Generalvikar Beer: Kirche steht beim Thema Missbrauch noch am Anfang

OHLSTADT (LKR. GARMISCH-PARTENKIRCHEN) – Der Generalvikar des Erzbischofs von München und Freising, Peter Beer, sieht die Kirche angesichts des sexuellen Missbrauchs Minderjähriger vor historischen Veränderungen.

„Ich bin der Überzeugung, dass jetzt die Kraft, der Mut, der Schwung, auch der Druck da ist, dass wir, jeder an seiner Stelle, in Gang kommen, um etwas zu verändern“, sagte Beer bei der Vollversammlung des Diözesanrats der Katholiken der Erzdiözese am heutigen Freitag, 12. Oktober, in Ohlstadt im oberbayerischen Landkreis Garmisch-Partenkirchen.

„Der Gott der Geschichte, wenn es ihn denn gibt, hat uns kräftig in den Hintern getreten. Das war offenbar notwendig.“

Der Generalvikar warnte: „Man kann es sich gemütlich machen im Zorn, in der Macht, in der Enttäuschung“.

„Aber ich glaube, es ist jetzt die Stunde, nicht schwarz zu sehen, sondern es ist der Beginn einer neuen Zukunft. Das wird schmerzhaft werden, es werden geliebte Gewohnheiten verlorengehen, es wird sich das Gesicht der Kirche ändern, es wird eine Form von Kirche sein, die wir erst suchen müssen.“

Er gehe davon aus, dass die Kirche beim Umgang mit sexuellem Missbrauch erst am Anfang stehe, „nicht am Ende, nicht in der Mitte“.

Die Kirche dürfe sich nicht vormachen, dass es ausreiche, aufzuklären und Missbrauchs- und Präventionsbeauftragte zu haben, so Beer: „Die Strukturen, die Haltungen, die systematischen Gründe, die sich hinter der Missbrauchsthematik und vor allem dem Umgang damit verbergen, die bestehen ja weiterhin und wirken auch in anderen Bereichen.“

Der Münchner Generalvikar nannte unter anderem die Tendenz, Schwierigkeiten „unter uns“ zu regeln, „das Nichtglauben gegenüber den Missbrauchsopfern, das Beschwichtigen der Situation vor Ort“ sowie „den schnellen Übergang von Schuld zu Barmherzigkeit, ohne Sühne, ohne Wiedergutmachung, ohne Buße. Das sind Tendenzen, da müssen wir sehr genau hinschauen und in allen Bereichen aufpassen.“ (CNA Deutsch)

Gottesdiensträume für geflohene Christen

Erzbistum München und FreisingMÜNCHEN – Platz für vertriebene Christen aus dem Nahen Osten und Afrika: Den orientalischen Gemeinden, die durch die Ankunft christlicher Flüchtlinge stark angewachsen sind, bieten Pfarreien im Erzbistum München und Freising mehr Räume für Gottesdienste und Begegnungen an.

Bereits 18 Räume für bis zu 500 Gläubige

Der Generalvikar des Münchner Erzbischofs, Peter Beer, rief Ende Februar in einem Brief alle Pfarreien auf zu prüfen, ob unierten, orientalischen und orthodoxen Gemeinden Räume zur Verfügung gestellt werden können. In den drei Wochen nach dem Aufruf meldeten Pfarreien im Erzbistum bereits 18 Gottesdiensträume für teilweise bis zu 500 Gläubige und fast ebenso viele gemeindliche Räume für Begegnungen. Das fortlaufend wachsende Angebot wird vom Erzbischöflichen Ordinariat gesammelt und koordiniert an orientalische Gemeinden vermittelt.

Nach der Aufnahme die Integration

Nachdem die Kirche im Erzbistum in einer ersten Phase 1300 Unterbringungsplätze schaffen, einen Flüchtlingsfonds einrichten, eine große Zahl an Helferkreisen bilden und diese durch Caritas und Erzdiözese professionell unterstützen konnte, gelte es nun „in einer zweiten Phase den Blick stärker auf die Integration“ zu richten, schreibt Generalvikar Beer in dem Brief an die Pfarreien.

Ein wichtiger Schritt könne es dabei sein, die Gemeinden und Kirchen zu unterstützen, „die in besondere Weise mit den Herkunftsländern im Mittleren Osten und in Afrika verbunden sind und deshalb Flüchtlingen aus diesem Kulturraum sehr gut als Orte der geistlichen Beheimatung dienen können“.

600 Gottesdienstbesucher in einer Gemeinde

Das Beispiel der eritreisch-orthodoxen Gemeinde, die vor vier Jahren von 18 Gemeindemitgliedern gegründet wurde und ihre Heimat in der katholischen Pfarrei St. Gertrud im Münchner Norden fand, verdeutlicht das starke Anwachsen dieser Gemeinden: Mittlerweile kommen 500 bis 600 Gläubige zu den Gottesdiensten an den Feiertagen und zu den Festen der Gemeinde in St. Gertrud.

Beispiele wie diese zeigten die Notwendigkeit, den nach Deutschland geflohenen orientalischen Christen auch eine geistliche Heimat anbieten zu können, so Beer. Er sei überzeugt, „dass solche Gemeinden auch für eine Pfarrei zu einer lebendigen Bereicherung werden können“. (CNA Deutsch)

Münchner Präventionsprojekt wird in Rom fortgeführt

EB_M_Erzbistum München und FreisingUmzug von München nach Rom: Das E-Learning-Projekt „Prävention von sexuellem Kindesmissbrauch“ des Zentrums für Kinderschutz hat seine Pilotphase in München abgeschlossen; es wechselt an die Päpstliche Universität Gregoriana in Rom. Darüber informierten am Mittwoch in München Kardinal Reinhard Marx, der Erzbischof von München und Freising, sowie Pater Hans Zollner. Der Jesuit ist Präsident des Zentrums für Kinderschutz und des Instituts für Psychologie der Päpstlichen Universität Gregoriana – und er ist sehr zufrieden mit dem bisher Geleisteten.

„Die Bilanz ist sehr gut! Wir haben ein E-Learning-Programm, eine Internet-gestützte Lernplattform, aufgesetzt mit Hilfe des Universitätsklinikums Ulm, und wir haben es mit 714 Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus zehn Ländern mit elf Projektpartnern ausprobieren können. Die Rückmeldungen sind insgesamt sehr positiv, und deshalb geht es jetzt weiter! Wir übersiedeln also zum Ende dieses Jahres, vom 1. Januar an, nach Rom an die Gregoriana, wo wir dann das Projekt weiter ausdehnen und vertiefen wollen.“

Das Zentrum für Kinderschutz war vom Institut für Psychologie der Gregoriana in Kooperation mit der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie/Psychotherapie am Universitätsklinikum Ulm und mit Unterstützung der Erzdiözese München und Freising Anfang 2012 in München eröffnet worden. Es soll durch internetgestützte Qualifizierungsangebote Priester, Diakone, pastorale Mitarbeiter, Religionslehrer sowie Ehrenamtliche und Katecheten weltweit für die Problematik sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen und sexualisierter Gewalt zu sensibilisieren und in ihrer Handlungskompetenz zu stärken.

Pilotphase des Zentrums für Kinderschutz abgeschlossen

„Die einzelnen Lerneinheiten umfassen Dinge wie z.B.: Was muss ich tun, wenn ich merke, dass ein Kind komisch reagiert und ich vermuten kann, dass da eine Art von Missbrauch, auch ein sexueller Missbrauch, vorliegt? Wie soll ich mich dem Kind gegenüber verhalten? Was muss ich tun, um es zu schützen? Mit wem sollte ich sprechen, und was ist die Rechtslage dabei? Ein anderer Bereich ist das, was die Rechtslage in der Kirche betrifft: Welche kirchenrechtlichen Vorgehensweisen gibt es da? Dann der ganze Bereich der kindlichen bzw. jugendlichen Entwicklung, Emotionen, Sexualität; und schließlich Kultur und Kindheit. Wir arbeiten ja bewußt in vielen Ländern mit sehr vielen unterschiedlichen Kulturen und wollen da auch helfen, dass jeweils verstanden wird, was die Kultur für einen Einfluss darauf hat, wie ein Kind reagiert, wie es sich Nähe wünscht oder Distanz braucht, wo die Grenzen sind und wie man als Erwachsener damit umgehen kann.“

Auf Deutsch, Englisch, Spanisch und Italienisch hat das Zentrum zertifizierte Online-Schulungen durchgeführt; an dem Projekt beteiligt sind Psychologen, Kinder- und Jugendpsychiater, Pädagogen, Philologen, Theologen und Mediendesigner. Unter den Teilnehmern waren bisher – das überrascht vielleicht auf den ersten Blick – viel mehr Frauen als Männer. Dazu Pater Zollner:

„Das ist ganz einfach deshalb so, weil im kirchlichen Bereich – Schulen, Kindergärten, Altenheime – der Frauenanteil insgesamt deutlich höher ist. Vierzig Prozent Männeranteil bei der Beteiligung an diesem Kurs ist, ehrlich gesagt, schon ziemlich viel, wenn man bedenkt, dass Männer in diesen Bereichen deutlich weniger vertreten sind.“

Die Erzdiözese München und Freising hat das Zentrum für Kinderschutz in seiner dreijährigen Pilotphase mit insgesamt 651.000 Euro unterstützt. Das Projekt wird auch nach seiner Übersiedlung nach Rom weiterhin von der Erzdiözese mit 500.000 Euro auf fünf Jahre unterstützt, versprach Kardinal Marx an diesem Mittwoch. Pater Zollner schweben derweil schon ein paar Änderungen für die römische Zukunft vor:

„Das Programm ist so, wie es jetzt ist, ein gewissermaßen sehr deutsches Programm; es ist sehr akademisch aufgehängt, sehr anspruchsvoll. Es setzt etwa voraus, dass man Grundlagentexte von 25 Seiten liest, dazu kommen dann noch Einführen, Fragen, eine Auswertung usw. dazu. Das heißt: Wir merken, dass in einigen Ländern das akademische Niveau bzw. die intellektuelle Kapazität nicht gereicht hat, um an dem Programm auch wirklich dranzubleiben und es ganz durchzuführen, auch bis zum Ende: Sonst hätten wir auch deutlich mehr Teilnehmerinnen und Teilnehmer gehabt, die das Programm auch abschließen! Und es ist uns klar, dass wir auch eine andere Ebene von Emotionalität mit in das Programm bringen müssen, denn bei diesem Thema kann es nicht nur darum gehen, dass ich mich intellektuell schule, sondern dass ich tatsächlich auch gewissermaßen betroffen bin davon, emotional berührt – und deswegen auch die Geduld aufbringe, an dem Thema dranzubleiben, ohne es einfach wieder fallenzulassen.“ (rv

Die Redaktion trauert um Ulrich Harprath

Die deutschsprachige Redaktion von Radio Vatikan trauert um Ulrich Harprath, stellvertretender Direktor unseres Partnersenders Münchener Kirchenradio. Er war uns immer ein verlässlicher Partner und ein professioneller Journalist im Dienst der Kirche.
22 Jahre lang war er maßgeblich für die kirchliche Medienarbeit im Erzbistum München und Freising. 1988 begann unter seiner Leitung der Aufbau der Abteilung Mediendienste im Sankt Michaelsbund, die den privaten Radio- und Fernsehstationen im Freistaat kirchliche Beiträge zuliefert und eigene Sendungen gestaltet. Auch die Online-Redaktion des Sankt Michaelsbundes und das Münchner Kirchenradio im Internet entstanden auf seine Initiative. Ulrich Harprath wurde 48 Jahre alt. Er hinterlässt eine Frau und drei Kinder, ihnen gilt unsere besondere Anteilsnahme und unser Gebet.
Im Namen der Redaktion,
Pater Bernd Hagenkord SJ (rv)

D: Neue Missbrauchsfälle in Ettal und St. Ottilien

Nach dem Rücktritt von Abt Barnabas Bögle zieht nun auch Pater Maurus Kraß die Konsequenzen aus den Missbrauchsfällen im Kloster Ettal. Pater Maurus ist Leiter der Klosterschule sowie Prior der Abtei und übernehme wie der Abt des Klosters die Verantwortung für das Nichteinhalten der bischöflichen Leitlinien zum Umgang mit Vorwürfen sexuellen Missbrauchs Minderjähriger durch Geistliche, teilte das Ordinariat des Erzbistums München und Freising mit. Der erneute Fall von Missbrauch geht auf die Jahre 2003 und 2005 zurück. Pater Maurus habe es jeweils unterlassen, den Bischöflichen Beauftragten der Erzdiözese über die Vorfälle in Kenntnis zu setzen. Den Vorwürfen des Missbrauchs geht zwischenzeitlich die Staatsanwaltschaft nach. Sie ermittelt gegen einen Klosterangehörigen, dessen mutmaßliche Übergriffe auf Kinder noch nicht verjährt sind. Die kommissarische Leitung des Ettaler Gymnasiums übernimmt der stellvertretende Schulleiter, Studiendirektor Wolf Rall.

Neben dem Benediktinerkloster Ettal gibt es jetzt auch Missbrauchsvorwürfe im Kloster St. Ottilien im Münchner Umland. Nach Angaben der Erzabtei sei am Mittwoch eine namentliche Beschuldigung gegen einen ehemaligen Klosterangehörigen eingegangen. Im Vorfeld gab es bereits anonyme Anschuldigungen. Insbesondere werde gegen einen Klosterangehörigen ermittelt, dessen mutmaßliche Übergriffe auf Kinder noch nicht verjährt seien. Beschuldigt wird hier ein Ordensmitglied, das in den 60er-Jahren als Erzieher und Lehrkraft in der Erzabtei tätig gewesen war. Die beschuldigte Person ist seit 1969 nicht mehr den Benediktinern angehörig. (vh)