Generalvikar Beer: Kirche steht beim Thema Missbrauch noch am Anfang

OHLSTADT (LKR. GARMISCH-PARTENKIRCHEN) – Der Generalvikar des Erzbischofs von München und Freising, Peter Beer, sieht die Kirche angesichts des sexuellen Missbrauchs Minderjähriger vor historischen Veränderungen.

„Ich bin der Überzeugung, dass jetzt die Kraft, der Mut, der Schwung, auch der Druck da ist, dass wir, jeder an seiner Stelle, in Gang kommen, um etwas zu verändern“, sagte Beer bei der Vollversammlung des Diözesanrats der Katholiken der Erzdiözese am heutigen Freitag, 12. Oktober, in Ohlstadt im oberbayerischen Landkreis Garmisch-Partenkirchen.

„Der Gott der Geschichte, wenn es ihn denn gibt, hat uns kräftig in den Hintern getreten. Das war offenbar notwendig.“

Der Generalvikar warnte: „Man kann es sich gemütlich machen im Zorn, in der Macht, in der Enttäuschung“.

„Aber ich glaube, es ist jetzt die Stunde, nicht schwarz zu sehen, sondern es ist der Beginn einer neuen Zukunft. Das wird schmerzhaft werden, es werden geliebte Gewohnheiten verlorengehen, es wird sich das Gesicht der Kirche ändern, es wird eine Form von Kirche sein, die wir erst suchen müssen.“

Er gehe davon aus, dass die Kirche beim Umgang mit sexuellem Missbrauch erst am Anfang stehe, „nicht am Ende, nicht in der Mitte“.

Die Kirche dürfe sich nicht vormachen, dass es ausreiche, aufzuklären und Missbrauchs- und Präventionsbeauftragte zu haben, so Beer: „Die Strukturen, die Haltungen, die systematischen Gründe, die sich hinter der Missbrauchsthematik und vor allem dem Umgang damit verbergen, die bestehen ja weiterhin und wirken auch in anderen Bereichen.“

Der Münchner Generalvikar nannte unter anderem die Tendenz, Schwierigkeiten „unter uns“ zu regeln, „das Nichtglauben gegenüber den Missbrauchsopfern, das Beschwichtigen der Situation vor Ort“ sowie „den schnellen Übergang von Schuld zu Barmherzigkeit, ohne Sühne, ohne Wiedergutmachung, ohne Buße. Das sind Tendenzen, da müssen wir sehr genau hinschauen und in allen Bereichen aufpassen.“ (CNA Deutsch)

Auf die lange Bank geschoben?

Einige Gedanken zur Erklärung der Deutschen Bischofskonferenz.

Anderthalb DINA4-Seiten umfasst die Erklärung der deutschen Bischöfe zu den Ergebnissen der Studie „Sexueller Missbrauch an Minderjährigen durch katholische Priester, Diakone und männliche Ordensangehörige im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz“.

Sie ist ebenso knapp wie kühl und nach eingehender Lektüre hatte ich den Eindruck, mir läge die Pressemitteilung des Kanzleramtes oder irgendeiner Parteizentrale vor, nicht aber eine Erklärung der deutschen Oberhirten.

Der Illusion, die deutschen Bischöfe wollten als Seelsorger sprechen – vor allem in die Seelen der Missbrauchsopfer – sollten wir uns aber gar nicht erst hingeben, denn hier geht es vor allem um die Ansprache der Öffentlichkeit oder besser derjenigen Teile der Öffentlichkeit, die man Meinungsführer nennt.

Von diesen Meinungsführern haben die deutschen Bischöfe seit Kardinal Lehmann sehr viel gelernt, weswegen die Überschrift der Erklärung auch „Good Governance statt Hirtenamt“ lauten könnte. Denn es wimmelt in der Erklärung von Versatzstücken und Wieselwörtern der „guten Regierung“: Man will Aufarbeitungsprozesse angehen, Personalakten standardisieren, ein externes, verbindliches, überdiözesanes Monitoring einrichten und Verfahren fortentwickeln. Das hören wir schon seit Jahren – Prozesse und Verfahren. Bedeutet das vielleicht: Noch eine Kommission, noch ein Arbeitskreis? Zimmert man sich da wieder eine lange Bank, auf die man die ganze Angelegenheit schiebt?

So wie es sicher genügend deutsche Bischöfe gibt, denen es mit der Aufklärung Ernst ist, die nicht mehr damit warten können, in ihrer Diözese aufzuräumen, wird es auch Amtsträger geben, die zu lange weggeschaut und sich damit selbst schuldig gemacht haben. Hoffen sie vielleicht, noch einmal davonzukommen? Noch können sie hoffen, da ja auch von höchster Stelle zu einschlägigen Anschuldigungen geschwiegen wird.

Schließlich lesen wir von noch einem „transparenten Gesprächsprozess“, in dem man unter „Beteiligung von Fachleuten verschiedener Disziplinen“ „Fragen nach der zölibatären Lebensform der Priester und nach verschiedenen Aspekten der katholischen Sexualmoral“ erörtern will.

Nun sollte der Zölibat, wenn man ihn denn ernst nimmt, und die katholische Sexualmoral sexuellen Missbrauch eigentlich verhindern und nicht fördern. Vergegenwärtigen wir uns die Zahlen. 4.4 % der deutschen Kleriker sollen sich des sexuellen Missbrauchs Minderjähriger schuldig gemacht haben, was aber nur als untere Schätzgröße gilt (S. 5. des Berichts). Gehen wir also getrost von höheren Missbrauchszahlen aus. Selbst dann müssen wir uns fragen: Sollen tatsächlich 5, 10 oder 20 % unter den Priestern gegen alle anderen ausgespielt werden, um lang gehegte Theologenträume wieder und wieder zu diskutieren? Hier muss man sogar hoffen, dass diese Diskussion auf die lange Bank geschoben wird, denn wie die außerkirchliche Erfahrung zeigt, schützt Ehe vor Missbrauch nicht.

Meiner Meinung nach bietet die Erklärung aber auch den Ansatz zu einer Lösung, nämlich dort, wo die Bischöfe den Betroffenen Gerechtigkeit zu teil werden lassen wollen und von einem institutionellen Versagen sprechen. Welche Institution könnte hier gemeint sein, wenn nicht das Bischofsamt selbst! Viel zu lange haben die Bischöfe sich hinter einer anderen Institution, der Bischofskonferenz, versteckt. Sagen wir es ganz klar: Hier geht es nicht um Kollegialität, hier geht es um Jurisdiktion!

Das II. Vatikanum hat es in Lumen Gentium, 27, ganz eindeutig erklärt: „Die Bischöfe leiten die ihnen zugewiesenen Teilkirchen als Stellvertreter und Gesandte Christi durch Rat, Zuspruch, Beispiel, aber auch in Autorität und heiliger Vollmacht, die sie indes allein zum Aufbau ihrer Herde in Wahrheit und Heiligkeit gebrauchen (…). Kraft dieser Gewalt haben die Bischöfe das heilige Recht und vor dem Herrn die Pflicht, Gesetze für ihre Untergebenen zu erlassen, Urteile zu fällen und alles, was zur Ordnung des Gottesdienstes und des Apostolats gehört, zu regeln.“

Daraufhin möchte man ausrufen: Bischöfe Deutschlands! Bischöfe in aller Welt! Lasst Euch nicht von Bischofkonferenzen einhegen, sondern nehmt Euren Auftrag wahr. Dort wo sich Vorwürfe gegen Priester und Diakone erhärten, suspendiert sie vom Amt und entfernt sie aus den Gemeinden – ganz gleich, welche sexuelle Präferenz sie haben. Versetzt sie aber nicht in andere Pfarreien, wo sie weiter Straftaten begehen können. Wenn sie vor Gericht überführt werden, entlasst sie aus dem kirchlichen Dienst und stellt sie bitte nicht als Pastoralreferenten wieder ein. Ja, ihr habt eine Fürsorgepflicht auch gegenüber diesen Priestern. Sie brauchen Hilfe. Aber wie „Uncle Ted“ sollten sie ein Leben in Abgeschiedenheit und Buße führen.

Nehmt also einfach Euer Amt wahr, dann werdet ihr Eure Glaubwürdigkeit zurückerlangen – vielleicht zum Ärger derjenigen, die nun Morgenluft für ihre billigen theologischen Allgemeinplätze wittern. Nicht nur die Opfer, sondern auch alle Gläubigen haben das Recht, die authentische Stimme der Bischöfe zu hören, anstatt sich im eiskalten Behördendeutsch des Sekretariats der DBK wiederfinden zu müssen.

Aber vielleicht ist das alles zu viel verlangt, in einer Zeit, in der Bischofskonferenzen die Jurisdiktion des einzelnen Bischofs unterlaufen, ihm gleichzeitig aber Gelegenheit bieten, sich hinter allen anderen Konferenzmitgliedern zu verstecken. Eins steht aber fest: Mit „Good Governance“ der oben zitierten Art wird die Gerechtigkeit den Betroffenen gegenüber auf die lange Bank geschoben. (CNA Deutsch)

Ein bayerischer Konstantin?

Die Aufregung um das vom Bayerischen Kabinett beschlossene Aufhängen des Kreuzes im Eingangsbereich von Dienstgebäuden erscheint übertrieben. In diesem Zusammenhang von Häresie und Blasphemie zu sprechen ist völlig abwegig. Generell wird die Konstantinische Wende von Theologen seit den 1960-er Jahren zu kritisch gesehen. Als Römer wusste Konstantin, dass ein politisches Gemeinwesen ohne metaphysisch-religiöses Fundament auf Dauer keinen Bestand haben kann. Er sah ein, dass die altrömische Religion dazu nicht mehr in der Lage war. Das Christentum hatte sich als eine gesellschaftlich prägende Kraft in der Antike über einen Zeitraum von gut dreihundert Jahren bewährt. Warum sollte es nicht auch in der Lage sein, einen Beitrag zur normativen Grundlegung eines Staates zu leisten? Zwar zielt Jesu Botschaft nicht auf die Gründung eines Staates, sie verwirft den Staat aber auch nicht als ein prinzipiell gottloses Gebilde. Paulus erwartet von den Christen, dass sie die Gesetze des Staates, in dem sie leben, achten. In seiner Ermahnung setzt er voraus, dass sich der Staat bei der Anwendung von Gewalt an das Recht hält (Röm 13,1-7). Unrechtmäßige Gewalt (violentia) soll durch rechtmäßige Gewalt (potestas) in Grenzen gehalten werden. Damit steht Paulus in gut biblischer Tradition. Die Eingrenzung unrechtmäßiger Gewalt durch rechtmäßige Gewalt gehört nach Auskunft der Bibel zu den normativen Grundlagen eines Rechtsstaates (vgl. Gen 9,5-6; Ri 17-21). Wenn sich nun ein Staat dazu bekennt, seine normativen Grundlagen vom christlichen Glauben her prägen und diese Bereitschaft auch öffentlich symbolisch sichtbar werden zu lassen, dann ist dagegen weder aus christlicher noch aus staatspolitischer Sicht grundsätzlich etwas einzuwenden.

Streng laizistische Staatskonzeptionen sind, wie das französische Beispiel zeigt, besonders krisenanfällig. Es dürfte kein Zufall sein, dass sich französische Politiker in jüngster Zeit Gedanken machen, ob die bisweilen militant laizistische Ausrichtung des französischen Staates angesichts der wachsenden Bedeutung von Religionen noch zeitgemäß ist. Es widerspricht dem Selbstverständnis wohl der meisten Religionen, wenn sie aus dem Raum der Öffentlichkeit und der Gestaltung des gesellschaftlichen und staatlichen Lebens ausgeschlossen werden. Der radikale, sich auf eine einseitige Interpretation der Französischen Revolution berufende westlich-laizistische Weg scheint ein Sonderweg zu sein, der an Grenzen stößt und für viele Kulturen der Welt nicht in Frage kommt. Dieser Weg weist selbst in einigen seiner Ausprägungen religiös-fanatische Züge auf. Wer meint, er könne das Bekenntnis zur Bibel durch ein Bekenntnis zur Französischen Revolution ersetzen, sei daran erinnert, dass nicht nur der Terror, sondern auch die Legitimation des Terrors zu den Begleiterscheinungen der Französischen Revolution gehörten. Ihr fielen allein in der Vendée rund 200.000 Katholiken zum Opfer. Einige Historiker sprechen von einem Genozid. Die Französische Revolution wurde damit zwar nicht nur, aber doch auch zu einer Vorläuferin des Terrors des 20. Jahrhunderts, eine ihrer dunklen Seiten, die oft übersehen wird.

Israel versteht sich als eine jüdische Demokratie. Alle im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien haben sich jüngst zum Existenzrecht dieses jüdischen Staates bekannt. Jüdischer Staat heißt aber nicht, dass darin andere Religionen benachteiligt oder gar verfolgt werden. Ein Staat, der sich in besonderer Weise dem normativen Gehalt einer Religion verpflichtet weiß und sich dazu auch in symbolischer Weise öffentlich bekennt, wie etwa der Staat Israel in seiner Staatsflagge mit dem Davidstern oder in öffentlichen Gebäuden mit dem Anbringen der Mesusa, muss also keineswegs notwendigerweise zu religiöser Intoleranz führen. Im Gegenteil könnten in einer Zeit, da die Bedeutung der Religionen wächst, ein lebendiger Wettbewerb zwischen ihnen in dem Sinne stattfinden, dass sie auf ihre je eigene Weise einen Beitrag zur Humanisierung der Gesellschaft und der Staaten und ihrer Beziehungen untereinander leisten. Eine Ansammlung laizistischer Einheitsstaaten nach westlich-säkularistischem Kanon scheint mir kein reizvoller Ausblick auf die Zukunft zu sein.

Vor diesem Hintergrund ist die Entscheidung von Ministerpräsident Söder keineswegs so abwegig wie von manchen Eiferern behauptet wird. Gerade der universale Anspruch des christlichen Glaubens kann den Freistaat Bayern vor den Gefahren einer Provinzialisierung bewahren. In diesem offenen Sinn von „Menschenwürde, Nächstenliebe und Toleranz“ hat Markus Söder den Beschluss interpretiert. Es besteht nicht die Gefahr, dass Bayern seine Weltoffenheit und Toleranz verliert. Das Land ist nach wie vor höchst attraktiv und bei vielen Menschen, Einheimischen wie Zugereisten, sehr beliebt. Es hat Großes bei der Aufnahme von Flüchtlingen geleistet und tut es noch immer. Es widerspricht nicht der christlichen Botschaft, wenn auch Politiker zu der Einsicht gelangen, die der frühere Bundespräsident Joachim Gauck in einem Vortrag an der Universität Bochum kürzlich zur Flüchtlingspolitik wie folgt zum Ausdruck gebracht hat: „Wer ernsthaft über Begrenzung nachdenkt, muss daher keineswegs ein Gegner menschenrechtlicher Politik sein.“

Ludger Schwienhorst-Schönberger ist katholischer Theologe und Universitätsprofessor für Alttestamentliche Bibelwissenschaft an der Universität Wien. (CNA Deutsch)

Kardinal Zen erhält Preis der Frankfurter Stephanus-Stiftung

FRANKFURT – Für seinen Mut und seine Beharrlichkeit im jahrzehntelangen Einsatz für die Freiheitsrechte wird an diesem Samstag der frühere Bischof von Hongkong, Kardinal Joseph Zen Ze-kiun, in Bonn den „Stephanus-Preis“ erhalten.

Der stellvertretende Generalsekretär der weltweiten Evangelischen Allianz und Präsident des Internationalen Rates der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte, Bischof Professor Thomas Schirrmacher wird dazu die Laudatio halten.

In den vergangenen Wochen hat der Kardinal weltweit mit seiner Warnung vor der Religionspolitik der Kommunistischen Partei Chinas für Schlagzeilen gesorgt. Gerüchten zufolge sollte bereits im März ein Abkommen zwischen Peking und dem Heiligen Stuhl insbesondere zur Frage künftiger Bischofsernennungen erfolgen. Kardinal Zen kündigte für den Fall, dass ein unbefriedigendes Abkommen abgeschlossen wird, an, eine solche Vereinbarung trotzdem zu akzeptieren und künftig zu schweigen.

Am Donnerstag vergangener Woche, Gründonnerstag, dementierte Vatikansprecher Greg Burke nun offiziell die Gerüchte.

„Wenn die chinesische Regierung sich nicht ernsthaft entschlossen zeigt, wirkliche Freiheit zu garantieren, dann gibt es keine Hoffnung auf eine Einigung“, sagte Kardinal Zen in einem Interview. Er setzt sich dafür ein, dass China sich ausdrücklich zur Religionsfreiheit bekennt und der Verfolgung aus religiösen Gründen ein Ende setzt. Er ist davon überzeugt, dass er die Rechte der Kirche in China zu verteidigen hat.

Ein neues Religionsgesetz, das seit Februar in Kraft ist, sieht deutlich mehr Kontrolle vor, als ohnehin bereits ausgeübt wird.

Zur Person

Kardinal Zen stützt seine Haltung auf seine Erfahrungen mit der kommunistischen Führung in Peking und seine innige Kenntnis der kirchlichen Verhältnisse dort: Im Jahr 1932 in Schanghai geboren, kam er 1948 zum Noviziat (Ausbildungszeit im Orden) in die damalige britische Kronkolonie Hongkong. Mit der Machtübernahme durch die Kommunisten ein Jahr darauf fiel auch dort der Eiserne Vorhang und Zen konnte nicht mehr zu seiner Familie zurückkehren.

Dem Orden der Salesianer Don Boscos angehörend, studierte er schließlich sechs Jahre in Turin und drei Jahre in Rom und kehrte 1964 nach Hongkong zurück. In den siebziger und Anfang der achtziger Jahre war er Provinzoberer seines Ordens und von 1989 bis 1996, als er Weihbischof in Hongkong wurde, durfte er in Festlandchina in der Priesterausbildung unterrichten.

Dabei erlebte er, wie die kommunistische Führung die Bischöfe gängelte. Seine Ordensmitbrüder gehörten der Untergrundkirche an und so lernte er auch deren Perspektive kennen. „Aber ich stellte fest, dass Priester und Bischöfe selbst in der offiziellen Kirche sehr gut waren und treu zur Kirche standen“, sagte er weiter in einem Interview. Beide katholischen Kirchen in China erfahren Kontrolle, Eingriffe und Bedrängnis, die nach Einschätzung von Menschenrechtsexperten nicht mit dem Recht auf Religionsfreiheit vereinbar sind.

Nach der Übergabe Hongkongs an China im Juli 1997 zeigten sich auch dort Einschränkungen. Rund 300 Schulen befanden sich in katholischer Trägerschaft. Der kommunistischen Führung jedoch war der Einfluss der Kirche zu groß. Sie übte Druck auf den Legislativrat in der Sonderverwaltungszone aus, der schließlich der Kirche die Kontrolle der Schulen gesetzlich entzog.

Aus Protest gegen das Gesetz und trotz Bluthochdrucks, Diabetes und eines Alters von 79 Jahren unterzog sich Kardinal Zen 2011 einem Hungerstreik. Er trat dafür ein, dass die Kinder weiter „Gerechtigkeit, Nächstenliebe und den Respekt vor den Armen und Schwachen“ lernen sollten.

Noch immer nimmt der Würdenträger alljährlich zum 1. Juli am Marsch der Menschenrechtsallianz Civil Human Rights Front teil. „Es sind Aktionen wie diese, die uns davon überzeugt haben, dass Kardinal Zen ein authentischer Verteidiger der Menschenrechte, der Religionsfreiheit und der Gleichberechtigung der Christen ist“, sagte Stiftungsvorsitzende Michaela Koller.

Stephanus-Stiftung und Preisträger

Die Stiftung ist nach dem Diakon der christlichen Urgemeinde benannt, der als erster Märtyrer wegen seines Bekenntnisses zu Jesus Christus gesteinigt wurde.

Die Stephanus-Stiftung hilft laut ihren Statuten verfolgten Christen in Not, etwa durch einen Zuschuss zum Lebensunterhalt oder zu Anwaltskosten, und deckt Verletzungen des Rechts auf Religionsfreiheit und deren Hintergründe auf.

Zu den bisherigen Preisträgern zählen die syrisch-orthodoxe Ordensfrau Schwester Hatune Dogan, die auch „moderne Mutter Teresa“ genannt wird, der Patriarch von Babylon, Louis Raphael I. Sako, Oberhaupt der chaldäisch-katholischen Kirche, Pfarrer Gottfried Martens, von der zur SELK (Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche) gehörenden Dreieinigkeitsgemeinde in Berlin-Steglitz und der am 7. April 2014 im syrischen Homs ermordete Jesuitenpater Frans van der Lugt.

Im vorigen Jahr erhielt die pakistanische Menschenrechtsanwältin Aneeqa Anthony den Preis, die in der Vergangenheit prominente Fälle vor Gericht verteidigte, in denen Christen fälschlich der Blasphemie angeklagt waren. Gründer der „Stephanus-Stiftung für verfolgte Christen“ in Frankfurt ist der Oberstudienrat im Ruhestand, Wolfgang Link, aus Gegenbach im Schwarzwald. Die Vorstandsvorsitzende Michaela Koller ist Referentin der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) in Frankfurt. (CNA Deutsch)

Bischof Laun: Eine homosexuelle Verbindung kann man nicht segnen!

 

Der emer. Weihbischof von Salzburg, Bischof Andreas Laun, gibt dem Leiter der Deutschen Bischofskonferenz Kardinal Reinhard Marx und seinem Stellvertreter Bischof Franz-Josef Bode eine klare Antwort zum Thema „Segnung von homosexuellen Verbindungen“.

Vor wenigen Tagen erst hatte Kardinal Marx in einem Interview mit dem BR die Segnung homosexueller Verbindungen als möglich bezeichnet:

„Da muss man auch ermutigen dazu, dass die Priester und Seelsorger den Menschen in den konkreten Situationen auch einen Zuspruch geben. Ich sehe da eigentlich keine Probleme.“

Und Bischof Bode äußerte dazu in der Osnabrücker Zeitung:

„Mancher mag sagen: Was hat denn die Kirche überhaupt für ein Problem damit? Aber oft wird in der Kirche eine gleichgeschlechtliche Beziehung zuerst als schwere Sünde eingeordnet. Wir müssen darüber nachdenken, wie wir eine Beziehung zwischen zwei gleichgeschlechtlichen Menschen differenziert bewerten“.

Von der Ökumenischen Arbeitsgruppe Homosexuelle und Kirche (HuK) e. V. bekommt Bode umgehend ein Lob als „Türöffner“:

„Bode ist in der gesellschaftlichen Realität angekommen, für katholische Verhältnisse ist er mit seiner Forderung ein echter Türöffner“.

Aus dem deutschen Episkopat kamen keine klaren Wortmeldungen zu den Aussagen von Marx und Bode.

Bischof Andreas Laun

Da muss schon ein österreichischer Bischof den Mut aufbringen und Klartext reden.

Bischof Laun beantwortet die Frage nach einer möglichen Segnung von homosexuellen Gemeinschaften mit einem klaren „NEIN“. Im Interview mit kath.net liefert er die Argumente zu seiner eindeutigen Position und nennt konkrete Beispiele:

„Die Antwort ist einfach: Den Segen Gottes kann man für Sünder, aber nicht für die Sünde erbitten. Also könnte man kein Bordell einweihen, kein KZ oder Waffen segnen, die nicht ausschließlich zur Jagd oder zur legitimen Verteidigung bestimmt sind. Darum ist klar, man darf auch nicht eine Verbindung segnen, die sündhaft ist, nicht die Mafia, keinen Segen für Vereinigungen oder Einrichtungen geben, die Abtreibung fördern und durchführen oder glaubensfeindliche Ideologien verbreiten, antisemitische Inhalte und andere Formen rassenfeindlichen Denkens“.

Ferner führt Laun an:

„Eigentlich ist die Idee, ein sündhaftes Verhalten zu segnen, das, was Jesaja höchst anschaulich so beschrieben hat: „Weh denen, die das Böse gut und das Gute böse nennen, die die Finsternis zum Licht und das Licht zur Finsternis machen, die das Bittere süß und das Süße bitter machen.
Ist das nicht genau das, was Kardinal Marx und andere, die denken wie er, machen? Wenn man auf ein Glas mit sauren Gurken ein Etikette „Honig“ klebt, bleiben die Gurken sauer! Das können auch segnende Bischöfe nicht ändern. Und auch der Papst nicht, indem er eine kulturelle Revolution fordert, zumal er nicht erklärt, was er damit genau meint. Er sagt, er „erlaube sich“ so zu sprechen – aber wenn man etwas wagt, kann man zwar gewinnen, aber auch abstürzen“.

Bischof Laun hat in der Vergangenheit schon häufig seine aus kirchlicher Sicht eindeutige Meinung zur Homosexualität geäußert und mehrfach Kritik einstecken müssen.

Deutsches Episkopat

In Deutschland vermissen viele gläubige Katholiken diese klare Positionierung ihrer eigenen Bischöfe. Hier herrscht eher Verwirrung als ein klares Konzept des Episkopats. Neben dem Thema der „Segnung von homosexuellen Verbindungen“ ist diese Verwirrung besonders beim Thema der „wiederverheirateten Geschiedenen“ und hier speziell bei der Auslegung des Apostolischen Schreibens „Amoris laetitia“ (AL) zu bemerken. Bischof Laun hat auch zu AL eine eindeutige Antwort geliefert, indem er das „Glaubensbekenntnis zum Ehesakrament“ der kasachischen Bischöfe unterschrieben hat. Der Leiter der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), Kardinal Marx, ist hier das krasse Gegenteil. Er ist zwar der Leiter der DBK und somit eigentlich der höchste Vertreter der katholischen Kirche in Deutschland, aber er hat es nicht geschafft in den deutschen Kirchenprovinzen und Diözesen AL beim Thema „wiederverheiratete Geschiedene“ zu einer einheitlichen Regelung zu führen. Hier hat er versagt. Mit seinem jetzigen Vorstoß einer möglichen „Segnung von homosexuellen Verbindungen“ wird er noch unglaubwürdiger. Vielleicht kommt irgendwann der Tag, an dem seine eigenen Schäfchen ihn aus dem Münchner Dom hinausjagen. (vh)

Terror in Berlin: Kardinal Müller mahnt zu Zusammenhalt

Kardinal Gerhard Ludwig Müller ist entsetzt über den Terroranschlag in Berlin. Der Präfekt der vatikanischen Glaubenskongregation brachte im Gespräch mit Radio Vatikan seine Anteilnahme für die Opfer und ihre Familien zum Ausdruck und lud dazu ein, Gott um Vergebung und Trost zu bitten. Zugleich äußerte der höchstrangige deutsche Kurienkardinal die Mutmaßung, der „symbolische Wert“ der Terrorattacke wenige Tage vor Weihnachten an einem belebten Adventsmarkt sei „vielleicht sogar berechnet“. Insofern sei es „auch ein Anschlag auf unsere christliche Kultur, auf unsere besondere Art und Weise, gerade die Familie, das Zusammengehörigkeitsgefühl am Weihnachtsfest in den Mittelpunkt zu stellen.“

Bei dem Anschlag am Montagabend raste ein Sattelschlepper durch den Adventmarkt bei der evangelischen Gedächtniskirche und riss mindestens zwölf Menschen in den Tod, an die 50 wurden verletzt. Zum Zeitpunkt unseres Gesprächs mit Kardinal Müller galt ein pakistanischer Asylsuchender als Tatverdächtiger, den die Polizei festnahm und verhörte; der Mann, der vor einem Jahr über die Balkanroute nach Deutschland gekommen sein soll, streitet die Tat allerdings ab.

Kardinal Müller hofft, dass der Terror in Berlin den Effekt haben wird, „dass wir auch in Deutschland jetzt mehr zusammenrücken, wohlwollender werden gegeneinander und versuchen, Streit und Auseinandersetzung in einer guten Weise zu lösen und zu überwinden.“ Zugleich betonte der Kardinal, man dürfe sich nun „nicht abgrenzen von anderen, die nichts damit zu tun haben. Es ist klar, das nicht irgendwie allgemein gesprochen werden kann von den Ausländern, und andere Personen verdächtig werden, die auch jetzt als Flüchtlinge in unser Land gekommen sind. Man muss klar unterscheiden, wer schuldig ist, aber andere, die vielleicht aus demselben Herkunftsland kommen, dürfen deswegen nicht verdächtigt werden. Es muss jetzt die Gelegenheit sein, dass wir umso mehr Brücken bauen, zueinander Verständnis entwickeln und einen gemeinsamen, friedlichen Weg in die Zukunft gehen.“

Auch eine Mahnung zur Menschlichkeit äußerte der Kardinal: „Wir rufen jeden auf, der sich mit ähnlichen Gedanken trägt, so etwas Böses anderen Menschen anzutun, in sein Gewissen hineinzuhorchen und auf die Stimme Gottes zu hören. Für uns heißt die Stimme Gottes doch, liebe deinen Nächsten wie dich selbst und tu ihm nichts Böses an.“ (rv)

Ecce Homo: Heute beginnt der 100. Katholikentag

100_Katholikentag LeipzigLEIPZIG – Papst Franziskus hat erstmals eine Videobotschaft vorbereitet, die sich an die Besucher richtet: Mehrere zehntausend Gäste werden zum 100. Katholikentag erwartet, der heute in Leipzig beginnt.

Bundeskanzlerin Angela Merkel wird zwar nicht dabei sein, doch viele andere Prominente und Politiker haben sich angemeldet. Rund 1.000 Veranstaltungen werden auf dem fünftägigen Treffen organisiert, wobei die heiligen Messen an Fronleichnam und zum Abschluss am Sonntag die Eckpfeiler bilden; an allen Tagen wird die Beichte angeboten, das Sakrament, auf das Papst Franziskus mit dem Jahr der Barmherzigkeit aufmerksam machen will. Gebete und Lesungen der Heiligen Schrift, Anbetung und Exerzitien sind auch in vielfältiger anderer Form angeboten.

Das weitere Programm liefert Höhepunkte wie die Uraufführung des Oratoriums „Ecce Homo“ von Colin Mawbry, eine reiche Vielfalt an Angeboten rund um den Glauben und gesellschaftliche Fragen, allerdings auch umstrittene Workshops und Vorträge einzelner Interessensgruppen.

Mensch im Mittelpunkt

Der Katholikentag steht unter Motto: „Seht, da ist der Mensch“ — die deutsche Übersetzung des berühmten Zitats aus dem Evangelium nach Johannes, Ecce Homo. Damit verweist Pontius Pilatus auf den Herrn, Jesus Christus. In Leipzig soll damit „Menschsein und menschliche Würde“ in den Mittelpunkt gestellt werden. Auf den Plakaten sind deswegen auch große Portraitbilder verschiedener Menschen zu sehen, statt dem Erlöser. Im Leitwort wird erklärt, dass der Widerspruch nur scheinbar ist: Wer genauer hinsehe, erkenne im menschlichen Gegenüber, dass dieses auf Gott zeige „den Gott, an den wir Christen glauben, einen Gott, der mit den Menschen leidet“.

Den meisten Bewohnern Leipzigs wird diese Spannung der christlichen Botschaft ohnehin nicht klar sein: Keine vier Prozent von ihnen sind katholisch; zwei Drittel der Bevölkerung des Freistaats Sachsen sind konfessionslos.

Katholikentag in der Diaspora

Diesem Umstand, dass das einst christliche Ostdeutschland als eines der atheistischsten Regionen der Welt gilt, trägt auch das Programm des Katholikentags Rechnung: Dem Dialog mit Konfessionslosen, die Christen ja evangelisieren sollen, ist ein eigener Themenbereich gewidmet; auch insgesamt gibt es im Programm viele Anknüpfungspunkte für Menschen, die keine christliche Prägung haben oder suchen.

Ehe und Familie, Pflege und Sterben, Chancen und Risiken der Biomedizin, die Flüchtlingskrise und Masseinwanderung nach Deutschland: praktisch alle aktuellen gesellschaftspolitischen Themen finden ihren Platz. Was für Kritik und Debatten gesorgt hat: Ausgeschlossen von der Diskussion haben die Veranstalter, das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK), alle Politiker der AfD; andererseits eingeladen wurden Gruppen und Aktivisten, welche Kritikern zufolge für Ziele kämpfen, die mit dem katholischen Glauben nicht vereinbar sind; etwa die von Papst und Kirche deutlich verurteilte Gender-Ideologie sowie Befürworter gleichgeschlechtlicher Sexualität bis hin zur „Homo-Ehe“, welcher der Papst erst wieder in Amoris Laetita deutlich eine Absage erteilt hat. Für Diskussionsstoff ist also gesorgt, auch wenn nicht alle potentiellen Teilnehmer eingeladen sind. (CNA Deutsch)

Übergriffe auf Christen in Deutschland: „Macht die Dinge aktenkundig“

OpenDoorsSie werden beleidigt, bedroht, gedemütigt und erfahren körperliche Gewalt. Christliche Flüchtlinge berichten immer wieder von hässlichen Auseinandersetzungen mit Muslimen in deutschen Flüchtlingsunterkünften. Die Organisation Open Doors hat diese Woche erstmals eine Studie veröffentlicht, in der religiös motivierte Übergriffe gegen christliche Flüchtlinge dokumentiert werden. Radio Vatikan sprach darüber mit dem Migrationsbeauftragten der Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart, Klaus Barwig.

Von den 231 Flüchtlingen, die bis zum 15. April 2016 von Open Doors zu ihrer Situation in den Unterkünften befragt wurden, waren 86 Prozent Konvertiten, die vom Islam zum christlichen Glauben übergetreten waren. Die meisten von ihnen stammen aus dem Iran, Afghanistan und Syrien. Sie berichten von Morddrohungen, weil sie „Ungläubige“ seien; teils wurden ihnen die Kreuzanhänger vom Hals gerissen. Sie wurden bespuckt, geschlagen, Frauen sexuell bedrängt. Besonders dramatisch ist der Bericht eines Flüchtlings aus einer Unterkunft in Berlin-Steglitz. Dieser wurde so lange mit Korangesängen beschallt, bis er schließlich versuchte, sich das Leben zu nehmen. Besonders alarmierend: Unter den Tätern war auch muslimisches Wachpersonal. „Schaut endlich auf die Christen“, titelte diese Woche deshalb ein Artikel der Frankfurter Allgemeinen Zeitung zu diesem Thema.

Klaus Barwig ist Referent für Migration der Katholischen Akademie der Diözese Rottenburg Stuttgart. Er warnt davor, überstürzt von Christenverfolgung in Deutschland zu sprechen und eine allgemeine Panikstimmung gegenüber muslimischen Flüchtlingen zu verbreiten. Vielmehr plädiert er für Aufklärung: Wenn derartige Übergriffe passierten, müssten die Christen sich wehren, indem sie sich an kirchliche und staatliche Stellen wendeten. Trotz ihres bereits außerordentlich hohen Engagements müssten kirchliche Helfer dann auch noch stärker in den Unterkünften präsent sein, um als Vertrauenspersonen für die Christen da zu sein:

„Wenn wir da als Kirche etwas tun wollen, sollten wir, wenn uns so etwas gesagt wird, dem erstens auf den Grund gehen und das zweitens bis zur Klärung verfolgen. Um wirklich zu zeigen: Bei uns gilt Religionsfreiheit und das Grundgesetz für alle. Und wer hierher kommt, hat sich dem zu unterwerfen. Das muss unsere Antwort auf solche Dinge sein. Den orientalischen Christen sagen wir immer wieder: Macht die Dinge aktenkundig. Gebt euch auch nicht damit zufrieden, dass ihr es bedauert und bejammert und dann verschweigt, sondern geht die Sache offensiv an und wir helfen euch auch dabei.“

Laut dem Open-Doors-Bericht aber haben viele christliche Flüchtlinge Angst und ziehen es vor, über die Vorfälle zu schweigen. Insbesondere Frauen schämten sich oft, über sexuelle Belästigung zu sprechen. Viele entsprechende traumatische Erlebnisse tragen orientalische Christen bereits aus der Zeit in ihrer alten Heimat mit sich. Umso mehr schockt es sie, wenn sie auch in Deutschland, dem vermeintlichen sicheren Hafen, keine Sicherheit erfahren. Zudem fürchten viele orientalische Christen einen zu starken Einfluss der Muslime auch in Deutschland und haben Angst, von ihnen dauerhaft unterdrückt zu werden – ähnlich wie in ihrer Heimat, weiß Klaus Barwig als Beauftragter des Bischofs für die chaldäischen Christen in Deutschland:

„Da besteht natürlich eine Angst und eine Sorge der Christen, dass die Muslime hier, je mehr sie auch durch die Zuwanderung zahlenmäßig werden, auch hier die Gesellschaft verändern. Und das trifft sich mit den Sorgen, die die AfD in ihrem jüngsten Parteiprogramm auch anspricht. Unsere Aufgabe wird es sein, dass wir die geflüchteten Christen und Muslime mit ihren Erfahrungen aus der Vergangenheit und einem rückwärts gerichteten Blick nicht sich selbst überlassen. Das kann nicht im Interesse unserer Gesellschaft sein. Wir speziell als Kirche müssen unseren Glaubensbrüdern helfen, ihren Blick nach vorne zu wenden, und zu verstehen, dass wir eine plurale Gesellschaft sind die Religionsfreiheit garantiert. Und diese Religionsfreiheit ist keine Schwäche, sondern die Stärke unserer Gesellschaft. Die Achtung vor dem Anderen ist das höchste Maß, was durch unsere Verfassung garantiert ist.“

Die Religionsfreiheit aushalten, auch wenn man sich bedrängt fühlt. Auf keinen Fall dürften sich die Christen, seien es Flüchtlinge wie deutsche Katholiken, von antiislamischen Positionen der AfD vereinnahmen lassen, findet Barwig. Vielmehr müsse die Kirche sich der Realität stellen und einen Mittelweg finden. Auch die muslimischen Flüchtlinge seien jetzt nun einmal da.

„Wir müssen unseren neuen Mitbürgern, die absehbar wohl auf Dauer hier leben werden, klar machen, dass unser Zusammenleben durch Respekt vor dem Anderen und auch vor dessen Glauben geprägt ist und das Wegwünschen des Anderen keine Lösung darstellt.“

Gerade für Christen sei es viel zu unsicher, in ihre alte Heimat, etwa den Irak, zurückzukehren. Abgesehen von den tiefen Zerstörungen, die beispielsweise in Syrien angerichtet wurden – man denke nur an Aleppo. Auch wenn ein Exodus der Christen aus Nahost zu beklagen ist, auch wenn Konflikte zwischen geflohenen Christen und Muslimen in Deutschland vorerst stellenweise fortbestehen: Der Neuanfang der orientalischen Christen in Deutschland ist eine große Chance – auch für das europäische Christentum selbst, findet Barwig.

„Unsere Diözese hat den neu angekommenen Chaldäern eine eigene Kirche zur Verfügung gestellt. Der Bischof hat gesagt, dass das ganz bewusst geschieht, um ihnen das Ankommen zu erleichtern. Aufgrund ihres anderen Ritus und ihrer aramäischen Sprache und auch durch die Ausstattung dieser Kirche. Es sollte ein Ort werden, wo sie sich treffen und austauschen können und wir gezielt Beratungen anbieten können – als erste Geste der Beheimatung. Auch um sie nicht auf Gemeinden zu verstreuen, die nicht wissen, wer da unter ihnen ist. Inzwischen ist diese Kirche in Stuttgart, wenn man mal von der Domkirche St. Eberhard absieht, sonntags die Kirche mit dem höchsten Gottesdienstbesuch. Jeden Sonntag kommen 400 bis 500 Menschen hier in dieser Kirche zusammen. Das zeigt, dass unsere Kirche durch die Zuwanderung nicht nur ein Mehr an Mitgliedern bekommt, sondern auch ein Mehr an Spiritualität und Substanz.“ (rv)

D: „Krippe ohne Jesuskind ist albern“

DeutschlandDer Leiter des Katholischen Büros in Berlin, Prälat Karl Jüsten, ermuntert die Katholiken zu Präsenz in der deutschen Öffentlichkeit – und zwar gerade rund um Weihnachten. In einem Interview mit Radio Vatikan sagte der Verbindungsmann zwischen den deutschen Bischöfen und der Bundesregierung:

„Also ehrlich gesagt: Ich finde es extrem albern, wenn Leute nur „Seasons greetings“ verschicken zum Weihnachtsfest oder zu Neujahr und sich nicht mehr zu ihrer eigenen Religion bekennen. Wenn jemand nicht mehr glaubt, kann er das natürlich tun, aber dann fragt man sich, warum er diese Tage überhaupt noch zum Anlass nimmt, irgendwelche Grüße zu verschicken. Genauso albern finde ich es, wenn man in eine Krippe kein Jesuskind mehr hineinlegt – da wird die Sache allmählich auch lächerlich. Das wird im übrigen von denjenigen, die keine Christen sind, auch überhaupt nicht wertgeschätzt!“

Wenn die Christen selbst nicht mehr für ihre eigenen Symbole und ihren Glauben in der Öffentlichkeit eintreten, „dann werden uns andere Religionsgemeinschaften oder Atheisten nicht mehr wirklich ernst nehmen“, urteilt Jüsten.

„Was man sicher nicht machen sollte, ist, dass man religiöse Symbole sozusagen einsetzt, um politische Ziele durchsetzen zu wollen, um zu agitieren oder um anderen ihre eigene Meinungsfreiheit nicht zu lassen. Also, ich fand es zum Beispiel auch pervers, dass bei der Pegida-Demonstration die Demonstranten mit Kreuzen losgezogen sind, um das christliche Abendland zu schützen. Das ist natürlich auch ein Missbrauch von religiösen Symbolen!“

Unser Interview mit Prälat Jüsten drehte sich vor allem um das Thema Religionsfreiheit; Ausgangspunkt ist das Konzilsdokument „Humanae Dignitatis“ zur Religionsfreiheit, das vor fünfzig Jahren veröffentlicht wurde. Das ganze Interview mit Prälat Jüsten können Sie in unserer Abendsendung hören. (rv)

Deutsche Bischöfe verschieben ad-limina-Besuch

DBK_LogoDie deutschen Bischöfe verschieben ihren ad-limina-Besuch im Vatikan: Statt im September werden sie erst vom 16. bis 21. November 2015 nach Rom reisen. Das bestätigte der Sprecher der Deutschen Bischofskonferenz, Matthias Kopp, am Mittwoch gegenüber Radio Vatikan. Nötig wird die Verschiebung wegen der Vatikan-Planungen zur Kuba-und-USA-Reise des Papstes. Im Oktober findet dann die Bischofssynode zum Thema Ehe und Familie im Vatikan statt. (rv)