Anschlag auf Pilger-Bus: Islamisten töten mindestens sieben Christen

KAIRO – Mit einem gezielten Anschlag haben Islamisten in Ägypten am gestrigen Freitag mindestens sieben koptische Christen getötet und 12 weitere verletzt.

Nach Angaben der ägyptischen Behörden waren die Christen auf einer Pilgerfahrt zum Kloster des heiligen Samuel des Bekenners südlich von Kairo unterwegs, als die Angreifer das Feuer eröffneten.

Unter den Toten befinden sich nach Angaben der Koptischen Kirche auch ein 15-jähriger Junge und ein 12-jähriges Mädchen.

Ein Sprecher des Islamischen Staates reklamierte den Anschlag für den IS.

Der Überfall war geplant: Die militanten Muslime griffen mit Geländewagen von Feldwegen aus den Bus mit Pilgern an, meldet die Polizei.

Der Angriff ist nicht der erste seiner Art: Überfälle auf Kirchen und Pilger-Busse werden seit Jahren immer wieder durch muslimische Terroristen verübt, wie auch auf Kirchen, Klöster und andere christliche Einrichtungen.

  • Ein Terror-Anschlag auf eine Kirche kostete neun Menschenleben im vergangenen Dezember.
  • Ende Mai 2017 starben bei einem Überfall militanter Muslime auf einen Konvoi von Pilgerbussen 26 Personen, wie CNA Deutsch berichtete.
  • Im April 2017 ermordeten IS-Anhänger bei zwei separaten Bombenanschlägen auf koptische Kirchen mindestens 44 Menschen. Wenige Wochen später versuchten IS-Kämpfer einen Angriff auf das berühmte Katharinen-Kloster auf dem Sinai.

Etwa zehn Prozent der rund 92 Millionen Einwohner Ägyptens sind koptische Christen. Sie werden diskriminiert, unterdrückt und immer wieder Opfer von Angriffen radikaler Muslime. (CNA Deutsch)

„Wer steuert den Islamischen Staat fern?“

Islamischer Staat unter Druck: In Syrien hat die Offensive auf Raqqa begonnen, die „Hauptstadt“ der Terrorgruppe Islamischer Staat (IS). Und auch in der nordirakischen Millionenstadt Mossul gerät die Bande immer stärker unter Druck. Am Samstag hat die irakische Armee ihr ein weiteres Stadtviertel im Westteil der Stadt abgenommen, jetzt halten die Terroristen nur noch drei Stadtteile Mossuls… darunter die Altstadt.

Auch wenn die Kämpfer der Terrogruppe ihre Haut teuer zu Markte tragen: Jetzt fängt die Diskussion an, was nach dem Sieg über den IS mal aus Mossul werden soll. Und aus dem Irak überhaupt.

„Der IS ist ein Problem – aber er ist nicht d a s Problem“, sagt im RV-Interview Jean-Benjamin Sleiman, der „lateinische“ Erzbischof von Bagdad. „Das wirkliche Problem sind die Hintermänner, die für die Gründung des IS gesorgt haben. Das sind extrem intelligente Leute mit genauen Kenntnissen der islamischen Welt und Gesellschaft. Sie sind das wirkliche Problem! Denn der IS macht die Drecksarbeit, aber wer sind die Manipulatoren im Hintergrund? Wer steuert die Gruppe fern, wer finanziert sie? Wer hält die Hand über sie? Diese Fragen muss man sich stellen, denn der Islamische Staat ist nicht nur ein Problem für den Irak oder die Region, sondern eine Gefahr für die ganze Welt. Man darf keine Tiger heranzüchten, sonst zerreißen sie einen eines Tages…“

„Ein gewisser Beduinen-Instinkt“

Typisch orientalische Verschwörungstheorien, könnte man denken. Aber so einfach ist das nicht: Schon vielen Experten ist aufgefallen, wie eng im Irak führende Köpfe des gestürzten Regimes von Saddam Hussein mit dem IS verbandelt sind. Sie haben den Widerstand gegen die amerikanischen Besatzer im Irak mit dem Unmut der sunnitischen Stämme zusammengerührt, dem Mix eine für viele attraktive islamistische Zutat gegeben, fertig war das Terrorsüppchen.

„Natürlich sind jetzt alle glücklich, dass der IS aus Mossul herausgefegt wird! Aber was nach dem IS kommt, bereitet doch auch Sorgen. Und zwar in mehrfacher Hinsicht. Zum einen stehen die befreiten Gebiete, auch die in der Niniveh-Ebene, im Mittelpunkt eines heftigen Streits – seit langem schon, schon seit dem Sturz des Regimes (von Saddam Hussein). Jetzt kriegt der Stärkste, der sich als erster darauf stürzt, wohl den Löwenanteil.“ Das zielt auch auf die kurdischen Milizen, die an der Befreiung von Mossul mitwirken.

„Hinzu kommt, dass sich einige Familien aus Not, vielleicht aber auch aus einem gewissen Beduinen-Instinkt heraus – entschuldigen Sie bitte diese Formulierung – sich das Eigentum der anderen angeeignet haben. Wir sind in diesem Land schon daran gewöhnt: Wenn sich jemand Ihr Haus angeeignet hat, und Sie schaffen es mithilfe der Behörden oder der Justiz, das Haus wiederzubekommen, dann müssen sie diesen Leuten eine Art Entschädigung zahlen.“

„Der Irak ist nicht mehr mein Land“

Probleme dieser Art gebe es viele, sagt der Erzbischof. Sie machten geflohenen oder vertriebenen Christen eine Rückkehr in ihre vom IS befreite Heimat schwer. „Wenn das jetzt nur, sagen wir mal, materielle Probleme wären – an sowas sind wir gewöhnt, das würden wir hinkriegen. Aber das eigentliche Problem besteht beim Vertrauen.“

Der Spaltpilz IS hat die Einzelteile der irakischen Gesellschaft auseinandergetrieben, Ergebnis ist ein allgemeines Misstrauen und der Eindruck: Mit unseren alten Nachbarn wollen wir nicht mehr Wand an Wand wohnen. Mehr noch. „Wenn Ihnen ein Iraker sagt: Der Irak ist nicht mehr mein Land – dann geht das über Nachbarschaftskonflikte oder um einen Streit über ein besetztes Haus weit hinaus. Das geht sehr weit. Und das ist einer der Gründe für den irakischen Exodus. Es gibt noch andere Gründe, aber der Verlust des Vertrauens ist sicher fatal.“

Wenn man den Irak retten wolle, so Erzbischof Sleiman, dann müsse man dafür sorgen, dass der Staat wieder wirklich zum Staat werde. „Wenn man die Geschichte mal im Zeitraffer sieht: Das Regime fällt, fast alle staatlichen Einrichtungen lösen sich auf, nach ein paar Monaten der Anarchie wird der Staat neu gegründet – und diese Neugründung besteht aus kleinen, aus Mini-Staaten. In der Zwischenzeit haben sich viele Milizen, Parteien usw. gebildet, mit diesem Material also hat man den Irak neu gegründet. Aber ein Staat müsste eigentlich viel mehr sein als ein Zusammenschustern von lauter Mini-Staaten!“

„Nicht auf die Widersprüche starren“

Wenn der Staat funktionieren würde, dann gäbe es „überhaupt kein Problem, nicht für die Christen, nicht für alle anderen“, sagt Erzbischof Sleiman. Doch die Zentralgewalt in Bagdad sei einfach zu schwach, um das Gebilde Irak mit allen seinen widerstreitenden Interessen zusammenzuhalten. „Die erste Aufgabe eines Staates besteht darin, die Sicherheit in der Gesellschaft zu gewährleisten. Heute sind die Minderheiten, darunter die Christen, zur Zielscheibe geworden. So etwas mindert nicht nur das Vertrauen – es tötet es.“

Aber der lateinische Erzbischof von Bagdad bemüht sich auch, nicht nur schwarzzumalen. Doch, es gebe durchaus schon Christen, die jetzt in ihre Dörfer in der Niniveh-Ebene zurückkehrten. Oder die schon die Koffer packten, um einen Neuanfang in der alten Heimat zu wagen. „Es gibt auch einige, die jetzt nicht zurückkehren können, auch wenn sie es gerne wollen, weil ihre Häuser abgebrannt oder ausgeplündert sind. Also, da steht uns allen viel Arbeit bevor… Ich glaube, es ist wichtig, Mut aufzubringen und nicht auf die Widersprüche zu starren, die ich aufgezählt habe.“

Zu Trump: „Wo sind die Werte?“

Der neue US-Präsident Donald Trump hat unlängst auf seiner ersten Auslandsreise den Nahen Osten – konkret Saudi-Arabien und Israel – besucht. Aus Riad brachte er einen milliardenschweren Rüstungsdeal mit nach Hause. Was sagen Sie zu Trump, Herr Erzbischof? „Wissen Sie – viele Menschen im Irak haben mit Trumps Reise jetzt nicht besonders viel Hoffnung verbunden. Aus meiner Sicht ist Trump in die USA zurückgekehrt und hat da gesagt: Guckt mal, ich bringe euch Milliarden Dollar mit, ihr könnt zufrieden sein! (Lacht) Alles gut und schön – aber der Friede auf der Welt und unsere Zukunft bestehen nicht nur aus Dollars. Vor allem, wenn diese Dollars auf nicht ganz klare Weise zusammengerafft werden.“

Nein, große Hoffnungen hätten die Christen im Irak auf Trump nicht gesetzt – das ist ein interessanter Befund, denn viele Kirchenleute im benachbarten Bürgerkriegsland Syrien können dem neuen Mann im Weißen Haus durchaus einiges abgewinnen.

Bestürzt ist Erzbischof Sleiman über die Kriegsgefahr am Golf – darüber, dass Saudi-Arabien und einige Verbündete Katar isolieren. „Man wirft Katar vor, Terror zu unterstützen – aber man sollte sich mal genau ansehen, wer da diesen Vorwurf erhebt. Wer es ist, der den ersten Stein wirft. Das alles trägt zu unserem Leiden bei. Wir träumen von einer friedlichen Welt – von einer Welt, in der es ein bisschen Wahrheit gibt. Aber diese Wahrheit gibt es nicht!“ Trump hat Saudi-Arabien zunächst zu seiner Kampagne gegen Katar beglückwünscht, jetzt gerade rudern die US-Diplomaten wild durch die Gegend, weil sie ihren Militärstützpunkt in Katar nicht verlieren wollen. An die Adresse der USA hat Erzbischof Sleiman eine klare Frage: „Ich sage das mit Blick auf eine Nation, die einmal christlich war und eine christliche Kultur hatte – also eine Kultur der Werte. Wo sind die Werte?“

„Emigration gibt es nicht erst seit Saddam“

Nach einer neuen Studie haben weit mehr als die Hälfte der Christen dem Irak seit dem Sturz Saddam Husseins den Rücken gekehrt. „Wir sind nicht weit von der Zweidrittel-Marke entfernt, wenn wir ab 2003 zählen. Aber wissen Sie – das Drama der Emigration aus dem Nahen Osten, auch aus dem Irak, hat doch gar nicht erst 2003 angefangen. Da muss man eigentlich zurückgehen bis zum Ersten Weltkrieg. Das sind Dramen, die sich aneinander reihen; auch der Iran-Irak-Krieg hat den Irak ausgeblutet. Aber ich will gar nicht nur von den Christen sprechen – das Phänomen betrifft alle Iraker. Alle leiden und sind frustriert.“

Der Ölreichtum des Irak sei auch sein Fluch: Er habe dazu geführt, dass sich zu viele ausländische Staaten für das Land „interessieren“, sagt Erzbischof Sleiman. Die Menschen seien ausgelaugt, sie hätten die ewigen Kämpfe – auch die des Alltags – satt. (rv)

Warnung: „Islamischer Staat will Christen aus Ägypten vertreiben – wie im Irak und Syrien“

KAIRO -Nach dem Terroranschlag am Freitag, dem 26. Mai, bei dem 29 koptischen Christen getötet wurden, hat der Sprecher der katholischen Kirche in Ägypten, Pater Rafic Greiche, erklärt, dass der Islamische Staat beabsichtige, die Christen des Landes zu vertreiben, wie es auch schon im Irak passiert sei.

„Die Terroristen haben sich als langfristiges Ziel gesetzt, die Christen aus Ägypten zu vertreiben, so wie sie es im Irak getan haben, in dem der IS als erstes nach der Einnahme Mossuls alle Christen vertrieben hatte“, sagte der Priester am 27. Mai zur vatikanischen Nachrichtenagentur „Fides“ .

Die gleiche Situation, beklagte er, gab es zuvor in Syrien und im Sudan. „Und jetzt versuchen sie es in Ägypten, wo die erste christliche Gemeinde des Mittleren Ostens lebt und auch die größte islamische Gemeinde der arabischen Welt“, warnte er.

„Ich glaube ferner, dass die Terroristen versuchen, die ägyptische Bevölkerung zu spalten und Zwietracht zwischen Christen und Muslimen zu säen. Bislang hatten sie keinen Erfolg damit und in der Tat ist die Bevölkerung geeint in der Ablehnung von Gewalt“.

Über den Auslöser des Angriffs auf koptische Christen am 26. Mai, der von einem Dutzend Dschihadisten in der Stadt al-Minya (in Mittelägypten) verübt worden war, sagt Pater Greiche, er könnte „eine Antwort auf die Rede des ägyptischen Präsident Abd al-Fattah as-Sisi sein, die er auf der Konferenz der USA und der arabischen islamischen Welt letzte Woche in Saudi-Arabien gehalten hatte.“

„Es war eine sehr heftige und ehrliche Rede gegen den Fundamentalismus und Radikalismus gewesen“, erklärte er.

Laut Angaben der lokalen Presse endete am Sonntag, dem 21. Mai, der Gipfel des Golf-Kooperationsrates und des amerikanischen Präsidenten Donald Trump mit der Unterzeichnung eines entsprechenden Dokumentes, das von „55 Oberhäuptern und Vertretern der arabischen und islamischen Länder sowie den Vereinigten Staaten“ approbiert worden war und das von den Medien als „Wendepunkt in den Beziehungen“ qualifiziert wurde.

„Man muss den gemäßigten religiösen Dialog fördern, nicht nur in Ägypten, sondern auch in Europa. In den europäischen Moscheen gibt es Imame, die radikale und aufrührerische Reden halten“, betonte er.

„Sie können uns außerdem dabei helfen, dass unsere Bevölkerung eine bessere Erziehung zukommt“, so der Priester. (CNA Deutsch)

 

Bischof Schick: Mehr Wachsamkeit gegenüber Islamismus

Zu Solidarität mit den Christen in Nigeria hat der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick aufgerufen. Schick besucht derzeit das westafrikanische Land anlässlich eines „Solidaritätsbesuchs“. Mit einem Blick auf das jüngste Attentat von Paris forderte er zugleich mehr Wachsamkeit gegenüber islamistischen Tendenzen in Europa.

Wie Erzbischof Schick im Gespräch mit Radio Vatikan erläutert, ging es bei dem Besuch darum, sich ein Bild von der aktuellen Lage im Land zu machen. Der Bamberger Bischof ist in der Deutschen Bischofskonferenz für die Weltkirche zuständig.

Schick: „Wir haben in Lagos begonnen und uns dort mit dem Erzbischof von Lagos getroffen, um in dieser 20 Millionen Einwohner-Stadt auch die Situation der Kirche zu besprechen, Informationen zu holen und dort auch die Nöte und Sorgen, aber auch die Freuden und Hoffnungen und vor allen Dingen die Anforderungen für die Kirche zu erfahren. Dann sind wir in den Nordosten gefahren, in das sogenannte „Boko-Haram-Gebiet“ in Kaduna und jetzt hier in das Gebiet in Jos, in dem wir mit dem Erzbischof Kaigama und auch anderen Bischöfen gesprochen haben. Wir haben uns auch mit muslimischen Religionsführern, mit drei Emiren, getroffen und waren bei verschiedenen Institutionen, die sich um den interreligiösen und ökumenischen Dialog bemühen. Dann waren wir auch in Lagern von Flüchtlingen, die von Boko Haram vertrieben wurden und die sich jetzt in der Nähe von Lagos aufhalten. Die Situation ist sehr trist und traurig, aber es ist auch eine Realität, die zu unserem Besuch dazu gehörte. Die Kirche ist hier sehr aktiv und tut sehr viel für den karitativen Bereich, für den interreligiösen Dialog und für die Gesellschaft, damit die Menschen in Frieden und Gerechtigkeit leben können.“

RV: Was für Wünsche und Bitten hatten Ihre Gesprächspartner auf kirchlicher Seite und auf Seite anderer Religionsgemeinschaften, wie der Muslime etwa, an Sie?

Schick: „Zunächst die Bitte, dass wir sie in ihren Sorgen, Nöten, aber auch in ihren Aktivitäten wahrnehmen, dass Afrika eben nicht als der „schwarze Kontinent“ gesehen wird, der im Chaos versinkt. Es gibt hier wirklich alarmierende Ereignisse, die uns als Christen nicht nichtig lassen dürfen, aber es gibt auch andere Seiten: Es gibt Seiten des friedlichen Miteinanders der Religionen, es gibt aktives soziales Leben und gutes Miteinander. Das wollten sie uns auch zur Kenntnis bringen. Dann möchten sie natürlich auch, dass wir ihnen helfen, und das ist sicher eine multifunktionale Hilfe z.B., dass ihre Institutionen des Dialogs und des Miteinanders gefördert werden, hauptsächlich durch die Kirche, und dass wir da auch finanzielle Unterstützung geben. Deshalb heißt der Besuch auch „Solidaritätsbesuch“. Außerdem sagen sie, dass wir mit unseren Politikern reden sollen, dass die die entsprechenden politischen, aber auch wirtschaftlichen Maßnahmen treffen, dass sich Afrika entwickeln kann, jetzt besonders hier in Nigeria. Da gibt es jetzt viele Ansatzmöglichkeiten: Die Politik kann nur die Korruption in der Politik beenden und da entsprechende Maßnahmen treffen. Sie können entsprechende Wirtschaftsvereinbarungen treffen und die Entwicklungshilfe in den europäischen Ländern steigern. Das sollen wir so unseren Politikern rüberbringen, weil wir gerade in Deutschland eine gute Beziehung zur Politik, zum Außenministerium, zum Entwicklungsministerium und auch zur Kanzlerin haben, dass wir das bei nächster Gelegenheit auch weitergeben.“

RV: Am Donnerstag gab es in Paris einen Anschlag, auch wieder mit einem terroristischen Hintergrund, dem IS. Sie sind jetzt in einem Land, wo auch Terrorismus islamistischer Prägung wütet. Was möchten Sie für eine Botschaft mitgeben, wenn man jetzt auch bei uns in Europa vor der Haustür solche Anschläge hat? Wie sollen wir damit umgehen, wenn es jetzt natürlich auch in den Medien wieder hoch gekocht wird? Wie können wir auch damit umgehen, damit der interreligiöse Dialog nicht noch mehr Risse bekommt?

Schick: „Das ist richtig und sie fragen uns auch: Geht ihr denn richtig mit denen, die einwandern, um? Seid ihr für solche terroristischen Elemente genügend gerüstet? Man darf ja nie sagen, dass der Islam oder alle Muslime Terroristen sind, das wäre völlig falsch und das ist auch hier deutlich: Ganz viele Muslime hier suchen Frieden und Einheit mit den Christen und anderen Religionen für das Land. Meines Erachtens müssen wir aber in vielerlei Hinsicht in Deutschland und in Europa wachsamer werden. Wachsamer werden, was die Einwanderung angeht und wachsamer werden, was die Rückführung in die Länder angeht. Viele Terroristen, die tätig waren, waren schon bekannt und sind nicht zurückgeführt worden. Auch eine gute Sicherheitssituation, das heißt die Polizei sowie eine gute Gerichtsbarkeit sind notwendig. In Europa haben wir eigentlich die Instrumente entwickelt, die für eine sichere, friedliche und freiheitliche Gesellschaft nötig sind. Wir müssen im Augenblick auch hoffen, dass wir das nicht verlieren. Polizisten, Gewerkschaften, Kirche – alle sind da gefordert. Wir müssen auch unsere Botschaft der Gerechtigkeit, des Friedens und des gegenseitigen Respekts aktiver in die Gesellschaft hineinbringen und wir müssen auch sagen, dass es auch Grenzen gibt und wer da nicht mitmachen will, der kann auch nicht in dieser Gesellschaft leben – nicht abschotten, sondern erst einmal aktiv für unsere guten, sozialen, wirtschaftlichen und rechtlichen Verhältnisse kämpfen und auch versuchen, diese dann in die Länder wie etwa in Afrika auszubreiten, wo es eben noch nicht so ist. Ein Stück christliches Abendland muss auch wieder aufwachen und entsprechend die Menschen führen und nach den Maßstäben des Evangeliums leiten – das ist unsere Aufgabe im Augenblick.“

Die Fragen stellte Mario Galgano. (rv)

Weltverfolgungsindex 2017: Christenverfolgung steigt an

Christen sind nach wie vor die am meisten verfolgte Glaubensgemeinschaft der Welt – und die Zahlen sind im Vergleich zum Vorjahr nochmals signifikant angestiegen. Dies geht aus dem neuesten Weltverfolgungsindex von Open Doors hervor, den die Hilfsorganisation an diesem Mittwoch vorgestellt hat. Demnach leiden derzeit über 200 Millionen Christen unter Verfolgung. Wir haben mit dem Geschäftsführer von Open Doors, Markus Rode, gesprochen.

Den tatsächlichen Grad der Verfolgung zu messen, sei natürlich schwierig, sagt Rode uns. Open Doors stellt den Betroffenen, aber auch vor Ort tätigem institutionellem Personal 80 Fragen: „Da untersuchen wir fünf Lebensbereiche von Christen: Können sie ihren Glauben als Privatmensch leben? Wie sieht es aus in der Familie, in der Gesellschaft, im kirchlichen Leben und, letztlich, das Leben im Staat. Aus diesen Fragen ergibt sich ein Bild über den Grad der Verfolgung. Dann haben wir noch einen sechsten Bereich, den wir dazu nehmen, nämlich die Anzahl der Gewalttaten, die wir registrieren. Daraus ergibt sich ein Index-Wert, der letztlich versucht, den Grad der Verfolgung zu greifen.“

Vor neun Jahren hatte Open Doors seine neue Methodik zur Messung der Verfolgung eingeführt und mit einer differenzierteren Herangehensweise die damals kursierende Zahl von 200 Millionen Verfolgten um etwa die Hälfte reduziert. Der Grund: Open Doors nahm sich Land für Land vor, um so weit als möglich nahe an der Realität der Menschen vor Ort zu bleiben, anstatt für alle Gläubigen die gleichen Bedingungen anzunehmen. In diesem Jahr wurde nun aber erneut die 200 Millionen-Marke überschritten. Für den Anstieg nennt Rode drei Ursachen: „Das eine ist der arabische Frühling. Den haben wir natürlich damals nicht gehabt. Das heißt, wir mussten jetzt sehen, dass es gerade im Nahen Osten eine Massenvertreibung von Christen gegeben hat. Genauso die islamistische Ausweitung dieser Netzwerke, wie Boko Haram, IS, al-Shabaab, die nicht nur innerhalb ihrer Länder tätig wurden, sondern jetzt richtige internationale Netzwerke gebildet haben und den Druck auf Christen verstärkt haben, sind eine wesentliche Triebkraft der zunehmenden Verfolgung. Und dann kommt noch eines hinzu, und das ist in den Medien und insgesamt in der Öffentlichkeit gar nicht so wahrgenommen worden, nämlich der religiös motivierte Nationalismus in Asien.“

Besonders weit vorne im Weltverfolgungsindex liegen Nordkorea und islamische Länder. „In diesen Ländern erleben wir einen sehr extremen Islam. Besonders hart verfolgt sind jetzt immer mehr diejenigen, die vom Islam zum christlichen Glauben konvertieren. Das heißt, eine eigentlich übersehene Gruppe von Christen, die sehr stark wächst in den letzten Jahren, die der Konvertiten, steht nun unter besonderem Druck, weil der Abfall vom Islam ein todeswürdiges Verbrechen ist.“

Mit dem Weltverfolgungsindex will Open Doors den verfolgten Christen eine Stimme geben und ihnen zu helfen. „Natürlich ist das, was verfolgte Christen besonders brauchen, das Gebet. Sie sagen an erster Stelle: Bitte betet für uns, damit unser Glaube nicht aufhört. Und an der Stelle sind wir gefordert als Christen zu beten, aber natürlich auch in Projekten die Christen Vorort zu unterstützen und ihnen zu helfen, dass sie zumindest wissen, sie sind nicht vergessen und sie werden nicht im Dunkel gelassen. Das ist unser Ziel.“ (rv)

2016 wurden etwa 90.000 Christen getötet

ChristenverfolgungDas ist eine Zeit der Märtyrer – Papst Franziskus hat an diesem Montag erst wieder daran erinnert. 90.000 Christen sind im Jahr 2016 um ihres Glaubens willen ermordet worden, sagt der italienische Forscher Massimo Introvigne, der ein internationales Netzwerk namens „Studienzentrum Neue Religionen“ leitet.

„Nächsten Monat erscheint eine neue Statistik. Aus ihr ergibt sich, dass alle sechs Minuten ein Christ um seines Glaubens willen umgebracht wird. Diese Zahl ist etwas zurückgegangen im Vergleich zu den 105.000 Getöteten vor zwei Jahren. Die meisten Morde an Christen, siebzig Prozent bzw. 63.000 Menschen, geschehen bei Stammeskonflikten in Afrika. Das US-„Center for Study of Global Christianity“ nimmt sie mit auf in seine Statistik, weil man bei den meisten Christen davon ausgeht, dass sie sich aus Gewissensgründen geweigert haben, zu den Waffen zu greifen. Die übrigen dreißig Prozent, also 27.000 Menschen, rühren aus Terroranschlägen her, aus der Zerstörung christlicher Dörfer oder Verfolgungen durch eine Regierung wie etwa die nordkoreanische.“

Hauptgrund: Stammeskonflikte

Und was sagen die Schätzungen zur Zahl der weltweit verfolgten Christen? Auch darauf hat Introvigne eine Antwort: „Wenn man die Statistiken von mindestens drei US-Forschungszentren und meinem eigenen Netzwerk zusammensieht, kommt man auf etwa 500 bis 600 Millionen Christen, die ihren Glauben nicht völlig frei leben können. Ohne die Leiden von Mitgliedern anderer Religionen in irgendeiner Weise herunterzuspielen, sind doch die Christen die bei weitem am stärksten verfolgte religiöse Gruppe in der Welt.“

Zurück zur Zahl der um ihres Glaubens willen ermordeten Christen im Jahr 2016: „Man kann sich über die Statistiken wundern; das „Center for Study of Global Christianity“ spricht nämlich von 90.000 Christen, andere hingegen von nur einigen Tausend, wieder andere nur von einigen Hundert. Wenn die Diskrepanzen so groß sind, ist klar, dass da verschiedene Dinge gezählt werden. Wer die Menschen zählt, die bewußt vor die tragische Wahl gestellt werden: Verleugne deinen Glauben oder stirb!, der kommt jedes Jahr auf einige Hundert. Andere sehen die Sache weniger eng: Da werden nicht nur Kandidaten für eine Seligsprechung gezählt, sondern auch die Christen, die wegen bestimmter Glaubensgesten oder –praktiken getötet werden, das sind dann einige Tausend. Spricht man hingegen in weiterem Sinn von Menschen, die umgebracht werden, weil sie Christen sind, dann kommt man auf 90.000 Menschen – das heißt, ein Toter alle sechs Minuten.“

Statistiken und Schicksale

Hinter den blanken Zahlen sind natürlich einzelne Schicksale besonders anrührend. Wie etwa die der Christen im Herrschaftsbereich der Terrorgruppe „Islamischer Staat“.

„Ja, auf dem Gebiet des sogenannten Islamischen Staats gibt es verschiedene Fälle, die die Kirche auch schon mit Blick auf eine mögliche Seligsprechung untersucht. Es gibt Christen, die bewußt in diesen Gebieten geblieben sind, um dort so gut wie möglich ihren Glauben zu bezeugen. Allerdings tötet der IS auch viele Muslime; für 2016 liegt die Zahl der Christen und die der Muslime, die um ihres jeweiligen Glaubens willen umgebracht wurden, in etwa gleichauf – wenn wir Afrika ausnehmen. Muslime werden in der Regel von anderen Muslimen getötet: die Schitten durch Sunniten, das ist der häufigste Fall. In einigen Fällen werden Muslime, die mit einer bestimmten Ausrichtung des Islams nicht einverstanden sind, von extremistischen Muslimen umgebracht. So verhält sich das auch beim IS.“ (rv)

Islamischer Staat: Unser Krieg ist ein Religionskrieg und wir hassen die Christen

IS FahneVATIKANSTADT – „Das Gebot ist klar: die Ungläubigen töten, wie Allah gesagt hat“; das war die Antwort des Islamischen Staates (IS) auf Papst Franziskus in der letzten Ausgabe seiner Zeitschrift Dabiq, mit dem Titel „Das Kreuz zerstören“. Darin erklärt der IS, den christlichen Westen zu hassen und beschuldigt den Papst, „die muslimische Nation befrieden zu wollen“.

Die letzte Ausgabe von Dabiq wurde veröffentlicht, nachdem Papst Franziskus auf seinem Rückflug von Polen erklärt hatte, es sei „nicht richtig, den Islam mit Gewalt gleichzusetzen. Das ist weder recht noch wahr.“ Am gleichen Tag hatten Muslime die Kirchen Frankreichs und Italiens besucht, um den Mord am Pater Jacques Hamel, der von zwei Anhängern des IS begangen worden war, zu verurteilen.

„Franziskus verbirgt seine wahren Absichten – die muslimische Nation zu befrieden – weiter hinter einem trügerischen Schleier ‚guten Willens'“, erklärt die Zeitschrift der fundamentalistischen Gruppierung, die auch die Regierung Frankreichs kritisiert, weil diese gesagt hatte, „der authentische Islam und eine angemessene Lektüre des Korans widersprechen jeder Form von Gewalt“.

„Das ist ein göttlich gerechtfertigter Krieg zwischen der muslimischen Nation und den Nationen der Ungläubigen“ steht in einem – mit „Durch das Schwert“ überschriebenen – Artikel über die islamistischen Angriffe in Frankreich, Belgien, den Vereinigten Staaten, Deutschland und gegen westliche Touristen in Bangladesch.

„Keine Religion des Friedens“

Die Islamisten bestehen in dieser Ausgabe darauf, den Papst, sowie „viele Personen der Kreuzzugländer“ anzuklagen, „gegen die Realität anzukämpfen“ in ihren Bemühungen, den Islam als eine Religion des Friedens darstellen zu wollen.

„Tatsächlich ist der Dschihad – das Verbreiten des Gesetzes Allahs mit dem Schwert – eine Verpflichtung, die sich im Koran findet, dem Wort unseres Herrn“ heißt es im Text. „Das Blut der Ungläubigen zu vergießen, ist eine Pflicht. Der Befehl ist klar. Tötet die Ungläubigen, wie Allah gesagt hat: ‚Also tötet die Polytheisten wo immer ihr sie findet.'“

In diesem Sinn lehnen sie auch ab, dass der Papst die Taten des Islamischen Staates als „sinnlose Gewalt“ qualifiziert.

„Der Kern der Angelegenheit besteht darin, dass es tatsächlich ein Schema gibt für unseren Terrorismus, den Krieg, die Grausamkeit und Brutalität“, schreibt der IS und besteht darauf, dass sein Hass auf den Westen absolut und unerbittlich sei.

„Tatsache ist: auch wenn sie aufhören würden uns zu bombardieren, einzusperren, uns zu foltern, zu verunglimpfen und gewaltsam unser Land an sich zu reißen, selbst dann würden wir sie weiter hassen, weil der hauptsächliche Grund für unseren Hass ihnen gegenüber nicht verschwinden wird, bis sie sich dem Islam unterwerft. Selbst wenn sie die Dschizya (die Ungläubigensteuer) bezahlen und gedemütigt unter der Herrschaft des Islam leben würden, auch dann würden wir sie weiterhin hassen“, erklärt der IS.

Zum Schluss warnt die Publikation, dass „die nach Blut dürstenden Ritter des Kalifats den Krieg weiter führen werden“, und droht: „Hegt keine Zweifel daran, dass dieser Krieg erst mit der schwarzen Flagge des Tauhid (des islamischen Monotheismus) enden wird, der Konstantinopel und Rom überschwemmen wird; das ist nicht schwer für Allah.“ (CNA Deutsch)

Was kommt nach dem IS für Iraks Christen?

cna_FluechtlingslagerWASHINGTON, D.C. – Tausende Christen leben als Binnenflüchtlinge im Irak von humanitärer Hilfe. Was für eine Zukunft haben sie, wenn der Islamische Staat erst einmal beseitigt worden ist? Das ist die Frage, die besorgte Christen, Menschenrechtler und Aktivisten beschäftigt; auch in Washington und an den Vereinten Nationen.

„Wir sollten uns nun auf die Konsequenzen einer Befreiung der vom IS kontrollierten Gebiete vorbereiten, inklusive Mossul und der Nineveh-Ebene, sowie Regionen in Syrien“, sagte Carl Anderson, Oberster Ritter der Knights of Columbus vor einer Anhörung zum Thema „Die Anerkennung des Völkermords des IS: Was nun?“ im Regierungsviertel Washingtons.

Nach der Terror-Herrschaft des IS müsse „Pluralismus, Selbstverwaltung und Stabilität“ ermöglicht werden, betonte Dr. Tom Farr, Leiter des Projekts für Religionsfreiheit an der Georgetown University bereits Ende April in einer Rede vor dem Ständigen Beobachter des Heiligen Stuhls bei den Vereinten Nationen.

Nach er weiter Teile des Iraks und Syriens im Jahr 2014 eroberte hatte, musste der Islamische Staat im vergangenen März ein Fünftel seines Territoriums einbüßen. Doch die Feldzüge der radikalen Muslime verursachten eine gewaltige Flüchtlingskrise. Hunderttausende Christen flohen vor den Islamisten aus Mossul und der Nineveh-Ebene ins irakische Kurdistan. Dort leben seit bald zwei Jahren die Menschen in Flüchtlingslagern in der Stadt Erbil. Sie überleben dank der Hilfe christlicher Organisationen wie Kirche in Not und anderer Nichtregierungsorganisationen (NGOs). Ihre Lage bleibt jedoch prekär.

Die kurzfristige Nothilfe kann nicht eine langfristige Strategie ersetzen, eine stabile, wohlhabende und pluralistische Gesellschaft zu schaffen, nachdem der Islamische Staat besiegt worden ist.

Viele vertriebene Christen haben die Region bereits verlassen; manche kamen nach Deutschland, wo sie Gefahr laufen, von der Mehrheit der muslimischen Migranten und ebenfalls islamischen Sicherheitspersonal bedroht und bedrängt zu werden. In Erbil harren weiterhin 70.000 Binnenflüchtlinge, in Schiffscontainern, Wohnwägen und anderen Notunterkünften.

Es muss konkrete Pläne geben, Christen, die in der Region bleiben wollen, sich wieder in ihrer Heimat ansiedeln zu lassen. „Die Menschen sollten entscheiden können, welche Zukunft sie für sich wählen“, sagte Anderson.

„Es wurde viel darüber diskutiert, wie mit den Opfern des IS-Völkermords umzugehen sei“, fuhr Anderson fort. „Einige haben dafür plädiert, die Menschen sicher zurück in die Nineveh-Ebene zu bringen. Andere finden, sie sollten in Kurdistan bleiben können. Und wiederum andere haben vorgeschlagen, sie sollten auswandern. Aber das sind nicht notwendigerweise einander ausschließende, konkurrierende Vorschläge.“

Eine Ausnahme ist Mossul: Die Christen dieser Stadt können nicht heimkehren. Selbst wenn der Islamische Staat von dort vertrieben werden würde, was wahrscheinlich eine gewaltige Kraftanstrengung wäre, ist das Vertrauen der Christen in ihre muslimischen Nachbarn zerstört; möglicherweise für immer. Die bis dahin moderaten Muslime hatten ihre christlichen Nachbarn den Dschihadisten ausgeliefert, als diese im Jahr 2014 die Stadt einnahmen.

Selbst wenn also ihre Häuser noch intakt sein sollten, können Christen nicht unbedingt dorthin zurück und neben ihren ehemaligen Nachbarn leben. Eine andere Lösung muss gefunden werden.

Christen und Jesiden am Kampf beteiligen

Am 19. Mai verabschiedeten die US-Abgeordneten ein Gesetz, an dem zwei Zusatzartikel des Republikaners Jeff Fortenberry aus Nebraska angehängt waren.

Fortenberrys Artikel schaffen eine Blaupause für die Zukunft der Region. „Erstens gehört nun zur US-Strategie im Irak, Sicherheitszonen zu schaffen, in denen Völkermord-Opfer sicher in ihre Heimat zurückkehren können“, sagte er. „Und zweitens ermächtigt eine neue Vorschrift Minderheitengruppen wie Christen und Jesiden, sich mit ihren Verbänden in der integrierten Militärkampagne gegen den IS einzugliedern.“

„Christen, Jesiden und andere sollten weiterhin ein wesentlicher Teil der einst so reichen ethnischen und religiösen Vielfalt des Nahen Ostens sein“, sagte der Abgeordnete.

Doch die Zahl der christlichen Gemeinden im Nordirak ist seit der US-geführten Eroberung des Landes im Jahr 2003 stetig gesunken. Wenn nicht bald Flüchtlinge in der Region neu angesiedelt werden, sondern weiterhin in temporären Unterkünften und Flüchtlingslagern ausharren, dann ist es wahrscheinlich, dass sie das Land für immer verlassen und diese Gemeinden für immer verschwinden.

Diese wäre eine Katastrophe für die Zukunft des Nahen Ostens, betonte Dr. Farr gegenüber den Vereinten Nationen; es würde die religiöse Vielfalt in der Region genauso zerstören wie „jede Chance auf Stabilität, Selbst-Verwaltung und wirtschaftliche Entwicklung.“

Einige Experten, darunter Farr, haben eine „autonome, multi-religiöse, multi-ethnische ‘Sicherheitszone’“ vorgeschlagen, die ermöglichen soll, dass Christen in ihrer angestammten Heimat leben können.

Vorbild hier wären eventuell vergleichbare UN-Zonen der Vergangenheit, in denen internationale Schutztruppen die Bevölkerung vor dem Genozid und weiteren Angriffen durch den IS oder andere muslimische Milizen schützen müssten.

Selbst Farr räumt ein: Vieles müsste geschehen, bevor dieser Plan realistisch und realisierbar ist. Neben militärischem Schutz bräuchte eine solche Zone „eine interne Polizei, wirtschaftliche Anreize, gerechte und effektive Regierung, Behandlung für Traumata und psychologische Leiden, sowie Versöhnungsmechanismen“.

Außerdem müssten benachbarte Länder einer solchen Zone zustimmen, ebenso wie das irakische Kurdistan und die irakische Zentralregierung, so Farr.

Nach einer bestimmten Zeit könnte aus einer „Sicherheitszone“ hoffentlich eine semi-autonome Provinz werden, so Johnny Oram, Geschäftsführer der Chaldäisch-Assyrischen Wirtschaftsallianz in seiner schriftlichen Aussage zur Anhörung.

Die Region müsste sich selber regieren und schützen können müssen, betonte Oram. Nur so könne das Vertrauen der verfolgten Minderheiten wiederhergestellt werden.

Eine Zukunft für Christen

Eine völlig andere Vision für die Christen der Region hat Stephen Hollingshead, von der Gruppe In Defense of Christians. Die IDG ist eine Organisation zur Verteidigung der verfolgten Christen. „Diese UN-’Sicherheitszonen’ haben eine sehr durchwachsene Erfolgsbilanz“, sagte er. „Sie sind generell nicht sicher, und mit einer Ausnahme sind sie nie wirtschaftlich autark.“

Hollingshead leitet das Haven Project der IDG. Er plädiert nicht für eine vorübergehende Sicherheitszone, sondern gleich ein eigenständiges Territorium für Christen und andere Minderheiten, sei es ethnische oder religiöse – Dorf für Dorf.

Christen könnten hier nicht nur überleben, sondern blühen und sich selbst versorgen, schützen und um sich selbst genauso kümmern wie Handelspartner in der Region, so Hollingshead.

Die Nineveh-Ebene liegt zwischen Mossul im Westen und dem irakischen Kurdistan im Norden und Osten. Sie wäre für Hollingshead der geeignete Ort: Christen, die dort seit vielen Jahrhunderten leben, könnten die fruchtbare Ebene weiter landwirtschaftlich nutzen, sich selbst verwalten und vor aggressiven schützen.

Auch dieser Plan hat viele Variablen, räumt Hollingshead ein. Das sind einmal die kurdischen Peschmerga. Sie würden die Ebene einfach annektieren, sobald der IS besiegt wurde, wenn man sie ließe, so Hollingshead. Deshalb müssten Christen und Jesiden auch mit eigenen Kampfverbänden an der Bezwingung des IS beteiligt werden. Nur so wären sie gleichberechtigte Partner bei Friedensverhandlungen.

„Ich glaube, dass die Kurden bereit wären, eine Vereinbarung zu treffen – und ich bitte die USA, eine solche Verhandlung zu führen“, fuhr er fort. Hollingshead ist überzeugt: Die Kurden wären dazu bereit, ihren Anspruch auf die Ebene gegen eine Anerkennung ihres eigenen Rechts auf Selbstbestimmung durch die USA einzutauschen.

Eine solche Lösung ist alles andere als gewährleistet: Christen der Region haben nicht vergessen, dass ich die Kurden am Vökermord gegen die assyrischen Christen vor einem Jahrhundert beteiligten. Und sie sind bis heute argwöhnisch den Peschmerga gegenüber, betont Naomi Kikoler, stellvertretende Direktorin des Simon Skjodt Zentrums für die Prävention von Völkermord am US Holocaust Memorial Museum.

„Religiöse Minderheiten haben weiterhin wenig Vertrauen in die irakischen Sicherheitskräfte und die kurdischen Peschmerga. Sie werfen ihnen vor, sie im Stich gelassen zu haben, als der IS die Niniveh-Ebene angriff“, sagte Kikoler in einem schriftlichen Statement, dass am 26. Mai vor dem House Foreign Affairs Committee verlesen wurde.

„Viele haben weiterhin den Eindruck, als Bauern im politischen Schachspiel zwischen der irakischen Regierung und der kurdischen Regionalregierung um die umstrittenen Regionen verwendet zu werden“. Mit der Folge, dass sich religiöse Minderheiten darüber Sorgen machen, von wem und wie ihre Heimat regiert werde, sollten sie je zurückkehren.

Doch der Plan, darauf beharrt Hollingshead, ist möglicherweise die beste Chance für Christen und Jesiden auf eine langfristig sichere und stabile Heimat in der Region. „Man schiesst nicht auf Leute, mit denen man Handel treibt“, so Hollingshead. Wenn zwischen assyrischen Christen, Kurden und anderen gute Wirtschaftsbeziehungen gegenseitigen Wohlstand sicherten, dann führe dies zu Stabilität und Sicherheit.

So wie der Sindschar-Berg vom Islamischen Staat befreit wurde: So könnten, Schritt für Schritt, auch die Dörfer der Christen und Jesiden befreit werden, meint Hollingshead; durch kurdische, christliche und jesidische Kampftruppen, mit Unterstützung aus der Luft durch US-Streitkräfte. Mit Startkapital ausländischer Investoren könnten neue Betriebe und dadurch Arbeitsplätze entstehen. Ob und wie ein solcher Plan umsetzbar ist und wirklich umgesetzt werden könnte, ist freilich noch unklar – so oder so müßten Experten der internationalen Gemeinschaft, und vor allem der USA, die Region weiterhin sehr genau beobachten. (CNA Deutsch)

Louis Raphael Sako: Marschiert endlich ein!

Patriarch SakoDie Situation der Christen im Nahen Osten wird immer bedrängender, auch Papst Franziskus weist immer wieder mit bewegenden Worten darauf hin, dass seine Gedanken und Sorgen mit den Glaubensbrüdern in den von Krieg und Terror gemarterten Gebieten sind. Religiöse Minderheiten, und unter ihnen insbesondere die Christen, werden unaufhörlich Opfer von Verfolgung und Gewalt. Der sogenannte Islamische Staat, eine Terrororganisation ohne Beispiel in der jüngeren Geschichte, ist für unfassbare Gräueltaten in den von ihm besetzten Gebieten verantwortlich. Immer mehr Menschen entscheiden sich deshalb dafür, ihrem Heimatland den Rücken zu kehren. Mittlerweile hat der Terror des IS auch Europa erreicht, doch die Iraker und auch die christlichen Minderheiten leiden unter diesem Terror schon seit Jahren. Sie fühlen sich von der Internationalen Gemeinschaft im Stich gelassen und einer marodierenden Mörderbande ausgeliefert.

Grund genug für den chaldäisch-katholischen Patriarchen Louis Raphael Sako I., der in Bagdad lebt und wirkt, einen flammenden Appell an die Weltöffentlichkeit zu richten, der aufhorchen lässt: „Marschiert endlich ein!“ ist das Buch betitelt, in dem er seiner Sorge um die Situation der Christen (und nicht nur) im Nahen Osten Ausdruck verleiht und ein beklemmendes Bild der Lage vor Ort zeichnet. Dabei geht er weiter zurück in die Geschichte seiner Heimat, eine beginnende Islamisierung bereits unter Saddam Hussein, die gravierenden Fehler der USA nach ihrem Einmarsch 2003, sowie eine packende Schilderung der Flucht der Christen aus Städten wie Mossul nach der Eroberung des IS sowie dessen brutaler Übergriffe während Gottesdiensten.

Er spricht offen von Völkermord im Irak und erinnert die Internationale Gemeinschaft an die Verantwortung, die sie für die Menschen in den vom Islamischen Staat besetzten Gebieten hat. Für ihn gibt es zu einem militärischen Einsatz keine Alternative, denn: „Wenn man diesen Terrorschwadronen keinen Einhalt gebietet, können sie innerhalb von einigen Monaten die kulturelle und religiöse Vielfalt in meinem Land auslöschen, weil keiner mehr ein Weiterleben in Todesangst ertragen kann. Mit den Barbaren des IS gibt es kein Verhandeln und keinen Dialog. Absolute Kompromiss- und Erbarmungslosigkeit kennzeichnen sie,“ so schreibt er selbst im Vorwort zu seinem Buch.

Eine über 2000-jahre alte Geschichte des fruchtbaren Zusammenlebens zwischen Christen und anderen Glaubensgemeinschaften in den Gebieten, in denen die Frohe Botschaft zuerst erklungen ist, könnte in den heutigen Tagen zu einem Ende kommen. Dieser Gefahr für den Nahen Osten und die gesamte Menschheit entgegen zu wirken – das ist der Wunsch des Patriarchen, für den er um tätige Hilfe der gesamten Weltgemeinschaft bittet.

„Marschiert endlich ein! Stoppt die Ermordung der Christen im Nahen Osten. Ein Aufschrei aus Bagdad“ von Raphael Louis Sako ist im Herder-Verlag erschienen und kostet etwa 15 Euro. (rv)

Die Geschichten der Opfer des Islamischen Staats: Akte unbeschreiblicher Gewalt und Gräuel

ISNEW YORK – WARNUNG der Redaktion: Dieser Bericht enthält Beschreibungen von Akten barbarischer Gewalt, extremer Gräueltaten, Misshandlung und Folter. Er ist nicht für Kinder und Jugendliche geeignet.

Ihre Geschichten sind grausam, brutal, roh.

Etwa die des Ehepaares, deren Kinder von Kämpfern des Islamischen Staates entführt wurden. Als es eines Tages an der Tür klingelte, fanden sie Plastiktüten vor. Darin waren Körperteile ihrer Töchter und Videos, die zeigten, wie die Kinder vergewaltigt und gefoltert wurden.

Eine andere ist die der christlichen Frau aus Mosul, die zur Tür ging und ausländische IS-Kämpfer vorfand, die sie aufforderten, ihr Haus zu verlassen oder die „Dschizya“-Kopfsteuer zu zahlen, die gegen Christen und Juden in islamistischen Gesellschaften erhoben wird. Sie bat um ein paar Sekunden Zeit, da ihre Tochter in der Dusche sei. Doch die Islamisten weigerten sich. Sie setzten das Haus in Flammen, und verbrannten die Tochter bei lebendigem Leib.

Die Tochter starb in den Armen ihrer Mutter. Ihre letzten Worte waren. „Vergib ihnen.“

Dies sind nur zwei der Geschichten, die Jacqueline Isaac, eine Menschenrechtsanwältin und Vorsitzende der Gruppe Roads of Success vortrug.

Ihre Mutter, Vorsitzende der Organisation, hatte in der Woche zuvor im Britischen Parlament ausgesagt nach ihrer Rückkehr aus Homs in Syrien. Isaac erzählte viele ihrer Geschichten, und unterstrich sowohl die barbarischen und grausamen Verbrechen, als auch die Erzählungen von Heroismus und Vergebung. „Sehen Sie, inmitten der Dunkelheit ist Licht, und es ist das Licht das uns erlaubt, heute hier zu sitzen, wo es Licht gibt, und Hoffnung“, sagte sie.

Vorgetragen wurden diese Berichte im Rahmen der internationalen Konferenz #WeAreN2016. Der Titel rührt vom arabischen Buchstaben „Nun“, den Islamisten an die Häuser von Christen schmieren, um sie als „Nazarener“, also Christen zu kennzeichnen.

Die Veranstaltung findet vom 28. bis 30. April in New York statt. Es ist die zweite der jährlichen Konferenzen, die sich zum Ziel gesetzt haben, Aufmerksamkeit auf das Leid der Christen und anderer religiöser Minderheiten zu lenken, besonders unter der Verfolgung des Islamischen Staates und anderer radikaler Muslime im Nahen Osten.

Am Donnerstag morgen fand die Konferenz an den Vereinten Nationen statt, deren Hauptquartier in New York ist, gefördert vom ständigen Beobachter des Heiligen Stuhls an der UN. Hier legten Christen und Jesiden persönlich Zeugnis ab, wie sie vom IS verfolgt wurden, aber auch Missionare in Syrien und weitere religiöse wie zivile Führungspersönlichkeiten.

Viele der Redner schilderten horrende Gräueltaten des Islamischen Staates.

Unter Tränen erzählte die 15 Jahre alte Samia Sleman von ihren sechs Monaten als Gefangene der Islamisten. Mit Hilfe eines Dolmetschers berichtete der jesidische Teenager, wie ihre Familie im August 2014 Geisel genommen wurde. Ihr Vater, Onkel und Großvater sind alle noch in der Gewalt des IS.

Die Geiselnehmer trennten Männer und Frauen und beraubten sie aller Habseligkeiten. Ältere Frauen, die nicht für wert befunden wurden, als Sex-Sklavinnen gehalten zu werden, wurden umgebracht. Tausende junge Frauen und Mädchen, manche nur sieben Jahre alt, wurden vergewaltigt und gezwungen, den Islam anzunehmen.

„Warum müssen unschuldige Kinder und diese unschuldigen Menschen in der Region so leiden?“, fragte Sleman.

„Warum wird nichts dagegen getan? Obwohl nun über eineinhalb Jahre vergangen sind, und wir gesehen haben, wie Minderheiten horrende Dinge angetan werden, besonders Jesiden und Christen, hat die internationale Gemeinschaft keine konkreten Schritte gegen den Islamischen Staat unternommen“.

Die Anerkennung dieses Völkermords im Nahen Osten, sowohl durch das Europäische Parlament, das US-Außenministerium wie auch jüngst das Britische House of Commons habe den Opfern Hoffnung gemacht, betonten sowohl Isaac als auch Sleman.

Aber es müsse mehr getan werden.Der nächste Schritt wäre eine Anerkennung des Völkermords durch den UN-Sicherheitsrat, der den Fall dann auch an den Internationalen Strafgerichtshof verweisen würde. Eine dahingehende Petition der Gruppe CitizenGO hat über 170.000 Unterschriften gesammelt und diese am Freitag morgen im Hauptquartier der Vereinten Nationen abgegeben.

Der Begriff „Völkermord“ sei von großer Wichtigkeit, betonte Isaac. Als sie vor dem britischen Parlament aussagte, brachte sie ein 16-jähriges Mädchen mit, das unbeschreiblich barbarische Gräueltaten erlebte: Ihr eigener Vater war vor ihren Augen ermordet worden, sie wurde Zeugin, wie ein neun Jahre altes Mädchen so lange vergewaltigt wurde, bis sie tot war, und eine Mutter vom IS gezwungen wurde, die zermalmten Überreste ihres eigenen Kindes zu essen.

„Auch wenn die juristischen Argumente sehr wichtig waren in dieser parlamentarischen Entscheidung des House of Commons“, sagte Isaac, „so sind es doch diese Geschichten, die das Parlament bewegten“ und davon überzeugt hätten, den Völkermord anzuerkennen.

Und als das House of Commons offiziell erklärte, dass im Irak und in Syrien ein Völkermord stattfindet, rief das Mädchen „Oh Gott, oh Gott, danke Gott, Du hast unsere Rufe gehört“, erzählte Isaac.

Danach habe sie eine Mutter angerufen, deren Sohn von Islamisten ermordet wurde. „Das Blutvergießen an meinem unschuldigen Sohn wurde nicht ignoriert“, habe diese geantwortet.

„Der erste Schritt, der erste Sieg, ist dieser Heilungsprozess“, sagte Isaac. Der Beweis dass „die Überlebenden wissen“, dass andere sie unterstützen. (CNA Deutsch)