Heiligsprechungen auf dem Petersplatz: Wortlaut der Predigt des Papstes

VATIKANSTADT – Papst Franziskus hat am heutigen Sonntag sieben Frauen und Männer der Kirche heiliggesprochen und dabei über die Radikalität Jesus bei der Feier der heiligen Messe auf dem Petersplatz gepredigt.

CNA Deutsch dokumentiert den Wortlaut der Predigt in deutscher Sprache, wie sie der Vatikan veröffentlicht hat.

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CNA Deutsch (@CNAdeutsch) October 14, 2018

„Die zweite Lesung sagte uns: »lebendig ist das Wort Gottes, wirksam und scharf« (vgl. Hebr. 4,12). Genauso ist es. Das Wort Gottes ist nicht nur eine Sammlung von Wahrheiten oder eine erbauliche spirituelle Erzählung, nein, es ist lebendiges Wort, das das Leben berührt, das es verwandelt. Dort spricht Jesus in Person zu unseren Herzen, derjenige, der das lebendige Wort Gottes ist.

Insbesondere das Evangelium lädt uns zu einer Begegnung mit dem Herrn ein, nach dem Beispiel jenes Mannes, der »auf ihn zulief« (vgl. Mk 10,17). Wir können uns in diesem Mann wiederfinden, dessen Name im Text nicht erwähnt wird, was ein Hinweis dafür sein könnte, dass er für einen jeden von uns steht. Er fragt Jesus, was er tun müsse, um »das ewige Leben zu erben« (V. 17). Er erbittet immerwährendes Leben, Leben in Fülle: wer von uns wollte das nicht? Aber, wir merken, er bittet darum wie um ein Erbe, das er haben möchte, wie um ein erhältliches Gut, das er aus eigener Kraft erlangen kann. Denn um dieses Gut zu besitzen, hält er seit seiner Kindheit die Gebote, und um dieses Ziel zu erreichen, ist er bereit, noch weitere Gebote zu halten; deshalb fragt er: »Was muss ich tun, um zu haben?«

Die Antwort Jesu bringt ihn in Schwierigkeiten. Der Herr blickt ihn liebevoll an (vgl. V. 21). Jesus ändert die Blickrichtung: von den Geboten, die er befolgt, um einen Lohn zu erhalten, hin zu einer unentgeltlichen und totalen Liebe. Dieser Mann sprach in der Begrifflichkeit von Angebot und Nachfrage, Jesus hingegen bietet ihm eine Liebensgeschichte. Er verlangt von ihn, von der Einhaltung der Gesetze zur Hingabe überzugehen, von einem selbstbezogenen Handeln zu einem Sein mit ihm. Und er macht ihm einen für sein Leben „einschneidenden“ Vorschlag: »Verkaufe, was du hast, gib es den Armen […], dann komm und folge mir nach!« (v. 21). Auch zu dir sagt Jesus: „Komm, folge mir nach!“ Komm: steh nicht still, denn um zu Jesus zu gehören reicht es nicht aus, dass man nichts Schlechtes tut. Folge mir nach: lauf Jesus nicht nur dann hinterher, wenn es dir passt, sondern suche ihn jeden Tag; begnüge dich nicht damit, Gebote zu befolgen, Almosen zu geben und Gebete zu sprechen; finde in ihm den Gott, der dich immer liebt, den Sinn deines Lebens, die Kraft zur Hingabe.

Jesus sagt dann weiter: »Verkaufe, was du hast, und gib es den Armen«. Der Herr spricht nicht theoretisch über Armut und Reichtum, sondern es geht ihm direkt um das Leben. Er verlangt von dir, das loszulassen, was dein Herz belastet, dich von Gütern zu befreien, um Platz zu schaffen für ihn, der allein gut ist. Man kann Jesus nicht wirklich folgen, wenn man von etwas in Beschlag genommen ist. Denn wenn das Herz mit Dingen übersättigt ist, wird für den Herrn kein Platz mehr sein, der dann zu einem Gegenstand unter vielen wird. Deshalb ist Reichtum gefährlich und – so sagt Jesus – macht es schwer, sich zu retten. Nicht, weil Gott streng ist, nein! Das Problem liegt auf unserer Seite: unser Zuviel-Haben, unser Zuviel-Wollen erstickt unsere Herzen und macht uns unfähig zu lieben. Deshalb erinnert der heilige Paulus daran, dass die Habsucht »die Wurzel aller Übel ist« (1 Tim 6,10). Wir sehen das: wo das Geld im Mittelpunkt steht, gibt es keinen Platz für Gott und auch keinen Platz für den Menschen.

Jesus ist radikal. Er gibt alles und verlangt alles: er gibt totale Liebe und verlangt ein ungeteiltes Herz. Noch heute schenkt er sich uns als lebendiges Brot; können wir ihm dafür ein paar Krümel geben? Ihm, der sich zu unserem Diener machte, so sehr, dass er für uns das Kreuz auf sich nahm, können wir nicht einfach antworten, indem wir einige Gebote befolgen. Es ist nicht damit getan, ihm, der uns das ewige Leben bietet, ein bisschen Zeit zu schenken. Jesus gibt sich mit einem „Prozentsatz an Liebe“ nicht zufrieden: wir können ihn nicht mit zwanzig, fünfzig oder sechzig Prozent lieben. Entweder alles oder nichts.
Liebe Brüder und Schwestern, unser Herz ist wie ein Magnet: es lässt sich von der Liebe anziehen, aber es kann nur auf einer Seite andocken und es muss wählen: entweder es wird Gott lieben, oder es wird den Reichtum der Welt lieben (vgl. Mt 6,24); es wird leben, um zu lieben, oder es wird für sich selbst leben (vgl. Mk 8,35). Fragen wir uns, auf welcher Seite wir stehen. Fragen wir uns, wo wir in unserer Liebesgeschichte mit Gott stehen. Begnügen wir uns mit einigen Geboten oder folgen wir Jesus als Verliebte, die wirklich bereit sind, für ihn etwas aufzugeben? Jesus stellt einem jeden von uns und uns allen als einer „Kirche auf dem Weg“ die Frage: sind wir eine Kirche, die nur gute Gebote predigt, oder eine bräutliche Kirche, die sich ihrem Herrn in Liebe hingibt? Werden wir ihm wirklich folgen, oder wenden wir uns wie dieser Mann wieder der Welt zu? Also: genügt uns Jesus, oder suchen wir viele weltliche Sicherheiten? Bitten wir um die Gnade, dass wir fähig werden, aus Liebe zum Herrn loszulassen: den Reichtum, die Sehnsucht nach Status und Macht, nach Strukturen, die der Verkündigung des Evangeliums nicht mehr angemessen sind, einem Ballast, der unsere missionarische Sendung bremst, nach Bindungen an die Welt. Ohne einen Fortschritt in der Liebe erkrankt unser Leben und unsere Kirche an »egozentrischer Selbstgefälligkeit« (Apostolisches Schreiben Evangelii gaudium, 95): man sucht die Freude in kurzfristigen Vergnügungen, man verschließt sich in sterilem Geschwätz, man bettet sich in der Monotonie eines christlichen Lebens ohne Schwung, wo ein wenig Narzissmus die Tristesse des Unvollendet-Bleibens überdeckt.

So war es bei diesem Mann, der – wie das Evangelium sagt – »traurig wegging« (vgl. V. 22). Er hatte alles an den Geboten und an seinen vielen Gütern festgemacht, aber er verschenkte nicht sein Herz. Und obwohl er Jesus getroffen und seinen liebevollen Blick erfahren hatte, ging er traurig weg. Traurigkeit ist ein Beweis für unerfüllte Liebe, ein Zeichen für ein laues Herz. Ein um so manches erleichtertes Herz hingegen, das frei ist, den Herrn zu lieben, verbreitet immer Freude, jene Freude, die heute so dringend gebraucht wird. Der Heilige Papst Paul VI. schrieb: »Gerade inmitten all ihrer Not müssen die Menschen von heute die Freude entdecken und deren frohen Klang vernehmen (Apostolisches Schreiben Gaudete in Domino, I). Heute lädt uns Jesus ein, zu den Quellen der Freude zurückzukehren: zur Begegnung mit ihm, zu einer mutigen und risikofreudigen Entscheidung, um ihm nachzufolgen, zum Gefallen daran, etwas aufzugeben, um seinen Weg einzuschlagen. Die Heiligen sind diesen Weg gegangen.

Paul VI. tat dies nach dem Beispiel des Apostels, dessen Namen er annahm. Wie dieser lebte er ganz für das Evangelium Christi, indem er Grenzen überwand und Neuland betrat sowie durch Verkündigung und Dialog sein Zeuge wurde, Prophet einer hinausgehenden Kirche, die Weitblick hat und sich um die Armen kümmert. Paul VI. hat, manchmal unter Mühen und von Unverständnis umgeben, ein leidenschaftliches Zeugnis von der Schönheit und Freude einer totalen Nachfolge Jesu abgelegt. Noch heute mahnt er uns, zusammen mit dem Konzil, dessen weiser Steuermann er war, unsere gemeinsame Berufung zu leben: die universale Berufung zur Heiligkeit. Nicht zum Mittelmaß, sondern zur Heiligkeit. Es ist schön, dass mit ihm unter den neuen Heiligen auch Bischof Romero ist, der auf weltliche Absicherungen, ja auf seine eigene Sicherheit verzichtete, um evangeliumsgemäß sein Leben hinzugeben. Er war den Armen und seinem Volk nahe. Sein Herz war hingezogen zu Jesus und seinen Brüdern und Schwestern. Dasselbe gilt für Francesco Spinelli, Vincenzo Romano, Maria Katharina Kasper, Nazaria Ignacia de Santa Teresa und Nunzio Sulprizio. Alle diese Heiligen haben in unterschiedlichen Situationen mit ihrem Leben das heutige Schriftwort deutlich gemacht, ohne Lauheit, ohne Berechnung, mit der Leidenschaft, etwas zu riskieren und loszulassen. Möge der Herr uns helfen, ihr Beispiel nachzuahmen.” (CNA Deutsch)

Humanae Vitae: Papst Paul VI. handelte nicht alleine

VATIKANSTADT – Humanae Vitae ist keine „vorkonziliare“ Enzyklika, der selige Papst Paul VI. hat den endgültigen Entwurf nicht allein geschrieben, und er hat – einem 2018 veröffentlichten Buch zufolge – verschiedene Meinungen eingeholt, bevor er diese erließ.

Das Buch „La nascita di un enciclica“ („Die Geburt einer Enzyklika“) wurde von Professor Gilfredo Marengo geschrieben, Professor für theologische Anthropologie am Päpstlichen Theologischen Institut Johannes Paul II. für Studien über Ehe und Familie.

Um das Buch zu schreiben, erhielt Professor Marengo mit besonderer Genehmigung des Papstes Zugang zu Dokumenten aus dem Archiv des Staatssekretariats des Vatikans, da Archivmaterial aus dem Heiligen Stuhl in der Regel erst nach 70 Jahren zur Verfügung gestellt wird.

Die Dokumente enthalten eine Reihe von Entwürfen und Anweisungen sowie eine nie veröffentlichte Enzyklika De nascendi prolis, die durch einen neuen Entwurf aufgehoben wurde, der schließlich zum endgültigen Text von Humanae vitae wurde.

Das Studium dieser Dokumente führt Marengo zu einer endgültigen Schlussfolgerung: „Die Idee, dass Paul VI. seine Entscheidungen allein getroffen hat, ist nur mythologisch.“

Gleichzeitig sei „die Isolation, in der er sich befand“ nach der Verkündigung der Enzyklika eine andere Sache, sagte Marengo.

Das Buch ist das Ergebnis eines historischen Forschungsprojekts zu Humanae vitae, das bei der Ankündigung zunächst Anlass zur Besorgnis gab. Zu Beginn spekulierten einige, dass eine Kommission zur Neuinterpretation von Humanae vitae gebildet worden sei, bestehend aus Marengo, Pierangelo Sequeri, Präsident des Päpstlichen Theologischen Instituts Johannes Paul II. und den Professoren Philippe Chenaux und Angelo Maffeis.

Kirchliche Beamte sagten im vergangenen Juni, dass dies nicht der beabsichtigte Zweck der Studiengruppe sei, und Marengo sagte am Vorabend der Veröffentlichung des Buches zu CNA, dass die Enzyklika von Paul VI. nicht aktualisiert werden müsse.

„Der Weg zu Humanae vitae war nicht schwierig, weil Paul VI. Zweifel oder Unsicherheiten über die Verhütungspraxis hatte. Schwierigkeiten ergaben sich aus der Suche nach einer Sprache, die dieses Urteil ausgewogen, überzeugend und pastoral fruchtbar vermitteln kann“, so Marengo.

Der Weg zur Veröffentlichung von Humanae Vitae war lang. Es begann 1963, als der heilige Johannes XXIII. eine Kommission für das Studium von Ehe, Familie und Geburtenkontrolle einrichtete.

Kurz darauf starb Johannes XXIII. und Paul VI. wurde zum Papst gewählt. Er erweiterte die Mitgliederzahl der Kommission von 6 auf 12, und 1965 erweiterte er sie auf 75, unter dem Vorsitz von Kardinal Alfredo Ottaviani, Präfekt des Heiligen Offiziums – heute Kongregation für die Glaubenslehre.

Das Buch von Professor Marengo verfolgt Schritt für Schritt die Entwicklung der Diskussion, von einer Sitzung der Kommission zur nächsten. Im Allgemeinen gibt es zuerst einen pastoralen Ansatz, dann einen eher doktrinären und dann die von Paul VI. angebotene Synthese.

Zu den größten Bedenken einiger Kommissionsmitglieder gehörte, dass die Behauptung, die Verwendung einer Verhütungspille könne in bestimmten Fällen erlaubt sein, die Anti-Geburts-Politik des entwickelten Westens begünstigen und damit die ärmsten Länder negativ beeinflussen würde.

Die Frage der Geburtenkontrolle war Teil der Diskussion bei der Ausarbeitung der Verfassung des Zweiten Vatikanischen Konzils Gaudium et spes. Paul VI. traf jedoch die Entscheidung, die Frage der Geburtenkontrolle aus der Diskussion herauszunehmen. Marengo stellt fest, dass der Papst darum gebeten hat, in Gaudium et spes Abschnitte aufzunehmen, in denen er die Lehre der Kirche zu Fragen der Ehe und der Familie bekräftigt, sich gegen empfängnisverhütende Mentalitäten wendet und die eheliche Keuschheit lobt, um keinen Zweifel an der katholischen Lehre aufkommen zu lassen.

Besonders hervorzuheben ist die Plenarsitzung der erweiterten Kommission, die vom 25. bis 29. März 1965 stattfand. Die Versammlung erkannte an, dass eine öffentliche Erklärung zur verantwortungsvollen Vaterschaft notwendig sei, während sie unterstrich, dass es unmöglich gewesen sei, eine gemeinsame Schlussfolgerung darüber zu ziehen, ob die Pille rechtmäßig verwendet werden könne.

So schlugen sie eine vorübergehende pastorale Unterweisung vor, eine „provisorische Lösung, um der Unmöglichkeit, eine überzeugende doktrinäre Haltung zu erreichen, zu begegnen“.

Paul VI. mochte es nicht. Marengo bemerkte, dass der Papst besorgt sei, „zu vermeiden, dass die Kirche, und besonders das Lehramt, nicht in der Lage sei, ein klares Wort zu einem solchen Thema in der öffentlichen Meinung zu sagen“.

Darüber hinaus hielt es Paul VI. für inakzeptabel, „eine Änderung des Lehramtes zu unterstützen, nicht weil es starke und gemeinsame Gründe gab, sondern weil es nicht möglich war, alle Knoten zu lösen“.

Auch Bischof Carlo Colombo, der damalige Weihbischof von Mailand, machte seinen Vorschlag für eine Pastoralwende und legte einen Text vor, in dem es hieß: „Die Verhütungspraxis darf nicht immer als schwere Sünde betrachtet werden“, was in der Mitte ein Weg war, sich nicht von den Lehren Pius XI. und Pius XII. zu lösen und gleichzeitig den Gewissenskonflikt unter den Eheleuten aufzulösen.

Paul VI. hat diesen Vorschlag nicht aufgegriffen und einen neuen Weg des Studiums eingeschlagen, um eine gute Balance zwischen pastoraler Praxis und Lehre zu finden.

Marengo betonte, dass es damals schwierig war, die richtige Sprache zu finden, da „ein gewisser Aufruf zur Pastoralität benutzt wurde, um einige nicht sekundäre Fragen der Lehre zu diskutieren, was Unsicherheit und Unbehagen im kirchlichen Körper hervorrief“.

Zu diesem Zeitpunkt nahm der internationale Druck zu.

Ein Dokument, in dem betont wird, dass 70 Mitglieder der Päpstlichen Kommission der Antibabypille positiv gegenüberstehen, wurde 1967 gleichzeitig in der französischen Zeitung „Le Monde“, der englischen Zeitschrift „The Tablet“ und der amerikanischen Zeitschrift „National Catholic Reporter“ veröffentlicht.

Diese Veröffentlichung ist der Ursprung der Volkserzählung, dass Paul VI. allein und gegen die Meinung der Mehrheit der Kommissionstheologen gehandelt hat.

Bernardo Colombo, Professor für Demographie und Mitglied der Kommission, stellte 2003 in einem Artikel in der Zeitschrift „Teologia“ der theologischen Fakultät Mailand fest, dass das Dokument „nur einer der 12 dem Heiligen Vater vorgelegten Berichte“ sei.

Auch das Buch von Professor Marengo weist die Erzählung zurück.

Trotz des Drucks ging die Arbeit an einer Enzyklika weiter. 1967 bittet Paul VI. den Staatssekretär des Vatikans, die Teilnehmer der ersten Bischofssynode zu wählen.

Nur 26 der 199 Synodenteilnehmer antworten auf die Bitte, eine Stellungnahme zur Geburtenkontrolle abzugeben. Die Mehrheit von ihnen forderte Offenheit für die Anwendung der Verhütung, während nur sieben den Papst aufforderten, die Unmoral der Verhütung zu wiederholen, so Marengo.

Es war jedoch nur eine Minderheit der befragten Bischöfe, die sogar auf die Umfrage geantwortet haben. (CNA Deutsch)

Die Heiligsprechung von Papst Paul VI. bei der Jugendsynode am Sonntag

Katholischer Fernsehsender EWTN überträgt LIVE aus Rom.

VATIKANSTADT – Ein geistlicher Höhepunkt der Jugendsynode findet am kommenden Sonntag, dem 14. Oktober, statt: Papst Paul VI. wird gemeinsam mit Erzbischof Oscar Romero, Schwester Katharina Kasper, Francesco Spinelli und Vincenzo Romano heiliggesprochen.

Es war Papst Franziskus selbst, der am vergangenen 15. Februar bei seinem traditionellen jährlichen Treffen mit den Pfarrern von Rom in der Lateranbasilika die baldige Heiligsprechung von Papst Montini angekündigt hatte.

„Es gibt zwei Bischöfe von Rom (aus der neueren Zeit), die schon heilig sind“ sagte er mit Bezug auf Johannes XXIII. und Johannes Paul II. „Paul VI. wird in diesem Jahr ein Heiliger werden. Bei einem anderen – Johannes Paul I. – ist der Seligsprechungsprozess im Gange, der Prozess ist eröffnet.“

„Und Benedikt und ich auf der Warteliste: Betet für uns!“ scherzte Franziskus damals.

Der selige Paul VI. ist unter anderem bekannt als Urheber der Enzyklika Humanae Vitae. Dieses von vielen als prophetisch gefeierte Dokument ist ein Meilenstein in der Verteidigung des menschlichen Lebens von der Empfängnis an – und seine Veröffentlichung jährt sich 2018 zum 50. Mal.

Das Wunder, das der Fürsprache von Paul VI. zugeschrieben wird, ist die 2014 anerkannte Heilung eines ungeborenen Kindes im fünften Monat der Schwangerschaft.

EWTN überträgt die Zeremonie ab 10.00 Uhr live. Bereits am Donnerstag, dem 11. Oktober und am Freitag, dem 12. Oktober, werden um jeweils 21.00 Uhr Sondersendungen zur bevorstehenden Heiligsprechung gesendet.

Bischöfe aus aller Welt beraten sich derzeit zum Thema „Jugend, Glaube und Berufungsentscheidung“ in Rom. Der katholische Fernsehsender EWTN wird bis zum Ende der Synode am 28. Oktober regelmäßig live aus Rom berichten.

Die Live-Übertragungen in der Übersicht:

Donnerstag, 11. Oktober 2018
21.00 – 22.00 Uhr
EWTN Spezial zur Heiligsprechung: Papst Paul VI. – ein Papst im Zeichen des Widerspruchs

Freitag, 12. Oktober 2018
18.30 – 19.30 Uhr – live
Heilige Messe zur Eröffnung des Welttreffens von Radio Maria in Collevalenza, Italien

21.00 – 22.00 Uhr
EWTN Spezial zur Heiligsprechung: Attentat auf den Glauben – Das Martyrium des Oscar A. Romero

22.30 – 24.00 Uhr – live
Rosenkranz und Lichterprozession aus dem Heiligtum von Fatima

Samstag, 13. Oktober 2018
11.00 – 14.00 Uhr – live
Heilige Messe aus dem Heiligtum der Muttergottes von Fatima

21.00 – 22.00 Uhr
EWTN Spezial zur Heiligsprechung: Sondersendung mit Ulrich Nersinger aus dem Vatikan

Sonntag, 14. Oktober 2018
9.30 – 10.00 Uhr – live
EWTN Spezial zur Heiligsprechung: Live aus dem Vatikan

10.00 – 12.00 Uhr – live
Heilige Messe mit Heiligsprechung von Paul VI., Oscar Romero, Schwester Katharina Kasper, Francesco Spinelli und Vincenzo Romano – Petersplatz, Vatikan

12.00 – 12.30 Uhr – live
EWTN Spezial zur Heiligsprechung: Live aus dem Vatikan

12.30 – 13.30 Uhr
EWTN Spezial zur Heiligsprechung: Papst Paul VI. – ein Papst im Zeichen des Widerspruchs

15.30 – 16.45 Uhr – live
Heilige Messe aus Collevalenza, Italien

20.00 – 21.00 Uhr
EWTN Spezial zur Heiligsprechung: Attentat auf den Glauben – Das Martyrium des Oscar A. Romero.

(CNA Deutsch)

Vermeidet nicht die Wunden der Kirche, sagt Papst Franziskus in Sizilien

PALERMO – Bei seinem Sizilienbesuch am heutigen Samstag hat Papst Franziskus gesagt, dass die „Wunden der Kirche und der Welt“ die Wunden Christi seien, und dass diese „berührt und gesehen“ werden müssen.

Der Pontifex ist zu einer pastoralen Tagesvisite auf Italiens größte Insel gereist.

„Die Wunden der Gesellschaft und der Kirche zu betrachten, ist keine diffamierende und pessimistische Handlung“, so der Papst am 15. September. „Wenn wir unserem Glauben Substanz verleihen wollen, müssen wir lernen, in diesen menschlichen Leiden die gleichen Wunden des Herrn zu erkennen.“

Man müsse diese Wunden betrachten und berühren, sagte Franziskus im Städtchen Piazza Armerina vor mehreren tausend Menschen.

„Die Wunden des Herrn in unseren Wunden zu berühren, in den Wunden unserer Gesellschaft, unserer Familien, unseres Volkes, unserer Freunde. Berührt die Wunden des Herrn dort“, sagte der Pontifex.

In seiner Rede vor den Katholiken der Region stellte er die vielen „Wunden“ fest, die sie betreffen, wie soziale und kulturelle Unterentwicklung, Ausbeutung von Arbeitern, Mangel an Jugendarbeit, Alkoholismus, Sucht und den Verlust von Familienbindungen.

„Angesichts so viel Leid kann die Kirchengemeinschaft manchmal desorientiert und müde erscheinen“, sagte er. Manchmal jedoch, „dank Gott, ist sie lebendig und prophetisch, während sie nach neuen Wegen sucht, um vor allem den Brüdern, die in Desinteresse, Misstrauen, in die Krise des Glaubens gefallen sind, Barmherzigkeit zu verkünden und anzubieten“.

Franziskus ermutigte die Jugendlichen, sich an ihre Priester und Bischöfe zu wenden und ihnen zu sagen, ob sie Schwierigkeiten haben, der Kirche zu vertrauen.

„So oft habe ich einige junge Leute sagen hören: „Ja, ich vertraue Gott, aber nicht der Kirche“, sagte der Papst. „Aber warum? – ‚Weil ich gegen Priester bin. Ah, ihr seid gegen Priester, dann wendet euch an den Priester und sagt: ‚Ich vertraue euch nicht dafür, dafür und dafür.“

Priester sollten mit Geduld den jungen Menschen zuhören, so Franziskus.

Er sagte, dass das Amtspriestertum und die Eucharistie untrennbar miteinander verbunden sind, denn „der Priester ist der Mann der Eucharistie“ und rief die Priester dazu auf, „sich um den Bischof und untereinander zu versammeln, um den Herrn zu Allen zu bringen“.

„Liebe Priester, wie notwendig ist es, geduldig die Freude der Familie aufzubauen, einander zu lieben und zu unterstützen“, sagte er.

Die Priester, so fuhr er fort, seien berufen, die ersten zu sein, die Vorurteile überwinden, und „die ersten, die in bescheidener Kontemplation vor der schwierigen Geschichte dieser Erde innehalten, mit der weisen pastoralen Liebe, die ein Geschenk des Geistes ist“.

„Von Gott getröstet, könnt ihr Tröster sein, Tränen abwischen, Wunden heilen, Leben wieder aufbauen, gebrochene Leben, die sich vertrauensvoll eurem Dienst anvertrauen“, sagte er.

Am Ende der Begegnung bereitete sich der Papst darauf vor, seinen apostolischen Segen zu geben, bat aber vorher alle, ihr Herz darauf vorzubereiten, ihn zu empfangen.

Nach dem Besuch reiste Papst Franziskus mit dem Hubschrauber nach Palermo, wo er in einem Park in der Nähe des Strandes der Stadt die Messe feierte, im Gedenken an 25 Jahre seit dem Tod von Don Giuseppe „Pino“ Puglisi, der am 15. September 1993 von Mafiakillern ermordet wurde.

In seiner Predigt verurteilte der Papst die Mafia und sagte, wer Mitglied der Mafia ist, „lebt nicht als Christ“, weil sein Leben Gott lästert.

Don Pino habe immer gesagt: „Wenn jeder etwas tut, kann man viel tun“, wiederholte Franziskus und fragte: „Wie viele von uns setzen diese Worte in die Tat um?“

Wenn du heute vor Gott stehst, stelle dir diese Fragen: „Was kann ich tun? Was kann ich für andere, für die Kirche tun?“

„Herr, gib uns den Wunsch, Gutes zu tun; die Wahrheit zu suchen, die die Lüge verabscheut; Opfer zu wählen, nicht Faulheit; Liebe, nicht Hass; Vergebung, nicht Rache“, betete er. (CNA Deutsch)

Scham und Reue: Papst Franziskus äußert sich zu Missbrauch- und Vertuschungskrise

„Der Heilige Geist schenke uns die Gnade der Umkehr und die innere Stärkung, damit wir unsere Reue angesichts dieser Verbrechen des Missbrauchs zum Ausdruck bringen können und unsere Entscheidung, sie mutig zu bekämpfen.“

VATIKANSTADT- Papst Franziskus hat sich mit einem Brief zur schweren Missbrauch- und Vertuschungskrise der Kirche geäußert. Er kritisiert den Klerikalismus, ruft zu Gebet und Buße auf.

Der Pontifex spricht zwar nicht die Fälle sexueller Gewalt und Fehlverhaltens in den USA, Chile, Honduras oder Australien ausdrücklich an, bezieht sich aber klar auf den Pennsylvania-Bericht. Dieser dokumentiert tausendfachen Missbrauch durch hunderte Geistliche sowie die systematische Vertuschung durch Bischöfe und andere Verantwortliche über Jahrzehnte in sechs Diözesen im US-Bundesstaat Pennsylvania, wie CNA Deutsch berichtete.

„Mit Scham und Reue geben wir als Gemeinschaft der Kirche zu, dass wir nicht dort gestanden haben, wo wir eigentlich hätten stehen sollen und dass wir nicht rechtzeitig gehandelt haben, als wir den Umfang und die Schwere des Schadens erkannten, der sich in so vielen Menschenleben auswirkte. Wir haben die Kleinen vernachlässigt und allein gelassen“.

Er mache sich „die Worte des damaligen Kardinal Ratzingers zu eigen“, so Franziskus weiter, „der bei dem für den Karfreitag im Jahr 2005 verfassten Kreuzweg sich mit dem Schmerzensschrei so vieler Opfer verband und mit Nachdruck sagte: »Wie viel Schmutz gibt es in der Kirche und gerade auch unter denen , die im Priestertum ihm ganz zugehören sollten? Wie viel Hochmut und Selbstherrlichkeit? Wie wenig achten wir das Sakrament der Versöhnung, in dem er erwartet, um uns von unserem Fall aufzurichten? All das ist in seiner Passion gegenwärtig. Der Verrat der Jünger, der unwürdige Empfang seines Leibes und Blutes, muss doch der tiefste Schmerz des Erlösers sein, der ihn mitten ins Herz trifft. Wir können nur aus tiefster Seele zu ihm rufen: Kyrie, eleison – Herr, rette uns“.

Der Papst kritisiert in seinem Schreiben auch den Klerikalismus, „sei er nun von den Priestern selbst oder von den Laien gefördert“: Er erzeuge „eine Spaltung im Leib der Kirche, die dazu anstiftet und beiträgt, viele der Übel, die wir heute beklagen, weiterlaufen zu lassen. Zum Missbrauch Nein zu sagen, heißt zu jeder Form von Klerikalismus mit Nachdruck Nein zu sagen“.

Franziskus ruft zum Fasten, Buße und Gebet auf. Es sei „unumgänglich, dass wir als Kirche die von Ordensleuten und Priestern begangenen Gräueltaten wie auch die von all jenen, die den Auftrag hatten, die am meisten Verwundbaren zu behüten und zu beschützen, anerkennen und mit Schmerz und Scham verdammen“, so der Papst.

„Wir bitten um Vergebung für die eigenen und für die Sünden anderer. Das Bewusstsein der Sünde hilft uns, die Fehler, die Vergehen und die in der Vergangenheit verursachten Wunden anzuerkennen, und gestattet uns, uns zu öffnen und in der Gegenwart stärker für einen Weg erneuerter Umkehr einzusetzen“.

CNA Deutsch dokumentiert den vollen offiziellen Wortlaut in deutscher Sprache, wie ihn der Vatikan zur Verfügung gestellt hat.

Schreiben von Papst Franziskus an das Volk Gottes

»Wenn darum ein Glied leidet, leiden alle Glieder mit« (1 Kor 12,26). Diese Worte des heiligen Paulus hallen mit Macht in meinem Herzen wider, wenn ich mir wieder einmal das Leiden vergegenwärtige, das viele Minderjährige wegen sexuellem wie Macht- und Gewissensmissbrauch seitens einer beträchtlichen Zahl von Klerikern und Ordensleuten erfahren haben. Es ist ein Verbrechen, das tiefe Wunden des Schmerzes und der Ohnmacht erzeugt, besonders bei den Opfern, aber auch bei ihren Familienangehörigen und in der gesamten Gemeinschaft, seien es Gläubige oder Nicht-Gläubige. Wenn wir auf die Vergangenheit blicken, ist es nie genug, was wir tun, wenn wir um Verzeihung bitten und versuchen, den entstandenen Schaden wiedergutzumachen. Schauen wir in die Zukunft, so wird es nie zu wenig sein, was wir tun können, um eine Kultur ins Leben zu rufen, die in der Lage ist, dass sich solche Situationen nicht nur nicht wiederholen, sondern auch keinen Raum finden, wo sie versteckt überleben könnten. Der Schmerz der Opfer und ihrer Familien ist auch unser Schmerz; deshalb müssen wir dringend noch einmal unsere Anstrengung verstärken, den Schutz von Minderjährigen und von Erwachsenen in Situationen der Anfälligkeit zu gewährleisten.

1. Wenn ein Glied leidet …

Vor einigen Tagen wurde ein Bericht veröffentlicht, in dem die Erfahrungen von mindestens tausend Personen beschrieben werden, die im Zeitraum der letzten siebzig Jahre Opfer von sexuellem wie Macht- und Gewissensmissbrauch durch Priester wurden. Auch wenn man sagen kann, dass der größte Teil der Fälle die Vergangenheit betrifft, sind wir uns doch im Laufe der Zeit über den Schmerz vieler Opfer bewusst geworden und müssen feststellen, dass die Wunden nie verschwinden und uns mit Nachdruck verpflichten, diese Gräueltaten zu verdammen, wie auch die Anstrengungen zu bündeln, um diese Kultur des Todes auszumerzen; die Wunden „verjähren nie“. Der Schmerz dieser Opfer ist eine Klage, die zum Himmel aufsteigt und die Seele berührt, die aber für lange Zeit nicht beachtet, versteckt und zum Schweigen gebracht wurde. Doch ihr Schrei war stärker als die Maßnahmen all derer, die versucht haben, ihn totzuschweigen, oder sich einbildeten, ihn mit Entscheidungen zu kurieren, welche die Sache verschlimmert haben, weil sie damit in Komplizenschaft gerieten. Ein Schrei, den der Herr gehört hat. Er lässt uns wieder einmal sehen, auf welcher Seite er steht. Der Hochgesang der Maria geht nicht fehl und durchläuft die Geschichte wie eine Hintergrundmusik weiter; denn der Herr denkt an seine Verheißung, die er unseren Vätern gegeben hat: »Er zerstreut, die im Herzen voll Hochmut sind; er stürzt die Mächtigen vom Thron und erhöht die Niedrigen. Die Hungernden beschenkt er mit seinen Gaben und lässt die Reichen leer ausgehen« (Lk 1,51-53). Und wir schämen uns, wenn wir uns bewusst werden, dass unser Lebensstil das verleugnet hat und verleugnet, was wir mit unserer Stimme aufsagen.

Mit Scham und Reue geben wir als Gemeinschaft der Kirche zu, dass wir nicht dort gestanden haben, wo wir eigentlich hätten stehen sollen und dass wir nicht rechtzeitig gehandelt haben, als wir den Umfang und die Schwere des Schadens erkannten, der sich in so vielen Menschenleben auswirkte. Wir haben die Kleinen vernachlässigt und allein gelassen. Ich mache mir die Worte des damaligen Kardinal Ratzingers zu eigen, der bei dem für den Karfreitag im Jahr 2005 verfassten Kreuzweg sich mit dem Schmerzensschrei so vieler Opfer verband und mit Nachdruck sagte: »Wie viel Schmutz gibt es in der Kirche und gerade auch unter denen, die im Priestertum ihm ganz zugehören sollten? Wie viel Hochmut und Selbstherrlichkeit? Wie wenig achten wir das Sakrament der Versöhnung, in dem er uns erwartet, um uns von unserem Fall aufzurichten? All das ist in seiner Passion gegenwärtig. Der Verrat der Jünger, der unwürdige Empfang seines Leibes und Blutes, muss doch der tiefste Schmerz des Erlösers sein, der ihn mitten ins Herz trifft. Wir können nur aus tiefster Seele zu ihm rufen: Kyrie, eleison – Herr, rette uns (vgl. Mt 8, 25)« (Neunte Station, Betrachtung).

2 … leiden alle Glieder mit

Der Umfang und das Ausmaß der Ereignisse verlangt, sich dieser Sache in umfassender Weise mit vereinten Kräften anzunehmen. Obwohl es bei jedem Prozess der Umkehr wichtig und nötig ist, dass man sich des Vorgefallenen bewusst wird, reicht dies in sich selbst nicht aus. Heute sind wir als Volk Gottes gefragt, uns des Schmerzes unserer an Leib und Seele verwundeten Brüder und Schwestern anzunehmen. Wenn in der Vergangenheit die Unterlassung eine Form der Antwort werden konnte, so wollen wir heute, dass die Solidarität, in ihrer tiefsten und anspruchsvollsten Bedeutung, unsere Weise wird, die heutige und zukünftige Geschichte in einem Umfeld zu schreiben, wo die Konflikte, die Spannungen und besonders die Opfer jeder Form von Missbrauch eine ausgestreckte Hand finden können, die sie beschützt und aus ihrem Schmerz erlöst (vgl. Apostolisches Schreiben Evangelii gaudium, 228). Diese Solidarität verlangt ihrerseits von uns, all das anzuprangern, was die Unversehrtheit irgendeiner Person in Gefahr bringen könnte. Es ist eine Solidarität, die zum Kampf gegen jede Art von Korruption, insbesondere der spirituellen, aufruft, »weil es sich um eine bequeme und selbstgefällige Blindheit handelt, wo schließlich alles zulässig erscheint: Unwahrheit, üble Nachrede, Egoismus und viele subtile Formen von Selbstbezogenheit – denn schon „der Satan tarnt sich als Engel des Lichts“ (2 Kor 11,14)« (Apostolisches Schreiben Gaudete et exsultate, 165). Der Appell des heiligen Paulus, mit den Leidenden zu leiden, ist das beste Heilmittel gegen jeden Drang, weiterhin unter uns die Worte Kains zu wiederholen: »Bin ich der Hüter meines Bruders?« (Gen 4,9).

Ich bin mir der Bemühungen und der Arbeit bewusst, die in verschiedenen Teilen der Welt unternommen wurden, um die notwendigen Vermittlungen zu gewährleisten und auszuführen, die Sicherheit geben und die Unversehrtheit der Kinder und der Erwachsenen im Zustand der Anfälligkeit schützen. Dazu gehört auch die Verbreitung der „Null-Toleranz-Haltung“ und der Maßnahmen, Rechenschaft zu fordern von allen, die diese Verbrechen begehen oder decken. Wir haben diese so notwendigen Aktionen und Sanktionen mit Verspätung angewandt, aber ich bin zuversichtlich, dass sie dazu beitragen, eine bessere Kultur des Schutzes in der Gegenwart und in der Zukunft zu gewährleisten.

Verbunden mit diesen Bemühungen ist es nötig, dass jeder Getaufte sich einbezogen weiß in diese kirchliche und soziale Umgestaltung, die wir so sehr nötig haben. Eine solche Umgestaltung verlangt die persönliche und gemeinschaftliche Umkehr. Sie leitet uns an, in die gleiche Richtung zu schauen wie der Herr. So sagte der heilige Johannes Paul II.: »Wenn wir wirklich von der Betrachtung Christi ausgegangen sind, werden wir in der Lage sein, ihn vor allem im Antlitz derer zu erkennen, mit denen er sich selbst gern identifiziert hat« (Apostolisches Schreiben Novo millennio ineunte, 49). Lernen zu schauen, wohin der Herr geschaut hat. Lernen dort zu stehen, wo der Herr uns haben will, um das Herz, das in seiner Gegenwart steht, zu bekehren. Zu diesem Zweck helfen Gebet und Buße. Ich lade das ganze heilige gläubige Volk Gottes zu dieser Bußübung des Gebets und des Fastens entsprechend der Aufforderung des Herrn1 ein. Er weckt unser Gewissen, unsere Solidarität und unseren Einsatz für eine Kultur des Schutzes und des „Nie wieder“ gegenüber jeder Art und jeder Form von Missbrauch.

Es ist unmöglich, sich eine Umkehr des kirchlichen Handelns vorzustellen ohne die aktive Teilnahme aller Glieder des Volks Gottes. Mehr noch: Jedes Mal, wenn wir versucht haben, das Volk Gottes auszustechen, zum Schweigen zu bringen, zu übergehen oder auf kleine Eliten zu reduzieren, haben wir Gemeinschaften, Programme, theologische Entscheidungen, Spiritualitäten und Strukturen ohne Wurzeln, ohne Gedächtnis, ohne Gesicht, ohne Körper und letztendlich ohne Leben geschaffen2. Das zeigt sich deutlich in einer anomalen Verständnisweise von Autorität in der Kirche – sehr verbreitet in zahlreichen Gemeinschaften, in denen sich Verhaltensweisen des sexuellen Missbrauchs wie des Macht- und Gewissensmissbrauchs ereignet haben –, nämlich als Klerikalismus, jene Haltung, die »nicht nur die Persönlichkeit der Christen zunichte [macht], sondern dazu [neigt], die Taufgnade zu mindern und unterzubewerten, die der Heilige Geist in das Herz unseres Volkes eingegossen hat«3. Der Klerikalismus, sei er nun von den Priestern selbst oder von den Laien gefördert, erzeugt eine Spaltung im Leib der Kirche, die dazu anstiftet und beiträgt, viele der Übel, die wir heute beklagen, weiterlaufen zu lassen. Zum Missbrauch Nein zu sagen, heißt zu jeder Form von Klerikalismus mit Nachdruck Nein zu sagen.

Es ist immer gut, sich daran zu erinnern, dass der Herr »in der Heilsgeschichte ein Volk gerettet [hat]. Es gibt keine vollständige Identität ohne Zugehörigkeit zu einem Volk. Deshalb kann sich niemand allein, als isoliertes Individuum, retten, sondern Gott zieht uns an, wobei er das komplexe Geflecht zwischenmenschlicher Beziehungen berücksichtigt, das der menschlichen Gemeinschaft innewohnt: Gott wollte in eine soziale Dynamik eintreten, in die Dynamik eines Volkes« (Apostolisches Schreiben Gaudete et exsultate, 6). Deshalb ist die einzige Möglichkeit, die wir haben, um auf dieses Übel, das so viele Leben geraubt hat, zu antworten, es als Aufgabe zu leben, die uns alle als Volk Gottes einbezieht und betrifft. Dieses Bewusstsein, dass wir uns als Teil eines Volkes und einer gemeinsamen Geschichte fühlen, gestattet uns, unsere Sünden und die Fehler der Vergangenheit in einer bußfertigen Offenheit zu erkennen, die fähig ist, sich von innen her erneuern zu lassen. Alles, was man unternimmt, um die Kultur des Missbrauchs aus unseren Gemeinschaften auszumerzen, ohne alle Glieder der Kirche aktiv daran teilhaben zu lassen, wird nicht dazu in der Lage sein, die nötigen Dynamiken für eine gesunde und wirksame Umgestaltung zu erzeugen. Die büßende Dimension des Fastens und des Gebets wird uns als Volk Gottes helfen, uns vor den Herrn und vor unsere verwundeten Brüder und Schwestern zu stellen – als Sünder, die die Verzeihung sowie die Gnade der Scham und der Umkehr erflehen und somit Maßnahmen erarbeiten, die Dynamiken im Einklang mit dem Evangelium erzeugen. Denn »jedes Mal, wenn wir versuchen, zur Quelle zurückzukehren und die ursprüngliche Frische des Evangeliums wiederzugewinnen, tauchen neue Wege, kreative Methoden, andere Ausdrucksformen, aussagekräftigere Zeichen und Worte reich an neuer Bedeutung für die Welt von heute auf« (Apostolisches Schreiben Evangelii gaudium, 11).

Es ist unumgänglich, dass wir als Kirche die von Ordensleuten und Priestern begangenen Gräueltaten wie auch die von all jenen, die den Auftrag hatten, die am meisten Verwundbaren zu behüten und zu beschützen, anerkennen und mit Schmerz und Scham verdammen. Wir bitten um Vergebung für die eigenen und für die Sünden anderer. Das Bewusstsein der Sünde hilft uns, die Fehler, die Vergehen und die in der Vergangenheit verursachten Wunden anzuerkennen, und es gestattet uns, uns zu öffnen und in der Gegenwart stärker für einen Weg erneuerter Umkehr einzusetzen.

Zugleich werden uns die Buße und das Gebet helfen, unsere Augen und unser Herz für das Leiden der anderen zu schärfen und die Begierde des Herrschens und des Besitzens zu besiegen, die so oft die Wurzel dieser Übel sind. Möge das Fasten und das Gebet unsere Ohren öffnen für den leisen Schmerz der Kinder, die Jugendlichen und der Behinderten. Fasten, das uns Hunger und Durst nach Gerechtigkeit schaffen und uns antreiben möge, in der Wahrheit zu wandeln und uns auf alle Rechtsmittel zu stützen, die nötig sind. Ein Fasten, das uns schüttelt und uns dazu bringt, uns mit allen Menschen guten Willens und der Gesellschaft insgesamt in der Wahrheit und in der Liebe zu engagieren, um jede Art von sexuellem wie Macht- und Gewissensmissbrauch zu bekämpfen.

Auf diese Weise werden wir unseren Auftrag deutlich machen können, zu dem wir berufen sind, nämlich »Zeichen und Werkzeug für die innigste Vereinigung mit Gott wie für die Einheit der ganzen Menschheit« (Zweites Vatikanisches Konzil, Dogm. Konst. Lumen gentium, 1) zu sein.

»Wenn darum ein Glied leidet, leiden alle Glieder mit«, sagte uns der heilige Paulus. Mittels der betenden und büßenden Haltung können wir in persönlichen und gemeinschaftlichen Einklang mit dieser Mahnung eintreten, auf dass unter uns die Gaben des Mitleids, der Gerechtigkeit, der Vorbeugung und der Wiedergutmachung wachsen mögen. Maria hat es vermocht, am Fuß des Kreuzes ihres Sohnes zu stehen. Sie hat es nicht in irgendeiner Weise getan, sondern sie stand aufrecht und direkt daneben. Mit dieser Haltung bekundet sie ihre Weise, im Leben zu stehen. Wenn wir die Trostlosigkeit erfahren, die uns diese kirchlichen Wunden verursacht, wird es uns mit Maria guttun, „mit Maria mehr im Gebet zu verharren“ (Ignatius von Loyola, Geistliche Exerzitien, 319), indem wir versuchen, in der Liebe und der Treue zur Kirche zu wachsen. Sie, die erste Jüngerin, lehrt uns Jünger alle, wie wir uns angesichts des Leidens des Unschuldigen zu verhalten haben, ohne Ausflüchte und Verzagtheit. Auf Maria zu schauen heißt entdecken lernen, wo und wie wir als Jünger Christi zu stehen haben.

Der Heilige Geist schenke uns die Gnade der Umkehr und die innere Stärkung, damit wir unsere Reue angesichts dieser Verbrechen des Missbrauchs zum Ausdruck bringen können und unsere Entscheidung, sie mutig zu bekämpfen.

Aus dem Vatikan, am 20. August 2018

FRANZISKUS


1»Diese Art kann nur durch Gebet und Fasten ausgetrieben werden« (Mt 17,21).

2 Vgl. Schreiben an das pilgernde Volk Gottes in Chile, 31. Mai 2018.

3 Schreiben an Kard. Marc Ouellet, Präsident der Päpstlichen Kommission für Lateinamerika, 31. März 2016.

(Letzte Aktualisierung am 20.8.2018 um 13:09 Uhr: Textkorrektur, CNA Deutsch)

Die Kontroverse über den ersten photographierten Papst

VATIKANSTADT – Auch wenn es primitive Formen photographischer Technik seit Jahrhunderten gab: Die moderne Form der Photographie nahm ihren Anfang im Europa des frühen 19. Jahrhunderts. Dabei erforderten die ersten Bilder stundenlange Belichtungszeiten, manchmal sogar tagelange. Binnen weniger Jahrzehnte hatten Erfinder jedoch die Zeit auf Minuten und Sekunden gebracht.

Mitten im 19. Jahrhundert erlebte die Kirche das lange und stabile Pontifikat des gesegneten Papstes Pius IX. Er wurde 1846 gewählt und regierte bis 1878. Nur Petrus selber war länger Papst (die Historiker schreiben ihm 35 Jahre zu).

Pius IX. leistete Bemerkenswertes: Er machte die Unbefleckte Empfängnis zum Dogma und brachte das Erste Vatikanische Konzil zusammen. Darüberhinaus wurde er zum ersten photographierten Papst der Geschichte — ein historisches Ereignis, das nicht ohne Kontroversen ablief.

Die Kirche war bereits seit Jahrhunderten der größte Patron der schönsten und wichtigsten Malerei der Welt. Die Kunstform war mehr als nur kirchlich anerkannt und etabliert. Wie aber sollte der Papst und die Kirche generell mit diesem seltsamen neue Medium umgehen? Die Frage war erst einmal nicht leicht zu klären.

Mindestens einer der Kardinäle des Papstes, Kardinal Giuseppe Pecci, war der Meinung, dass die Malerei die “bei weitem überlegene und wohlwollendere Darstellung des menschlichen Wesens“ sei, und weigerte sich die meiste Zeit seines Lebens auch, sich ablichten zu lassen (auch wenn er schließlich doch photographiert wurde). Der selige Pius IX. dagegen akzeptierte das neue Medium und ließ sich oft photographieren, bei verschiedenen Anlässen.
Es ist nicht ganz klar, wann diese Bilder des Pontifex gemacht wurden, und von wem.

Auch nicht zu vergessen ist, dass diese Aufnahmen mit Kameras gemacht wurden, die noch eine sehr geringe Auflösung hatten.

In der Bildergalerie oben sehen Sie sechs der frühesten Bilder, die je von einem Papst gemacht wurden.

Exklusiv für CNA in deutscher Sprache mit freundlicher Genehmigung und Unterstützung von www.churchPOP.com (Erstveröffentlichung 4.7.2016)

(CNA Deutsch)

Franziskus: Alle Christen sind zur Mission aufgerufen

VATIKANSTADT – Ein Aufruf zur Mission durch alle getauften Christen beim Angelus-Gebet: Papst Franziskus hat daran erinnert, dass alle Gläubigen berufen sind, die Frohe Botschaft zu verkünden und vorzuleben.

Dazu sollen sie sich einfachster Mittel bedienen, wie die Apostel und großen Heiligen – nicht wie Beamte und Bürokraten, so Franziskus.

Nicht im eigenen Auftrag, sondern „als Gesandter der Kirche, die von Christus selbst ein Mandat bekommen hat“ sind alle Getauften – nicht nur etwa Priester – zur Verkündigung berufen, so der Pontifex beim traditionellen Mittagsgebet auf dem Petersplatz.

Missionierung statt Beamte und Bürokratie

Was nicht funktioniere, betonte der Papst, sei als „Beamte oder Unternehmer“ zu agieren, oder in Gremien, Strukturen und Konferenzen zu agieren. Missionierung, unterstrich der Papst, gelinge so, wie die Jünger auf Weisung des Herrn vorgingen: Mit wenig „Ausrüstung“ hinaus zu ziehen und den Glauben zu verkünden, betonte Franziskus. Dies sei die rechte „Armut der Mittel“:

„Der Meister will sie frei und leicht, ohne Stützen und ohne Privilegien, sicher nur in der Liebe dessen, der sie sendet, stark nur in seinem Wort, das sie verkünden. Stock und Sandalen sind ihre Ausrüstung – so sind die Botschafter des Reiches Gottes: keine allmächtigen Manager, keine unkündbaren Beamten, keine Stars auf Tournee.“

Als Vorbild nannte der Papst den heiligen Philipp Neri, den heiligen Benedikt Joseph Labre. Dieser war kein Beamter oder Manager, so Franziskus, sondern „ein demütiger Arbeiter im Reich Gottes“. Als solcher ist ein Christ auch in der Lage, mit Zurückweisung und Desinteresse umzugehen, wie es Jesus den Jüngern in der Tageslesung aus der Heiligen Schrift erklärt – und selber vorlebte, so Franziskus.

„Dass Jesus zurückgewiesen und gekreuzigt wurde, nimmt das Schicksal seines Boten vorweg. Nur wenn wir mit ihm, dem Gestorbenen und Auferstandenen, vereint sind, können wir den Mut zum Evangelisieren finden.“


(CNA Deutsch)

Im Müll gefundene Reliquie des heiligen Klemens kommt in Westminster-Kathedrale

LONDON – Ein neues Zuhause in der Westminster-Kathedrale hat die im Londoner Müll entdeckte Reliquie des heiligen Klemens gefunden.

„Die Wahl eines geeigneten Ruheplatzes war uns sehr wichtig“, sagte der Inhaber von „Enviro Waste“, James Rubin, in einem Statement auf der Website des Unternehmens.

„Deshalb denken wir, dass die Westminster Cathedral der beste und sicherste Ort für den Knochen ist: Wegen seiner Bedeutung für die Kirche und um sicherzustellen, dass dieser nicht wieder verloren geht!“

Westminster ist die Domkirche des gleichnamigen Erzbistums – und die katholische Hauptkirche für England und Wales. Rubin überreichte die Reliquie Erzbischof George Stack von Cardiff am 19. Juni in der Lady Chapel, einer Kapelle der Kathedrale. Stack ist Vorsitzender der zuständigen Kommission der Bischofskonferenz von England und Wales.

Die Reliquie wird in Zukunft in der Ausstellung „Schätze der Kathedrale von Westminster“ zu besichtigen sein: Es handelt sich um ein Knochenfragment, das in einem mit Wachs versiegelten Gehäuse eingeschlossen ist. Das Gehäuse trägt die Inschrift, dass es „die Knochen des heiligen Klemens, Papst und Märtyrer“ enthält.

Der heilige Clemens war Christ des ersten Jahrhunderts, wahrscheinlich ein hellenischer Jude, der ein Schüler der hl. Peter und Paul war – und vom Judentum zum Katholizismus übertrat.

Um das Jahr 90 herum wurde er Papst: Er folgte auf Petrus, Linus und Cletus. Seine Schriften offenbaren viel über die frühe Kirche, aber wenig über sein eigenes Leben.

Die Müll-Entsorgungsfirma, in deren Hände die Reliquie gelangte, ließ diese durch Labor-Untersuchungen prüfen und führte eine öffentliche Befragung auf der eigenen Webseite durch, um zu entscheiden, was damit geschehen soll.

„650+ Vorschläge und über 9.000 Besuche auf der Seite“ später, so der aktualisierte Beitrag, beschloss die Firma, dass die Westminster Cathedral in London das kostbare Kleinod haben sollte – nachdem sich eine Mitarbeiterin der Bischofskonferenz gemeldet hatte mit dem Vorschlag, in der Domkirche ein neues Zuhause zu bieten.

Auch der eigentliche Besitzer der Reliquie ist inzwischen aufgetaucht: Sie war aus seinem Wagen gestohlen und von den Dieben offenbar in den Müll geworfen worden. Der Eigentümer hat der Lösung einer Leihgabe an die Kathedrale zugestimmt. (CNA Deutsch)

Macht, Geld und Humanae Vitae: Die vergessene Geschichte

Wie mächtige Stiftungen die Lehre der Kirche bekämpft haben – und die Enzyklika, in der Papst Paul VI. diese bekräftigte.

NEW YORK – Die Kontroverse um Humanae Vitae, die päpstliche Enzyklika, die vor 50 Jahren die katholische Lehre zur Empfängnisverhütung bekräftigte, war nicht nur eine deutsche oder europäische.

Auch in Amerika wurde damals bereits gezielt und systematisch versucht, die Lehre der Kirche zu verwirren und aufzulösen.

Wer verstehen will, warum das Schreiben von Papst Paul VI. dermaßen angegriffen wurde, der muss auch den Kontext eines finanziell gut ausgestatteten Netzwerks kennen, der sich nach dem Zweiten Weltkrieg für eine strenge Bevölkerungskontrolle einsetzte.

Wie dieses Netzwerk, zu dem prominente, kapitalstarke Namen wie die Ford-Stiftung und John D. Rockefeller III gehören, vorgegangen ist: Das erforscht seit Jahrzehnten ein Historiker der State University von Arizona, Professor Donald Critchlow.

„Die Kampagne, Katholiken davon zu überzeugen – und zwar das Führungspersonal wie die breite Öffentlichkeit – dass die traditionelle Sicht der Sexualität, der Abtreibung und der Ehe veraltet sei, war umfangreich und wurde an mehreren Fronten gekämpft,“ so Professor Critchlow gegenüber CNA.

„Gruppen wie [die Abtreibung befürwortende Organisation] ‚Catholic for Choice‘ wurden durch großzügige Spendensummen ermutigt. Aber die breite Kampagne wurde über das Thema der Sexualerziehung vollzogen.“

Critchlow ist Autor des bei Oxford University Press verlegten Buches über die beabsichtigten Konsequenzen dieser politischen Kampagnen rund um Empfängnisverhütung und Abtreibung in der modernen USA: „Intended Consequences: Birth Control, Abortion and the Federal Government in Modern America“.

In einem Vortrag bei der Konferenz über „das Vermächtnis des Widerspruchs gegen Humanae Vitae“ an der Catholic University of America im April 2018 stellte er die Enzyklika in den politischen Kontext ihrer Zeit.

„Unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg schlossen sich führende Persönlichkeiten aus Stiftungen, Politik und Wirtschaft zusammen, um eine Kampagne zur Kontrolle des Bevölkerungswachstums zu starten. Sie kamen zu dem Schluss, dass künftige Kriege, Hungersnöte und andere soziale Missstände durch eine Verringerung des Bevölkerungswachstums verhindert werden könnten“, sagte Critchlow gegenüber CNA.

„Zu dieser neo-malthusianischen Agenda“ kamen weitere Themen und Aktivisten, so der Gelehrte: „Reproduktive Rechte für Frauen – und Umweltaktivisten, die für Umweltgerechtigkeit kämpfen.“

Noch vor der Erfindung der Antibaby-Pille entstand so der fruchtbare Boden für eine „Sexuelle Revolution“, wie der Historiker mit Blick auf die 1960er Jahrzehnte beschreibt.

„Veränderungen der sexuellen Sitten und des sexuellen Verhaltens können nicht auf eine einzige Ursache zurückgeführt werden. Es sollte jedoch kaum Zweifel daran bestehen, dass es Anliegen der Eliten war, sexuelle Sitten und Verhaltensweisen im Namen des ‚Fortschritts‘, reproduktiver Gerechtigkeit und der Bevölkerungskontrolle zu verändern“.

Der Geschichtsprofessor bezeichnete die Nachkriegszeit als „eine der massivsten Bemühungen um Social Engineering in der Menschheitsgeschichte“.

Gemeint ist damit eine Form der „angewandten“ Sozialwissenschaft, welche die öffentliche Meinung versucht zu kontrollieren, um das Verhalten der Menschen wie die Werte der gesamten Gesellschaft zu ändern.

„Keine Verschwörung als solche“

Professor Critchlow betont, dass dies „keine Verschwörung als solche war“: Vielmehr hatten jene, die das Bevölkerungswachstum steuern wollten einfach eine gemeinsame Perspektive wie Aktivisten, die sich für eine öffentliche Finanzierung von Verhütungsmitteln, Abtreibung, Sterilisation und Sexualerziehung einsetzten.

„Sie sahen sich selbst als die Erleuchteten, die den Massen, die in ihren sozialen, politischen und religiösen Ansichten rückständig waren, den Fortschritt brachten.“

Diese selbst-ernannten Aufklärer reagierten mit mehr als Unverständnis auf die Enzyklika, mit der Papst Paul VI. am 25. Juli 1968 die katholische Lehre bekräftigte, darunter die zentrale Position, dass Verhütung grundsätzlich unmoralisch ist.

„Humanae Vitae wurde offen und öffentlich angegriffen“, so Critchlow.

Das Netzwerk der Gegner der katholischen Sexualmoral hatte auch katholische Verbündete.

Im Zentrum der Kontroverse stand der Theologe und Priester Charles Curran. Er lehnte unter anderem die katholische Lehre zur Geburtenkontrolle ab, und bezeichnete 1971 sexuelle Handlungen in einer homosexuellen Beziehung als zwar nicht dem „Ideal“ entsprechend, aber dennoch gut. Als Curran seine Lehrbefugnis verlor, löste die Entscheidung Proteste und Kontroversen aus.

Hugh Moore, ein Geschäftsmann und Aktivist der Bewegung für die Kontrolle des Bevölkerungswachstums, kaufte ganzseitige Anzeigen in der „New York Times“ und anderen Zeitungen, verbreitete sogar Anti-Humanae Vitae-Material an Bischöfe und übersetzte diese unter anderem ins Spanische und Französische – obwohl Moore selber nicht einmal katholisch war.

„Er organisierte Petitionen der Lehre widersprechender Priester, die viel öffentliche Aufmerksamkeit erregten“, erklärte Critchlow.

So wurden der Vatikan, der römische Katholizismus und die traditionellen Bischöfe in den USA als reaktionär dargestellt, und als nicht im Einklang mit der Moderne stehend“, so der Historiker zu CNA.

Hugh Moore spielte auch eine Schlüsselrolle bei der Gründung der „International Planned Parenthood Federation“, und war Mitte der 1960er Jahre deren Vizepräsident, sowie ein führender Verfechter der freiwilligen Sterilisation.

Entsprechend der eigentlichen Motivation der Neo-Malthusianischen Aktivisten – die Angst vor einer „Bevölkerungsexplosion“ – wurde an vielen Fronten gleichzeitig gekämpft, mit stark unterschiedlicher Strategie und Taktik, aber immer unter der Annahme, dass eine Bevölkerungskontrolle notwendig sei, um die Menschheit zu retten.

Nach dem Zweiten Weltkrieg arbeiteten philanthropische Stiftungen der USA aktiv daran, sogenannte „Familienplanungskliniken“ auch außerhalb der USA einzurichten. Unter Präsident Lyndon Johnson wurde so „Familienplanung“ ganz offiziell zu einem politischen Instrument der Armutsbekämpfung, vor allem in Innenstadtvierteln, unter in den USA als „schwarz“ bezeichneten Minderheiten, sowie in Indianerreservaten.

Unter Präsident Richard Nixon wurde „Familienplanung“ weiter ausgebaut.

Gleichzeitig wurden den Menschen Angst gemacht: Bücher wie Paul Ehrlichs „The Population Bomb“, populäre Zeitschriftenartikel, Science-Fiction-Romane und Filme schürten die Furcht vor einer dystopischen Zukunft, die nur durch eine Kontrolle des Bevölkerungswachstums vermeidbar schien.

Eine „eugenische Formulierung“ und gelähmte Bischöfe

Eine prominente Rolle spielte in diesem Phänomen John D. Rockefeller III – der gezielt bestimmte Gruppen für Bevölkerungskontrolle finanzierte und 1952 den sogenannten „Bevölkerungsrat“ gründete, die Population Council. Deren erster Entwurf der eigenen Charta enthielt eine – später entfernte – Passage, die Critchlow als „eugenische Formulierung“ verurteilt: dabei wird davon geschwärmt, Bedingungen zu schaffen, unter denen überdurchschnittlich intelligente Menschen mit wünschenswerten Eigenschaften auch Familien mit überdurchschnittlich vielen Kinder haben.

Millionen Dollar investierte auch die „Ford Foundation“ in Maßnahmen zur Beschränkung des Bevölkerungswachstums – während etwa die Erbin des Familienvermögens von Mellon gleich ihr Geld noch radikalere Gruppen wie „Zero Population Growth“ spendeten.

In den 1960er Jahren waren die katholischen Bischöfe einerseits wie gelähmt und andererseits zu zerstritten, um gemeinsam zu handeln. Die Unsicherheit einzelner Oberhirten darüber, was Papst Paul VI. schließlich über die Antibaby-Pille sagen würde, potenzierte sich mit der Frage, wie es katholischen Krankenhäusern und anderen Einrichtungen ergeht, wenn die Regierung im Land Verhütung, Abtreibung und Sterilisation fördert und fordert.

So kamen laut Critchlow Kompromisse zustande, in der Absicht, in einer zunehmend säkularisierten Kultur weiter präsent zu sein und wirken zu können. Dazu gehörten etwa Treffen an der Universität Notre Dame in den Jahren 1963 bis 1967 zum Thema Bevölkerungskontrolle. Diese Veranstaltungen unter der Schirmherrschaft der Rockefeller Foundation und der Ford Foundation brachten ausgewählte katholische Persönlichkeiten unter anderem mit „Planned Parenthood Federation of America“ und der Population Council zusammen.

Rockefeller sei es eben sehr klar gewesen, schreibt Critchlow in seinem Buch „Intended Consequences“, dass eine Änderung der Position der Kirche zur Frage der Geburtenkontrolle auf dem Spiel stehen müsse. Treffen mit Vertretern der Kirche, die dabei helfen könnten, die Meinung innerhalb der Hierarchie zu ändern, waren dabei ein wichtiges Instrument.

Laut Critchlow wurde so auch 1965 ein Treffen zwischen Rockefeller und Papst Paul VI. zum Thema Bevölkerungswachstum“ organisiert.

„Am Ende waren die Bischöfe gezwungen, sich dem Dissens innerhalb der Kirche anzupassen. Die katholische Kirche wurde bis zum Aufkommen der Abtreibung in die Defensive gedrängt, bei der die öffentliche Meinung viel mehr gespalten war als bei der Frage der oralen Empfängnisverhütung“, stellte Critchlow fest.

Die Umtriebe der Befürworter einer „Wachstumskontrolle“ mündeten in eine Reihe internationaler Skandale, die nicht nur die USA, sondern auch die Vereinten Nationen erschütterten. Bekanntes Beispiel ist der Eklat um Zwangssterilisation von Frauen in Indien, aber auch in den USA kam es zu Fällen staatlich finanzierter Zwangssterilisation als Instrument von „Armutsbekämpfungsprogrammen“.

Statt Sterilisationsprogrammen verfolgen Aktivisten nun eine andere Strategie: Die Hinauszögerung der Heirat für durch wirtschaftliche wie bildungspolitische Maßnahmen für Frauen. Professor Critchlow begrüßt den neuen Kurs:

„Diese Ziele der Förderung der wirtschaftlichen Unabhängigkeit und der Hochschulbildung von Frauen in Entwicklungsländern sollten begrüßt werden, auch wenn solche Programme von feministischen Aktivisten und Befürwortern der Bevölkerungskontrolle unterstützt werden“.

Während sich die Debatte um eine Kontrolle des Bevölkerungswachstums also verschoben hat, geht die Kontroverse um Humanae Vitae bis heute weiter.

Übersetzt und redigiert aus dem englischen Original. (CNA Deutsch)

Die Wahrheit suchen und für sie kämpfen: Erzbischof Gänswein über das neue Benedikt-Buch

Vortrag von Erzbischof Georg Gänswein anlässlich der Buchvorstellung von Benedikt XVI./Joseph Ratzinger „Die Freiheit befreien. Glaube und Politik im dritten Jahrtausend.“

Eine Sensation an sich: Ein bislang unveröffentlichter Text von Papst emeritus Benedikt XVI. ist in Rom vorgestellt worden, der im Buch „Die Freiheit befreien. Glaube und Politik im dritten Jahrtausend“ erscheint. Der Präfekt des Päpstlichen Hauses und Privatsekretär Benedikts, Erzbischof Georg Gänswein, stellte das mit einem Vorwort von Papst Franziskus verlegte Werk vor – zu großem Applaus – im Rahmen einer Buchvorstellung im ehrwürdigen Sala Zuccari im Senat der italienischen Republik mit Antonio Tajani, dem Präsidenten der Europäischen Parlaments und Giampaolo Crepaldi, dem Erzbischof von Triest.

CNA Deutsch dokumentiert den Vortrag von Erzbischof Gänswein mit freundlicher Genehmigung.

Bevor Joseph Ratzinger zu Papst Benedikt XVI wurde, ist er als Deutscher groß geworden, vielleicht mehr noch als Bayer. Doch von seinem Elternhaus hatte er als Kind auch immer ins Salzburger Land hinübergeschaut, nach Österreich, und die Kultur des alten Habsburg vor Augen, vielleicht dachte er auch an seine Großmutter aus Südtirol, dem heutigen Italien. Grenzüberschreitungen kennzeichnen sein Leben, immer vor dem unendlichen Horizont des Katholischen. Nicht Grenzen, sondern das Ganze des Abendlands wurde deshalb von Kindesbeinen an sein politisches Zuhause, sogar in den Tagen, als die entfesselte Furie der Totalitarismus unseren Kontinent in den Abgrund zu stürzen versuchte.

So war es kein Wunder, dass Europa schon früh die politische Passion des jungen Gelehrten wurde. Kein Wunder ist es deshalb auch, dass Konrad Adenauer den jungen Joseph Ratzinger faszinierte und dessen zielstrebige Politik, mit der es der erste Bundeskanzler Nachkriegsdeutschlands gegen alle Verlockungen und Versprechen der Sowjet-Union durchgesetzt hat, die neue Bundesrepublik nach dem „Zivilisationsbruch“ Deutschlands unter den Nazis wieder ganz neu im freiheitlichen Wertesystem der jüdisch-christlichen Geschichte des lateinisch-westlichen Abendlandes zu verankern.

Nur hier, in dieser Geschichte, hatte Joseph Ratzinger früh erkannt, war der Gott Jakobs nicht als der Zürnende, sondern als der Liebende zuerst erkannt worden, der die Menschen nicht zwingt, sondern der um sie wirbt. Nur hier, in diesem Kulturraum, war deshalb auch die unvergleichliche „Freiheit des Christenmenschen“ entdeckt und entwickelt und verteidigt worden, von der vor 500 Jahren Martin Luther sprach, und die schon 1000 Jahre zuvor den heiligen Columban beseelt hat, dessen Erkenntnis: „Si tollis libertatem, tollis dignitatem“ noch heute die Columban-Kapelle im Fundament des Petersdoms schmückt. „Wenn du die Freiheit nimmst, nimmst du die Würde“, heißt diese Richtlinie des großen irischen Missionars aus dem 6. Jahrhundert auf Deutsch. Hier, in den „Cavi“ unterhalb des Papstaltars in der Confessio, die Bernini über dem Grab des Apostelfürsten Petrus errichtete, gehört dieser Satz Columbans deshalb gewissermaßen auch mit zu den Grundlagen des Papsttums. Es war dieser Geist, davon war Joseph Ratzinger schon früh überzeugt, mit dem irische Wandermönche im 6. Jahrhundert nach Christus Westeuropa christianisierten und inmitten der Völkerwanderung quasi neu begründet hatten. Der schöne Titel des Buches „Die Freiheit befreien“ könnte deshalb fast als ein cantus firmus im Leben Joseph Ratzingers und Benedikts XVI. gelten.

Denn der Papst aus Deutschland reifte ja gewissermaßen in der „katholischen Epoche“ der Nachkriegsgeschichte zum Mann und Denker und Lehrer heran, als Erich Przywara, der Lehrer Josef Piepers, die „Idee Europa“ entwickelte, und als Konrad Adenauer, Robert Schuman und Alcide de Gaspari das Wagnis einer Neugründung Europas über Ruinen unternahmen, und zwar im alten karolingischen Erbteil des Abendlands.

Es war diese Zeit, die den jungen und früh schon hochgelehrten homo historicus wie von selbst auch zum homo politicus werden ließ.

Sein politischster Begriff fiel aber auch da schon in eins mit dem wichtigsten theologischen Begriff des jungen Priesters. Das war die „Wahrheit“, die er später zum Motto seines Bischofswappens erhob, wo er um Mitarbeiter an eben dieser Wahrheit warb. Denn „wenn wir von dem Begriff der Wahrheit abgehen, gehen wir von den Grundlagen ab,“ erklärte er im Februar 2000 seinem Biografen Peter Seewald einmal auf Europas Schicksalsberg, im Mutterkloster des heiligen Benedikt auf dem Monte Cassino, und sagte weiter: „Der wirkliche Friede ist deshalb streitbar. Die Wahrheit ist das Leiden und auch den Streit wert. Ich darf die Lüge nicht hinnehmen, damit Ruhe ist. Niemand traut sich mehr zu sagen, dass das, was der Glaube sagt, wahr sei.“

Die Wahrheit zu suchen und für sie zu kämpfen, wurde deshalb zum roten Faden im Leben Josef Ratzingers und Benedikts XVI., weil sie, so war es seine Überzeugung, keine Wahrheit ist, die man „haben oder besitzen“, sondern der man sich nur annähern kann, weil die Wahrheit im Glauben und im Verständnis der Christen Person geworden ist: in Jesus Christus, in dem Gott sein Gesicht gezeigt hat. Diese Überzeugung machte den katholischen Theologen deshalb auch zu einem besonders respektierten Gesprächspartner von Jürgen Habermas, dem erklärtermaßen „religiös unmusikalischen“ großen Philosophen Deutschlands, mit dem er sich gleichwohl darin einig war, dass das jüdisch-christliche Leitbild der menschlichen Ebenbildlichkeit Gottes den Wesenskern Europas ausmacht. Es ist diese – nach Josef Pieper – „theologisch gegründete Weltlichkeit“ unserer westlichen Welt, von der der Staatsrechtler Ernst-Wolfgang Böckenförde später den in Deutschland berühmt gewordenen Schluss ableitete: „Der freiheitliche, säkularisierte Staat lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann.“

Der Gläubige und der Ungläubige würden und könnten sich hier „im Zweifel“ begegnen, hat Joseph Ratzinger Jahrzehnte davor und nunmehr auch schon wieder vor 50 Jahren in seiner „Einführung in das Christentum“ einmal formuliert. Im Kulturraum Europas aber ist die Begegnung der Gläubigen und Ungläubigen nicht nur im Zweifel, sondern auch in der Wahrheit möglich, wie der Dialog zwischen Ratzinger und Habermas in diesem Buch wieder darlegt.

Deshalb nahm Papst Benedikt XVI. aber auch umso schärfer die Grenzen dieses einzigartigen Kulturraums gegenüber allen anderen Kulturen wahr, wie er es am 12. September 2006 so unerschrocken in seiner berühmten „Regensburger Rede“ zum Ausdruck brachte: „Nicht vernunftgemäß, nicht mit dem Logos handeln ist dem Wesen Gottes zuwider hat Kaiser Manuel II. von seinem christlichen Gottesbild her seinem persischen Gesprächspartner gesagt. In diesen großen Logos, in diese Weite der Vernunft laden wir beim Dialog der Kulturen unsere Gesprächspartner ein.“

Wenn Papst Franziskus im Vorwort dieses Bandes sagt, dass diese Texte uns zusammen mit dem kraftvollen Gesamtwerk seines Vorgängers helfen könnten, „unsere Gegenwart zu verstehen und eine sichere Orientierung für die Zukunft zu suchen“, dann kommen mir dabei fast von selbst jene Worte zur Verteidigung des Naturrechts in den Sinn, die Papst Benedikt am 22. September 2011 den Abgeordneten der deutschen Bundesrepublik im Reichstag in Berlin eingeschärft hat, mit denen ich meinen kleinen Beitrag beschließen will: „Nimm das Recht weg – was ist dann ein Staat noch anderes als eine große Räuberbande“, hat der heilige Augustinus einmal gesagt,“ erklärte er damals den Parlamentariern als der Lehrer, der er immer war, und fuhr fort: „Wir Deutsche wissen es aus eigener Erfahrung, dass diese Worte nicht ein leeres Schreckgespenst sind. Wir haben erlebt, dass Macht von Recht getrennt wurde, dass Macht gegen Recht stand, das Recht zertreten hat und dass der Staat zum Instrument der Rechtszerstörung wurde – zu einer sehr gut organisierten Räuberbande, die die ganze Welt bedrohen und an den Rand des Abgrunds treiben konnte. Dem Recht zu dienen und der Herrschaft des Unrechts zu wehren ist und bleibt die grundlegende Aufgabe des Politikers. In einer historischen Stunde, in der dem Menschen Macht zugefallen ist, die bisher nicht vorstellbar war, wird diese Aufgabe besonders dringlich. Der Mensch kann die Welt zerstören. Er kann sich selbst manipulieren. Er kann sozusagen Menschen machen und Menschen vom Menschsein ausschließen. Wie erkennen wir, was recht ist? Wie können wir zwischen Gut und Böse, zwischen wahrem Recht und Scheinrecht unterscheiden?“

Die Bitte des weisen König Salomon an den Gott Jakobs: „Verleih deinem Knecht ein hörendes Herz, damit er dein Volk zu regieren und das Gute vom Bösen zu unterscheiden versteht“ bleibe deshalb entscheidend vor allen Aufgaben, vor der der Politiker und die Politik auch heute stehen. Denn jene „historische Stunde“, von der der emeritierte Papst vor sechs Jahren in Berlin sprach, ist noch lange nicht zu Ende.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

„Die Freiheit befreien. Glaube und Politik im dritten Jahrtausend.“, Mit einem Vorwort von Papst Franziskus und einem bisher unveröffentlichten Text von Benedikt XVI. Hsrg. von Pierluca Azzaro und Carlos Granada (Benedikt XVI./Joseph Ratzinger, Schriften aus meiner Feder, Band 2), Herder, Freiburg 2018. (CNA Deutsch)