Voderholzer: Zölibat ist nicht der Grund für Missbrauch und Kirchenkrise

Bayerischer Oberhirte warnt vor Missbrauch des Missbrauchs – Zölibat ist Lebensform nach Vorbild Jesu – Spricht unbescholtenen Priestern sein Vertrauen aus.

REGENSBURG – Die Ehelosigkeit ist ein Skandalon in einer übersexualisierten Gesellschaft, aber ist sie der Grund für die durch Missbrauch- und Vertuschungsskandale ausgelöste Kirchenkrise?

Bischof Rudolf Voderholzer von Regensburg hat bei der Feier des Pontifikalamtes zum Hochfest des heiligen Wolfgang solchen Einschätzungen deutlich widersprochen.

Wie die Pressestelle des Bistums mitteilt, nahm der bayerische Oberhirte damit Bezug auf die öffentliche Debatte um die umstrittene „MHG-Studie“ der Deutschen Bischofskonferenz über den sexuellen Missbrauch an Kindern und Jugendlichen durch Kleriker – vor allem aber auf die Konsequenzen, die nach Meinung mancher Kommentatoren daraus gezogen werden sollten.

Ein Missbrauch des Missbrauchs?

Der „MHG-Studie“ selber werden – wie CNA Deutsch berichtete – erhebliche Schwächen vorgeworfen.

Fragwürdig ist Experten zufolge vorallem die gern wiederholte Behauptung, dass die Ehelosigkeit – also die zölibatäre Lebensform der Priester – und die Haltung der Kirche zur Homosexualität mitursächlich für den sexuellen Missbrauch seien.

Geht es bei solchen öffentlichen Aussagen wirklich um die Opfer und eine bessere Prävention von Missbrauch, oder geht es um etwas anderes – nämlich lange ersehnte kirchenpolitische Ziele?

Bischof Voderholzer warnte deutlich vor grundstürzenden Veränderungen in der Kirche, die damit scheinbar legitimiert werden sollen.

„Ich halte das für einen Missbrauch des Missbrauchs, insbesondere für einen Missbrauch der Opfer des Missbrauchs. Wenn der Zölibat ursächlich wäre für diese Verbrechen, wie erklärt es sich dann, dass 99,9 Prozent dieser Fälle von nicht zölibatär lebenden Männern getan werden?“

Der Bischof von Regensburg betonte die positive und historische Rolle des Zölibats:

„Die Ehelosigkeit um des Himmelreiches willen ist die Lebensform Jesu und der Apostel, sie stand in der Kirche von Anfang an wegen ihres Zeugnischarakters in hohem Ansehen und wurde vom Mönchtum, aber auch von Bischöfen und Priestern gelebt, lange bevor sie dann für den Bereich der Westkirche im Mittelalter verbindlich vorgeschrieben wurde“.

Zu behaupten, der Zölibat sei im Mittelalter ausschließlich aus ökonomischen Gründen eingeführt worden, entbehre jeder historischen Vernunft, stellte der bayerische Oberhirte fest.

„Lege dafür meine Hand ins Feuer“

Jeder Priesteramtskandidat wisse, so Voderholzer, dass die Kirche die freiwillige Annahme dieser Lebensform als Berufung zur Christusnachfolge zum Kriterium der Berufung in den geistlichen Dienst gemacht habe, und jeder Weihekandidat bekunde ausdrücklich diese Freiwilligkeit.

Dass diese Lebensform in einer übersexualisierten Gesellschaft ein Skandalon darstellt, das immer wieder angegriffen oder verspottet wird, ist noch lange kein Grund, von dieser biblisch begründeten Tradition abzugehen: „Vielleicht war sie noch nie so wichtig wie heute!“, so Voderholzer.

Notwendig sei selbstverständlich eine gute Vorbereitung der Priesteramtskandidaten und eine gute Begleitung der Priester, damit diese Lebensform gut gelebt werden und ihren Zeugnischarakter auch bewahren kann, betonte der Bischof: „Unsere Priesterausbildung berücksichtigt sehr wohl die psychologischen und menschlichen Gesichtspunkte, die notwendig sind für eine reife Persönlichkeit. Ich lege dafür meine Hand ins Feuer. Und ich möchte auch an dieser Stelle der überwältigenden Mehrheit der Priester mein Vertrauen aussprechen, die ihren Dienst eifrig und gewissenhaft tun, die unbescholten waren und sind.“

Nichts zu verbergen oder zu vertuschen

Bischof Voderholzer begrüßt grundsätzlich jede Initiative, die Hinweise auf Missbrauch oder Vertuschung aufklären und ahnden hilft – auch und gerade mit Blick auf das eigene Bistum. Die Betroffenen müssten bei der Bewältigung des erlebten Unrechts unterstützt werden, unterstrich der Oberhirte erneut.

„Wir sind daher auch in Kontakt mit der Regensburger Staatsanwaltschaft und werden offene Fragen bald und umfassend klären. Wir haben hier nichts zu verbergen oder gar zu vertuschen“.

Voderholzer betonte, man werde „eng mit der Staatsanwaltschaft zusammenarbeiten, selbstverständlich im Rahmen des geltenden Rechts, der entsprechenden Leitlinien der Bischofskonferenz und der staatlichen und kirchlichen Datenschutzvorschriften“.

Forderungen, gegen geltendes Datenschutzrecht die Personalakten aller Priester gewissermaßen der Öffentlichkeit preiszugeben, erteilte der Regensburger Bischof eine klare Absage: „Dieses Ansinnen ist ungeheuerlich! Die Priester genießen denselben Datenschutz wie alle anderen Menschen auch. Niemand käme doch auf die Idee, den Staat aufzufordern, alle Personalakten der Lehrer offen zu legen, weil es auch in Schulen zu Fällen sexuellen Missbrauchs kommt“.

Der bayerische Oberhirte betonte: „Wenn ein begründeter Anfangsverdacht besteht, dann hat die Staatsanwaltschaft das Recht auf Akteneinsicht und die Pflicht zur Aufklärung“.

Gleichzeitig stellte Voderholzer fest: „Einen Generalverdacht, der sich hier breit macht, weise ich auf das Entschiedenste zurück!“

Das hätten weder die Priester verdient, noch die katholische Kirche, so der Bischof weiter.

„Die katholische Kirche ist die erste und einzige Institution der Zivilgesellschaft in Deutschland, die sich in so umfassender Weise diesem Problem stellt. Ich kann nicht dazu schweigen, dass nun der Eindruck im Raum stehen bleibt, wir seien die einzige Institution, die dieses Problem hat.“

Ja,gelernt, dass die Opferperspektive absoluten Vorrang hat vor jeder Rücksichtnahme auf die Institution oder die Täter. Aber sind denn die vielen Opfer in den anderen Bereichen der Gesellschaft weniger wert oder bedeutsam?“, so Bischof Voderholzer abschließend. (CNA Deutsch)

Auf die lange Bank geschoben?

Einige Gedanken zur Erklärung der Deutschen Bischofskonferenz.

Anderthalb DINA4-Seiten umfasst die Erklärung der deutschen Bischöfe zu den Ergebnissen der Studie „Sexueller Missbrauch an Minderjährigen durch katholische Priester, Diakone und männliche Ordensangehörige im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz“.

Sie ist ebenso knapp wie kühl und nach eingehender Lektüre hatte ich den Eindruck, mir läge die Pressemitteilung des Kanzleramtes oder irgendeiner Parteizentrale vor, nicht aber eine Erklärung der deutschen Oberhirten.

Der Illusion, die deutschen Bischöfe wollten als Seelsorger sprechen – vor allem in die Seelen der Missbrauchsopfer – sollten wir uns aber gar nicht erst hingeben, denn hier geht es vor allem um die Ansprache der Öffentlichkeit oder besser derjenigen Teile der Öffentlichkeit, die man Meinungsführer nennt.

Von diesen Meinungsführern haben die deutschen Bischöfe seit Kardinal Lehmann sehr viel gelernt, weswegen die Überschrift der Erklärung auch „Good Governance statt Hirtenamt“ lauten könnte. Denn es wimmelt in der Erklärung von Versatzstücken und Wieselwörtern der „guten Regierung“: Man will Aufarbeitungsprozesse angehen, Personalakten standardisieren, ein externes, verbindliches, überdiözesanes Monitoring einrichten und Verfahren fortentwickeln. Das hören wir schon seit Jahren – Prozesse und Verfahren. Bedeutet das vielleicht: Noch eine Kommission, noch ein Arbeitskreis? Zimmert man sich da wieder eine lange Bank, auf die man die ganze Angelegenheit schiebt?

So wie es sicher genügend deutsche Bischöfe gibt, denen es mit der Aufklärung Ernst ist, die nicht mehr damit warten können, in ihrer Diözese aufzuräumen, wird es auch Amtsträger geben, die zu lange weggeschaut und sich damit selbst schuldig gemacht haben. Hoffen sie vielleicht, noch einmal davonzukommen? Noch können sie hoffen, da ja auch von höchster Stelle zu einschlägigen Anschuldigungen geschwiegen wird.

Schließlich lesen wir von noch einem „transparenten Gesprächsprozess“, in dem man unter „Beteiligung von Fachleuten verschiedener Disziplinen“ „Fragen nach der zölibatären Lebensform der Priester und nach verschiedenen Aspekten der katholischen Sexualmoral“ erörtern will.

Nun sollte der Zölibat, wenn man ihn denn ernst nimmt, und die katholische Sexualmoral sexuellen Missbrauch eigentlich verhindern und nicht fördern. Vergegenwärtigen wir uns die Zahlen. 4.4 % der deutschen Kleriker sollen sich des sexuellen Missbrauchs Minderjähriger schuldig gemacht haben, was aber nur als untere Schätzgröße gilt (S. 5. des Berichts). Gehen wir also getrost von höheren Missbrauchszahlen aus. Selbst dann müssen wir uns fragen: Sollen tatsächlich 5, 10 oder 20 % unter den Priestern gegen alle anderen ausgespielt werden, um lang gehegte Theologenträume wieder und wieder zu diskutieren? Hier muss man sogar hoffen, dass diese Diskussion auf die lange Bank geschoben wird, denn wie die außerkirchliche Erfahrung zeigt, schützt Ehe vor Missbrauch nicht.

Meiner Meinung nach bietet die Erklärung aber auch den Ansatz zu einer Lösung, nämlich dort, wo die Bischöfe den Betroffenen Gerechtigkeit zu teil werden lassen wollen und von einem institutionellen Versagen sprechen. Welche Institution könnte hier gemeint sein, wenn nicht das Bischofsamt selbst! Viel zu lange haben die Bischöfe sich hinter einer anderen Institution, der Bischofskonferenz, versteckt. Sagen wir es ganz klar: Hier geht es nicht um Kollegialität, hier geht es um Jurisdiktion!

Das II. Vatikanum hat es in Lumen Gentium, 27, ganz eindeutig erklärt: „Die Bischöfe leiten die ihnen zugewiesenen Teilkirchen als Stellvertreter und Gesandte Christi durch Rat, Zuspruch, Beispiel, aber auch in Autorität und heiliger Vollmacht, die sie indes allein zum Aufbau ihrer Herde in Wahrheit und Heiligkeit gebrauchen (…). Kraft dieser Gewalt haben die Bischöfe das heilige Recht und vor dem Herrn die Pflicht, Gesetze für ihre Untergebenen zu erlassen, Urteile zu fällen und alles, was zur Ordnung des Gottesdienstes und des Apostolats gehört, zu regeln.“

Daraufhin möchte man ausrufen: Bischöfe Deutschlands! Bischöfe in aller Welt! Lasst Euch nicht von Bischofkonferenzen einhegen, sondern nehmt Euren Auftrag wahr. Dort wo sich Vorwürfe gegen Priester und Diakone erhärten, suspendiert sie vom Amt und entfernt sie aus den Gemeinden – ganz gleich, welche sexuelle Präferenz sie haben. Versetzt sie aber nicht in andere Pfarreien, wo sie weiter Straftaten begehen können. Wenn sie vor Gericht überführt werden, entlasst sie aus dem kirchlichen Dienst und stellt sie bitte nicht als Pastoralreferenten wieder ein. Ja, ihr habt eine Fürsorgepflicht auch gegenüber diesen Priestern. Sie brauchen Hilfe. Aber wie „Uncle Ted“ sollten sie ein Leben in Abgeschiedenheit und Buße führen.

Nehmt also einfach Euer Amt wahr, dann werdet ihr Eure Glaubwürdigkeit zurückerlangen – vielleicht zum Ärger derjenigen, die nun Morgenluft für ihre billigen theologischen Allgemeinplätze wittern. Nicht nur die Opfer, sondern auch alle Gläubigen haben das Recht, die authentische Stimme der Bischöfe zu hören, anstatt sich im eiskalten Behördendeutsch des Sekretariats der DBK wiederfinden zu müssen.

Aber vielleicht ist das alles zu viel verlangt, in einer Zeit, in der Bischofskonferenzen die Jurisdiktion des einzelnen Bischofs unterlaufen, ihm gleichzeitig aber Gelegenheit bieten, sich hinter allen anderen Konferenzmitgliedern zu verstecken. Eins steht aber fest: Mit „Good Governance“ der oben zitierten Art wird die Gerechtigkeit den Betroffenen gegenüber auf die lange Bank geschoben. (CNA Deutsch)

Die Zeit der Buße ist jetzt! Ein Rückblick auf Dublin und Ausblick für die Kirche

Wenn ich an das Weltfamilientreffen in Dublin zurückdenke, breitet sich ein seltsames Gefühl in der Magengegend aus, irgendwo zwischen „Wehmut“ und „Bedrückung“.

Mit meinen Kollegen von EWTN und CNA bin ich eine Woche lang in Dublin gewesen, um von diesem kirchlichen Großereignis zu berichten. Es waren Tage, in denen wir mit einer solchen menschlichen Wärme und Herzlichkeit empfangen wurde, die so gar nicht zum dort vorherrschendem Wetter und den neuesten Nachrichten aus der Weltkirche passte.

Ich hatte diese „Weltfamilientreffen“ bislang nicht wirklich auf dem Radarschirm, doch immerhin war das in Dublin bereits das neunte seiner Art. Konzipiert sind diese Treffen als eine Art „Weltjugendtag für Familien“, bei dem sich vor allem junge Familien treffen sollten, um die Möglichkeit zu haben, miteinander zu beten, zu singen und miteinander ins Gespräch zu kommen. Dazu gibt es Katechesen und ein umfangreiches Kinderprogramm. Abgerundet werden diese Treffen wie auch die Weltjugendtage durch den Besuch des Papstes.

Dennoch: In Dublin war alles eine Nummer kleiner, gemütlicher, oder — familiärer. Bis zum Freitag spielte sich alles auf einem recht überschaubaren Areal ab. Dazu gab es ein paar Hallen, in denen die Stände von verschiedenen katholischen Organisationen oder Ordensgemeinschaften waren oder Podien und Vorträge abgehalten wurden. In einem anderen Bereich spielte sich das Kinderprogramm ab. Dort gab es mehrere Zelte mit Möglichkeiten zum Spielen. Auch der YouCat war mit einem großen Zelt vertreten.

Ab es war nicht so, dass die irische Hauptstadt in diesen Tagen von einer Masse an katholischen Familien überschwemmt wurde. Besonders deutlich wurde es dann, als beim eigentlichen Höhepunkt – der Ankunft des Papstes – die Luftaufnahmen zeigten, dass der Papst stellenweise durch fast menschenleere Straßen fuhr und auch beim Empfang im Croke Park Stadium große Lücken klafften. Die Suche nach den Gründen für das Fernbleiben der Leute ist schwierig – schließlich können Abwesende nicht befragt werden.

Doch es lag eine eigenartige Stimmung über diesem Weltfamilientreffen. Auf der einen Seite war da unter vielen Teilnehmern diese unglaublich große Freude am Glauben, die beeindruckende Internationalität der Kirche, die es schaffte, selbst die größten Sprachbarrieren zu überwinden, und auch junge Familien als personifizierte Hoffnung und Zukunft der Kirche.

Auf der anderen Seite war da dieser lange, dunkle Schatten, der über Dublin lag. Die neuesten Berichte aus den USA und anderen Ländern über den Missbrauch und die systematische Vertuschung durch katholische Geistliche hatten vielen Besuchern des Weltfamilientreffens das brutale Leid der Opfer konkret vor Augen geführt.

Dass diese vertuscht und die Täter gedeckt wurden, bis hinauf in die höchste Kirchenspitze: Das ist mit der Rede von „unterdrückter Sexualität“, „Zölibat“ oder „bedauerliche Einzelfällen“ nicht geklärt, hörte ich immer wieder in Dublin. Viele fanden im persönlichen Gespräch ein deutliches Wort für die Verbrechen und deren Vertuschung: Sie nennen es diabolisch.

Papst Franziskus indes fand ein anderes Wort: „Kacke“.

Beim persönlichen Treffen mit einigen Opfern, so berichteten Teilnehmer, sei der Heilige Vater von den Schilderungen sehr erschüttert gewesen. Missbrauch, Vertuschung und Korruption, sagte er anschließend, seien „caca“. Zwar versuchte der anwesende Übersetzer den Vulgärausdruck noch zu umschreiben mit „das, was in der Toilette liegt“, doch die Botschaft kam an.

Mit großer Spannung war sein Besuch erwartet worden, immerhin war dies der erste Besuch eines Papstes auf der Insel seit fast 40 Jahren. Schon in den Tagen davor prügelten einige führende irische Medien auf ihn ein: Sie forderten endlich Durchgreifen und weitreichende Konsequenzen statt der oft gehörten Bitten um Vergebung und Sprüchen über „Null Toleranz“.

Der irische Regierungschef Leo Varadkar warnte den Pontifex sogar, dass es ein neues Verhältnis zwischen Staat und Kirche geben müsse, und das beim offiziellen Staatsempfang, wo sonst gerne Höflichkeiten ausgetauscht werden. Dass Franziskus ein „ganz anderes Irland“ vorfinden werde als noch Johannes Paul II. bei seinem Besuch 1979 war schon im Vorfeld klar geworden.

Irland sei jetzt ein „modernes, fortschrittliches“ Land, in dem jeder Mensch gleichberechtigt sei, so Varadkar. Nicht erwähnt wurden in der Lobeshymne auf die vom Staat geschaffene Gleichberechtigung all die ungeborenen Menschen, die sich nun einer neuen Bedrohung ausgesetzt sehen: Seit Anfang dieses Jahres sind Abtreibungen nun offiziell auch in Irland erlaubt.

Franziskus entzündete in der St. Mary-Kathedrale eine Kerze für all jene, die den Vergehen von geweihten Personen der Kirche zum Opfer gefallen sind. Er sprach ein öffentliches Schuldbekenntnis aus, bat wieder einmal mehrmals um Vergebung. Auch für die Vertuschung der Verbrechen.

All dies wurde von den Medien aufmerksam registriert, auch wenn besonders durch die Veröffentlichung des Vigano-Briefes (CNA Deutsch hat berichtet) der Papst selbst erneut in die Kritik geriet. Das Problem sei nicht allein der von Franziskus als Hauptgrund bezeichnete „Klerikalismus“, betonte beispielsweise unter anderem der Schweizer Weihbischof Marian Eleganti in einem Interview mit EWTN. Auch der Umgang mit Homosexualität im Klerus dürfe nicht ignoriert werden.

Ob die von vielen als unglücklich empfundenen Aussagen des Papstes auf dem Rückflug von Dublin nach Rom Grund zur Hoffnung auf lückenlose Aufklärung geben? Das darf bezweifelt werden.

Freunde aus Deutschland hatten mir geschrieben, es sei gut, dass EWTN vor Ort sei und wir die Möglichkeit hätten, jetzt nicht „immer nur über das Negative“ zu berichten. Jedoch: Es ging nicht anders.

Das Thema war allgegenwärtig. Ich verstehe jeden Einzelnen, der es satthat, jeden Morgen mit den neuen Enthüllungen über Missetaten der Kirche konfrontiert zu werden. Aber es muss jetzt eine Zeit der Reinigung anbrechen, in der der ganze Schmutz ans Tageslicht kommt. Um wieder Ostern werden zu lassen, muss die Kirche durch eine intensive Fastenzeit. Dann erst kann der Hausputz beginnen.

Viele hatten sich daran gestört, dass der Papst alle Gläubigen zur Buße, zum Fasten und Gebet angeregt hat, denn schließlich sähen sie es nicht ein, das mit auslöffeln zu müssen, was einige Kleriker „eingebrockt“ haben (um nicht bei Franziskus´ skatologischer Wortwahl zu bleiben). Aber: „Wenn ein Glied leidet, leiden alle anderen mit“.

Freilich ist die Frage noch ungeklärt, ob Franziskus von den Vorgängen um McCarrick wusste und inwieweit er einen Teil der Verantwortung an der Vertuschung trägt. Trotzdem war mein persönliches Highlight bei diesem Weltfamilientreffen seine Ankunft im Croke Park Stadium.

Wir hatten seit den Morgenstunden auf ihn gewartet, auch wenn das Stadion immer noch nicht komplett voll war. Als das Papamobil schließlich einfuhr und Applaus aufbrandete, wartete ich hochkonzentriert in meiner Kameraposition, um ein möglichst gutes Foto zu schießen. Plötzlich war der Papst in Sichtweite und der Applaus wurde zum wilden Begeisterungssturm.

Während ich den Auslöser betätigte, bemerkte ich, wie sich mehr und mehr meine Nackenhaare aufstellten und ich richtig Gänsehaut bekam. Es hörte auch nicht auf, als ich weiterrennen musste, um an der nächsten Ecke einen anderen Winkel auf das Papstmobil zu bekommen.

Ich wurde komplett ergriffen von der Begeisterung um mich herum. Diese Menschen da, sie jubelten nicht einem Jorge Bergoglio in Papstklamotten zu, nicht einer Kirche, die gerade ihren tiefsten menschlichen Sündensumpf offenbarte. Sie jubelten dem zu, was dieser Mann trotz allem repräsentierte: Einer Kirche, die ihre Wurzeln und ihre Zukunft woanders hat. In ihren Reihen laufen die größten Heiligen mit, aber auch große Sünder. Sie rettete das Leben vieler Menschen, aber viele verwechseln sie mit den Sündern, die zu ihr gehör(t)en, Schande und Schmerz verursacht haben.

Das mag pathetisch klingen. Dennoch: Selten wurde mir so wie in diesem Moment bewusst, dass Gott uns – Seiner Kirche – erneut eine Chance geben wird. Hoffentlich werden wir sie nutzen. Doch vor allem sollten wir jetzt bei denen sein, die so sehr verletzt worden sind; sie haben die Wahrheit verdient, die nur eine schonungslose Aufklärung bringen wird. (CNA Deutsch)

Neues Papst-„Interview“ von Scalfari: Krise der Familie, Pädophilie und Mafia

La Repubblica Am Sonntag hat die italienische Zeitung „Repubblica“ einen Artikel des Gründers Eugenio Scalfari über ein Gespräch mit Papst Franziskus abgedruckt. In dem Beitrag geht es um die Krise der Familie, um Pädophilie und das Verhältnis der Kirche zur Mafia. Das „Interview“ fand am vergangenen Donnerstag in Santa Marta statt, ist aber – wie schon bei vorgehenden Interviews – nur aus dem Gedächtnis des 90-jährigen Journalisten rekonstruiert. Vatikansprecher Federico Lombardi betonte, dass die „Zitate“ nicht als authentisch gelten könnten, da sie nicht autorisiert worden sind. Dies gelte insbesondere für die Aussagen zum Thema Zölibat und Fällen von Pädophilie unter Kardinälen, die eine tendenziöse Berichterstattung erkennen ließen. Wie auch beim Interview im Oktober vergangenen Jahres setze Scalfari Aussagen des Papstes in Anführungszeichen und mache sie so als direkte Zitate kenntlich, obwohl er keine Aufzeichnungen gemacht habe. Ausdrücklich weist Lombardi gegenüber Radio Vatikan auf eine Merkwürdigkeit hin: Bei einigen Zitaten würden zwar die Anführungszeichen zu Beginn gesetzt, dann aber nicht zum Abschluss. Das lasse die Frage aufkommen, ob es sich nicht um bewusste Lesermanipulation handle.

Im Folgenden die wichtigsten Aussagen laut Zeitunug:

Krise der Familie und Pädophilie

Der Papst sei erschüttert, dass die meisten Fälle von Pädophilie im familiären und verwandtschaftlichen Rahmen geschehen. Das sei besonders verwerflich, denn eigentlich sollte die Familie ein Schutzraum für die Erziehung der Kinder sein. Leider würden viele Eltern die Erziehung der Kinder vernachlässigen und andere Dinge in ihrem Leben als wichtiger ansehen. Das führe zu einer schleichenden Verwahrlosung der Kinder und zur Verbreitung anderer Laster wie zum Beispiel Drogensucht. Die Kirche kämpfe dagegen und setze sich dafür ein, dass Kinder wieder eine gute Erziehung erhielten.

Pädophilie und Kirche

Nach Kenntnis des Papstes seien im Klerus etwa 2 Prozent pädophil veranlagt, darunter auch Bischöfe und Kardinäle, eine Aussage, die Papstsprecher Pater Federico Lombardi bereits dementiert hat: Das habe der Papst nie gesagt.. Diese (geringe) Zahl beruhige den Papst aber keineswegs, so die Zeitung weiter, sondern sehe sie als äußerst schwerwiegend an. Unhaltbar sei auch das Schweigen der Mitwisser. Er habe die Absicht diese Probleme, wenn nötig, mit Strenge anzugehen.

Über die Barmherzigkeit

Ein weiteres Thema des Gesprächs war die absolute Freiheit des Menschen zur Sünde und die Frage nach der Reue „auf dem Sterbebett“. Scalfari fragt, ob die Aussicht auf Barmherzigkeit „in letzter Minute“ nicht dazu führen könne, sich die Hoffnung auf ein Jenseits zu bewahren ohne das eigene Leben im Jetzt zu ändern. Franziskus antwortet, dass nicht der Mensch richte, sondern der Herr, der schließlich allwissend sei. Die Barmherzigkeit Gottes sei unendlich und könne nicht in eine Falle gelockt werden. Wenn die Reue nicht ehrlich ist, könne auch die Barmherzigkeit ihre erlösendes Werk nicht ausüben. Das Gewissen sei frei, betont der Papst gegenüber dem bekennenden Atheisten Scalfaro. Diese Probleme seien Kernfragen der Theologie, und man müsse dazu vor allem die Weisheitsbücher der Bibel und das Buch Hiob studieren.

Kirche und Mafia

Der Papst gesteht, dass er nicht nachvollziehen könne, wie die Mafia funktioniere. In Argentinien gebe es auch Mörder und Verbrecher, aber keine Mafia. Er lese dazu viele Bücher. Scalfari schreibt, dass er dem Papst in dem Gespräch erklärt habe, dass die Mafia nach eigenen Regeln funktioniere und eine eigene Moral kenne. Es gebe sogar einen Gott der Mafia. Die Familien der Mafia seien regelmäßige Kirchgänger.

Papst Franziskus erinnert in dem Zusammenhang an die öffentliche Anklage Papst Johannes Paul II. Es sei gut, dass die Priester den Opfern der Mafia beistehen, aber es sei selten, dass sie die Mafia öffentlich ächten. Er selber habe nicht vor, es bei einem einmaligen Appell zu belassen, sondern werde die Probleme beständig anprangern: Pädophilie und Mafia: Dies seien, referiert Scalfari den Papst, zwei der wichtigsten Fragen für die Kirche.

Zölibat

Am Ende des Gesprächs fragt Scalfari, wann das Problem des Zölibats in der katholischen Kirche angegangen werde. Franziskus habe laut Scalfari geantwortet, dass das Problem kein großes Ausmaß habe. Es brauche Zeit, aber es gebe Lösungen, und er werde sie finden. (rv)

D: Piusbruderschaft für Pflichtzölibat

Die schismatisch orientierte „Piusbruderschaft" verteidigt den Pflichtzölibat in der römischen Kirche. Der deutsche Distriktobere der Piusbrüder, Franz Schmidberger, sieht in der von CDU-Politikern losgetretenen Debatte einen „offenen Verstoß gegen die Beschlüsse des II. Vatikanischen Konzils". Er fordere „die betreffenden CDU-Politiker sowie das Zentralkomitee (der deutschen Katholiken) auf, sich unverzüglich an die Vorgaben des II. Vatikanischen Konzils zu halten und die Erklärung zu widerrufen!" Wer bei „jeder Diskussion um die Tradition der Kirche die vollumfängliche Anerkennung des Konzils" verlange, müsse „sich auch selber daran halten." Die Lefebvre-Anhänger forderten weiterhin, „jene Teile des Konzils zu verbessern, die im Widerstreit mit der Tradition stehen". Der Vatikan verlangt von der Piusbruderschaft eine umfassende Anerkennung der Lehren des Konzils, darunter auch der Beschlüsse zu anderen Religionen und zur Ökumene. (rv)

Der Papst und der Zölibat

Es ist keine Neuigkeit, dass Medien gerne Sensationsmeldungen verkünden – oder zumindest glauben, dass sie das tun. So hat diese Woche die „Süddeutsche Zeitung" eine alte Veröffentlichung aus den 1970er Jahren als Sensationsfund gemeldet. Es handelte sich um das Memorandum der Theologen Karl Rahner, Walter Kasper, Karl Lehmann und Joseph Ratzinger. Vorneweg: Dieses Schreiben war schon damals – in den 70er – heftig diskutiert worden. Brisanz hat das für die heutige Zeit nur aus einem Grund: der heutige Papst Benedikt XVI. hat mit Kasper und Lehmann – zwei inzwischen prominente Kardinäle – damals eindringlich an die deutschen Bischöfe appelliert, den Zölibat der Priester auf den Prüfstand zu stellen.
 Und heute? Nun, über den Zölibat hat Papst Benedikt XVI. oft und sehr klar gesprochen. So zum Beispiel in seiner Ansprache an die Bischöfe aus Südafrika, Botswana, Swasiland, Namibia und Lesotho anlässlich ihres Ad Limina-Besuchs am 10. Juni 2005:
„In einer Welt voller Versuchungen werden Priester gebraucht, die sich ganz und gar ihrer Sendung widmen. Daher sind sie aufgefordert, auf besondere Weise völlig offen zu sein für den Dienst am Nächsten, wie Christus ihn vorlebte, indem sie das Geschenk des Zölibats annehmen. Die Bischöfe sollen sie dabei unterstützen, damit diese Gabe nie zur Last wird, sondern stets lebensspendend bleibt. Ein Weg, um das zu erreichen, ist, die Diener des Wortes und des Sakraments zur ständigen Weiterbildung, zu Exerzitien und zu Tagen der Meditation und Besinnung zusammenkommen zu lassen."
Die Ehelosigkeit des Priesters sei nicht einfach, betonte immer wieder der Papst. Dazu braucht es auch eine „affektive Reife", wie er in der Ansprache bei der Begegnung mit dem polnischen Klerus in Warschau am 25. Mai 2006 sagte:
„In Wirklichkeit gelangt man nur zur affektiven Reife, wenn das Herz Gott anhängt. Christus braucht Priester, die reif und mannhaft sind, fähig, eine wahre geistliche Vaterschaft auszuüben. Damit das geschieht, bedarf es der Aufrichtigkeit mit sich selbst, der Öffnung gegenüber dem geistlichen Begleiter und des Vertrauens auf die göttliche Barmherzigkeit."
Auch möchte der Papst keinen Kontrast zwischen dem Ehesakrament und dem Priestersein hervorrufen. Im Gegenteil, Verheiratete und Priester sollten gemeinsam „arbeiten", so Benedikt XVI. bei einer Begegnung mit Priestern aus der Diözese Albano am 31. August 2006.
„Mir scheint, dass wir Priester auch von den Eheleuten lernen können, gerade von ihren Leiden und Opfern. Wir denken oft, nur der Zölibat sei ein Opfer. Aber wenn wir die Opfer der verheirateten Menschen kennen – denken wir an ihre Kinder, an die entstehenden Probleme, an die Ängste, die Leiden, die Krankheiten, an die Auflehnung gegen die Eltern und auch an die Probleme der ersten Lebensjahre, in denen es überwiegend schlaflose Nächte gibt, weil die kleinen Kinder weinen -, müssen wir es von ihnen, von ihren Opfern lernen, unsere Opfer zu bringen. Und miteinander müssen wir lernen, dass es schön ist, durch die Opfer zu reifen und so für das Heil der anderen zu arbeiten."(rv)

Deutschland: Zollitsch stärkt Priestern den Rücken

Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Robert Zollitsch, ruft angesichts des Missbrauchsskandals Priester und Gläubige dazu auf, ihr Leben immer wieder neu an der Botschaft Jesu auszurichten. Bei einer Priesterweihe in Freiburg bedauerte der Erzbischof, dass „gerade im Jahr des Priesters die schrecklichen Verfehlungen sichtbar wurden, die auch in der Kirche und von Priestern verübt wurden“. Dies mache deutlich: „Es gibt für uns alle mit der Weihe keinen Automatismus, der von alleine alles in die rechten Bahnen lenkt. Wir haben uns stets neu auszurichten am Evangelium Jesu Christi…“ Auch Zollitschs Vorgänger im Amt des Bischofskonferenz-Vorsitzenden, Kardinal Karl Lehmann von Mainz, sprach am Wochenende von einem Ansehensverlust, unter dem die katholische Kirche in Deutschland zu leiden habe. Zugleich bedauerte Lehman im „heute journal“, dass die Diskussion über den Zölibat im Zusammenhang mit der Missbrauchsdebatte geführt werde. Er sei allerdings sicher, dass Papst Benedikt XVI. auch über den Zölibat nachdenke.

Der Tübinger Theologe Hans Küng erneuerte am Sonntag seine grundsätzliche Kritik an der priesterlichen Ehelosigkeit. Im Zwangszölibat kulminiere „die verklemmte Haltung der Kirche zur Sexualität“, so der Theologe, dem Rom 1979 die kirchliche Lehrerlaubnis entzogen hatte.

Der Kölner Kardinal Joachim Meisner überlegt unterdessen, sich mit einem eigenen Hirtenbrief speziell an Kinder zu wenden. Vor der Vollversammlung des Diözesanrats der Katholiken im Erzbistum Köln äußerte Meisner erneut Fassungslosigkeit und Scham über die Vergehen von Priestern. Zum Umgang mit den Tätern meinte der Kardinal, der erste Weg zur Therapie führe über eine Anzeige des Geschehens. Es dürfe nichts mehr unter den Teppich gekehrt und keine „fromme Soße“ über verbrecherische Taten gegossen werden. Der Kardinal appellierte an die Täter, ihre Opfer um Vergebung zu bitten. Engagierte Katholiken sollten aber angesichts der jetzigen Skandale nicht resignieren. Meisner wörtlich: „Wir dürfen jetzt nicht hocken bleiben und uns selbst bedauern.“ (rv)

Moraltheologe: „Zölibatspflicht überprüfen“

In der Debatte um Missbrauch wurde in den vergangenen Monaten auch viel über den Zölibat diskutiert. Für eine Überprüfung der Zölibatspflicht hat sich jetzt die Arbeitsgemeinschaft Deutscher Moraltheologen ausgesprochen. Ein direkter Zusammenhang zwischen dem Zölibat und den Missbrauchsfällen in der katholischen Kirche lasse sich zwar nicht herstellen, schreiben die Moraltheologen in einer am Dienstag veröffentlichten Presseerklärung, die auch an die Deutsche Bischofskonferenz ging. Die Pflicht zur Ehelosigkeit ziehe aber möglicherweise Kandidaten mit einem unreifen Verhältnis zur eigenen Sexualität an. Im Interview mit Radio Vatikan erklärt Vorstandvorsitzender Prof. Konrad Hilpert die Details.
„Ich meine damit, dass es einen möglichen oder wahrscheinlichen Zusammenhang gibt zwischen dem psychisch unreifen Bedürfnis nach Nähe, Bestätigung, sexueller Erfüllung einzelner Personen gegenüber Kindern und Jugendlichen und ermöglichenden, begünstigenden oder sogar absichernden Strukturen, die etwas mit Abhängigkeit, Macht, Sakralisierung und Idealisierung von Personen und Funktionen zu tun haben. Ich vermute, dass es diesen Zusammenhang gibt.“
Natürlich dürfe man jetzt nicht alle Priester pauschal verurteilen oder kollektiv haftbar machen, betont Hilpert. Die Missbrauchsfälle in der Kirche zeigten eher ein anderes Grundproblem auf.
„Die jetzigen des sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen und Kindern sind auch so eine Bruchstelle oder Indikator für eine Problemstelle, die bisher zu wenig wahrgenommen wurde und die auch in der traditionellen kirchlichen Moral eigentlich gar keinen richtigen systematischen Ort hat, nämlich die Ausnutzung von Machtgefälle und die Überschreitung von Grenzen. Dort, wo die umgebenden Verhältnisse sehr nah und intensiv sind. Ich glaube, sexueller Missbrauch hat nicht selten eben mit Distanzlosigkeit zu tun zwischen Menschen, die in einem besonderen Vertrauensverhältnis zueinander stehen oder in dieses hineingewachsen sind.“
Nicht der Zölibat an sich sei zu hinterfragen, stellt der Moraltheologe klar, sondern die Verpflichtung zu ihm:
„Zu hinterfragen ist die kirchenrechtliche Koppelung, dass nur Menschen, die sich zum Zölibat verpflichten, zum Weiheamt zugelassen werden. Man muss doch berücksichtigen, dass diese Koppelung historisch entstanden ist, möglicherweise unter ganz anderen Bedingungen der Sozialisation und des biographischen Personwerdens und dass sie sich entsprechend der gesellschaftlichen Verhältnisse gewandelt hat.“
Kirchenvertreter hatten in den letzten Wochen für eine bessere Auswahl von Priesteramtskandidaten plädiert. Dem Moraltheologen Prof. Hilpert geht dies nicht weit genug. Er meint, dass die Frage nach der sexuellen Identität der angehenden Seelsorger immer wieder aufs Neue gestellt werden muss. Hilpert:
„Ich meine sogar, dass diese Fragen weit über die Phase des Studiums und der Hinführung zu diesem Beruf eine Rolle hinausreichen, weil nämlich erst im Nachhinein – wenn die Leute in der Praxis stehen – die eigentlich strapazierenden Anforderungen dieses Berufes kommen, des Alleinseins, der Überlastung, der Arbeit, der Routine, der stets neuen Suche nach den Wurzeln, aus denen man seine Anforderungen mit Blick auf die Menschen und Anforderungen des Evangeliums auch leben kann.“
Die Arbeitsgemeinschaft Deutscher Moraltheologen ist ein Zusammenschluss von Professoren der Moraltheologie, die an deutschen Universitäten und Hochschulen lehren oder lehrten. (rv)

Italien: „Zölibat überdenken“ – „Nein, doch nicht“

Die Zölibatspflicht sollte überdacht werden. Das schlägt der italienische Kardinal Carlo Maria Martini in einem Beitrag für die österreichische Tageszeitung „Die Presse" vor. „Die Grundfragen der Sexualität müssen im Dialog mit den neuen Generationen neu überdacht werden", schreibt der ehemalige Erzbischof von Mailand. Diese Grundfragen müssten gestellt werden, um das verlorene Vertrauen wiederzugewinnen, so Martini mit Blick auf die Missbrauchs-Skandale. Der Turiner Kardinal Severino Poletto hat Martini am Montag widersprochen: Er sei gegen eine Revision des Zölibatsversprechens. Priester sollten nicht zu „Funktionären" werden, sondern weiterhin „24 Stunden am Tag im Dienst der Kirche sein". Auch Vatikan-Kardinal Walter Kasper hat sich in einem Zeitungsinterview, das an diesem Montag veröffentlicht wurde, dagegen gewandt, unter dem Eindruck der Missbrauchsfälle jetzt eine Zölibatsdebatte zu beginnen.

Das Thema Missbrauch ist inzwischen auch in Italien in den Mittelpunkt des Medieninteresses gerückt. So hatte die Zeitschrift „L`Espresso" zuletzt mehr als vierzig Vergehen von Geistlichen zwischen der Toskana und Südtirol recherchiert. – Kardinal Carlo Maria Martini stand von 1980 bis 2002 an der Spitze des Erzbistums Mailand und war eine der herausragenden Gestalten der italienischen Kirche. Für eine monatliche Rubrik mit Antworten auf Leserfragen zu kirchlichen und religiösen Themen in der Mailänder Tageszeitung „Corriere della Sera" wurde der über 80-jährige Kardinal im Februar mit dem renommierten italienischen Journalistenpreis „Premiolino 2010" geehrt. (rv)