt es schürzenjagende Geistliche, und zweifellos schädigen sie auch ihren eigenen Seelen, den Seelen derjenigen, die sie verderben, und der Kirche insgesamt. Aber diese Verletzungen des priesterlichen Zölibats beschränken sich in der Regel auf die unmittelbar betroffenen Personen. Schürzenjagende Geistliche rekrutieren in der Regel keine anderen Schürzenjäger, bemühen sich nicht darum, diese zu fördern, und vertuschen deren Missetaten nicht – während die Beweise für homosexuelle Absprachen mit seinen tiefen Wurzeln, die so schwer auszumerzen sind, überwältigend sind.

  • Es ist allgemein bekannt, dass homosexuelle Täter das kirchliche Privileg zu ihrem Vorteil ausnutzen. Aber zu behaupten, die Krise selbst sei Klerikalismus, ist reine Sophisterei. Da wird so getan, als ob ein Mittel zum Zweck, ein Instrument, tatsächlich das Hauptmotiv wäre.
  • Die Verurteilung der homosexuellen Korruption und der moralischen Feigheit, die sie gedeihen lässt, findet in unserer Zeit keine Zustimmung, auch nicht in den höchsten Ebenen der Kirche. Es überrascht mich nicht, dass ich, wenn ich auf diese Plagen aufmerksam mache, der Untreue gegenüber dem Heiligen Vater bezichtigt werde und beschuldigt, eine offene und skandalöse Rebellion anzuzetteln.

Doch eine Rebellion würde bedeuten, andere zu drängen, das Papsttum zu stürzen. Ich fordere nichts dergleichen. Ich bete jeden Tag für Papst Franziskus – mehr, als ich es je für die anderen Päpste getan habe. Ich bitte, ja flehe den Heiligen Vater aufrichtig an, sich seiner Pflichten zu erinnern, die er sich selbst aufgetragen hat, als er sein Amt als Nachfolger Petri antrat. Er nahm die Mission auf sich, seine Brüder zu stärken und alle Seelen in der Nachfolge Christi, im geistlichen Kampf, auf dem Weg des Kreuzes zu führen. Lasst ihn seine Fehler eingestehen, bereuen, seine Bereitschaft zeigen, dem Auftrag, den Petrus erteilt hat, nachzukommen, und lasst ihn nach der Bekehrung seine Brüder stärken (Lk 22,32).Abschließend möchte ich meinen Appell an meine Brüder Bischöfe und Priester wiederholen, die wissen, dass meine Aussagen wahr sind und die dies bezeugen können, oder die Zugang zu Dokumenten haben, welche die Angelegenheit zweifelsfrei belegen können. Auch ihr steht vor einer Entscheidung. Ihr könnt euch aus dem Kampf zurückziehen, das Komplott des Schweigens unterstützen und eure Augen vor der Ausbreitung der Korruption abwenden. Ihr könnt Ausreden, Kompromisse und Rechtfertigungen finden, die den Tag der Abrechnung verzögern. Ihr könnt euch mit der Lüge und der Illusion trösten, dass es einfacher sein wird, morgen die Wahrheit zu sagen, und dann am nächsten Tag, und so weiter.

Auf der anderen Seite könnt ihr euch entscheiden, den Mund aufzumachen. Ihr könnt Ihm vertrauen, der uns gesagt hat: „Die Wahrheit wird euch befreien.“ [Joh 8,32] Ich sage nicht, dass es einfach sein wird, sich zwischen Schweigen und Reden zu entscheiden. Ich fordere euch auf, darüber nachzudenken, welche Entscheidung ihr – auf eurem Sterbebett und dann vor dem gerechten Richter – nicht bereuen werdet, getroffen zu haben.

+Carlo Maria Viganò 19. Oktober 2018
Titularerzbischof von Ulpiana Festtag der
Apostolischer Nuntius Nordamerikanischen Märtyrer
(CNA Deutsch)

Papst Franziskus nimmt Rücktritt von Kardinal Donald Wuerl an

WASHINGTON, D.C. – Papst Franziskus hat am heutigen Freitag den Rücktritt Kardinal Donald Wuerl angenommen.

Bis ein neuer Erzbischof von Washington, DC ernannt ist, bleibt Wuerl kommissarisch im Amt als Apostolischer Administrator.

In einem heute CNA zugespielten Brief an Wuerl, schreibt Papst Franziskus dem Kardinal, sein Verzicht sei ein Zeichen der Verfügbarkeit und Fügsamkeit Wuerls „gegenüber dem Geist, der weiterhin in seiner Kirche handelt.“

Der heute 77 Jahre alte Wuerl hatte seinen Rücktritt – wie kirchenrechtlich vorgeschrieben – ursprünglich am 12. November 2015 mit Erreichen seines 75. Lebensjahres eingereicht.

Papst Franziskus erwähnte am heutigen Freitag, dass er am 21. September auch eine Anfrage von Wuerl mit der Bitte um Annahme des Rücktritts erhalten habe.

Wuerl war im Zuge des Falles McCarrick in den vergangenen Monaten massiv unter Druck geraten, wie CNA Deutsch berichtete – bis hin zu Demonstrationen von Katholiken vor seiner Residenz.

Im Brief vom 12. Oktober, in dem er den Rücktritt Wuerls annahm, verteidigt Franziskus den Kardinal gegen die teilweise scharfe Kritik, der er in den letzten Monaten ausgesetzt war.

„Du hast genügend Elemente, um deine Handlungen zu ‚rechtfertigen‘ und zu unterscheiden, was es bedeutet, Verbrechen zu vertuschen oder Probleme nicht zu lösen und einige Fehler zu machen.“

„Du hättest genügend Möglichkeiten, Dein Handeln zu ‚rechtfertigen‘ und dazwischen zu unterscheiden, was der Unterschied zwischen der Vertuschung von Verbrechen ist oder nicht mit einem Problem umzugehen, und einige Fehler zu machen“, so Franziskus.

Weil Wuerl jedoch „vornehm“ sei, habe er sich dazu entschieden, sich nicht so zu verteidigen, fährt der Papst fort und betont: „Darauf bin ich stolz und danke dir.“

„Dein Verzicht ist ein Zeichen deiner Verfügbarkeit und Fügsamkeit gegenüber dem Geist, der weiterhin in seiner Kirche handelt“

In einer Erklärung vom 12. Oktober schrieb Wuerl, dass „die Entscheidung des Heiligen Vaters, der Erzdiözese eine neue Leitung zu übertragen, es allen Gläubigen, Geistlichen, Ordensleuten und Laien ermöglichen kann, sich auf die Heilung und die Zukunft zu konzentrieren. Es erlaubt dieser Ortsgemeinde, voranzukommen.“

Wuerl weiter: „Noch einmal entschuldige ich mich für alle Fehler in der Vergangenheit und bitte um Verzeihung. Mein Rücktritt ist ein Weg, um meine große und beständige Liebe zu euch, den Menschen der Kirche in Washington, auszudrücken.“

Wieviel der nun zurückgetretene über den Fall McCarrick wirklich wußte – der mutmaßliche Kinderschänder und Sextäter McCarrick war Vorgänger Wuerls als Erzbischof von Washington – ist nach wie vor unklar.

Der Mitte August veröffentlichte Untersuchungsbericht der Pennsylvania Grand Jury, der tausendfachen Missbrauch durch hunderte Geistliche dokumentierte, nannte Donald Wuerl über 200mal namentlich.

In einem Brief vom 11. September an Priester seiner Erzdiözese sagte Wuerl, dass er sich bald mit dem Papst treffen werde, um seine Zukunft zu besprechen, erklärte aber nicht sofort, dass er den Papst bitten werde, seinen Rücktritt anzunehmen. Ein Sprecher von Wuerl bestätigte gegenüber CNA am 12. September, dass der Kardinal beabsichtigte, Papst Franziskus formell zu bitten, ihn zur Annahme des Rücktritts zu bewegen.

Es wird allgemein angenommen, dass Wuerl hoffte, zumindest bis zur Herbsttagung der US-Bischofskonferenz im November in seiner Position zu bleiben. Diese Sitzung wird sich voraussichtlich auf die durch sexuelle Gewalt, Missbrauch und Vertuschung ausgelöste Kirchenkrise konzentrieren, und Wuerl sollte eine aktive Rolle spielen.

Als Apostolischer Administrator wird Wuerl weiterhin die täglichen Aktivitäten der Erzdiözese leiten, darf aber keine größeren Änderungen vornehmen.

Hannah Brockhaus und Courtney Grogan trugen zur Berichterstattung bei. (CNA Deutsch)

Christus kam nur bis Pennsylvania

Warum die aktuelle Missbrauchskrise in den Vereinigten Staaten nicht nur Kardinäle betrifft, sondern auch den Papst in Rom.

Am 14. August präsentierte der Generalstaatsanwalt von Pennsylvania den Grand Jury-Bericht über die sexuellen Vergehen katholischer Priester in sechs Diözesen über einen Zeitraum von siebzig Jahren. Kurz darauf erhob CNN, dass nur noch etwa die Hälfte aller Amerikaner den Papst positiv einschätzen, während es im Vorjahr noch zwei Drittel waren. Was war passiert?

Der Untersuchungsbericht der Grand Jury war wohl nicht das Problem, denn der John Jay College of Criminal Justice Report von 2004 hatte bereits Missbrauchsfälle in ganz Amerika von 1950 bis 2002 untersucht. Das Spektrum der Verbrechen gegen Kinder und das Fehlverhalten seitens der Bischöfe sind in Amerika seither Allgemeinwissen, von anfänglicher Naivität, über unfassbare Inkompetenz bis hin zum vorsätzlichen Vertuschen.

Aus dem John Jay Report war zu erkennen, dass die Zahl der Fälle in den späten sechziger Jahren anstieg und in den Siebzigern den Höhepunkt erreichte. In den Achtzigern nahmen die Fälle weiter stetig ab und sanken in den Neunzigern wieder auf das Niveau der fünfziger Jahre. In den Neunzigern gingen zwar die meisten Missbrauchsmeldungen ein, aber der Großteil bezog sich auf Vorfälle aus den Dekaden zuvor. Der Höhepunkt öffentlicher Entrüstung hingegen wurde viel später, im Laufe der Enthüllungen durch den Boston Globe in 2002 erreicht. Kardinal Bernard Law, der die Empfehlungen der Bischofskonferenz für einen konsequenten und transparenten Umgang mit Vorwürfen nicht befolgt hatte, trat von der Leitung der Diözese Boston zurück. Die Bischöfe Amerikas adoptieren offiziell eine „Null Toleranz“-Politik, Täter durften nicht wieder als Seelsorger eingesetzt werden, auch nicht nach einer „Behandlung“.

Der Pennsylvania Jury Report bestätigte nun einen deutlichen Rückgang von Missbrauchsfällen, seit den 2002 implementierten Leitlinien. Aus der ersten Welle der Entrüstung hatte die amerikanische Kirchenhierarchie grundsätzliches Krisenmanagement gelernt: Dass seitens der Institution nur Reue, Zerknirschung und die Bitte um Vergebung artikuliert werden kann und verzerrende Nebeneffekte der Medienkampagne nur mit respektvollem Zeitabstand und von scheinbar unbeteiligten Beobachtern analysiert werden dürfen. Dass es sich bei etwa neunzig Prozent der zitierten Fälle nicht strikt um Pädophilie, also um Übergriffe auf vorpubertäre Kinder, handelte. Dass, trotz der erschreckenden Zahlen, sexueller Missbrauch Minderjähriger beim katholischen Klerus statistisch unter dem Durchschnitt der Gesamtbevölkerung liegt.

Obwohl die sexuellen Übergriffe katholischer Priester in den Medien am besten dokumentierten sind, haben die in der englischsprachigen Welt bekannt gewordenen Fälle von Fernsehstars, Politikern und Popsängern in der öffentlichen Meinung mittlerweile den Eindruck abgebaut, es sei vor allem der Zölibat, der die Pädophilie fördere. Die Zahlen widerlegen ohnehin den Mythos, dass zölibatäres Leben Kindesmissbrauch begünstige: pädophile Straftäter leben überwiegend in Partnerschaften.

In einem Punkt unterscheiden sich die katholischen Priester Amerikas statistisch dramatisch vom Rest der männlichen Bevölkerung: Während Männer im Allgemeinen wesentlich mehr weibliche Opfer missbrauchen, haben sich katholische Priester bisher an wesentlich mehr männlichen Opfern vergangen. Die Tatsache dass es sich bei den Missbrauchsfällen durch Priester im John Jay Report zu achtzig Prozent um homosexuelle Übergriffe auf männliche Teens handelte, beschäftigte bereits 2004 die Öffentlichkeit.

In Diskussionen um die Frage nach den Ursachen der Missbrauchskrise geht es also erneut um die Rolle von Homosexualität. Schenkt man den in katholischen Medien verbreiteten Einteilungen Glauben, dann halten „ultrakonservative Homophobe“ Homosexualität für das Hauptproblem, während Liberale wissen, dass der „Klerikalismus“ Schuld daran ist. Doch ganz so simpel lassen sich die Perspektiven nicht zuordnen, denn auch viele liberale Katholiken in den Vereinigten Staaten stimmen mit dem Soziologen Richard Snipes darin überein, dass die Zahlen es unmöglich machen, homosexuelle Neigung als Faktor in der Missbrauchskrise auszuschließen. Der leichtere Zugriff auf Jungen mag vor allem für Fälle in der Vergangenheit eine Rolle gespielt haben, aber auch in jüngerer Zeit scheint sich an der Proportion nichts geändert zu haben. Wichtig bleibt dabei, dass homosexuelle Neigung in den Fällen von genuiner Pädophilie, die fünf bis zehn Prozent der Missbrauchsfälle in den beiden Berichten ausmachen, gerade keine besondere Rolle spielt. Dass Homosexualität nicht zu Pädophilie führt, kann nicht oft genug gesagt werden, aber von einer Krise gleichgeschlechtlichen Missbrauchs an Teenagern zu sprechen, muss weder „homophob“ noch „ultrakonservativ“ sein, sondern ist zunächst einmal nur eine Artikulation der Zahlen in Worten. Dass die Pressekonferenz zum Jury Report auf dem Podium dennoch eine Gruppe überwiegend weiblicher Opfer zeigte, entging Beobachtern natürlich nicht.

Was nun aus dem Jury Report letztendlich Sprengstoff machte und eine kleine Popularitätskrise für den Papst verursachte, waren weder Enthüllungen noch Grundsatzdebatten, sondern das Timing seines Erscheinens. Erst kurz zuvor, Ende Juni, hatte die New York Times berichtet, dass es eine glaubwürdige Anschuldigung gegen Kardinal McCarrick von Washington gebe, er habe einen Minderjährigen sexuell missbraucht. Aus den Reaktionen auf diese Nachricht ging hervor, dass Kardinal McCarrick längst für seine homosexuellen Affären bekannt war und als „Uncle Ted“ ganze Reihen von Seminaristen und jungen Priestern belästigt hatte.

Diese Nachricht schlug nicht nur in der katholischen Kirche Amerikas kräftig ein, denn die Fallhöhe Kardinal McCarricks hatte sich über dessen Bischofssitz in der Hauptstadt Washington hinaus durch seine besondere Nähe zu Papst Franziskus nochmals gesteigert. Ende Juli trat McCarrick als Kardinal zurück. Anfang August löste der Papst mit der Änderung des Paragrafen zur Todesstrafe im Katechismus eine Debatte aus, die, wie vorauszusehen, vor allem Amerikas konservative Katholiken intensiv beschäftigte. Die McCarrick story schien damit gekappt.

Doch das Erscheinen des Jury Report machte auch McCarrick erneut zum Thema und Diskussionen um seine Rolle in Amerikas Kirche wurden spezifischer.

Aus manchem Kuriengeflüster war längst bekannt, dass die Kardinäle Blase Joseph Cupich und Joseph William Tobin nie auf den Listen der Bischofskongregation standen, sondern jeweils über McCarricks Empfehlung und auf direkte Anweisung des Papstes ernannt und umgehend zu Kardinälen gemacht worden waren. War dies nun endlich ein konkretes Beispiel jenes korrupten Netzwerkes, das Papst Franziskus eigentlich bekämpfen wollte?

Eine Woche später behauptete Erzbischof Carlo Maria Viganò, der ehemalige Nuntius in Amerika, Papst Franziskus habe mindestens seit 2013 gewusst, dass McCarrick serienmäßig Seminaristen belästigt habe. McCarrick sei trotzdem zum wichtigsten amerikanischen Berater des Papstes avanciert und tatsächlich für die Ernennungen von Cupich und Tobin verantwortlich gewesen.

Kardinal Cupich erklärte daraufhin, es sei nicht gut, den Vorwürfen Viganòs nachzugehen, der Papst habe von McCarricks sexuellen Übergriffen auf Seminaristen und Priester gewusst: „Der Papst hat eine wichtigere Agenda, er muss sich um andere Dinge kümmern, über die Umwelt sprechen, den Schutz der Migranten, und die Arbeit der Kirche weiter führen. Wir werden uns in dieser Sache nicht in die Ecke treiben lassen.“

Auch Kardinal Donald Wuerl, der Nachfolger McCarricks als Erzbischof von Washington, versuchte in einem Fernsehinterview mit dem englischsprachigen Vatikansprecher Thomas Rosica die Behauptungen Viganos herunterzuspielen: „Ich glaube nicht, dass wir hier eine riesige, riesige Krise haben.“

Der iranische Konvertit zum Katholizismus Sohrab Ahmari beanstandete in der New York Post, dass Kardinal Wuerl die Missbrauchskrise lediglich als Imageproblem behandele. „Barmherzigkeit“ ohne Wahrheit und Buße sei nicht mehr als Public Relations.

Wuerl hatte eine Webseite „The Wuerl Record“ einrichten lassen, die zeigen sollte, dass er keinen Missbrauch habe durchgehen lassen. Sie wurde umgehend wieder gelöscht und die Washington Post brachte unter dem Titel „Ein Blender im Kardinalshut“ detaillierte Hinweise darauf, dass der Kardinal Missbrauchstäter lediglich versetzte, einen Informanten für sein Schweigen bezahlte und einen Ring von Kinderpornos produzierenden Priestern geschützt habe.

So wurde der Jury Report zum Anlass für eine neue Diskussion über die Strukturen, Missbrauch zu verheimlichen. Das Phänomen, dass Vorgesetzte in Priesterseminaren und Diözesankurien den Nachwuchs rekrutieren und fördern, der ihre sexuellen Präferenzen teilt, ist in den Vereinigten Staaten gut dokumentiert und wird nun im Zusammenhang mit McCarrick und Wuerl offen diskutiert. Beide Kardinäle waren die Protegés homosexuell aktiver Mentoren, McCarrick wurde selbst zum Täter, Wuerl war immerhin in Missbrauchsvertuschung involviert. Die These Sipes scheint sich zu bewahrheiten, dass der Versuch, das eigene Fehlverhalten zu verbergen, zu einer Verheimlichungskultur unter sexuell aktiven Klerikern führe, in der keiner den ersten Stein werfen wolle, im Extremfall selbst dann, wenn ein Verdacht auf Vergehen gegen Minderjährigen bestehe.

Ob und wann der Papst über McCarricks homosexuelle Affären mit Seminaristen und Priestern informiert war oder sogar über die in der Diözese New York 2016 eingegangene Anklage, er habe einen Minderjährigen missbraucht, steht weiterhin offen. Der Papst erklärte, er werde darüber schweigen und umgehend zirkulierten Zitate aus seiner Predigt am Palmsonntag, als er den Jugendlichen zurief: „Ihr habt es in Euch, laut zu rufen“, während „ältere Leute, Personen in Führungspositionen, sehr oft die korrupten, lieber schweigen!“

Die Reaktionen einiger der engsten Alliierten des Papstes, wie Kardinal Oscar Rodriguez Maradiaga, oder auch die seines englischen Biographen, des Publizisten Austin Ivereigh, waren unmusikalisch robust: Wieso die Aufregung, mit der Ausnahme der neuesten Vorwürfe sei es bei McCarrick schließlich nur um einvernehmliche Affären mit Volljährigen gegangen. „Oder habe ich hier was verpasst?“, fragte Ivereigh auf Twitter.

Ein Fingerspitzengefühl für das Empfinden der amerikanischen Öffentlichkeit fehlte hier. Vor allem seit der durch Harvey Weinsteins casting couch ausgelösten #metoo-Kampagne überzeugt das „Einvernehmen” zwischen Bischöfen und Seminaristen so wenig wie die zwischen Filmmogulen und Schauspielschülerinnen, Firmenchefs und Praktikanten.

Der Journalist und Papstbiograph Phil Lawler fasst am besten zusammen, was Amerikas Katholiken seither verunsichert: Auch wenn der Papst nichts vom 2016 erstmals erhobenen Vorwurf des Missbrauchs Minderjähriger wusste, ist es denkbar, dass der Papst homosexuelle Affären mit Seminaristen nicht als Disqualifikation für Schlüsselpositionen in der Kirche hält?

Präzedenzfälle, meint Lawler, zeigen, dass diese Frage mit ja beantwortet werden muss, denn der Papst ernannte auch den von Skandalen geplagten Prälaten Battista Ricca zu seinem Vertrauensmann beim vatikanischen Geldinstitut IOR. Der meistzitierte Satz des Pontifikates, „Wer bin ich, darüber zu urteilen?“, fiel in der Antwort des Papstes auf die Journalistenfrage bei einer „fliegenden Pressekonferenz, ob Riccas homosexuelle Affären ihn nicht ungeeignet machten. Der Papst betonte damals, dass er die Grenze dort ziehe, wo es um Kriminalität gehe, denn Missbrauch von Kindern sei ein Verbrechen.

„Kann es sein, dass der Vikar Christi auf Erden einem Kardinal, der Seminaristen verführte, nicht nur verzeiht. sondern auch als vertrauten Berater zu Rate zieht?“ Lawler meint, es gebe keinen Grund, diese Vermutung zurückzuweisen. Auch im Fall des belgischen Kardinals Danneels, der einen befreundeten Missbrauchstäter schützte, schien der Papst das nicht weiter übel zu nehmen und berief ihn zur Familiensynode.

Außer Zweifel steht, dass der von Papst Benedikt marginalisierte McCarrick im Pontifikat von Franziskus zum einflussreichsten amerikanischen Kirchenmann wurde. Noch 2016 reiste er als inoffizieller Mittelsmann nach China, er setzte sich in US-Medien für einen Kompromiss mit der chinesischen Regierung ein, der mittlerweile trotz erneuter Repressalien gegen Katholiken in China zustande gekommen ist. Als Patenonkel des gerade unterzeichneten China-Deals bereitete er den Weg für die Legitimierung regierungsnaher Bischöfe, die wegen ihres Lebenswandels bisher nicht als geeignete Hirten galten. Dass er bei seinen Besuchen in Priesterseminaren der offiziellen Kirche abstieg, verleiht dem China-Abkommen im Blick auf die Vorwürfe gegen McCarrick eine peinliche Fußnote.

Die alte Regel, private Sünden nicht publik zu machen, solange kein Verbrechen vorliegt, war bis zu einem gewissen Punkt nachvollziehbar, doch in der Diskussion um Kindesmissbrauch verschiebt sich die Gewichtung der Kriterien. Dass kompromittierte Bischöfe weniger bereit sind, Missbrauch aufzudecken, ist kein irrationaler Verdacht, sondern geht aus den Erfahrungen der Vergangenheit hervor. Generationen systemischer Korruption haben hier unermesslichen Schaden angerichtet, und es ist unmöglich zu leugnen, dass Homosexualität dabei eine Rolle spielte. Nicht wegen einer Fixierung auf sexuelle Orientierung, sondern um der Opfer dieser Korruption willen sind die privaten Sünden des Kardinal McCarrick nun von Interesse.

Die Vermutung des in den Vereinigten Staaten lebenden Publizisten Andrew Sullivans, dass es die Unterdrückung von Homosexualität sei, die im katholischen Milieu zu Missbrauch führe, beruht auf einem hydraulischen Modell der Sexualität, das in der Freudschen Folklore seinen Platz hat, wissenschaftlich allerdings schwer zu belegen ist. Sullivan selbst ist bekennender Katholik und lebt in einer gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft. Kernpunkt seiner persönlichen Reaktion auf die Missbrauchsskandale ist die Annahme, dass keiner dieser Priester, die sich wiederholt an Kindern oder Minderjährigen vergehen, an das Evangelium glaube. Das gleiche gelte vermutlich für Bischöfe, die solche Männer schützen. Und damit setzt Sullivan alles auf eine Karte: Die Missbrauchskrise sei im Grunde eine Glaubenskrise.

Richtig ist sicher, dass der, der an Christus und seine Kirche und damit an die Heiligkeit und Wirksamkeit der Sakramente glaubt, im Krisenfall oft und aufrichtig beichtet und damit dauerhaft kein moralisches Doppelleben führen wird. Mit Zynismus und Heuchelei können wir dem Leib Christi, der Kirche, Wunden zufügen, die sie bis zur Unkenntlichkeit entstellen. Nur wer glaubt, kann sich dann noch sicher sein, dass es dennoch Christus ist, der seine Kirche nicht verlassen wird, bis ans Ende der Tage.

Zuerst erschienen im VATICAN-Magazin, Ausgabe 10 / 2018. Veröffentlicht bei CNA Deutsch mit freundlicher Genehmigung. (CNA Deutsch)

Kardinal Tobin sagt Teilnahme an Jugendsynode ab

WASHINGTON – Der Erzbischof von Newark hat angekündigt, dass er nicht an der Jugendsynode im Oktober teilnehmen wird.

Kardinal Joseph Tobin war von Papst Franziskus dazu persönlich eingeladen worden. Der Erzbischof begründete seine Absage mit „pastoralen Verpflichtungen“ in der Erzdiözese angesichts der Missbrauchskrise. Er habe dies dem Papst bereits mitgeteilt.

„Der Heilige Vater antwortete am nächsten Tag mit einer schönen pastoralen und mitfühlenden Botschaft. Er sagte mir, dass er versteht, warum ich in der Nähe von zu Hause bleiben muss, und er befreite mich von der Verpflichtung, nächsten Monat an der Synode teilzunehmen“, so Tobin in einem Hirtenbrief an die Katholiken seiner Diözese.

Tatsächlich ist das Erzbistum Newark – in dem dern mutmaßliche Sexualstraftäter Theodore McCarrick als Erzbischof wirkte – von mehreren Skandalen erschüttert worden, darunter Meldungen über homosexuelle Aktivitäten von Priestern der Diözese.

Kirchenkrise und Jugendsynode

Kardinal Tobin ist bereits der zweite Bischof, der seine Teilnahme an dem Treffen abgesagt hat. Vor einigen Tagen teilte der Jugendbischof der Niederlande, Rob Mutsaerts mit, dass er den Zeitpunkt der Synode für falsch hält angesichts der Kirchenkrise, wie CNA Deutsch berichtete.

Weitere US-Bischöfe, die teilnehmen werden, sind Kardinal Blase Cupich von Chicago, der ebenfalls von Papst Francis zum Teilnehmer ernannt wurde, sowie als Delegierte der Bischofskonferenz deren Vorsitzender und Stellvertreter, Kardinal Daniel DiNardo und Erzbischof José Gomez, sowie Erzbischof Charles Chaput, Bischof Frank Caggiano und Bischof Robert Barron. Erzbischof William Skurla, Leiter der Ruthenischen Erzdiözese von Pittsburgh, wird ex officio als Mitglied der Synode teilnehmen.

Am 19. September kündigte auch der von der Bischofskonferenz seines Landes gewählte niederländische Bischof Rob Mutsaerts an, dass er nicht an der Synode teilnehmen werde. (CNA Deutsch)

20 Jahre Fides et Ratio: „Katholiken brauchen Glaube und Vernunft, nicht neues Paradigma“

Ein Gespräch darüber, wie die aktuelle Wahrheitskrise der Katholischen Kirche schon vor 20 Jahren in dem „prophetischen Dokument“ konfrontiert wurde.

PHILADELPHIA – Anlässlich der am 14. September vor genau 20 Jahren erschienen Enzyklika Fides et Ratio des heiligen Johannes Paul II. hat Erzbischof Charles Chaput von Philadelphia einen Essay für die März-Ausgabe von „First Things“ veröffentlicht.

Der Aufsatz trägt den Titel „Believe that you may understand“ – ein Verweis auf die Worte des heiligen Augustinus, Crede ut intelligas: Glaube, um zu erkennen.

Chaput erklärt darin, warum er die Enzyklika des Jahres 1998 für ein prophetisches Dokument hält, gerade weil es „die Wahrheitskrise innerhalb der Katholischen Kirche konfrontiert“. Und er warnt vor „trendiger“ Theologie. Eine lebhafte Philosophie und gute Theologie dagegen bereicherten einander, so der Erzbischof: „Das Wissen um die Wahrheit vervielfältigt unsere Freiheit, zu lieben“.

Im Interview mit CNA (*) sprach er weiter über die Relevanz der Enzyklika für die heutige Zeit.

Was kann der Durchschnittskatholik von heute von Fides et Ratio lernen, 20 Jahre nach seiner Veröffentlichung?

Erstens, dass es nicht die Art von Text ist, die man wie die Sonntagszeitung überfliegen kann. Fides et Ratio zu lesen und zu absorbieren, das braucht Zeit. Die meisten Menschen konzentrieren sich zu Recht auf Dinge wie die Familie und den Lebensunterhalt. Viele gute Leute lesen es vielleicht nie. Aber das schmälert nicht seine Bedeutung für den durchschnittlichen Gläubigen.

Die wichtigste Botschaft von Fides et Ratio ist, dass klar zu denken lernen, mit der Kirche, in reifer und gut informierter Art, unverzichtbar ist. Dass dies genauso wichtig ist, wie unsere religiösen Überzeugungen tief zu empfinden. Gefühle allein reichen nicht aus, und das beeinflusst direkt, wie wir die Rolle des Gewissens verstehen.

Christlicher Glaube ist mehr als guter Wille und gute Absichten. Das Gewissen ist mehr als nur unsere persönliche, aufrichtige Meinung. Ein gesundes Gewissen bedarf einer gründlichen Ausbildung in den allgemein gültigen Wahrheiten der katholischen Gemeinschaft. Ohne diese kann das Gewissen sehr schnell zu einer Alibimaschine werden. Die Welt ist voller Komplexitäten. Die Fähigkeit, fundiert katholisch zu denken, auf eine Weise, die in der Lehre der Kirche verankert ist, ist unabdingbar notwendig.

Das Problem ist, dass wir jetzt seit mindestens zwei Generationen schlechte Katechese und sehr unzureichende Gewissensbildung gehabt haben. Wenn also gesagt wird, wir sollten die moralischen Entscheidungen von heute dem „reifen Gewissen“ der Menschen um uns herum überlassen, sollten wir vielleicht – im Idealfall – zustimmen, aber bevor wir das tun, müssen wir doch prüfen, was genau damit gemeint ist. Eine große Anzahl ansonsten erfolgreicher, mündiger Erwachsener, die sich selbst als katholisch betrachtet, hat seit der sechsten Klasse keine Glaubensbildung mehr gehabt. Die Wiederherstellung der Disziplin guter, katholischer, moralischer Argumentation ist dringend erforderlich.

Wenn sich jemand in einem kulturellen oder kirchlichen Umfeld wiederfindet, das von schlechter Philosophie und Theologie dominiert wird: wie sollte er oder sie damit umgehen?

Ignoriere den Unsinn, lies, beobachte und höre gutes katholisches Material an, und lebe deinen Glauben in Übereinstimmung mit dem, was die Kirche immer gelehrt hat. Diese Grundlagen gelten immer noch für Ehe, Sex, Ehrlichkeit und alles andere. Es gibt keine „neuen Paradigmen“ oder Revolutionen im katholischen Denken. Die Verwendung dieser Art von irreführender Sprache bringt nur Verwirrung in ein verwirrendes Zeitalter.

Und was, wenn wir uns in einer Umgebung mit guter Philosophie und Theologie befinden, wovor müssen wir uns schützen?

Vor Stolz und Selbstgefälligkeit, und den Segen von guten Lehrern und Pfarrern für selbstverständlich zu halten. Wir alle sind berufen, Missionare zu sein. Wir predigen Jesus Christus am besten, wenn wir unseren Glauben in der Nächstenliebe und Gerechtigkeit unserer täglichen Handlungen bezeugen.

Warum denken Sie, dass diese Probleme des Glaubens und der Vernunft in unserer Zeit so wiederkehren?

Wissenschaft und Technik können scheinbar – aber nur scheinbar – das Übernatürliche und Sakramentale unglaubwürdig machen. Die Sprache des Glaubens kann beginnen, fremd und irrelevant zu klingen. Deshalb verlieren wir so viele junge Menschen, bevor sie überhaupt an religiösen Glauben denken. Sie werden jeden Tag von einem Strom materialistischer Ablenkungen katechisiert, die Gott nicht widerlegen, Ihm gegenüber aber gleichgültig machen.

Die Kirche kämpft mit vielen Selbstzweifeln. In Zeiten rasanter Veränderungen ist das natürlich. Ich denke, viele Seelsorger und Gelehrte der Kirche haben einfach das Vertrauen in die Rationalität des Glaubens und die Verlässlichkeit von Gottes Wort verloren, ohne bereit zu sein, dies zuzugeben. Stattdessen flüchten sie sich in humanitäre Empfindsamkeiten und soziales Engagement. Aber du brauchst Gott für keines dieser Dinge, zumindest auf kurze Sicht. Auf lange Sicht ist Gott der einzige Garant für Menschenrechte und Würde. Also müssen wir unser Christentum – zutiefst, treu und streng – denken und auch fühlen.

Deshalb ist Fides et Ratio so wichtig. Es erinnert uns daran. (CNA Deutsch)

Kirchenkrise: Kardinal DiNardo führt „langes und fruchtbares“ Gespräch mit dem Papst

VATIKAN , Der Vorsitzende der US-Bischofskonferenz hat eine Bilanz des Treffens mit Papst Franziskus und führenden Vertretern der Kirche in den Vereinigten Staaten am 13. September gezogen. Nach der Privataudienz veröffentlichte DiNardo eine kurze Erklärung.

„Wir sind dem Heiligen Vater dankbar, dass er uns in der Audienz empfangen hat. Wir sprachen mit Papst Franziskus über unsere Situation in den Vereinigten Staaten – wie der Leib Christi durch das Böse des sexuellen Missbrauchs zerfetzt wird. Er lauschte sehr tief aus dem Herzen. Es war ein langer, fruchtbarer und guter Austausch.“

Begleitet wurde DiNardo, der Erzbischof von Galveston-Houston und Vorsitzender der USCCB ist, von seinem Stellvertreter, Erzbischof José Gomez von Los Angeles, sowie USCCB-Generalsekretär Msgr. Brian Bransfield.

Ebenfalls anwesend war Kardinal Séan O’Malley aus Boston, der als Präsident der Päpstlichen Kommission für den Schutz Minderjähriger fungiert und Mitglied des als „K9“ bekannten Beraterkreises vom Papst ausgewählter Kardinäle ist.

McCarrick und die Akten

DiNardo hatte öffentlich um das Treffen mit Franziskus gebeten, wie CNA Deutsch berichtete, um über die Missbrauchs- und Vertuschungssskandale zu sprechen, insbesondere den Fall von Erzbischof Theodore McCarrick.

Das Treffen folgt einer Reihe von Aufforderungen von Kommentatoren an Papst Franziskus, die Akten über Erzbischof McCarrick in Rom und die apostolische Nuntiatur in Washington, D.C., zu veröffentlichen.

Der Fall müsse transparent aufgeklärt werden, bitten unter anderem tausende Laien in mehreren Petitionen an den Papst.

Während die Erklärung keine Hinweise darauf enthielt, ob McCarricks Fall oder die Frage der Veröffentlichung der Akten während der Sitzung diskutiert wurden, hat DiNardo zuvor mehr Transparenz seitens der kirchlichen Behörden in Fragen des sexuellen Missbrauchs gefordert, insbesondere im Falle von Erzbischof McCarrick.

In der Erklärung von DiNardo heißt es, dass er sich zusammen mit Kardinal O’Malley, Erzbischof Gomez und Msgr. Bransfield darauf freue, weiterhin mit Papst Franziskus an der Lösung der Krise der Kirche in den Vereinigten Staaten zu arbeiten.

„Als wir die Audienz verließen, beteten wir gemeinsam den Angelus um Gottes Gnade und Kraft, während wir daran arbeiten, die Wunden zu heilen. Wir freuen uns darauf, unseren Wahrnehmungsprozess aktiv fortzusetzen und gemeinsam die effektivsten nächsten Schritte zu identifizieren.“

Anfang dieser Woche kündigte Papst Franziskus ein Sondertreffen mit allen Vorsitzenden der Bischofskonferenzen der Welt an, um über sexuellen Missbrauch Minderjähriger und Schutzbedürftiger in der Kirche zu diskutieren. Dieses Treffen wird voraussichtlich im Februar nächsten Jahres stattfinden. (CNA Deutsch)

Papst ruft neue Bischöfe zum Streben nach Heiligkeit auf

VATIKANSTADT – Die wichtigste Aufgabe der Bischöfe ist das Streben nach Heiligkeit und der Heiligung ihrer Ortskirchen mit voller Hingabe: Das sagte Papst Franziskus am gestrigen Donnerstag vor einer Gruppe von 130 neuen Bischöfen.

Franziskus sprach kurz vor seinem Treffen mit Kardinal Daniel DiNardo und weiteren Vertretern der US-Bischofskonferenz über die Lage dort angesichts der Kirchenkrise, die durch den jahrzehntelang systematisch durch Bischöfe vertuschten Missbrauch, sexuelle Nötigung und weiteres Fehlverhalten ausgelöst wurde.

Vor diesem Hintergrund rief der Pontifex die neuen Oberhirten auf, Heiligkeit als etwas zu verstehen, das keine „Buchhaltung“ der eigenen Tugenden darstelle, keinen Zeitplan für asketische Praktiken, kein Fastenplan oder „ein Fitnessstudio der persönlichen Anstrengung“ sei.

Vielmehr verknüpfte Franziskus das Streben nach Heiligkeit mit der Heilung der „Wunden ihrer Ortskirche“ und der Prüfung des eigenen Verhältnisses zu Gott – mit anderen Worten zur Bekehrung.

Der Papst warnte die Bischöfe konkret vor der Gefahr der Gottlosigkeit und rief sie auf, dahingehend ein besonderes Augenmerk auf ihre Geistlichen und Seminaristen zu werfen, und in der Auswahl geeigneter Priesteramtskandidaten. Franziskus wörtlich:

„Wir können nicht auf die Herausforderungen, die wir im Zusammenhang mit ihnen erleben, antworten, wenn wir nicht unsere Prozesse der Auswahl, Begleitung und Bewertung erneuern. Unsere Antworten werden ohne Zukunft sein, wenn sie nicht den geistlichen Abgrund erreichen, der in nicht wenigen Fällen skandalöse Schwächen möglich gemacht hat.“

Dieser „geistliche Abgrund“ sei durch „existenzielle Leere“ entstanden, so der Papst – mit anderen Worten Apostasie — und Franziskus forderte, es müsse untersucht werden, „warum Gott dermaßen zum Schweigen gebracht worden ist, warum er dermaßen aus dem Lebensstil entfernt werden konnte, als ob es ihn gar nicht gäbe“.

Der Papst – der in der Krise selber beschuldigt worden ist – sagte, es sei dabei kontraproduktiv, andere zu beschuldigen, berichtet „Vatican News“:

„Hier sollte jeder von uns in sein Innerstes hineinhorchen und sich fragen, was er tun kann, um das Antlitz der Kirche, die wir leiten, heiliger zu machen. Es bringt nichts, mit dem Finger auf andere zu zeigen, Sündenböcke zu produzieren, sich das Hemd zu zerreißen oder sich über die Schwächen der anderen auszulassen. Hier ist es nötig, zusammen und in Gemeinschaft zu arbeiten … und zur einfachen Freude des Evangeliums zurückzukehren.“

Zum Abschluss eines jährlich vom Vatikan organisierten Trainingskurses für neue Bischöfe verurteilte der Papst die Idee, dass die Position eines Bischofes mit „automatischen Privilegien“ verbunden sein könnte.

Die Bischöfe haben keine „Eigentumsrechte oder erworbenen Rechte“, sagte er. Mit Bezug auf Matthäus 13 und den „auf einem Feld vergrabenen Schatz“ sagte er, dass sie den Schatz ihres Dienstes „zufällig“ gefunden hätten und „alles verkaufen“ würden, um das Feld zu kaufen und zu schützen.

Bischöfe zu werden „ist nicht das Ergebnis einer rein menschlichen Prüfung, sondern eine Wahl von oben“ und der Dienst „erfordert keine zeitweilige Hingabe, Treue zu wechselnden Stufen, einen selektiven Gehorsam, nein“. Sagte er: „Ihr seid aufgerufen, euch Tag und Nacht zu verzehren.“

Gott in den Mittelpunkt stellen

Der Papst sagte den Bischöfen, dass ihre Identität als Bischöfe ein Geschenk Gottes sei und aus der richtigen Perspektive betrachtet werden müsse. Er bat sie, Gott in den Mittelpunkt ihres Lebens zu stellen.

„Er ist derjenige, der alles fordert, aber dafür das Leben in Fülle anbietet“, sagte er.

Er forderte sie auf, sich angesichts dunkler Zeiten oder Schwierigkeiten nicht entmutigen zu lassen, sondern sich zu trösten, dass das Schicksal der Kirche in Gottes Händen liege.

„Das Schicksal der Kirche, der kleinen Herde, ist siegreich im Kreuz des Sohnes Gottes verborgen. Unsere Namen sind in Sein Herz eingraviert – in Sein Herz“, sagte er.

Er lobte Amtsträger und geweihte Männer, die beharrlich Gutes tun, auch wenn es nicht „das Thema von Blogs ist und auch nicht auf die Titelseiten gelangt“.

Diese Menschen, sagte er, „glauben und predigen weiterhin mutig das Evangelium der Gnade und Barmherzigkeit an Menschen, die nach Gründen dürsten, zu leben, zu hoffen und zu lieben“. Sie haben keine Angst vor den Wunden Christi, die durch die Sünde oder durch „Söhne der Kirche“ verursacht werden.

Der Pontifex verurteilte erneut den überzogenen Individualismus und die Gleichgültigkeit gegenüber anderen.

„Haltet Euren Blick nur auf den Herrn Jesus gerichtet und gewöhnt Euch an sein Licht, und wisst, wie man unaufhörlich [das Licht] sucht, auch dort, wo es gebrochen wird, sogar durch demütige Schimmer“, ermutigte er.

Hannah Brockhaus trug zur Berichterstattung bei. (CNA Deutsch)

Gespräch über Rücktritt: Wuerl trifft Papst Franziskus

WASHINGTON, D.C. – Kardinal Donald Wuerl von Washington hat den Priestern seines Erzbistums mitgeteilt, er werde sich bald mit Papst Franziskus treffen, um seinen Rücktritt zu besprechen.

In einem auf den 11. September datierten Brief an den Klerus der Erzdiözese Washington schreibt Wuerl, dass eine Entscheidung über seine zukünftige Rolle in der Erzdiözese „ein wesentlicher Aspekt“ sei, damit die Kirche auf diözesaner Ebene vorankomme.

„Ich beabsichtige, in naher Zukunft nach Rom zu reisen, um mit unserem Heiligen Vater über den Rücktritt zu sprechen, den ich vor fast drei Jahren, am 12. November 2015, angeboten habe.“

Wuerl reichte bereits 2015 seinen altersbedingten Rücktritt – wie in der Kirche üblich – mit Erreichen seines 75. Lebensjahres ein.

Ob dieser angenommen wird, entscheidet dann der Papst.

In den letzten Monaten ist Franziskus immer stärker unter Druck geraten, Wuerl aus seinem Amt ausscheiden zu lassen.

Im Juni 2018 wurde Wuerls Vorgänger in Washington, Erzbischof Theodore McCarrick, öffentlich beschuldigt, in den 1970er Jahren einen Teenager sexuell missbraucht zu haben. Als weitere Anschuldigungen öffentlich erhoben wurden, unter anderem, dass McCarrick jahrzehntelang Seminaristen sexuell belästigt, genötigt und missbraucht hat, wurde auch die Frage, was Wuerl – und andere Kirchenmänner über die mutmaßlichen Verbrechen seines Vorgängers wusste, immer lauter gestellt.

Noch lauter wurden die Rücktrittsforderungen nach Veröffentlichung des Untersuchungsberichts der Grand Jury in Pennsylvania am 14. August. Wie CNA Deutsch berichtete, wird darin Wuerl vorgeworfen, fahrlässig mit Priestern umgegangen zu sein, die während seiner Zeit als Bischof von Pittsburgh des sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen beschuldigt wurden. In einem Fall wurde einem des sexuellen Missbrauchs beschuldigten Priester nicht nur erlaubt, in eine andere Diözese zu wechseln – man bestätigte ihm auch die Eignung als Priester.

Als dann der ehemalige Botschafter des Vatikans in den USA, Erzbischof Carlo Vigano, am 25. August seine elfseitige Zeugenaussage veröffentlichte, wurden weitere Fragen laut darüber, was Wuerl über McCarricks Fehlverhalten wusste.

Eine Recherche von CNA ergab zudem, dass Wuerl McCarrick erlaubt hatte, junge Seminaristen als persönliche Assistenten zu haben – die bei ihm sogar wohnten, selbst nachdem bereits gegen McCarrick wegen des Verdachts des sexuellen Missbrauchs ermittelt wurde.

In seinem gestrigen Schreiben schildert der Kardinal, wie er mit Priestern gemeinsam gebetet habe, und bemüht sei, „die beste Vorgehensweise zu erkennen“ angesichts der zu erwartenden weiteren Enthüllungen über das ganze Ausmaß sexuellen Fehlverhaltens sowie dessen Vertuschung – Wuerl spricht von „bischöflicher Aufsicht“ – durch Bischöfe und Verwaltung.

Es gehe darum, wie den Opfern am besten geholfen werden kann, betont Washingtons Erzbischof.

Ein Sprecher der Erzdiözese, Ed McFadden, sagte gegenüber CNA, dass Wuerls Brief „ein Beweis für einen ernsthaften und konstruktiven Entscheidungsprozess ist, den Kardinal Wuerl durchlaufen hat“. Wuerl drücke damit auch den Priestern seine Wertschätzung aus, und seinen Dank für ihr Engagement.

Der Kardinal wolle nun jedweden Schaden von der Kirche, „die er liebt“, abwenden helfen, so McFadden gegenüber CNA. Für den 14. September sei eine heilige Messe der „Heilung“ geplant.

Die Erzdiözese Washington wollte indessen nicht bestätigen, wann Wuerl mit Papst Franziskus zusammentreffen wird.

Übersetzt und redigiert von AC Wimmer. (CNA Deutsch)

Schreiben bestätigt: Vatikan wurde im Jahr 2000 über McCarrick informiert

VATIKANSTADT – Der amerikanische „Catholic News Service“ (CNS) hat das Schreiben eines hochrangigen Beamten des Staatssekretariats aus dem Jahr 2006 veröffentlicht, das belegt, dass der Vatikan im Jahr 2000 über die Anschuldigungen gegen den damaligen Kardinal Theodore McCarrick informiert wurde.

Der vom CNS veröffentlichte Brief ist auf den 11. Oktober 2006 datiert und stammt aus der Hand des damaligen Erzbischofs Leonardo Sandri in seiner Funktion als Stellvertreter des Staatssekretariats. Er ist adressiert an Pater Boniface Ramsey, der von 1986 bis 1996 an einem Priesterseminar in New Jersey lehrte.

Sandri bezieht sich in dem Brief – der in Passagen vor Veröffentlichung durch Pater Ramsey und die Redaktion von CNS geschwärzt wurde – auf, so wörtlich, „die ernsten Angelegenheiten, die einige der Studenten des Immaculate Conception Seminary betreffen, die Sie im November 2000 dem damaligen Apostolischen Nuntius in den Vereinigten Staaten, dem verstorbenen Erzbischof Gabriel Montalvo, vertraulich zur Kenntnis gebracht haben“.

Pater Ramsey hat erklärt, dass er angesichts der Ernennung McCarricks zum Erzbischof von Washington im Jahr 2000 den Nuntius Montalvo kontaktiert habe, um diesen über die Vorwürfe schweren Fehlverhaltens McCarricks gegenüber Seminaristen zu infomieren.

Seinen eigenen Studenten am Seminar hatten ihn darüber informiert, so Ramsey.

Auf Bitten des Nuntius habe er seine Bedenken schriftlich dargelegt. Gegenüber CNS sagte Pater Ramsey, er habe sich in seinem Schreiben „über McCarricks Beziehungen zu Seminaristen beschwert, und darüber, dass er mit Seminaristen schläft.“

„Mein Brief vom 22. November 2000 befasste sich mit McCarrick und erhob keinerlei Vorwürfe gegen Seminaristen; er erhob Vorwürfe gegen McCarrick“, so Ramsey.

CNS berichtete, dass Pater Ramsey zwar offiziell keine Antwort auf sein Schreiben vom 22. November 2000 erhalten habe. „Er war überzeugt, dass das Schreiben eingegangen ist, weil er von dem damaligen Erzbischof Sandri im Jahr 2006 eine schriftliche Bestätigung der im Jahr 2000 getätigten Aussagen erhielt“.

Der Hauptgrund für Sandris Brief im Jahr 2006 war die Bitte um Auskunft über einen Priester der Erzdiözese Newark, der am Immaculate Conception Seminary an der Universität Seton Hall studiert hatte: Der Priester wurde für einen Posten im Vatikan in Betracht gezogen.

Sandri selber ist heute Präfekt der Kongregation für die Ostkirchen und Kardinal der Kurie.

Die Darstellung von Pater Ramsey stimmt mit den Angaben von Erzbischof Carlo Maria Viganò überein, der von 2011 bis 2016 apostolischer Nuntius in den USA war.

Erzbischof Viganò hatte geschrieben, dass Montalvo (und sein Nachfolger, Erzbischof Pietro Sambi) „es nicht versäumt haben, den Heiligen Stuhl sofort zu informieren, sobald sie von Erzbischof McCarricks schwerwiegendem unmoralischem Verhalten gegenüber Seminaristen und Priestern erfahren haben. Tatsächlich wurde nach dem, was Nuntius Pietro Sambi schrieb, Ramseys Brief vom 22. November 2000 auf Wunsch des verstorbenen Nuntius Montalvo geschrieben.

In dem Brief bekräftigt der Dominikanerpater Ramsey, der von den späten 1980er Jahren bis 1996 Professor am Diözesanseminar in Newark war, dass es im Seminar immer wieder das Gerücht gab, dass der Erzbischof „sein Bett mit Seminaristen geteilt“ habe, und fünf auf einmal einlade, um das Wochenende mit ihm in seinem Strandhaus zu verbringen.

Ramsey weiter: Er habe eine gewisse Zahl von Seminaristen gekannt, von denen einige später zu Priestern der Erzdiözese Newark geweiht wurden, die in dieses Strandhaus eingeladen worden seien und ein Bett mit dem Erzbischof geteilt hätten.

Viganò sagte in seiner Aussage auch, dass er am 6. Dezember 2006 ein Memorandum geschrieben und Sandri übermittelt habe, in dem Anschuldigungen sexuellen Missbrauchs gegen McCarrick durch Gregory Littleton, einen laisierten Priester, detailliert beschrieben wurden. Der ehemalige Nuntius sagte, er habe in diesem Schreiben vorgeschlagen, an McCarrick „ein Exempel zu statuieren“, das eine „medizinische Funktion“ haben könnte, um zukünftigen Missbrauch zu verhindern und eine „sehr ernsthafte Skandalisierung der Gläubigen“ zu minimieren.

Übersetzt aus dem englischen Original. Der Brief in einer Twitter-Meldung des CNS.

(CNA Deutsch)

Vertuschungskrise: Staatsanwälte ermitteln nun auch in New York, New Jersey, Nebraska

 

NEW YORK / LINCOLN (NEBRASKA) – Die juristische Aufarbeitung der Vertuschung von Missbrauch in den USA weitet sich aus: Die Staatsanwaltschaften in New York und New Jersey haben am Donnerstag (Ortszeit) angekündigt, den Umgang mit Vorwürfen sexuellen Missbrauchs durch die katholischen Diözesen und kirchlichen Einrichtungen in beiden Staaten zu untersuchen.

Auch die staatlichen Behörden in Illinois, Missouri, Nebraska und New Mexico ermitteln: So hat der Generalstaatsanwalt von Nebraska hat die drei römisch-katholischen Diözesen des Staates um Informationen über sexuellen Missbrauch und anderes Fehlverhalten gebeten. Alle Diözesen haben zugesagt, mit den Ermittlern zusammenzuarbeiten.

Erzbistum New York begrüßt Ermittlungen

Am Donnerstag (Ortszeit) gab die New Yorker Staatsanwaltschaft bekannt, dass alle acht katholischen Diözesen des Staates vorgeladen werden. Wie die „New York Times berichtet, sollen die Bistümer auch ihre Unterlagen zu Vorwürfen sexuellen Missbrauchs offenlegen.

Generalstaatsanwältin Barbara Underwood kündigte eine zivilrechtliche Untersuchung kirchlicher Einrichtungen an und sagte, dass auch strafrechtliche Konsequenzen möglich sind: Die Behörde werde „Personen untersuchen und, falls gerechtfertigt, anzeigen, die Straftaten begangen haben“, so Underwood.

Die Erzdiözese New York teilte in einer ersten Reaktion gegenüber Medien vor Ort mit, man begrüße die Entscheidung der Staatsanwaltschaft und werde mit den Behörden kooperieren. Das Erzbistum habe bereits seit 2002 mit den zuständigen Bezirksanwälten „ausgezeichnete Arbeitsbeziehungen aufgebaut“, heißt es in der Erklärung.

„Wir stellen nicht nur alle Informationen zur Verfügung, die sie anfordern, sondern sie benachrichtigen uns auch, wenn sie von einem Missbrauchs-Vorwurf erfahren, so dass wir, selbst wenn sie keine Strafanzeige erstatten können, jeden Kleriker untersuchen und aus dem seelsorglichen Dienst entfernen können, gegen den glaubwürdige und begründete Vorwürfe vorliegen“.

Eigene „Task Force“ in New Jersey

Ebenfalls am Donnerstag kündigte der Generalstaatsanwalt von New Jersey, Gurbir Grewal, die Einrichtung einer Task Force an, die Vorwürfe des sexuellen Missbrauchs und dessen Vertuschung untersuchen soll.

„Keine Person steht über dem Gesetz und keine Institution ist immun gegen die Pflicht zur Rechenschaft“, sagte Generalstaatsanwalt Grewal.

„Wir werden alle notwendigen Ressourcen einsetzen, um die Wahrheit aufzudecken und dafür zu sorgen, dass den Opfern Gerechtigkeit widerfährt“.

Zwei Diözesen in New Jersey – die Diözese Metuchen und die Erzdiözese Newark – haben in den vergangenen Wochen die Aufmerksamkeit der Medien auf sich gezogen, nachdem bekannt wurde, dass sie Mitte der 2000er Jahre außergerichtliche Vergleiche mit zwei Männern erzielten, die beide behaupteten, vom ehemaligen Kardinal Theodore McCarrick sexuell genötigt worden zu sein, als sie selber noch Seminaristen und junge Priester waren.

Unklar ist bislang, welche kirchlichen Mitarbeiter in diesen Diözesen von diesen Vorgängen gewusst haben könnten und es unterließen, Maßnahmen zu ergreifen, sich gegen McCarricks öffentliches Wirken auszusprechen.

Konsequenzen des Pennsylvania-Berichts

Auslöser der Ermittlungen ist der Mitte August veröffentlichte Untersuchungsbericht in Pennsylvania, der Vorwürfe sexuellen Missbrauchs und systematischer Vertuschung über mehrere Jahrzehnte dokumentierte.

Hunderte Priester sollen, vor allem in den 1960er, 1970er und 1980er Jahren, tausendfachen Missbrauch an Minderjährigen und Schutzbedürftigen begangen haben; dieser sei systematisch vertuscht, gedeckt und verschwiegen worden. (CNA Deutsch)