Erzbischof Vigano veröffentlicht neues Schreiben (Bericht und vollständiger Wortlaut)

VATIKANSTADT – Erzbischof Carlo Maria Vigano hat eine Antwort auf Kardinal Marc Ouellet veröffentlicht. Darin widerspricht der ehemalige Nuntius in den USA der Aussage, der Heilige Stuhl habe nur von „Gerüchten“ über das Verhalten Theodore McCarricks gewusst, die nicht für Disziplinarmaßnahmen gegen den mutmaßlichen Straftäter ausgereicht hätten.

Vigano schreibt auch über „homosexuelle Korruption und moralische Feigheit“ in der Kirche. Er appelliert an Bischöfe und Priester, sich ebenfalls zu äußern.

Wie CNA Deutsch berichtete, hat Erzbischof Vigano in zwei Schreiben schwere Vorwürfe gegen Papst Franziskus, mehrere Kardinäle und hochrangige Kurienvertreter erhoben sowie Kardinal Marc Ouellet aufgefordert, die Akten im Fall McCarrick offenzulegen. In seiner Antwort kritisiert Ouellet zwar Vigano aufs Schärfste – bestätigt jedoch einen der zentralen Vorwürfe.

CNA Deutsch hat den vollen Wortlaut des auf den 19. Oktober 2018 datierten Schreibens von Erzbischof Vigano übersetzt.

Am Festtag der Nordamerikanischen Märtyrer

  1. Zeugnis abzulegen über die Korruption in der Hierarchie der katholischen Kirche war und ist für mich eine schmerzhafte Entscheidung. Aber ich bin ein alter Mann, der weiß, dass er dem Richter bald Rechenschaft über seine Taten und Unterlassungen ablegen muss, der Ihn fürchtet, der Körper und Seele in die Hölle werfen kann. Ein Richter, der, selbst in seiner unendlichen Barmherzigkeit, jedem Menschen Erlösung oder Verdammnis nach dem, was er verdient hat, bringen wird. In Erwartung der schrecklichen Frage dieses Richters — „Wie konntest du, der du die Wahrheit kennst, inmitten von Falschheit und Verderbtheit schweigen?“ — Welche Antwort könnte ich geben?
  2. Ich legte mein Zeugnis ab im vollen Bewusstsein, dass dieses viele bedeutende Persönlichkeiten alarmieren und bestürzen würde: Kirchenmänner, Mitbischöfe, Kollegen, mit denen ich gearbeitet und gebetet hatte. Ich wusste, dass sich viele verletzt und verraten fühlen würden. Ich erwartete, dass einige ihrerseits mich und meine Motive angreifen würden. Am schmerzhaftesten war mir, dass ich wusste, dass viele der unschuldigen Gläubigen durch das Schauspiel eines Bischofs, der Kollegen und Vorgesetzte bezichtigt, Amtsmissbrauch, sexuelle Sünden und schwere Pflichtverletzung begangen zu haben, verwirrt und verunsichert sein würden. Doch glaube ich, dass mein fortwährendes Schweigen viele Seelen in Gefahr bringen und sicherlich auch meine eigene [Seele] verdammen würde. Nachdem ich meinen Vorgesetzten und sogar dem Papst mehrmals über das abwegige Verhalten von Theodore McCarrick berichtet hatte, hätte ich die Wahrheiten, die mir bereits vorher bekannt waren, früher öffentlich verurteilen können. Wenn ich an dieser Verzögerung eine gewisse Verantwortung trage, dann bereue ich das. Diese Verzögerung war auf die Schwere der Entscheidung, die ich treffen würde, und auf das langwierige Bemühen meines Gewissens zurückzuführen.
  3. Mir wurde vorgeworfen, durch mein Zeugnis Verwirrung und Spaltung in der Kirche hervorgerufen zu haben. Für diejenigen, die glauben, dass es vor dem August 2018 keine nennenswerte Verwirrung und Spaltung gab, mag eine solche Behauptung vielleicht plausibel sein. Die meisten unparteiischen Beobachter wissen jedoch, dass es beides seit langem im Übermaß gegeben hat, wie es nun mal unvermeidlich ist, wenn der Nachfolger Petri bei der Ausübung seiner Hauptaufgabe fahrlässig verfährt, nämlich der Vergewisserung der Brüder im Glauben und in einer fundierten Morallehre. Wenn er dann die Krise durch widersprüchliche oder verwirrende Aussagen über diese Lehren noch verschlimmert, spitzt sich die Verwirrung zu.
  4. Deshalb habe ich gesprochen. Denn es ist dieses Schweigekomplott, dass in der Kirche großen Schaden angerichtet hat und weiterhin schadet — so vielen unschuldigen Seelen, der Berufung junger Priester, den Gläubigen im Allgemeinen. In Bezug auf meine Entscheidung, die ich mit meinem Gewissen vor Gott gefällt habe, nehme ich gerne jede brüderliche Zurechtweisung, jeden brüderlichen Rat, jede brüderliche Empfehlung und jede brüderliche Einladung an, in meinem Leben im Glauben und der Liebe zu Christus, zur Kirche und dem Papst voranzukommen.

Lassen Sie mich die Kernpunkte meines Zeugnisses wiederholen.

  • Im November 2000 informierte der Nuntius in den USA, Erzbischof Montalvo, den Heiligen Stuhl über das homosexuelle Verhalten von Kardinal McCarrick gegenüber Seminaristen und Priestern.
  • Im Dezember 2006 informierte der neue Nuntius in den USA, Erzbischof Pietro Sambi, den Heiligen Stuhl über das homosexuelle Verhalten von Kardinal McCarrick mit einem weiteren Priester.
  • Im April 2008 wurde ein Offener Brief von Richard Sipe an Papst Benedikt durch den Präfekten der Glaubenskongregation, Kardinal Levada, an Kardinalstaatssekretär Bertone weitergeleitet, in die weiteren Vorwürfe erhoben werden, dass McCarrick mit Seminaristen und Priestern geschlafen hat. Ich habe diesen einen Monat später erhalten, und im Mai 2008 habe ich selbst dem damaligen Substituten Erzbischof Fernando Filoni ein zweites Memorandum übermittelt, in dem ich über die Vorwürfe gegen McCarrick berichtete und Sanktionen gegen ihn forderte. Auch dieses zweite Memorandum erhielt keine Antwort.
  • Im Jahr 2009 oder 2010 erfuhr ich von Kardinal Re, [damals] Präfekt der Bischofskongregation, dass Papst Benedikt McCarrick angewiesen hatte, sein öffentliches Wirken einzustellen und ein Leben des Gebets und der Buße anzutreten. Nuntius Sambi überstellte McCarrick die Anweisungen des Papstes in einer Lautstärke, dass dies im Flur der Nuntiatur zu hören war.
  • Im November 2011 wiederholte Kardinal Ouellet, der neue Präfekt der Bischofskongregation, mir gegenüber, der ich der neue Nuntius in den USA war, die Sanktionen des Papstes für McCarrick, und ich selbst teilte sie McCarrick persönlich mit.
  • Am 21. Juni 2013, gegen Ende einer offiziellen Zusammenkunft der Nuntien im Vatikan, übte Papst Franziskus mir gegenüber mit einigen kryptischen Aussagen Kritik am Episkopat der USA.
  • Am 23. Juni 2013 traf ich Papst Franziskus persönlich in seiner Wohnung, um um Aufklärung zu bitten, und der Papst fragte mich: „il cardinale McCarrick, com’è (Kardinal McCarrick — was hältst du von ihm)?“– was ich nur als Vortäuschung von Neugierde interpretieren kann, um herauszufinden, ob ich ein Verbündeter von McCarrick war oder nicht. Ich erzählte ihm, dass McCarrick Generationen von Priestern und Seminaristen sexuell korrumpiert hatte und von Papst Benedikt angewiesen worden war, sich auf ein Leben voller Gebet und Buße zu beschränken.

Stattdessen genoss McCarrick weiterhin die besondere Wertschätzung von Papst Franziskus und erhielt von ihm neue Verantwortlichkeiten und Aufträge.McCarrick war Teil eines Netzwerks von Bischöfen, welche die Homosexualität vorantrieben und die Gunst von Papst Franziskus ausnutzten, um Bischofsernennungen zu beeinflussen, damit sie sich vor rechtlichen Konsequenzen schützen und das homosexuelle Netzwerk in der Hierarchie und in der Kirche insgesamt stärken konnten.Papst Franziskus selbst hat sich entweder an dieser Korruption beteiligt oder weiß, was er tut, und ist äußerst fahrlässig in seinem Versäumnis, sich dem zu widersetzen und es auszumerzen.

Ich habe vor Gott die Wahrheit meiner Behauptungen bezeugt, und niemand hat diese widerlegt. Kardinal Ouellet hat mir geschrieben, um mich für meine Frechheit zurechtzuweisen, das Schweigen gebrochen und solche schwerwiegenden Anschuldigungen gegen meine Brüder und Vorgesetzten erhoben zu haben, aber tatsächlich bestätigt er mit seiner Zurechtweisung meine Entscheidung, und rechtfertigt diese sowohl im Einzelnen wie insgesamt.

  • Kardinal Ouellet räumt ein, dass er mit mir über die Situation von McCarrick gesprochen hat, bevor ich nach Washington ging, um meinen Posten als Nuntius anzutreten.
  • Kardinal Ouellet räumt ein, dass er mir schriftlich die Bedingungen und Einschränkungen mitgeteilt hat, die Papst Benedikt McCarrick auferlegt hat.
  • Kardinal Ouellet räumt ein, dass diese Sanktionen McCarrick verboten haben, zu reisen oder öffentlich aufzutreten.
  • Kardinal Ouellet räumt ein, dass die Bischofskongregation schriftlich, zuerst durch Nuntius Sambi und dann noch einmal durch meine Person, McCarrick aufgefordert hat, ein Leben des Gebets und der Buße zu führen.

Was bestreitet Kardinal Ouellet?

  • Kardinal Ouellet bestreitet die Möglichkeit, dass Papst Franziskus an einem Tag, an dem er viele Nuntien traf und nur wenige Augenblicke mit einem jeden sprach, wichtige Informationen über McCarrick hätte aufnehmen können. Aber das war nicht meine Aussage. Meine Aussage ist, dass ich den Papst bei einem zweiten, privaten Treffen informiert habe, indem ich dessen eigene Frage über Theodore McCarrick beantwortete, der damals emeritierter Kardinalerzbischof von Washington war und eine prominente Persönlichkeit der Kirche in den USA, und dass ich dem Papst sagte, dass McCarrick seine eigenen Seminaristen und Priester sexuell korrumpiert habe. Kein Papst könnte das vergessen.
  • Kardinal Ouellet bestreitet, dass es in seinem Archiv Briefe von Papst Benedikt oder Papst Franziskus über Sanktionen gegen McCarrick gibt. Aber das war nicht meine Aussage. Meine Aussage war, dass sich in seinem Archiv wichtige Dokumente – unabhängig von deren Herkunft – befinden, die McCarrick belasten und dahingehend getroffene Maßnahmen dokumentieren, sowie andere Beweise für die Vertuschung seiner Situation. Und dies bestätige ich noch einmal.
  • Kardinal Ouellet bestreitet, dass in den Akten seines Vorgängers Kardinal Re „Audienz-Memoranden“ existieren, die McCarrick die bereits erwähnten Sanktionen auferlegen. Aber das war nicht meine Aussage. Meine Aussage ist, dass es andere Dokumente gibt: zum Beispiel eine Notiz von Kardinal Re, die nicht ex-Audientia SS.mi, unterzeichnet entweder vom Staatssekretär oder dem Substituten.
  • Kardinal Ouellet bestreitet, dass es falsch ist, die gegen McCarrick ergriffenen Maßnahmen als „Sanktionen“ darzustellen, die von Papst Benedikt erlassen und von Papst Franziskus aufgehoben wurden. Stimmt. Es handelte sich rein technisch nicht um „Sanktionen“, sondern um Maßnahmen, „Bedingungen und Einschränkungen“. Spitzfindig darüber zu debattieren, ob es sich um Sanktionen, Maßnahmen oder etwas anderes handelte, ist reiner Legalismus. Aus pastoraler Sicht sind sie alle genau das gleiche.

Kurzum: Kardinal Ouellet räumt die wichtigen Aussagen ein, die ich gemacht habe und auch weiterhin mache, und er bestreitet Aussagen, die ich nicht mache und nie gemacht habe.

In einem Punkt muss ich absolut widerlegen, was Kardinal Ouellet geschrieben hat. Der Kardinal erklärt, dass der Heilige Stuhl nur von „Gerüchten“ Kenntnis hatte, die nicht ausreichten, um Disziplinarmaßnahmen gegen McCarrick zu rechtfertigen. Ich behaupte dagegen, dass der Heilige Stuhl von einer Vielzahl konkreter Tatsachen Kenntnis hatte und im Besitz von Dokumenten ist, und dass die Verantwortlichen sich dennoch entschieden haben, nicht einzugreifen oder daran gehindert wurden. Entschädigung der Erzdiözese Newark und der Diözese Metuchen an die Opfer des sexuellen Missbrauchs von McCarrick, die Briefe von Pater Ramsey, der Nonnen Montalvo im Jahr 2000 und Sambi im Jahr 2006, von Dr. Sipe im Jahr 2008, meine beiden Memoranden an die Vorgesetzten des Staatssekretariats, welche die konkreten Vorwürfe gegen McCarrick ausführlich beschrieben haben; sind das alles nur Gerüchte? Es handelt sich um offizielle Korrespondenz, nicht um Klatsch und Tratsch aus der Sakristei. Die gemeldeten Verbrechen waren sehr schwerwiegend, einschließlich des Versuchs, Komplizen bei perversen Handlungen die sakramentale Absolution zu erteilen, mit anschließender sakrilegischer Feier der heiligen Messe. Diese Dokumente belegen die Identitäten der Täter und ihrer Beschützer sowie die zeitliche Abfolge der Fakten. Sie werden in den entsprechenden Archiven aufbewahrt; es sind keine außergewöhnlichen Ermittlungsverfahren erforderlich, diese ausfindig zu machen.

In den öffentlichen Zurechtweisungen meiner Person habe ich zwei Unterlassungen festgestellt, zwei tragische Fälle des Verschweigens. Das erste, was verschwiegen wird, ist die Not der Opfer. Das zweite betrifft den eigentlichen Grund, warum es so viele Opfer gibt, nämlich den korrumpierenden Einfluss der Homosexualität im Priestertum und in der Hierarchie. Was den ersten betrifft, so ist es erschreckend, dass inmitten all der Skandale und Empörungen so wenig über die Menschen nachgedacht werden sollte, die durch diese Sexualverbrechen geschädigt wurden und welche jene verübt haben, die zu Dienern des Evangeliums bestellt waren. Es geht hier nicht darum, Rechnungen zu begleichen oder über die Unbeständigkeit kirchlicher Laufbahnen zu schmollen. Es geht nicht um Politik. Es geht nicht darum, wie Kirchenhistoriker dieses oder jenes Papsttum bewerten werden. Es geht um Seelen. Die ewige Erlösung vieler Seelen stand – und steht weiterhin – auf dem Spiel.

Was den zweiten Umstand betrifft, der verschwiegen wird: Diese sehr schwere Krise kann nicht angemessen angegangen und gelöst werden, wenn wir nicht die Dinge bei ihrem wahren Namen nennen. Dies ist eine Krise aufgrund der Geißel der Homosexualität, ihrer Akteure, ihrer Motive, ihres Widerstands gegen Reformen. Es ist keine Übertreibung zu sagen, dass Homosexualität zu einer Plage im Klerus geworden ist, und sie kann nur mit spirituellen Waffen ausgemerzt werden. Es ist eine enorme Heuchelei, den Missbrauch zu verurteilen, zu behaupten, man weine um die Opfer, und sich dennoch zu weigern, die Grundursache für so viel sexuellen Missbrauch anzugeben: die Homosexualität. Es ist Heuchelei, sich zu weigern, zuzugeben, dass diese Geißel auf eine schwere Krise im geistlichen Leben des Klerus zurückzuführen ist, und nicht die notwendigen Schritte zu unternehmen, diese zu beseitigen.

Zweifellos gibt es schürzenjagende Geistliche, und zweifellos schädigen sie auch ihren eigenen Seelen, den Seelen derjenigen, die sie verderben, und der Kirche insgesamt. Aber diese Verletzungen des priesterlichen Zölibats beschränken sich in der Regel auf die unmittelbar betroffenen Personen. Schürzenjagende Geistliche rekrutieren in der Regel keine anderen Schürzenjäger, bemühen sich nicht darum, diese zu fördern, und vertuschen deren Missetaten nicht – während die Beweise für homosexuelle Absprachen mit seinen tiefen Wurzeln, die so schwer auszumerzen sind, überwältigend sind.

  • Es ist allgemein bekannt, dass homosexuelle Täter das kirchliche Privileg zu ihrem Vorteil ausnutzen. Aber zu behaupten, die Krise selbst sei Klerikalismus, ist reine Sophisterei. Da wird so getan, als ob ein Mittel zum Zweck, ein Instrument, tatsächlich das Hauptmotiv wäre.
  • Die Verurteilung der homosexuellen Korruption und der moralischen Feigheit, die sie gedeihen lässt, findet in unserer Zeit keine Zustimmung, auch nicht in den höchsten Ebenen der Kirche. Es überrascht mich nicht, dass ich, wenn ich auf diese Plagen aufmerksam mache, der Untreue gegenüber dem Heiligen Vater bezichtigt werde und beschuldigt, eine offene und skandalöse Rebellion anzuzetteln.

Doch eine Rebellion würde bedeuten, andere zu drängen, das Papsttum zu stürzen. Ich fordere nichts dergleichen. Ich bete jeden Tag für Papst Franziskus – mehr, als ich es je für die anderen Päpste getan habe. Ich bitte, ja flehe den Heiligen Vater aufrichtig an, sich seiner Pflichten zu erinnern, die er sich selbst aufgetragen hat, als er sein Amt als Nachfolger Petri antrat. Er nahm die Mission auf sich, seine Brüder zu stärken und alle Seelen in der Nachfolge Christi, im geistlichen Kampf, auf dem Weg des Kreuzes zu führen. Lasst ihn seine Fehler eingestehen, bereuen, seine Bereitschaft zeigen, dem Auftrag, den Petrus erteilt hat, nachzukommen, und lasst ihn nach der Bekehrung seine Brüder stärken (Lk 22,32).Abschließend möchte ich meinen Appell an meine Brüder Bischöfe und Priester wiederholen, die wissen, dass meine Aussagen wahr sind und die dies bezeugen können, oder die Zugang zu Dokumenten haben, welche die Angelegenheit zweifelsfrei belegen können. Auch ihr steht vor einer Entscheidung. Ihr könnt euch aus dem Kampf zurückziehen, das Komplott des Schweigens unterstützen und eure Augen vor der Ausbreitung der Korruption abwenden. Ihr könnt Ausreden, Kompromisse und Rechtfertigungen finden, die den Tag der Abrechnung verzögern. Ihr könnt euch mit der Lüge und der Illusion trösten, dass es einfacher sein wird, morgen die Wahrheit zu sagen, und dann am nächsten Tag, und so weiter.

Auf der anderen Seite könnt ihr euch entscheiden, den Mund aufzumachen. Ihr könnt Ihm vertrauen, der uns gesagt hat: „Die Wahrheit wird euch befreien.“ [Joh 8,32] Ich sage nicht, dass es einfach sein wird, sich zwischen Schweigen und Reden zu entscheiden. Ich fordere euch auf, darüber nachzudenken, welche Entscheidung ihr – auf eurem Sterbebett und dann vor dem gerechten Richter – nicht bereuen werdet, getroffen zu haben.

+Carlo Maria Viganò 19. Oktober 2018
Titularerzbischof von Ulpiana Festtag der
Apostolischer Nuntius Nordamerikanischen Märtyrer
(CNA Deutsch)

„Benedikt XVI. setzt sein theologisches Nachdenken fort“

Vor genau fünf Jahren kündigte Benedikt XVI. seinen Rückzug aus dem Petrusamt an, seitdem bereitet er sich in einem Haus in den Vatikanischen Gärten auf den Tod vor. Doch schreibt der fast 91-Jährige auch noch theologische Werke?

Stefan von Kempis – Vatikanstadt.

Kardinal Marc Ouellet hat diesen Eindruck. Der Kanadier leitet die vatikanische Bischofskongregation. Und er sagt im Gespräch mit Vatikan News über den emeritierten Papst:

„Ich glaube, dass er seine (theologische) Reflexion fortgesetzt hat. Er hat ja seine letzten Erinnerungen mithilfe eines Journalisten, den er kennt, veröffentlicht; sie sind von einer großen Einfachheit, Authentizität, auch Weisheit. Es war sehr bewegend, sie zu lesen. Ich glaube, dass er auch sein Nachdenken über andere Themen fortgesetzt hat; wir werden vielleicht nach seinem Tod noch einige Überraschungen in dieser Hinsicht erleben – man weiß ja nie. Denn das ist ein lebenslänglicher Theologe… er hat weiter nachgedacht. Ich glaube, es könnte da einige posthume Überraschungen aus der Feder Benedikts XVI. geben, zur Erbauung der Kirche.“

Ouellet gehörte zu den Kardinälen, die vor genau fünf Jahren, am 11. Februar 2013, überrascht zuhörten, als der deutsche Papst auf einmal seinen Abschied vom Petrusdienst ankündigte.

„Ich hatte an diesem Morgen den Eindruck, dass irgendetwas passieren würde – obwohl der Papst sehr, sehr diskret gewesen war. Als er am Ende des Konsistoriums auf Latein noch einmal das Wort ergriffen hat, um seinen Rücktritt anzukündigen, kehrte ein absolutes Schweigen ein. Wirklich absolut. Es hat vielleicht fünfzehn oder zwanzig Sekunden gedauert. Dann hat der Doyen des Kardinalskollegiums (Kardinal Angelo Sodano) das Wort ergriffen, um die Überraschung der Anwesenden auszudrücken; aber ich sah, dass er schon etwas Geschriebenes vorbereitet hatte… Und danach sind wir alle aufgewühlt zurückgeblieben, standen in kleinen Gruppen zusammen, um das zu besprechen – das wird uns allen auf besondere Weise ins Gedächtnis eingegraben bleiben.“

„Delikat, klardenkend, sensibel, voll Glauben und Menschlichkeit“: So wirkt der emeritierte Papst noch heute auf den kanadischen Kardinal. Über Benedikts Rückzug spricht Ouellet voller Respekt.

“ Ich glaube nicht, dass sein Tod unmittelbar bevorsteht ”

„Das Zeugnis dieses Mannes ist ein großes Ereignis für die Kirche. Man spricht ja heute von der Reform des Papsttums; nun, die größte Geste dieser Reform war diese Entscheidung zum Rücktritt. Sie hat alle Menschen überrascht, aber zugleich den Horizont geöffnet für die ganzen Transformationen, die jetzt Franziskus durchführt, hin zu einer viel pastoraleren, dem Volk Gottes näheren Amtsführung. Ich glaube, diese Transformation war schon implizit angelegt in der Entscheidung von Benedikt XVI. Die diskrete Begleitung des neuen Pontifikats durch Benedikt lässt uns verstehen, dass der frühere Papst nicht auf einmal weg ist, sondern eine bestimmte bischöfliche, päpstliche Funktion weiter ausübt: die Fürbitte, die Solidarität und dabei die völlige Diskretion.“

Ouellet rechnet es dem emeritierten Papst hoch an, dass dieser (so gut wie) keine öffentlichen Stellungnahmen über seinen Nachfolger abgebe. „Dabei kann man sich vorstellen, dass er sich manchmal Fragen gestellt haben wird, dass ihn manches überrascht haben wird. Aber er ist bewundernswert in seiner Diskretion und seiner inneren Ruhe, auch in seiner diskreten, liebevollen, betenden Präsenz.“

Der Kardinal aus Kanada hat das Gefühl, dass Benedikt noch eine Zeitlang am Leben bleiben wird, das spricht er offen aus. „Ich glaube nicht, dass sein Tod unmittelbar bevorsteht. Es stimmt zwar, dass sein Gesundheitszustand schwächer wird, aber er ist noch ganz da, um noch weiterzumachen. Wie lange noch, das weiß nur Gott…“

Ouellet ist 73 Jahre alt. Er war Erzbischof von Québec in Kanada, Johannes Paul II. machte ihn 2003 zum Kardinal, Benedikt XVI. holte ihn an die Kurie nach Rom. (vatican news)

Kardinal Burke spricht über die Dubia – ein Jahr nach ihrer Veröffentlichung

VATIKANSTADT – Auf den Tag genau ein Jahr nach der Veröffentlichung der Dubia hat Kardinal Raymond Leo Burke einen „letzten Appell“ an Papst Franziskus gerichtet. Er bitte ihn, Schlüsselaspekte seiner moralischen Lehre zu klären, so der amerikanische Kardinal.

Die Situation „verschlechtert sich fortlaufend“, sagte Burke in einem Interview mit dem National Catholic Register (NCR). Er wende sich daher erneut

„an den Heiligen Vater und die ganze Kirche“, um zu unterstreichen „wie dringend es ist, dass, in der Ausübung des Amtes, dass er vom Herrn empfangen hat, der Papst seine Brüder im Glauben bestätigen sollte mit einer klaren Äußerung zur Lehre sowohl der christlichen Moral also auch der Bedeutung der sakramentalen Praxis der Kirche“.

Am 19. September 2016 unterzeichnete Kardinal Burke, zusammen mit Kardinal Walter Brandmüller und den seitdem verstorbenen Kardinälen Joachim Meisner und Carlo Caffara die Dubia an Papst Franziskus. Sie veröffentlichten diese am 14. November 2016, nachdem klar geworden war, dass der Papst darauf nicht antworten würde.

In der Kirche werden seit langer Zeit zur Klärung von Fragen der Glaubenslehre Dubia – wörtlich „Zweifel“ – gestellt. In diesem Fall drehen sich diese primär um das achte Kapitel der nachsynodalen Exhortation Amoris Laetitia. Die vier Kardinäle bitten unter anderem um Klärung der Frage, ob die bisherige Lehre der Kirche noch gültig ist, dass geschiedene und staatlich Wiederverheiratete, die mit ihrem neuen Partner in einer sexuellen Beziehung leben, nicht die Sakramente empfangen können.

Seit der Veröffentlichung von Amoris Laetitia haben verschiedene Bischofskonferenzen und einzelne Bischöfe dies unterschiedlich interpretiert: In einigen katholischen Diözesen ist es seitdem – unter Berufung auf Amoris Laetitia – möglich, unter bestimmten Umständen in solchen Fällen nun zur Kommunion zu gehen. In anderen ist dies weiterhin – unter Berufung auf die beständige Lehre der Kirche – nicht möglich.

„Das Anliegen war und ist, genau festzustellen, was der Papst als Nachfolger Petri lehren wollte“, sagte Kardinal Burke gegenüber dem NCR. Mit seinem Appell an Franziskus wolle er auch die beiden verstorbenen Unterzeichner der Dubia ehren. Die derzeitige Situation mache die Fragen des Bittschreibens „um so dringender“, so Burke im Interview.

Was bisher geschah: Ein Überblick

Am 8. Oktober 2013, ein gutes halbes Jahr nach seiner Wahl, kündigte Papst Franziskus an, er werde im Oktober 2014 eine Außergewöhnliche Synode über Familie und Evangelisierung abhalten, gefolgt von einer Bischofssynode zum gleichen Thema im Oktober 2015.

Im September 2015, kurz vor der zweiten Synode, drückten 800.000 Individuen und Verbände aus 178 Nationen in einer Petition an den Papst ihre Sorge aus, dass nach der ersten Synode – deren Handhabung ins Kreuzfeuer scharfer Kritik gekommen war – „weitverbreitete Verwirrung“ herrsche.

Am 8. April 2016 veröffentlichte Franziskus als Abschlussdokument das fast 300 Seiten umfassende Lehrschreiben Amoris Laetitia.

Am 28. April 2016 warnte der renommierte Philosoph Robert Spaemann gegenüber CNA Deutsch, das Schreiben stelle möglicherweise einen Bruch mit der kirchlichen Lehrtradition dar. In einem zweiten Kommentar für CNA Deutsch präzisierte er seine Äußerungen dazu weiter.

Im Juli 2016 schrieben 45 katholische Gelehrte, Würdenträger und Geistliche einen Bittbrief an alle Kardinäle und Patriarchen der Kirche. Darin ersuchten sie die Kardinäle, Papst Franziskus aufzufordern, einige Passagen in Amoris Laetitia richtig zu stellen.

Am 19. September 2016 übermittelten vier Kardinäle – Joachim Meisner, Walter Brandmüller, Carlo Caffara und Raymond Burke – dem Papst einen Bittbrief, in dem sie um die Klärung von fünf „Dubia“ – also Zweifel – in der Form von Fragen baten.

Am 18. November warf Papst Franziskus in einem Interview mit „Avvenire“ (der Zeitung der italienischen Bischofskonferenz) Kritikern vor, Amoris Laetitia „nicht verstanden zu haben“. Das liege daran, dass diese Personen nach dem Schema „schwarz oder weiß“ dächten, „selbst wenn wir im Fluss des Lebens unterscheiden müssen“, so Franziskus.

Am 4. Dezember sagte der enge Papst-Vertraute und Jesuitenpater Antonio Spadaro in einem Interview mit „Crux„, dass die Fragen der Dubia eigentlich schon bei der Synode beantwortet worden seien. Absolution in der Beichte und Kommunion für geschiedene Wiederverheiratete sei nun, dank Amoris Laetitia, möglich.

Am 7. Dezember 2016 warnte der Freiburger Theologieprofessor Helmut Hoping in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“, dass eine „Revision der katholischen Sexualmoral insgesamt“ auf dem Spiel stehe, nicht nur die Frage des Kommunionempfangs.

Am 14. Januar 2017 veröffentlichten die Bischöfe Maltas Leitlinien, die geschiedenen Wiederverheirateten ermöglichten, nach „ehrlicher Prüfung“ ihres Gewissens selber zu entscheiden, ob sie zur Kommunion gehen – auch wenn sie weiterhin nicht enthaltsam lebten. Die Änderung begründeten die Bischöfe mit Amoris Laetitia.

Am 1. Februar 2017 veröffentlichte die Deutsche Bischofskonferenz Leitlinien zu Amoris Laetitia, die eine Kommunion für geschiedene Wiederverheiratete unter bestimmten Umständen einführten. Auch wenn es Einzelfälle seien, gebe es nun grundsätzlich die „Möglichkeit des Sakramentenempfangs in diesen Situationen“.

Dagegen erklärte am gleichen Tag der damalige Präfekt der Glaubenskongregation, Kardinal Gerald Ludwig Müller, dass aus seiner Sicht Amoris Laetitia im Licht der gesamten Lehre der Kirche interpretiert werden müsse und diese nicht ändere, ja nicht ändern könne. Ihm „gefalle nicht“, wenn Bischöfe dies anders interpretierten, so der ehemalige Bischof von Regensburg.

Am 3. Februar 2017 veröffentlichte Bischof Vitus Huonder von Chur Leitlinien, in denen die Heiligkeit des Ehebandes betont und eine geduldige Begleitung und Eingliederung von Gläubigen unterstrichen wurde. Eine Kommunion oder Absolution für geschiedene Wiederverheiratete machten die Leitlinien jedoch abhängig von der Frage der Enthaltsamkeit der Betroffenen, so der Oberhirte aus der Schweiz.

Ebenfalls im Februar 2017 veröffentlichten die International Confraternities of Catholic Clergy, ein Zusammenschluss von über 1.000 Priestern aus den USA, Irland, Australien und anderen Ländern, ein Statement zu Amoris Laetitia. Darin plädierten sie für eine Klärung der offenen Fragen angesichts unterschiedlicher Auslegungen und „wachsender Unterschiede in der Praxis“.

Am 14. März 2017 wandte sich Regensburgs Bischof Rudolf Voderholzer mit einer „Handreichung für die Seelsorge mit wiederverheirateten Geschiedenen“ an Betroffene und Seelsorger seiner Diözese. Darin betont er, dass niemand ausgeschlossen werde und jeder Katholik die Messe besuchen solle. Wer jedoch als geschiedener Wiederverheirateter zur Kommunion zugelassen werden wolle, der müsse in seinem Bistum zumindest weiterhin enthaltsam „wie Bruder und Schwester“ leben.

Am 11. August 2017 veröffentlichten dutzende Katholiken eine Correctio Filialis des Papstes. Diese „Zurechtweisung wegen der Verbreitung von Häresien“ führte sieben Thesen an, die der Pontifex verbreite und „dadurch eine große und unmittelbare Gefahr für die Seelen“ verursache, so die Unterzeichner, darunter der ehemalige Chef der Vatikanbank, Ettore Gotti Tedeschi, der deutsche Schriftsteller Martin Mosebach und zahlreiche weitere.

Am 25. September 2017 erklärte dagegen der Leiter der Bischofskongregation und kanadische Kardinal Marc Ouellet, Amoris Laetitia führe aus seiner Sicht zwar ein, dass jetzt „in Ausnahmefällen“ Menschen zur Kommunion und Lossprechung in der Beichte zugelassen werden, die es bislang nicht sind. Aber dies stelle für ihn keinen Bruch mit der Lehre oder der Sakramentendisziplin dar, so der Würdenträger.

Ende September 2017 appellierten Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin und Kardinal Gerhard Ludwig Müller für einen Dialog zur Klärung der offenen Fragen um Amoris Laetitia.

Am 18. Oktober 2017 veröffentlichten Bischöfe, Priester, Theologen und andere einen „offenen Brief“ als „Initiative Pro Pope Francis“, in dem sie dem Papst danken und ihrer „vollen Unterstützung“ versichern.

Am 8. November 2017 kommentierte Erzbischof Charles Chaput von Philadelphia in einem Vortrag vor Priestern, die Kontroverse über Amoris Laetitia habe „viel Gutes vernebelt„. Wo Verwirrung über einen päpstlichen Text herrsche, müsse dieser aber auf eine Art interpretiert werden, die vereinbar sei mit der Lehre der vorangegangenen Päpste. (CNA Deutsch)

Kurienreform: Klerus, Bischöfe, Bildung und Ökumene im Visier

Kardinal PellÜber den derzeitigen Stand der Kurienreform hat sich Papst Franziskus von Montag bis Mittwoch mit seinem Kardinalsrat ausgetauscht. Bei dem mittlerweile 16. Treffen dieser Art ging es vor allem um die Kongregationen für Klerus, Bischöfe und Bildung sowie um den Päpstlichen Einheitsrat; das war am Mittwoch aus dem Vatikanischen Pressesaal zu hören. Hauptfokus der Beratungen sei gewesen, „wie die einzelnen Einrichtungen der Kurie besser der Mission der Kirche dienen können“.

Kardinal Marc Ouellet als Präfekt der Bischofskongregation unterrichtete den Papst und den Kreis der neun Kardinäle über die Arbeit seiner Behörde und der angeschlossenen Päpstlichen Kommission für Lateinamerika, die er ebenfalls leitet. „Die Kardinäle haben ausgiebig über das spirituelle und seelsorgerliche Profil nachgedacht, das ein Bischof heute braucht“, so der Pressesaal weiter. Dabei sei auch betont worden, welch heikle Rolle ein Päpstlicher Nuntius bei der Auswahl von Bischofskandidaten spiele.

Weitere Themen des „K9“-Rats: die „Diakonie der Gerechtigkeit“ und die bereits verwirklichten Schritte im Reformprozess der Kurie, besonders die Einrichtung der neuen Behörde für ganzheitliche menschliche Entwicklung. Das Sekretariat für Kommunikation legte den Kardinälen ein Dossier über die nächsten Etappen der vatikanischen Medienreform vor. Kardinal George Pell, der dem K9-Rat angehört und zugleich das vatikanische Wirtschaftssekretariat leitet, informierte über die Entwicklungen seiner Behörde, und Kardinal Sean O’Malley – auch er Teil der „K9“ – sprach über Neuigkeiten der von ihm geleiteten Päpstlichen Kommission für Kinderschutz. Die nächste Sitzungsrunde wurde für 12. bis 14. Dezember vereinbart.

Dem Rat zur Reform der Kurie gehören Kardinäle aus allen Kontinenten an: Der Erzbischof von München-Freising Reinhard Marx, Erzbischof Laurent Monswengo von Kinshasa, Erzbischof Oswald Garcias von Bombay, Erzbischof Sean Patrick O´Malley von Boston, Erzbischof Oscar Rodriguez Maradiaga von Tegucigalpa, der emeritierte Erzbischof von Santiago de Chile, Francisco Javier Errazuriz Ossa, sowie drei Kardinäle aus dem Vatikan, der frühere Erzbischof von Sidney George Pell, der Präsident des Governatorats des Vatikanstaates Giuseppe Bertello sowie Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin. (rv)

Warum es im Vatikan von Militärs nur so wimmelt

Kardinal OuelletIm Krieg werden nicht nur Zivilisten zu Opfern, sondern auch die Kämpfenden selbst: „Sie werden im Rahmen ihres Auftrags zu Zeugen oder – schlimmer noch – zu Tätern von grausamen Verbrechen.“ Das sagte der vatikanische „Außenminister“, der britische Erzbischof Paul Richard Gallagher, am Freitag bei einer Konferenz in Rom. Auch viele Soldaten und Sicherheitskräfte trügen „tiefe innere Verletzungen“ mit sich herum und bräuchten spirituellen Beistand.

Die Konferenz gehört zu den römischen Heilig-Jahr-Feiern der Soldaten, Polizisten und Sicherheitskräfte von Freitag bis Sonntag. Nicht etwa wegen Terrordrohungen, sondern wegen dieses speziellen „Giubileo“ wimmelt es im Moment rund um den Petersplatz von Uniformierten. Auch der Vater des emeritierten Papstes Benedikt XVI. war Polizist.

Gallagher wies darauf hin, dass der Heilige Stuhl seit dem Jahr 2000 Militärseelsorgern Kurse in humanitärem Völkerrecht anbietet. Der Vatikan fühle sich dem Ziel verpflichtet, dass auch in bewaffneten Konflikten „die menschliche Würde geschützt“ werde.

Kardinal Marc Ouellet, Präfekt der Bischofskongregation, sprach in seinem Redebeitrag von spezifisch soldatischen Werten, darunter Verzicht, Dienst am Vaterland, Ehre, Brüderlichkeit und Disziplin. Militärseelsorger müssten dazu bereit und ausgebildet sein, Soldaten auf die immer häufigeren Einsätze im Ausland, etwa auf UNO-Friedensmissionen, zu begleiten. Auf solchen Missionen könne es dazu kommen, dass ein Soldat „den höchsten Gipfel des christlichen Lebens“ erreiche, nämlich „sein Leben hinzugeben für seine Freunde“.

Kardinal Fernando Filoni nannte ein paar Zahlen zur Militärseelsorge in Gebieten, für die seine Kongregation – die Missionskongregation – zuständig ist. Es gebe in diesen Ländern etwa 170 Militärseelsorger; keiner von ihnen sei Ordensgeistlicher, die meisten arbeiteten in einer Pfarrei und betrieben die Militärseelsorge nur „part-time“. Auch etwa vierzig Ordensfrauen seien in der Seelsorge an Militärs tätig. (rv)