Kardinal: „Franziskus würde sofort nach Syrien reisen“

Papst Franziskus würde ohne zu zögern nach Syrien reisen, wenn es dem Frieden und der Sicherheit der Menschen dort diente. Diese Überzeugung äußerte im Gespräch mit Vatican News Kardinal Leonardo Sandri, Präfekt der vatikanischen Ostkirchenkongregation.

Gudrun Sailer und Alessandro Gisotti – Vatikanstadt

„Ich habe da keine Zweifel“, so der Kardinal, ein argentinischer Landsmann des Papstes. „Allerdings, Franziskus hat keine Angst um sich selbst, er hat Angst für alle jene, die sich zu seinem Besuch versammeln würden, die sich ihm nähern würden.“ Aus diesem Grund sei der Papst noch nicht in Syrien oder benachbarte Länder des Nahen Ostens wie etwas Irak gereist. Es sei undenkbar, dass der Papst bei einer Reise aus Sicherheitsgründen vom Volk abgetrennt sei, fuhr Sandri fort, das hätte „eine gewisse Theatralik, aber würde dem Volk keine Freude und keine Hoffnung bringen“.

Am kommenden Montag wird Papst Franziskus in Bari zusammen mit katholischen und orthodoxen Religionsführern aus Nahost um Frieden beten. „Das ist ein hochsensibler Moment“, sagte Sandri. Länder wie Irak und Syrien hätten schwer gelitten. Der Papst wolle mit seinen Gästen Seite an Seite „wie Brüder“ beten und zugleich die Welt auf das Leid im Nahen Osten aufmerksam machen sowie „alle zur Gerechtigkeit, zum Friede und zum Respekt der Menschenwürde“ mahnen. Ein besonderer Blick gelte dabei den Christen in den betreffenden Ländern: „jenen, die verfolgt werden, und jenen, die in diesen Gebieten leben und täglich Bombardierungen, Morde, Terrorismus, Rache und Trennung fürchten“.

Kardinal Sandri leitet die Ostkirchenkongregation seit zehn Jahren. Er sei dankbar und erfreut über die vielen Begegnungen, die ihm diese Arbeit ermögliche, sagte der Kardinal. „Als persönliche Erfahrung hat das bei mir zu einer Relativierung vieler Ängste und Vorstellungen beigetragen, die wir hier im Westen so haben, wo es, Gottseidank, Frieden, Sicherheit, Möglichkeiten gibt, während wir uns doch in so vielen ,Dummheiten´ verlieren. Diese Menschen haben mich die Wirklichkeit verstehen lassen, hinter der wir alle her sein müssen: der Triumph des Herrn Jesus in unserem Leben und im Leben der Welt durch Gerechtigkeit und Frieden.“ (Vatican News – gs)

Syrien: Kardinal Zenari fordert ein Ende der Gewalt

Der Krieg in Syrien hat eine neue Qualität erreicht – im negativen Sinn. Kardinal Mario Zenari, der Apostolische Nuntius in Syrien und durchaus hart im Nehmen, schlägt im Gespräch mit Vatican News Alarm: Die Winterkälte und der Bombenhagel bedrohen das Leben von Millionen Familien, während sich neue Fronten bilden.

Christine Seuss und Alessandro De Carolis – Vatikanstadt.

„Hört auf den Schrei der armen Menschen, der Kinder!“, so der Appell des Papst-Botschafters. Der Schrei der Leidenden müsse an das „Gewissen“ der Verantwortlichen rühren, damit sie nach neuen Wegen zum Frieden suchen. Das klingt so, als würde Kardinal Zenari dem von der UNO vermittelten Genfer Friedensprozess für Syrien und einem ähnlich gelagerten, von Russland gesteuerten Dialog nicht viel zutrauen.

Zum siebten Mal jährt sich in Kürze der Beginn des blutigen Konfliktes, der ein ganzes Land in Trümmer gelegt und zu einer Flüchtlingswelle nie gesehenen Ausmaßes beigetragen hat. Doch Frieden scheint – trotz aller internationaler Bemühungen – nach wie vor weit entfernt zu sein, nach dem Einmarsch türkischer Truppen in den kurdischen Teil des Landes vielleicht sogar weiter denn je.

Auch in der vergangenen Nacht habe er in Damaskus kaum schlafen können, erzählt der Kardinal, „denn man hörte den Lärm von Kanonenfeuer, in einigen Zonen der Peripherie auch von Maschinengewehren“. Große Sorgen bereiteten ihm die Nachrichten über „harte Zusammenstöße“ im „ländlichen Gebiet östlich von Damaskus” und in anderen Gebieten – mit einer Konfliktlinie, die seit dem militärischen Eingreifen der Türkei im Kurdengebiet nunmehr auch das nördliche Grenzgebiet einschließt.

Operation Olivenzweig

„Olivenzweig“ nennen die Türken ihre Operation, die mit dem Friedenssymbol allerdings nur wenig gemein hat. Seit dem 20. Januar gehen die türkischen Truppen gegen die kurdischen Kämpfer vor, die noch bis vor wenigen Tagen als unverzichtbare Verbündete der internationalen Allianz gegen die Terroristen des selbst ernannten Islamischen Staates galten. Immer mehr Opfer fordert die Attacke, für die die Stadt Afrin zum traurigen Sinnbild geworden ist. Es seien mittlerweile 800 „Terroristen“, die dort „neutralisiert“, also getötet, verletzt oder gefangenen genommen worden seien, ließ Präsident Erdogan verlauten.

Zivilisten zahlen den höchsten Preis

Doch wer den höchsten Preis für die Kampfhandlungen zahlt, und Kardinal Zenari wird nicht müde, dies immer wieder zu betonen, sind die unbeteiligten Zivilisten. Allein im nördlichen Gebiet seien in zwei Wochen 104 Menschen gestorben und 154 verletzt worden, gaben Krankenhäuser der Enklave Afrin bekannt. Dabei seien es nicht nur die Waffen, die Leben kosteten, erinnert Kardinal Zenari: „Wir befinden uns momentan im Winter, und in einigen Gegenden Syriens herrscht bittere Kälte. Dies verschlimmert ein Leiden, für das leider keine Lösungen in Sicht sind.“

UN fordern Waffenstillstand

Der UN-Chefberater für humanitäre Anliegen im Syrienkonflikt, Jan Egeland, fordert angesichts der sich verschlechternden Situation energisch einen erneuten befristeten Waffenstillstand für die nördliche Provinz Idlib, in der schwere Kampfhandlungen zwischen Oppositions- und Regierungstruppen zu verzeichnen sind. 1,2 Millionen Zivilisten, mehr als die Hälfte der örtlichen Bevölkerung, leben in dem Gebiet bereits als Flüchtlinge. Zwar hegt der Apostolische Nuntius nach wie vor Hoffnung auf einen Waffenstillstand. Doch er ruft die internationale Gemeinschaft zu raschem Handeln auf: „Versucht, alles Mögliche zu unternehmen, um wenigstens zu einem Ende der Gewalt und einem Waffenstillstand zu gelangen… und dann eine politische Lösung des Konflikts zu finden.“ (vatican news)

Nuntius Zenari: „Mit 23 Millionen Syrern zum Papst“

Jeden Tag aufs Neue kommen Schreckensnachrichten aus Syrien, ein Ende der Kampfhandlungen ist trotz internationaler Aufrufe noch lange nicht in Sicht. Im Gegenteil, immer unübersichtlicher wird die Verquickung der verschiedenen internationalen Interessen auf syrischem Gebiet, und die Akteure bringen sich in Position, um bei Ende des Krieges auch ihr Stück vom Kuchen abzubekommen.

Dies alles, man kann es nicht oft genug wiederholen, auf dem Rücken der Zivilisten, die unter unmenschlichen Bedingungen im Bombenhagel ausharren müssen. Allein seit Mai seien es über 470 unbeteiligte Menschen, die dem Krieg zum Opfer gefallen sind, berichten Oppositionskreise. Auch darüber hat der Nuntius in Syrien, Kardinal Mario Zenari, an diesem Freitag mit Papst Franziskus gesprochen. Der Nuntius war im Vatikan, um an der 90. Versammlung der Hilfswerke für die Ostkirchen teilzunehmen.

Auf dem Rücken der Zivilbevölkerung

„Ich bin in Begleitung von 23 Millionen Syrern zum Papst gegangen – Katholiken, Christen, Muslime und Angehörige anderer Religionen – die den Papst sehr schätzen und ihm sehr für alles danken, was er tut. Ich habe eine große Bitte überbracht: ein Ende der Gewalt und das Bedürfnis nach Frieden.“ Der Papst bete nicht nur, sondern tue auch konkret und auf internationaler Ebene etwas, würdigt der Nuntius im Gespräch mit Radio Vatikan den Einsatz von Franziskus. „Als ich schon in der Tür stand und gehen wollte, hat er mir gesagt, ,Bring allen Syrern, die leiden, eine zärtliche Geste mit!´ Das [Denken an die Leidenden] ist leider eine Priorität, denn mehr als die Hälfte der Krankenhäuser sind wegen des Krieges nicht funktionsfähig. Wir appellieren an die Großzügigkeit aller!“

Syrer wollen einfach nur Frieden

Eine politische Lösung des Konfliktes, der nunmehr im siebten Jahr tobt, sei nach wie vor in weiter Ferne, befürchtet der Nuntius. Insbesondere aus den ehemaligen IS-Hochburgen Rakka und Deir Ezzor kämen besorgniserregende Nachrichten, berichtet der Kardinal mit Blick auf die Menschen, die dort festsitzen: „Man müsste wohl humanitäre Korridore einrichten. Was die politische Lösung betrifft, da würde ich sagen, dass zuerst die Gewalt aufhören muss. Das Übereinkommen von Astana vom vergangenen 4. Mai wäre vielversprechend, aber die Probleme kommen bei der praktischen Umsetzung zutage. Das, was man jetzt erreichen muss, ist ein Ende der Gewalt.“

Hartnäckig müsse man daneben die Suche nach einer politischen Lösung weiter verfolgen, betont Nuntius Zenari. Ein Weg dazu seien die Genfer Gespräche. Doch: „Man darf sich nicht leugnen, wie kompliziert die Wirklichkeit ist. Ein Syrer hat mir vor zwei Wochen bitter die ausländischen Fahnen aufgezählt, die derzeit auf syrischem Territorium präsent sind. Da sind Truppen und Soldaten… deshalb würde ich sagen, dass es sich um einen sehr komplexen Konflikt handelt, doch mit der Hilfe der internationalen Gemeinschaft muss man zu einer politischen Lösung kommen. Doch ich wiederhole, der erste Schritt muss das Ende der Gewalt sein, um humanitäre Hilfe zu ermöglichen.“ (rv)

Vatikan/Syrien: Papst schickte Delegation nach Aleppo

Im Auftrag von Papst Franziskus hat eine vatikanische Delegation Aleppo besucht. Gemeinsam mit dem Nuntius in Syrien, Kardinal Mario Zenari, und dessen Berater, reiste der delegierte Sekretär des neu gegründeten Dikasteriums für den Dienst zugunsten der ganzheitlichen Entwicklung des Menschen, Giampietro Dal Toso, vom 18. bis zum 23. Januar in die syrische Stadt. Neben christlichen Gemeinden besuchte die Delegation auch einige Flüchtlingslager, katholische Hilfseinrichtungen und Repräsentanten des Islams, sowie der zivilen Behörden. Es war der erste offizielle Besuch seit dem Ende der Kämpfe in Aleppo.

Die Delegation unterstrich die Verantwortung der Religionen in der Erziehung zu Frieden und Versöhnung. Besonders notwendig seien in Aleppo Nahrungsmittel, Kleidung, Bildung, medizinische Versorgung und Unterkünfte. Die christlichen Gemeinden drückten ihre Dankbarkeit dem Papst gegenüber für seine konstanten Bemühungen für „das geliebte Syrien“ aus. (rv)

Vatikan/Syrien: „Kardinalsrot bedeutet Blut“

zenariAm Samstag kreiert Franziskus neue Kardinäle. Zum Kardinal erhoben zu werden hat vor allem mit Würde und Entscheidungsmacht zu tun, mag man denken – dieser Eindruck verstärkt sich nicht zuletzt durch die pompöse Zeremonie im Petersdom. Der diesjährige Kandidat aus Syrien setzt diesen Akzent: „Das scharlachrote Kardinalsrot bedeutet Blut, es bedeutet dazu bereit zu sein, sein Blut für die Treue zu Christus und seine Kirche zu geben“, erinnert der Nuntius von Damaskus im Interview mit Radio Vatikan. Erzbischof Mario Zenari ist gebürtiger Italiener und einer der 17 kirchlichen Würdenträger, denen der Papst am Samstag das rote Birett aufsetzen wird.

Er deutet seine Erhebung zum Kardinal als Zeichen der Solidarität mit der notleidenden syrischen Bevölkerung:

„Ich habe da direkt an Syrien gedacht: Diese Kardinalswürde enthält das Blut vieler Menschen, vor allem der Kinder. Ich werde also all diese Personen, all das Leid am Samstag und Sonntag zum Petersplatz tragen. Ich erinnere mich etwa an die zwei Kinder, vier und neun Jahre alt, die auf einem Balkon in Damaskus von eine Mörsergranate getroffen wurden, als sie dort auf ihre Mutter warteten. Sie waren auf der Stelle tot. Dann, vor ein paar Monaten, ein weiterer Fall in Aleppo: Eine Granate fiel auf ein Altenheim, das von einer Ordensgemeinschaft geführt wurde. Als ich in Eile dort ankam, sah ich das Blut auf der Erde, das Blut einer alten Frau, die voll getroffen worden war. Wenn ich jetzt zum Petersdom komme, behalte ich meine Schuhe an, an denen dieses Blut klebt. Ich trage es vor das Petrusgrab.“

Zum Ende des Heiligen Jahre der Barmherzigkeit feiert Erzbischof Zenari am kommenden Sonntag zusammen mit dem Papst und den anderen neuen Kardinälen eine Heilige Messe im Petersdom. Das Motto des Jubeljahres versteht der Nuntius in Syrien nicht als guten Vorsatz; es sei für die kirchlichen Helfer vor Ort sozusagen das tägliche Brot im Kriegsalltag – etwa wenn es um die Bestattung der Toten geht: „In Europa ruft man ein Unternehmen an und macht die Beerdigung. In Syrien gibt es Menschen, Priester, die unter Beschuss der Heckenschützen ihr Leben riskieren, um von den Straßen die Toten aufzulesen. Und wenn wir über die Bestattung sprechen: man geht von 400.000 Toten in Syrien aus.“

Von 400.000 Toten und 2 Millionen Verletzten, 5 Millionen Isolierten und tausenden Belagerten, die aufgrund der Kriegsgefechte nur schwer oder gar keine Hilfe erreicht, 4,5 Millionen Flüchtlingen und 7 Millionen Binnenflüchtlingen. Insgesamt seien 13,5 Millionen Menschen im Land dringend auf Hilfe angewiesen. Der Nuntius nennt ein paar Zahlen, zeichnet mit groben Strichen die Fratze des Krieges. Vor allem Essen und Trinkwasser seien ein Riesenproblem, da Zuleitungen zerstört worden seien. Das sei aber noch nicht alles, fügt Zenari dann an: „Das, was man nicht sieht, die größten Schäden, sind die Bomben, die in die Seele eingedrungen sind, in die Herzen der Kinder, die so viel Gewalt gesehen haben. In ein paar Jahren wird man diese Gebäude, die Infrastrukturen wieder aufbauen; wie aber kann man die Herzen, die Seelen dieser Kinder wieder heilen, die solch tiefe Wunden davongetragen haben? Das ist eine Herausforderung für alle Religionen in Syrien, dieser Wiederaufbau der Seelen. (rv)

Appell für Syrien: Papst Franziskus bekräftigt Aufruf

cna_franziskus-am-petersplatz1VATIKANSTADT – Papst Franziskus – noch ein Appell für Syrien. Am Ende der Generalaudienz hat der Papst, betroffen über die Kriegsnachrichten, die nie ein Ende zu nehmen scheinen (gestern wurde eine Schule getroffen, Mädchen starben), „dringend“ und mit ernster Stimme seinen Appell für den Frieden in Syrien erneuert.

„Ich möchte allen Opfern dieses unmenschlichen Konfliktes in Syrien meine Nähe aussprechen und bekräftigen – so der Papst. Abermals erneure ich mit Dringlichkeit meinen Aufruf und erflehe mit aller Kraft von den Verantwortlichen, für einen sofortigen Waffenstillstand zu sorgen, der wenigstens für die notwendige Zeit auferlegt und respektiert werde, die eine Evakuierung der Zivilpersonen erlaubt, vor allem der Kinder, die inmitten dieser grausamen Bombardierungen gefangen sind.“

Papst Franziskus tätigt diesen Appell am Ende einer Katechese, die ganz der Frage gewidmet war: Wie können wir Zeugen der Barmherzigkeit sein? Die Antwort gibt er anhand des Beispiels einiger Heiliger – und er nennt ausdrücklich Mutter Teresa – zusammen mit einer Bitte: Gott zu bitten, dass dieser Lebensstil weiterbestehe, in dem der Mensch Barmherzigkeit zeigt. Nur so kann es eine „kulturelle Revolution“ mittels der Barmherzigkeit geben.

Barmherzig sein „ist eine Aufgabe, die das Gewissen und das Handeln eines jeden Christen herausfordert. Denn es reicht nicht, im eigenen Leben die Barmherzigkeit Gottes zu erfahren; es ist nötig, dass jeder sie empfange und auch Zeichen und Werkzeug der Barmherzigkeit für die anderen werde“.

Zeugen der Barmherzigkeit sein bedeutet für Papst Franziskus nicht „große, übermenschliche Gesten zu vollbringen“, sondern vielmehr „kleine Dinge zu tun“, die in den Augen des Herrn einen „großen Wert“ haben, so sehr, dass er „uns gesagt hat, dass wir darüber gerichtet werden“. Der Papst verweist auf das Kapitel 25 des Matthäusevangeliums, das ihm sehr lieb ist und das er oft zitiert als „das Protokoll über das wir einmal gerichtet werden“. Diesmal nennt er es „das Testament Jesu“. Er erklärt: „Jesus sagt uns, dass wir jedes Mal wenn wir einem Hungernden zu essen geben, einem Dürstenden zu trinken geben, einen Nackten bekleiden, einen Fremden aufnehmen, einen Kranken oder Gefangenen besuchen, wir das an Ihm tun.“

Das sind die „leiblichen Werke der Barmherzigkeit“, zu denen noch die „sieben geistlichen Werke der Barmherzigkeit“ kommen, die „andere, ebenso wichtige Bedürfnisse betreffen, vor allem heute, weil sie das Innerste der Person berühren und oft noch größeres Leid bedeuten“. Eines davon ist „Lästige geduldig ertragen“. Das „scheint nicht so wichtig zu sein“, ist hingegen aber „ein Gefühl tiefer Nächstenliebe“. Der Papst führt auch die anderen sechs Werke der Barmherzigkeit an: Zweifelnden raten, Unwissende lehren, Sünder zurechtweisen, Trauernde trösten, Beleidigern verzeihen, für die Lebenden und Verstorbenen beten.

Auf diesen Werke wird der Papst in den kommenden Katechesen verweilen. Es sind Werke, die „viele einfache Menschen in die Tat umgesetzt und so ein authentisches Zeugnis des Glaubens gegeben haben.“

Für die Kirche ist die vorrangige Konzentration auf die Schwächsten typisch. Der Papst erklärt, dass „oft die Personen, die uns am nächsten stehen, unsere Hilfe am meisten brauchen. Wir müssen nicht weiß Gott welche großen Taten zu verwirklichen suchen.“

Es sind die einfachsten Dinge, die auch die „dringlichsten sind“, denn in einer Welt, die „leider vom Virus der Gleichgültigkeit betroffen ist, sind die Werke der Barmherzigkeit das beste Gegenmittel.“

Die echte Herausforderung hinsichtlich der Gleichgültigkeit ist für Papst Franziskus „das Antlitz Jesu in den Bedürftigen zu sehen“, denn das erlaubt uns, immer wachsam zu sein und zu vermeiden, dass Christus an uns vorübergehe, ohne dass wir ihn erkennen.

Er erinnert, dass der heilige Augustinus gesagt hatte, er fürchte den Vorübergang Jesu und fragte sich warum. Die Antwort steht „in unserem Verhalten: denn oft sind wir zerstreut, gleichgültig… und wenn der Herr an uns vorbeigeht, verpassen wir die Gelegenheit der Begegnung mit ihm.“

Der Papst betont: „Die Werke der Barmherzigkeit wecken in uns das Bedürfnis und die Fähigkeit, unseren Glauben durch die Liebe wirksam werden zu lassen. Ich bin überzeugt, dass wir durch diese einfachen, alltäglichen Gesten eine echte kulturelle Revolution durchführen können, wie es auch in der Vergangenheit geschehen ist. An wie viele Heilige denkt man noch heute – nicht wegen der großen Werke, die sie realisiert haben, sondern aufgrund der Liebe, die sie verstanden haben, zu vermitteln!“

Der Papst führt das Beispiel der heiligen Mutter Teresa an, derer man nicht so sehr „wegen der vielen Häuser gedenkt, die sie in aller Welt eröffnet hat, sondern weil sie sich zu jedem Menschen geneigt hat, den sie auf der Straße traf, um ihm seine Würde wiederzugeben. Wie viele verlassene Kinder hat sie in die Arme genommen; wie viele Strebende hat sie an der Schwelle zur Ewigkeit begleitet und ihre Hand gehalten!“

Und er schließt: „Der Heilige Geist möge in uns den Wunsch entzünden, in diesem Stil zu leben. Lernen wir zumindest die leiblichen und geistlichen Werke der Barmherzigkeit auswendig und bitten wir den Herrn, dass er uns helfe, sie jeden Tag in die Tat umzusetzen.“ (CNA Deutsch)

„EU-Türkei-Deal funktioniert nicht“

TürkeiNach wie vor kommen Flüchtlinge aus Syrien und dem Irak über die Türkei nach Griechenland. Der EU-Türkei-Deal aber, der ihre Verteilung in der EU regulieren soll, steht auf der Kippe. Die türkische Regierung droht immer wieder damit, den Flüchtlingspakt mit der EU platzen zu lassen, wenn die versprochene Visafreiheit nicht kommt. Die EU hingegen fordert als Ausgangsbedingung die Einhaltung der Menschenrechte im Land. Wie aber geht es den Flüchtlingen in Griechenland, die Gegenstand dieser Verhandlungen sind? Darüber sprach Radio Vatikan mit dem italienischen kirchlichen Migrations-Experten Giancarlo Perego. Der Geistliche ist Direktor der bischöflichen Stiftung Migrantes.

„Die Lage ist dramatisch, 70 Prozent der Menschen leben nicht mal in den Flüchtlingslagern oder vorgesehenen Einrichtungen. Der Schutz der Menschenrechte steht auf dem Spiel. Der EU-Türkei-Pakt ist ohnehin schon ein Rückschritt, was die Rechte von Migranten angeht, doch jetzt ist ihr Schutz noch mehr in Gefahr. Die Hälfte dieser gefährdeten Personen sind Kinder und Minderjährige. Europa bräuchte mehr Garantien für die Grundrechte der Asylbewerber und Flüchtlinge.“

Der Streit zwischen EU und Türkei dreht sich insbesondere um die Visafreiheit für türkische Staatsbürger, die als Gegenleistung für die Regulierung der Migration aus der Türkei nach Europa versprochen wurde. Die Türken machen Druck, damit die Visafreiheit baldmöglichst eingeführt wird, die EU hingegen fordert als Bedingung unter anderem die Einhaltung der Menschenrechte, die nach dem Putschversuch gegen Erdogan und durch seinen radikalen Staatsumbau besonders bedroht sind.

„Das Abkommen hat von vornherein schlecht funktioniert und funktioniert immer noch schlecht, vor allem was den Schutz der Rechte der Migranten angeht. Viele Hilfsorganisationen, etwa Caritas Europa oder Ärzte ohne Grenzen, weisen immer wieder auf die dramatische Situation der Flüchtlinge hin. Und sie hat sich jetzt noch weiter verschlechtert.“

Dennoch glaubt Perego nicht, dass jetzt ein Ende des EU-Türkei-Abkommens bevorsteht. Zu hoch seien die Interessen der beiden Partner, dabei das Gesicht zu wahren und zu demonstrieren, dass sie die Situation unter Kontrolle halten können. Dennoch wäre ein Plan B sinnvoll, findet er.

„Das wünschen wir uns: dass Europa eine Quotenverteilung der Flüchtlinge einführt, und dass es Asylrecht und ein nationales Asylsystem in allen 27 Mitgliedstaaten schafft, denn in fast 20 Mitgliedstaaten fehlt es daran noch. Auch warten wir noch immer auf die Umverteilung von rund 160.000 Flüchtlingen aus Griechenland und Italien in andere EU-Staaten, die im Herbst 2015 vereinbart wurde und von denen bislang nur wenige Tausend verteilt wurden. Vor allem müssten die EU-Länder jetzt aber humanitäre Korridore einführen, um Massenfluchten zu vermeiden und vor allem Schleppern und terroristischen Organisationen wie dem Islamischen Staat das Handwerk zu legen.“ (rv)

Besuch im Irak: „Es braucht einen inneren Aufbau“

Erzbischof SchickSyrien erwartet von Europa Hilfe, aber es muss Hilfe zur Selbsthilfe sein. Diese Botschaft bringt der Weltkirchenbeauftragte der deutschen Bischöfe, Erzbischof Ludwig Schick, von einem Besuch in Damaskus mit. An diesem Mittwoch ist er von dort wieder abgereist, er wollte ein Zeichen der Solidarität mit den Christen im Land setzen, so Schick.

Hilfe zur Selbsthilfe – das bedeute vor allem eine andere Politik. „Das ist ja ein Problem der letzten Jahrzehnte, dass sich im Nahen Osten die West-Mächte USA und Europa nur zu ihren Interessen engagiert haben. Die USA und Europa müssen sich endlich für die Interessen der Syrer interessieren,“ so Schick, mit dem wir in Beirut sprachen. Natürlich müsse auch Geld zum Wiederaufbau fließen, „das wird viel Geld kosten.“

Schick berichtet von einer Stadt Damaskus, in der der Krieg sichtbar sei, in der es Straßensperren und überall Bewaffnete gibt, trotzdem wundere man sich, dass das Leben in Damaskus einigermaßen weiter geht. „Im Augenblick ist es verhältnismäßig ruhig, die Waffenruhe hält.“

Wichtig für die Menschen sei, dass Hoffnung bewahrt oder wieder aufgebaut werde, „Es gibt noch Hoffnung, aber auch viel Sorge, wie es mit dem Land weiter geht“, sagt Schick. In den Begegnungen mit der Kirche vor Ort habe man ihm immer wieder gesagt, dass die wichtigste Botschaft sei, Hoffnung zu machen, dass Krieg, Terror und Tod nicht das letzte Wort haben.

Der Besuch galt den Christen im Land, Solidarität sei sehr wichtig für die Menschen dort. „Den Christen geht es natürlich nicht gut, viele sind weggegangen. Wir haben auch etliche Caritas-Projekte besucht. Die Kirche hilft den Menschen – auch unabhängig von Religion – die vertrieben wurden und jetzt in den sicheren Gebieten Unterkunft suchen.“ Es gebe unter diesen Menschen viel Krankheit, um die man sich kümmern müsse. Diese Menschen seien verzweifelt.

„Alle hoffen natürlich, dass die Verhandlungen in Genf weiter gehen und dass nach dem Waffenstillstand nun dauerhafte Friedensverhandlungen begonnen werden. Die Menschen hoffen, dass sich alle daran beteiligen und dass dann auch wieder eine Zivilgesellschaft aufgebaut werden kann.“ Es gebe das Kurzzeitziel Waffenstillstand, dann beginne erst die echte Arbeit, der Wiederaufbau. Sehr viel vor allem an Infrastruktur ist zerstört. „Dann braucht es auch noch einen inneren Aufbau, es muss sehr viel Bildungsarbeit geleistet werden, die dann auch Solidarität, Verständnis, Toleranz und Akzeptanz wieder in die Gesellschaft hinein bringt.“ Auch das sei alles in den fünf Jahren Bürgerkrieg zerstört worden, berichtet Schick. Die Christen seien bei diesem Wiederaufbau sehr wichtig, das sei zu spüren, es sei bedeutsam, dass Christen blieben oder wieder zurück kämen. Erzbischof Schick zeigte sich beeindruckt vom Engagement der katholischen Kirche in Syrien: „Hier wird eine Arbeit geleistet, die ihresgleichen sucht. Bei meinen Gesprächen gerade mit jungen Syrerinnen und Syrern habe ich gespürt, dass diese Generation die künftige Zivilgesellschaft mit aufbauen will. Besonders die Priester und Ordensleute bleiben bewusst im Land. Gerade die Priester haben eine hohe Akzeptanz in der Gesellschaft. Mein Appell ist: Der Nahe Osten darf nicht zur christenfreien Zone werden!“

Die Reise geht für den Erzbischof nun weiter, und zwar nach Jordanien, aber auch dort geht es weiter um das Thema Syrien, denn auch dort besuche er Flüchtlinge. Die Wenigsten seien ja nach Europa unterwegs, die Meisten blieben in der Region, in Lagern im Libanon und in Jordanien. Auch hier gelte es, die Hilfe – auch der deutschen Kirche – noch einmal zu verstärken. (rv)

Caritas Schweden: Willkommenskultur auf der Kippe

Caritas SchwedenSchweden ist traditionell ein Land mit einer starken Willkommenskultur. Doch mit der Ankunft von über 160.000 Flüchtlingen allein in der zweiten Jahreshälfte 2015 sieht sich die Politik des Landes offenbar zunehmend überfordert. Schwedens Innenminister Anders Ygeman kündigte jüngst in einem Zeitungsinterview an, dass bis zu 80.000 Asylbewerber, also praktisch die Hälfte der angekommenen Flüchtlinge, abgeschoben werden sollen. Ein falsches Signal, das nur die Ängste von Teilen der Bevölkerung schürt, meint der Migrationsbeauftragte von der Caritas Schweden, George Joseph im Gespräch mit Radio Vatikan.

Ähnlich wie in Deutschland war auch in Schweden anfangs die Solidarität groß, als ab vergangenen September zehntausende Flüchtlinge ankamen. Doch das kleine Land mit den 10 Millionen Einwohnern sieht sich mit der großen Zahl an Neuankömmlingen offenbar überlastet und setzt nun auf schärfere Asylgesetze und strengere Grenzkontrollen. Zu dem Stimmungswechsel haben auch die Belästigungen von zahlreichen Frauen durch Flüchtlinge in Köln und auch in Schweden geführt, weiß George Joseph.

„Schweden war eines der aufnahmefreundlichsten Länder in Europa, gemessen an der Bevölkerung von 10 Millionen Einwohnern, jeder Asylbewerber hat eine Unterkunft bekommen, meistens Appartements, es gab eine sehr positive Willkommenskultur. Doch mit der Ankunft von über 163.000 Flüchtlingen vorwiegend in der letzten Hälfte von 2015, hat die politische Elite panisch reagiert und den Kurs in der Flüchtlingspolitik geändert. Mit den Zwischenfällen in Köln und auch in Schweden wachsen zudem die Ängste der Menschen gegenüber Flüchtlingen. Die öffentliche Meinung ist von Vorstellungen bestimmt, dass die meisten Neuankömmlinge keine richtigen Flüchtlinge sind, sondern Kriminelle, Vergewaltiger und Terroristen. So will die schwedische Regierung das Asylrecht verschärfen. Das ist ein neues Signal an die Flüchtlinge, es soll heißen: Kommt nicht nach Schweden, wird sind strenger geworden.“

Nach dem Aufruf von Papst Franziskus, in jeder Kirchengemeinde mindestens eine Flüchtlingsfamilie aufzunehmen, hat die schwedische Bischofskonferenz für jede katholischen Gemeinde Schwedens einen Flüchtlings-Koordinator eingesetzt, der die Freiwilligen bei der Arbeit mit Flüchtlingen und Asylbewerbern anleitet. Die Caritas ist für die Schulungen und Unterstützung ihrer Arbeit mit verantwortlich. George Joseph beobachtet in allen Kirchen, nicht nur der katholischen, und der Zivilgesellschaft Schwedens viel Unterstützung und Einfühlungsvermögen für die Flüchtlinge. Insbesondere bei den jungen Leuten. Aber die Zahl der Skeptiker nimmt zu, wegen der negativen Schlagzeilen und der strengeren Asylpolitik. Die jüngsten Äußerungen von Innenminister Anders Ygeman machen ihm Sorgen.

„Die Kirche und die Caritas ist besorgt angesichts der Äußerungen des Ministers. Die Verfahren bis zu einer Abschiebung dauern lange und gehen durch mehrere Instanzen. Und viele Menschen können nicht zurück in ihre Heimat, da wird es viele Rechtsstreits geben und das wird für die Zivilgesellschaft, aber auch vor allem für die Kirche, die die Menschen ja auch rechtlich unterstützt, eine Mammutaufgabe.“

Die meisten Menschen, die bei der katholischen Kirche Schwedens Hilfe suchen, sind sogenannte Dublin-Fälle, die über Italien gekommen sind. Viele dieser Menschen sind dem Menschenhandel zum Opfer gefallen. Die Caritas unterstützt sie und hilft ihnen bei der Unterkunftssuche, einige Gemeinden bieten auch Sprachunterricht an, helfen bei der Suche nach Familienangehörigen und der kulturellen Integration. Hinzu kommt, dass die katholische Kirche in Schweden selbst bunt ist: Sie besteht aus 122 verschiedenen Nationalitäten, darunter gibt es auch viele syrische und chaldäische Katholiken. Joseph spricht von einem „kulturellen Kapital“ in der katholischen Kirche Schwedens, Fremde zu verstehen und aufzunehmen. Dabei arbeitet die Minderheitenkirche des skandinavischen Landes (rund 100.000 Katholiken) auch eng mit anderen schwedischen Kirchen wie der protestantischen Kirche, der orthodoxen; Pfingstkirchen und dem Schwedischen Rat der Christen, der Dachorganisation aller christlichen Kirchen des Landes zusammen. Gemeinsam haben sie eine Arbeitsgruppe für das Thema Migration gegründet, in der alle Kirchen vertreten sind. So veröffentlichten die Kirchen vor Weihnachten auch einen gemeinsamen Appell an die schwedische Gesellschaft und Politik, in dem sie zum Respekt vor den Grundrechten der Flüchtlinge und zum Erhalt der schwedischen Willkommenskultur aufrufen.

„Wir ermutigen unsere Gemeinden, mit den lokalen Kirchen zusammenzuarbeiten und die Ressourcen zu bündeln. An vielen Orten haben wir eine sehr gute Zusammenarbeit zwischen der katholischen Kirche, der lutherischen Kirche und den anderen Pfingstkirchen. Zum Beispiel werden unsere Priester zu Trainingsprogrammen eingeladen oder sie bringen uns Helfer. Die ökumenische Arbeit in diesem Bereich ist sehr eng. Wir sind auch hocherfreut , dass Papst Franziskus im Oktober Schweden besucht. Er ist sehr beliebt, nicht nur bei den rund 100.000 Katholiken des Landes, sondern auch Nicht-Christen möchten den Papst einmal sehen. Wir rechnen damit, dass er sich auch stark aussprechen wird für die Rechte von Migranten.“

Immer wieder gibt es aber auch Konflikte zwischen den Flüchtlingen untereinander. In den Flüchtlingsheimen treten ethnische und religiöse Spannungen auf. Viele sind traumatisiert, bringen Gewalterfahrung mit und sind mit dem Zusammenleben überfordert. Besonders hier muss die Kirche, aber auch die Zivilgesellschaft nun Verantwortung zeigen.

„Wir rufen alle Bürger und die Kirche dazu auf, in die Unterkünfte zu gehen und mitzuhelfen, die Spannungen zwischen Einzelnen beizulegen und für mehr gegenseitiges Verständnis zu sorgen. Es treten ethnische und religiöse Spannungen auf, etwa zwischen Muslimen und Christen aus Syrien und wir versuchen das zu vermeiden und mit den Menschen zu sprechen, ihre Ängste auch ernst zu nehmen ihnen das Gefühl zu geben, dass sie gehört werden, jemanden zum Reden haben. Wir helfen mit interreligiösem Dialog, am Ende des Tages sind es doch alles Menschen und wir müssen einen Weg des Zusammenlebens finden. Auf lange Sicht wird das der schwedischen Gesellschaft zu Gute kommen. Wenn wir das schaffen, schaffen es die Flüchtlinge, wenn wir versagen, dann schaffen es auch die Flüchtlinge nicht.“ (rv)

Nuntius in Syrien: Verhandlungen mit IS über Geiseln im Gang

SyrienEs wäre endlich mal eine schöne Nachricht geworden: Beinahe hätte die Terrorgruppe „Islamischer Staat" IS fast alle in der Region Hassaké in Syrien entführten Christen freigelassen. Der Deal war schon perfekt – doch dann kam etwas dazwischen, erklärt der päpstliche Nuntius in Damaskus, Erzbischof Mario Zenari. „Seit Tagen waren die Verhandlungen für die Freilassung von 52 christlichen Familien abgeschlossen, die Freilassung sollte binnen fünf Tagen grüppchenweise erfolgen. Aber bevor die letzten drei Busse, die wie immer vom IS eskortiert wurden, das vereinbarte Ziel erreichten, gerieten sie in einen Hinterhalt; und soweit ich weiß, haben sie daraufhin weitere Personen aus drei Dörfern zu Geiseln genommen, um ihren Rückzug zu decken."

Der Vertreter des Papstes in der syrischen Hauptstadt deutet an, dass jetzt wieder mit dem „Islamischen Staat" verhandelt wird. „Ich bin nicht darüber auf dem Laufenden, wie sich die Verhandlungen entwickeln. Aber ich will hoffen, dass die Vernunft siegt. Es ist nicht das erste Mal, dass Zivilisten als menschliche Schutzschilde eingesetzt werden."

Vor zwei Wochen waren über 250 Christen im Norden Syriens – am Fluss Khabur nahe der türkischen Grenze – von der Terrormiliz aus ihren Dörfern verschleppt worden; die jüngste Operation hat, bevor sie abgebrochen wurde, immerhin ein paar Dutzend Familien wieder die Freiheit verschafft. Wahrscheinlich waren es kurdische Kämpfer, die den Hinterhalt gelegt hatten. Die Nachrichtenagentur Asianews behauptet, für die Freilassung einer ersten Gruppe von 19 entführten Christen sei ein Lösegeld von umgerechnet rund 1.500 Euro je Person bezahlt worden.

Derweil geht der Bürgerkrieg in Syrien weiter, intensiv und mit wechselnden Fronten und Gruppen. „In den letzten Wochen hat sich der Konflikt verschärft – auch hier in Damaskus, mit Granateneinschlägen. In ein paar Tagen tritt Syrien, leider, ins vierte Bürgerkriegs-Jahr ein; hier steht unverändert Block gegen Block, alle Rufe nach einem Ende der Gewalt stoßen auf taube Ohren." Mit einiger Ironie kommentiert der Erzbischof von Damaskus aus, dass europäische Länder, zuletzt Großbritannien, versuchen, Dschihadisten an der Ausreise in Richtung Syrien oder Irak zu hindern. „Man könnte sagen: Da schließt man den Stall, wenn die Kühe schon alle weggelaufen sind… Aber dieser Zufluss von Dschihadisten von außen, vor allem aus dem Kaukasus und aus benachbarten arabischen Ländern, hat Syrien sehr geschadet. Diese Leute kennen nicht die Realität des Landes, auch nicht den Beitrag der Christen; den Zustrom dieser Dschihadisten zu stoppen, ist also ein dringender und nötiger Schritt." (rv)