4 Kardinäle aus Burma Irak, Madagaskar und Papua-Neuguinea leiten Jugendsynode

VATIKANSTADT – Papst Franziskus hat vier Kardinäle zu Leitern der Jugendsynode ernannt, die im Oktober in Rom stattfindet.

Dabei handelt es sich um:

Kardinal Louis Raphaël I Sako, Patriarch der Chaldäisch-Katholischen Kirche (Irak)

Kardinal Charles Maung Bo, Erzbischof von Yangon (Burma)

Kardinal John Ribat, Erzbischof von Port Moresby (Papua-Neuguinea)

Kardinal Désiré Tsarahazana, Erzbischof von Toamasina (Madagaskar)

Im Auftrag des Pontifex fungieren die „delegierten Präsidenten“, so der offizielle Titel, beim Bischofstreffen, das für den 3. bis 28. Oktober 2018 anberaumt ist.

Der offizielle Titel der kommenden Synode ist „Jugend, Glaube und Unterscheidung der Berufung“. Ein Hinweis darauf, was die zentralen Themen sind, zeigt eine Analyse des Mitte Juni vorgelegten „Arbeitspapiers“: Dieses widmet sich Fragen der Sexualität, besonders den Themen Homosexualität und Gender, aber auch Verhütung, Abtreibung – und den Herausforderungen der biomedizinischen Ethik im 21. Jahrhundert. (CNA Deutsch)

Franziskus: „Bereit zu einer Reise in den Irak

„Ich bin dazu bereit, in den Irak zu reisen“: Das hat der Papst zu chaldäischen Bischöfen aus Irak, Iran und Syrien gesagt. Allerdings schob er bei der Audienz zu Beginn dieser Woche gleich hinterher, das sei wohl gerade „nicht der richtige Moment dazu“.

Stefan von Kempis – Vatican News.

Der chaldäische Patriarch von Babylon, Erzbischof Louis Raphaël Sako, sieht die Sicherheitsvoraussetzungen für einen Papstbesuch derzeit im Irak nicht gegeben – vor allem wegen der Spannungen zwischen den Kurdengebieten im Nordirak und der Zentralregierung in Bagdad.

Doch zu Vatican News sagt Sako: „Wir sind beeindruckt von der Aufmerksamkeit, die der Papst für unseren Teil der Welt hat – über die Türkei weiß er alles –, aber auch für Iran, Irak und Syrien. Wir spüren seine Nähe nicht nur im Gebet, sondern auch ganz konkret. Er hat uns gesagt: Wenn ihr Vorschläge oder Ideen habt, kommt damit zu mir! Ich werde für euch alles tun, was ich kann. Das hat uns viel Hoffnung, viel Kraft gegeben. Denn manchmal denken wir: Wir sind ein bisschen weit weg, die fragen sich sicher, wer diese Ostkirchen-Christen überhaupt sind…“

Franziskus habe den Bischöfen bei der Begegnung vom Montag geraten, sich mit ihren Anliegen direkt an sein Sekretariat zu wenden, ohne den Dienstweg etwa über die Ostkirchen-Kongregation einzuschlagen. Das lässt aufhorchen. Überhaupt hält der irakische Kirchenführer mit einem gewissen Misstrauen gegenüber der Vatikan-Bürokratie nicht hinter dem Berg: „Ich hoffe für meine Leute, dass sie vor Ort bleiben – aber das ist ein bisschen schwierig, wenn uns die Weltkirche, vor allem der Vatikan, nicht unterstützt! Ich finde, die Kurie müsste viel tun für diese Christen in Iran, Irak und Syrien, damit sie in ihren Ländern bleiben können…“

Erzbischof Sako fügt aber hinzu, die Besucher aus dem Nahen Osten hätten natürlich auch mit der Ostkirchen-Kongregation und dem Dialograt gesprochen. In der Kongregation hätten sie „einen Moment der Synodalität erlebt“ – das sei „etwas sehr Wichtiges, das der Westen nicht kennt“. Überhaupt, der Westen:

„Wir sind eine kleine Herde, aber wir haben viel Kraft, auch für die Weltkirche. Andere Ortskirchen sollten ihre Haltung und auch ihren Glauben überdenken, was die verfolgten Christen betrifft. Diese verfolgten Christen sind Bekenner des Glaubens – was erwarten wir eigentlich mehr von ihnen? Die katholische Kirche im Westen sollte diese Christen ehren und respektieren, stärker als bisher! Und sie sollte herauskommen aus ihrer ganzen Bürokratie, aus diesem Mechanismus, der überholt ist… Die Christen des Westens mit ihrem Mangel an christlichen Werten, ihrem Individualismus sollten etwas lernen vom Mut der verfolgten Christen. Auch, was den Sinn für die Familie und die Gemeinschaft betrifft.“

Zurück zur Papstreise, die ja so bald nicht stattfinden wird. Ein paar genaue Vorstellungen davon, wie sie ablaufen sollte, hat der Patriarch aber trotzdem. Franziskus sollte drei Stationen ins Auge fassen: Ur in Mesopotamien, die Stadt, in der einst Gottes Ruf an Abraham erging. Dann natürlich Bagdad, die Hauptstadt. Und schließlich Erbil oben im Norden, in Irakisch-Kurdistan – denn hier lebt ein Großteil der christlichen Flüchtlinge aus anderen Regionen. (vatican news)

„Wer steuert den Islamischen Staat fern?“

Islamischer Staat unter Druck: In Syrien hat die Offensive auf Raqqa begonnen, die „Hauptstadt“ der Terrorgruppe Islamischer Staat (IS). Und auch in der nordirakischen Millionenstadt Mossul gerät die Bande immer stärker unter Druck. Am Samstag hat die irakische Armee ihr ein weiteres Stadtviertel im Westteil der Stadt abgenommen, jetzt halten die Terroristen nur noch drei Stadtteile Mossuls… darunter die Altstadt.

Auch wenn die Kämpfer der Terrogruppe ihre Haut teuer zu Markte tragen: Jetzt fängt die Diskussion an, was nach dem Sieg über den IS mal aus Mossul werden soll. Und aus dem Irak überhaupt.

„Der IS ist ein Problem – aber er ist nicht d a s Problem“, sagt im RV-Interview Jean-Benjamin Sleiman, der „lateinische“ Erzbischof von Bagdad. „Das wirkliche Problem sind die Hintermänner, die für die Gründung des IS gesorgt haben. Das sind extrem intelligente Leute mit genauen Kenntnissen der islamischen Welt und Gesellschaft. Sie sind das wirkliche Problem! Denn der IS macht die Drecksarbeit, aber wer sind die Manipulatoren im Hintergrund? Wer steuert die Gruppe fern, wer finanziert sie? Wer hält die Hand über sie? Diese Fragen muss man sich stellen, denn der Islamische Staat ist nicht nur ein Problem für den Irak oder die Region, sondern eine Gefahr für die ganze Welt. Man darf keine Tiger heranzüchten, sonst zerreißen sie einen eines Tages…“

„Ein gewisser Beduinen-Instinkt“

Typisch orientalische Verschwörungstheorien, könnte man denken. Aber so einfach ist das nicht: Schon vielen Experten ist aufgefallen, wie eng im Irak führende Köpfe des gestürzten Regimes von Saddam Hussein mit dem IS verbandelt sind. Sie haben den Widerstand gegen die amerikanischen Besatzer im Irak mit dem Unmut der sunnitischen Stämme zusammengerührt, dem Mix eine für viele attraktive islamistische Zutat gegeben, fertig war das Terrorsüppchen.

„Natürlich sind jetzt alle glücklich, dass der IS aus Mossul herausgefegt wird! Aber was nach dem IS kommt, bereitet doch auch Sorgen. Und zwar in mehrfacher Hinsicht. Zum einen stehen die befreiten Gebiete, auch die in der Niniveh-Ebene, im Mittelpunkt eines heftigen Streits – seit langem schon, schon seit dem Sturz des Regimes (von Saddam Hussein). Jetzt kriegt der Stärkste, der sich als erster darauf stürzt, wohl den Löwenanteil.“ Das zielt auch auf die kurdischen Milizen, die an der Befreiung von Mossul mitwirken.

„Hinzu kommt, dass sich einige Familien aus Not, vielleicht aber auch aus einem gewissen Beduinen-Instinkt heraus – entschuldigen Sie bitte diese Formulierung – sich das Eigentum der anderen angeeignet haben. Wir sind in diesem Land schon daran gewöhnt: Wenn sich jemand Ihr Haus angeeignet hat, und Sie schaffen es mithilfe der Behörden oder der Justiz, das Haus wiederzubekommen, dann müssen sie diesen Leuten eine Art Entschädigung zahlen.“

„Der Irak ist nicht mehr mein Land“

Probleme dieser Art gebe es viele, sagt der Erzbischof. Sie machten geflohenen oder vertriebenen Christen eine Rückkehr in ihre vom IS befreite Heimat schwer. „Wenn das jetzt nur, sagen wir mal, materielle Probleme wären – an sowas sind wir gewöhnt, das würden wir hinkriegen. Aber das eigentliche Problem besteht beim Vertrauen.“

Der Spaltpilz IS hat die Einzelteile der irakischen Gesellschaft auseinandergetrieben, Ergebnis ist ein allgemeines Misstrauen und der Eindruck: Mit unseren alten Nachbarn wollen wir nicht mehr Wand an Wand wohnen. Mehr noch. „Wenn Ihnen ein Iraker sagt: Der Irak ist nicht mehr mein Land – dann geht das über Nachbarschaftskonflikte oder um einen Streit über ein besetztes Haus weit hinaus. Das geht sehr weit. Und das ist einer der Gründe für den irakischen Exodus. Es gibt noch andere Gründe, aber der Verlust des Vertrauens ist sicher fatal.“

Wenn man den Irak retten wolle, so Erzbischof Sleiman, dann müsse man dafür sorgen, dass der Staat wieder wirklich zum Staat werde. „Wenn man die Geschichte mal im Zeitraffer sieht: Das Regime fällt, fast alle staatlichen Einrichtungen lösen sich auf, nach ein paar Monaten der Anarchie wird der Staat neu gegründet – und diese Neugründung besteht aus kleinen, aus Mini-Staaten. In der Zwischenzeit haben sich viele Milizen, Parteien usw. gebildet, mit diesem Material also hat man den Irak neu gegründet. Aber ein Staat müsste eigentlich viel mehr sein als ein Zusammenschustern von lauter Mini-Staaten!“

„Nicht auf die Widersprüche starren“

Wenn der Staat funktionieren würde, dann gäbe es „überhaupt kein Problem, nicht für die Christen, nicht für alle anderen“, sagt Erzbischof Sleiman. Doch die Zentralgewalt in Bagdad sei einfach zu schwach, um das Gebilde Irak mit allen seinen widerstreitenden Interessen zusammenzuhalten. „Die erste Aufgabe eines Staates besteht darin, die Sicherheit in der Gesellschaft zu gewährleisten. Heute sind die Minderheiten, darunter die Christen, zur Zielscheibe geworden. So etwas mindert nicht nur das Vertrauen – es tötet es.“

Aber der lateinische Erzbischof von Bagdad bemüht sich auch, nicht nur schwarzzumalen. Doch, es gebe durchaus schon Christen, die jetzt in ihre Dörfer in der Niniveh-Ebene zurückkehrten. Oder die schon die Koffer packten, um einen Neuanfang in der alten Heimat zu wagen. „Es gibt auch einige, die jetzt nicht zurückkehren können, auch wenn sie es gerne wollen, weil ihre Häuser abgebrannt oder ausgeplündert sind. Also, da steht uns allen viel Arbeit bevor… Ich glaube, es ist wichtig, Mut aufzubringen und nicht auf die Widersprüche zu starren, die ich aufgezählt habe.“

Zu Trump: „Wo sind die Werte?“

Der neue US-Präsident Donald Trump hat unlängst auf seiner ersten Auslandsreise den Nahen Osten – konkret Saudi-Arabien und Israel – besucht. Aus Riad brachte er einen milliardenschweren Rüstungsdeal mit nach Hause. Was sagen Sie zu Trump, Herr Erzbischof? „Wissen Sie – viele Menschen im Irak haben mit Trumps Reise jetzt nicht besonders viel Hoffnung verbunden. Aus meiner Sicht ist Trump in die USA zurückgekehrt und hat da gesagt: Guckt mal, ich bringe euch Milliarden Dollar mit, ihr könnt zufrieden sein! (Lacht) Alles gut und schön – aber der Friede auf der Welt und unsere Zukunft bestehen nicht nur aus Dollars. Vor allem, wenn diese Dollars auf nicht ganz klare Weise zusammengerafft werden.“

Nein, große Hoffnungen hätten die Christen im Irak auf Trump nicht gesetzt – das ist ein interessanter Befund, denn viele Kirchenleute im benachbarten Bürgerkriegsland Syrien können dem neuen Mann im Weißen Haus durchaus einiges abgewinnen.

Bestürzt ist Erzbischof Sleiman über die Kriegsgefahr am Golf – darüber, dass Saudi-Arabien und einige Verbündete Katar isolieren. „Man wirft Katar vor, Terror zu unterstützen – aber man sollte sich mal genau ansehen, wer da diesen Vorwurf erhebt. Wer es ist, der den ersten Stein wirft. Das alles trägt zu unserem Leiden bei. Wir träumen von einer friedlichen Welt – von einer Welt, in der es ein bisschen Wahrheit gibt. Aber diese Wahrheit gibt es nicht!“ Trump hat Saudi-Arabien zunächst zu seiner Kampagne gegen Katar beglückwünscht, jetzt gerade rudern die US-Diplomaten wild durch die Gegend, weil sie ihren Militärstützpunkt in Katar nicht verlieren wollen. An die Adresse der USA hat Erzbischof Sleiman eine klare Frage: „Ich sage das mit Blick auf eine Nation, die einmal christlich war und eine christliche Kultur hatte – also eine Kultur der Werte. Wo sind die Werte?“

„Emigration gibt es nicht erst seit Saddam“

Nach einer neuen Studie haben weit mehr als die Hälfte der Christen dem Irak seit dem Sturz Saddam Husseins den Rücken gekehrt. „Wir sind nicht weit von der Zweidrittel-Marke entfernt, wenn wir ab 2003 zählen. Aber wissen Sie – das Drama der Emigration aus dem Nahen Osten, auch aus dem Irak, hat doch gar nicht erst 2003 angefangen. Da muss man eigentlich zurückgehen bis zum Ersten Weltkrieg. Das sind Dramen, die sich aneinander reihen; auch der Iran-Irak-Krieg hat den Irak ausgeblutet. Aber ich will gar nicht nur von den Christen sprechen – das Phänomen betrifft alle Iraker. Alle leiden und sind frustriert.“

Der Ölreichtum des Irak sei auch sein Fluch: Er habe dazu geführt, dass sich zu viele ausländische Staaten für das Land „interessieren“, sagt Erzbischof Sleiman. Die Menschen seien ausgelaugt, sie hätten die ewigen Kämpfe – auch die des Alltags – satt. (rv)

Was kommt nach dem IS für Iraks Christen?

cna_FluechtlingslagerWASHINGTON, D.C. – Tausende Christen leben als Binnenflüchtlinge im Irak von humanitärer Hilfe. Was für eine Zukunft haben sie, wenn der Islamische Staat erst einmal beseitigt worden ist? Das ist die Frage, die besorgte Christen, Menschenrechtler und Aktivisten beschäftigt; auch in Washington und an den Vereinten Nationen.

„Wir sollten uns nun auf die Konsequenzen einer Befreiung der vom IS kontrollierten Gebiete vorbereiten, inklusive Mossul und der Nineveh-Ebene, sowie Regionen in Syrien“, sagte Carl Anderson, Oberster Ritter der Knights of Columbus vor einer Anhörung zum Thema „Die Anerkennung des Völkermords des IS: Was nun?“ im Regierungsviertel Washingtons.

Nach der Terror-Herrschaft des IS müsse „Pluralismus, Selbstverwaltung und Stabilität“ ermöglicht werden, betonte Dr. Tom Farr, Leiter des Projekts für Religionsfreiheit an der Georgetown University bereits Ende April in einer Rede vor dem Ständigen Beobachter des Heiligen Stuhls bei den Vereinten Nationen.

Nach er weiter Teile des Iraks und Syriens im Jahr 2014 eroberte hatte, musste der Islamische Staat im vergangenen März ein Fünftel seines Territoriums einbüßen. Doch die Feldzüge der radikalen Muslime verursachten eine gewaltige Flüchtlingskrise. Hunderttausende Christen flohen vor den Islamisten aus Mossul und der Nineveh-Ebene ins irakische Kurdistan. Dort leben seit bald zwei Jahren die Menschen in Flüchtlingslagern in der Stadt Erbil. Sie überleben dank der Hilfe christlicher Organisationen wie Kirche in Not und anderer Nichtregierungsorganisationen (NGOs). Ihre Lage bleibt jedoch prekär.

Die kurzfristige Nothilfe kann nicht eine langfristige Strategie ersetzen, eine stabile, wohlhabende und pluralistische Gesellschaft zu schaffen, nachdem der Islamische Staat besiegt worden ist.

Viele vertriebene Christen haben die Region bereits verlassen; manche kamen nach Deutschland, wo sie Gefahr laufen, von der Mehrheit der muslimischen Migranten und ebenfalls islamischen Sicherheitspersonal bedroht und bedrängt zu werden. In Erbil harren weiterhin 70.000 Binnenflüchtlinge, in Schiffscontainern, Wohnwägen und anderen Notunterkünften.

Es muss konkrete Pläne geben, Christen, die in der Region bleiben wollen, sich wieder in ihrer Heimat ansiedeln zu lassen. „Die Menschen sollten entscheiden können, welche Zukunft sie für sich wählen“, sagte Anderson.

„Es wurde viel darüber diskutiert, wie mit den Opfern des IS-Völkermords umzugehen sei“, fuhr Anderson fort. „Einige haben dafür plädiert, die Menschen sicher zurück in die Nineveh-Ebene zu bringen. Andere finden, sie sollten in Kurdistan bleiben können. Und wiederum andere haben vorgeschlagen, sie sollten auswandern. Aber das sind nicht notwendigerweise einander ausschließende, konkurrierende Vorschläge.“

Eine Ausnahme ist Mossul: Die Christen dieser Stadt können nicht heimkehren. Selbst wenn der Islamische Staat von dort vertrieben werden würde, was wahrscheinlich eine gewaltige Kraftanstrengung wäre, ist das Vertrauen der Christen in ihre muslimischen Nachbarn zerstört; möglicherweise für immer. Die bis dahin moderaten Muslime hatten ihre christlichen Nachbarn den Dschihadisten ausgeliefert, als diese im Jahr 2014 die Stadt einnahmen.

Selbst wenn also ihre Häuser noch intakt sein sollten, können Christen nicht unbedingt dorthin zurück und neben ihren ehemaligen Nachbarn leben. Eine andere Lösung muss gefunden werden.

Christen und Jesiden am Kampf beteiligen

Am 19. Mai verabschiedeten die US-Abgeordneten ein Gesetz, an dem zwei Zusatzartikel des Republikaners Jeff Fortenberry aus Nebraska angehängt waren.

Fortenberrys Artikel schaffen eine Blaupause für die Zukunft der Region. „Erstens gehört nun zur US-Strategie im Irak, Sicherheitszonen zu schaffen, in denen Völkermord-Opfer sicher in ihre Heimat zurückkehren können“, sagte er. „Und zweitens ermächtigt eine neue Vorschrift Minderheitengruppen wie Christen und Jesiden, sich mit ihren Verbänden in der integrierten Militärkampagne gegen den IS einzugliedern.“

„Christen, Jesiden und andere sollten weiterhin ein wesentlicher Teil der einst so reichen ethnischen und religiösen Vielfalt des Nahen Ostens sein“, sagte der Abgeordnete.

Doch die Zahl der christlichen Gemeinden im Nordirak ist seit der US-geführten Eroberung des Landes im Jahr 2003 stetig gesunken. Wenn nicht bald Flüchtlinge in der Region neu angesiedelt werden, sondern weiterhin in temporären Unterkünften und Flüchtlingslagern ausharren, dann ist es wahrscheinlich, dass sie das Land für immer verlassen und diese Gemeinden für immer verschwinden.

Diese wäre eine Katastrophe für die Zukunft des Nahen Ostens, betonte Dr. Farr gegenüber den Vereinten Nationen; es würde die religiöse Vielfalt in der Region genauso zerstören wie „jede Chance auf Stabilität, Selbst-Verwaltung und wirtschaftliche Entwicklung.“

Einige Experten, darunter Farr, haben eine „autonome, multi-religiöse, multi-ethnische ‘Sicherheitszone’“ vorgeschlagen, die ermöglichen soll, dass Christen in ihrer angestammten Heimat leben können.

Vorbild hier wären eventuell vergleichbare UN-Zonen der Vergangenheit, in denen internationale Schutztruppen die Bevölkerung vor dem Genozid und weiteren Angriffen durch den IS oder andere muslimische Milizen schützen müssten.

Selbst Farr räumt ein: Vieles müsste geschehen, bevor dieser Plan realistisch und realisierbar ist. Neben militärischem Schutz bräuchte eine solche Zone „eine interne Polizei, wirtschaftliche Anreize, gerechte und effektive Regierung, Behandlung für Traumata und psychologische Leiden, sowie Versöhnungsmechanismen“.

Außerdem müssten benachbarte Länder einer solchen Zone zustimmen, ebenso wie das irakische Kurdistan und die irakische Zentralregierung, so Farr.

Nach einer bestimmten Zeit könnte aus einer „Sicherheitszone“ hoffentlich eine semi-autonome Provinz werden, so Johnny Oram, Geschäftsführer der Chaldäisch-Assyrischen Wirtschaftsallianz in seiner schriftlichen Aussage zur Anhörung.

Die Region müsste sich selber regieren und schützen können müssen, betonte Oram. Nur so könne das Vertrauen der verfolgten Minderheiten wiederhergestellt werden.

Eine Zukunft für Christen

Eine völlig andere Vision für die Christen der Region hat Stephen Hollingshead, von der Gruppe In Defense of Christians. Die IDG ist eine Organisation zur Verteidigung der verfolgten Christen. „Diese UN-’Sicherheitszonen’ haben eine sehr durchwachsene Erfolgsbilanz“, sagte er. „Sie sind generell nicht sicher, und mit einer Ausnahme sind sie nie wirtschaftlich autark.“

Hollingshead leitet das Haven Project der IDG. Er plädiert nicht für eine vorübergehende Sicherheitszone, sondern gleich ein eigenständiges Territorium für Christen und andere Minderheiten, sei es ethnische oder religiöse – Dorf für Dorf.

Christen könnten hier nicht nur überleben, sondern blühen und sich selbst versorgen, schützen und um sich selbst genauso kümmern wie Handelspartner in der Region, so Hollingshead.

Die Nineveh-Ebene liegt zwischen Mossul im Westen und dem irakischen Kurdistan im Norden und Osten. Sie wäre für Hollingshead der geeignete Ort: Christen, die dort seit vielen Jahrhunderten leben, könnten die fruchtbare Ebene weiter landwirtschaftlich nutzen, sich selbst verwalten und vor aggressiven schützen.

Auch dieser Plan hat viele Variablen, räumt Hollingshead ein. Das sind einmal die kurdischen Peschmerga. Sie würden die Ebene einfach annektieren, sobald der IS besiegt wurde, wenn man sie ließe, so Hollingshead. Deshalb müssten Christen und Jesiden auch mit eigenen Kampfverbänden an der Bezwingung des IS beteiligt werden. Nur so wären sie gleichberechtigte Partner bei Friedensverhandlungen.

„Ich glaube, dass die Kurden bereit wären, eine Vereinbarung zu treffen – und ich bitte die USA, eine solche Verhandlung zu führen“, fuhr er fort. Hollingshead ist überzeugt: Die Kurden wären dazu bereit, ihren Anspruch auf die Ebene gegen eine Anerkennung ihres eigenen Rechts auf Selbstbestimmung durch die USA einzutauschen.

Eine solche Lösung ist alles andere als gewährleistet: Christen der Region haben nicht vergessen, dass ich die Kurden am Vökermord gegen die assyrischen Christen vor einem Jahrhundert beteiligten. Und sie sind bis heute argwöhnisch den Peschmerga gegenüber, betont Naomi Kikoler, stellvertretende Direktorin des Simon Skjodt Zentrums für die Prävention von Völkermord am US Holocaust Memorial Museum.

„Religiöse Minderheiten haben weiterhin wenig Vertrauen in die irakischen Sicherheitskräfte und die kurdischen Peschmerga. Sie werfen ihnen vor, sie im Stich gelassen zu haben, als der IS die Niniveh-Ebene angriff“, sagte Kikoler in einem schriftlichen Statement, dass am 26. Mai vor dem House Foreign Affairs Committee verlesen wurde.

„Viele haben weiterhin den Eindruck, als Bauern im politischen Schachspiel zwischen der irakischen Regierung und der kurdischen Regionalregierung um die umstrittenen Regionen verwendet zu werden“. Mit der Folge, dass sich religiöse Minderheiten darüber Sorgen machen, von wem und wie ihre Heimat regiert werde, sollten sie je zurückkehren.

Doch der Plan, darauf beharrt Hollingshead, ist möglicherweise die beste Chance für Christen und Jesiden auf eine langfristig sichere und stabile Heimat in der Region. „Man schiesst nicht auf Leute, mit denen man Handel treibt“, so Hollingshead. Wenn zwischen assyrischen Christen, Kurden und anderen gute Wirtschaftsbeziehungen gegenseitigen Wohlstand sicherten, dann führe dies zu Stabilität und Sicherheit.

So wie der Sindschar-Berg vom Islamischen Staat befreit wurde: So könnten, Schritt für Schritt, auch die Dörfer der Christen und Jesiden befreit werden, meint Hollingshead; durch kurdische, christliche und jesidische Kampftruppen, mit Unterstützung aus der Luft durch US-Streitkräfte. Mit Startkapital ausländischer Investoren könnten neue Betriebe und dadurch Arbeitsplätze entstehen. Ob und wie ein solcher Plan umsetzbar ist und wirklich umgesetzt werden könnte, ist freilich noch unklar – so oder so müßten Experten der internationalen Gemeinschaft, und vor allem der USA, die Region weiterhin sehr genau beobachten. (CNA Deutsch)

Louis Raphael Sako: Marschiert endlich ein!

Patriarch SakoDie Situation der Christen im Nahen Osten wird immer bedrängender, auch Papst Franziskus weist immer wieder mit bewegenden Worten darauf hin, dass seine Gedanken und Sorgen mit den Glaubensbrüdern in den von Krieg und Terror gemarterten Gebieten sind. Religiöse Minderheiten, und unter ihnen insbesondere die Christen, werden unaufhörlich Opfer von Verfolgung und Gewalt. Der sogenannte Islamische Staat, eine Terrororganisation ohne Beispiel in der jüngeren Geschichte, ist für unfassbare Gräueltaten in den von ihm besetzten Gebieten verantwortlich. Immer mehr Menschen entscheiden sich deshalb dafür, ihrem Heimatland den Rücken zu kehren. Mittlerweile hat der Terror des IS auch Europa erreicht, doch die Iraker und auch die christlichen Minderheiten leiden unter diesem Terror schon seit Jahren. Sie fühlen sich von der Internationalen Gemeinschaft im Stich gelassen und einer marodierenden Mörderbande ausgeliefert.

Grund genug für den chaldäisch-katholischen Patriarchen Louis Raphael Sako I., der in Bagdad lebt und wirkt, einen flammenden Appell an die Weltöffentlichkeit zu richten, der aufhorchen lässt: „Marschiert endlich ein!“ ist das Buch betitelt, in dem er seiner Sorge um die Situation der Christen (und nicht nur) im Nahen Osten Ausdruck verleiht und ein beklemmendes Bild der Lage vor Ort zeichnet. Dabei geht er weiter zurück in die Geschichte seiner Heimat, eine beginnende Islamisierung bereits unter Saddam Hussein, die gravierenden Fehler der USA nach ihrem Einmarsch 2003, sowie eine packende Schilderung der Flucht der Christen aus Städten wie Mossul nach der Eroberung des IS sowie dessen brutaler Übergriffe während Gottesdiensten.

Er spricht offen von Völkermord im Irak und erinnert die Internationale Gemeinschaft an die Verantwortung, die sie für die Menschen in den vom Islamischen Staat besetzten Gebieten hat. Für ihn gibt es zu einem militärischen Einsatz keine Alternative, denn: „Wenn man diesen Terrorschwadronen keinen Einhalt gebietet, können sie innerhalb von einigen Monaten die kulturelle und religiöse Vielfalt in meinem Land auslöschen, weil keiner mehr ein Weiterleben in Todesangst ertragen kann. Mit den Barbaren des IS gibt es kein Verhandeln und keinen Dialog. Absolute Kompromiss- und Erbarmungslosigkeit kennzeichnen sie,“ so schreibt er selbst im Vorwort zu seinem Buch.

Eine über 2000-jahre alte Geschichte des fruchtbaren Zusammenlebens zwischen Christen und anderen Glaubensgemeinschaften in den Gebieten, in denen die Frohe Botschaft zuerst erklungen ist, könnte in den heutigen Tagen zu einem Ende kommen. Dieser Gefahr für den Nahen Osten und die gesamte Menschheit entgegen zu wirken – das ist der Wunsch des Patriarchen, für den er um tätige Hilfe der gesamten Weltgemeinschaft bittet.

„Marschiert endlich ein! Stoppt die Ermordung der Christen im Nahen Osten. Ein Aufschrei aus Bagdad“ von Raphael Louis Sako ist im Herder-Verlag erschienen und kostet etwa 15 Euro. (rv)

Wird die USA Schritte unternehmen, um die Opfer des IS-Völkermords zu schützen?

cna_DawosijaWASHINGTON – Nachdem die USA den Völkermord an Christen und anderen Minderheiten durch den Islamischen Staat (IS) anerkannt haben, werden sie etwas dagegen unternehmen?

Das war die Frage einer Anhörung des US-Kongresses vor einer Menschenrechtskommission in Washington. Die Anhörung könnte indirekt auch Druck auf Verantwortliche in Deutschland ausüben, konkrete Maßnahmen gegen den andauernden Genozid zu ergreifen.

„Diese Verbrechen beim Namen zu nennen heißt nicht auch gleich, dass Gerechtigkeit die Oberhand behält“, sagte Frank Wolf, einer ehemaliger Kongress-Abgeordneter, in seiner Aussage.

Das Außenministerium der USA erklärte am 17. März die Verbrechen des IS — auch bekannt als ISIL oder Daesh — in Syrian und Irak zum Völkermord an Christen, Jesiden und Schiiten. Diese Anerkennung folgte ähnlichen Anerkennungen der Europäischen Union, des US Kongresses und weiterer Institutionen.

Carl Anderson, Oberster Ritter der Knights of Columbus, der größten Laienvereinigung katholischer Männer, sagte aus, es gebe zwei Arten von Völkermord: Physischen und spirituellen. Den religiösen Minderheiten im Irak drohe beides. Sie „fühlten sich total verlassen“, als der Islamische Staat begann, sein Territorium durch Eroberungen auszudehnen. Mit der Anerkennung des Genozids zeige die USA den Menschen, dass „sie nicht die Hoffnung verlieren sollten“, sagte das Oberhaupt der Kolumbusritter.

Auf die schieren Zahlen verwies in seiner Aussage der Vorsitzende der US Kommission über Internationale Religionsfreiheit, Robert George. Etwa 3,4 Millionen Menschen sind Binnenflüchtlinge im Irak und Syrien; weitere 4.8 Millionen Flüchtlinge halten sich in Nachbarländern auf.

Die geographische Ausweitung des Islamischen Staates, so Dr. George, stelle eine Bedrohung der religiösen Minderheiten in der gesamten Region dar. Wo auch immer der Islamische Staat an Boden gewinne, „werden alle Freiheitsrechte ausgelöscht“.

Was also kann ein Land tun, um Minderheiten vor der Verfolgung und Ermordung besser zu schützen?

Zum einen müsse die USA Pläne für die Befreiung von Städten und Gemeinden im Norden des Irak erstellen, so Kolumbusritter Anderson. Dabei sei wichtig, dass die Truppen nicht als den IS nur austauschende Besatzer wahrgenommen würden, sondern integriert seien.

Zweitens könne die USA auch sicherstellen, dass Hilfsmittel, die an die Kurdische Regionalregierung gesendet werden, „auch tatsächlich“ die Vertriebenen erreiche. Die Opfer des Völkermords, die nach Kurdistan entkommen sind, bräuchten zudem Zugang zu Schulen und Arbeit.

Nur drei Prozent der Flüchtlinge Opfer des Genozids

Überlebende des Völkermords dürften auch nicht „in der Schlange hinten anstehen“ müssen, wenn es darum gehe, Flüchtlinge aufzunehmen. Anderson wies darauf hin, dass von den 1.366 Flüchtlingen, welche die USA im Finanzjahr 2016 aus Syrien aufnehme, nur drei Prozent Überlebendes des IS-Völkermords seien.

Auch unter den Migranten und Flüchtlingen, die in Millionenhöhe nach Europa strömen, sind die wenigsten vom IS verfolgte Christen. Die Mehrzahl, über 70 Prozent sogar, sind muslimische Männer.

Die USA müsse Christen helfen, sich in sicheren Ländern niederzulassen. Aber sie müsse auch jene unterstützen, die bleiben wollen, so Anderson. Es sei auch im Interesse der USA, die christlichen Gemeinschaften im Nahen Osten intakt zu halten. Der religiöse Pluralismus werde vernichtet, wenn sie alle fliehen sollten.

Der Mangel an Religionsfreiheit und Pluralismus seien „genozidale Vorboten“ des Islamischen Staates, fuhr Anderson fort. Die USA könne den IS nicht schlagen, ohne diese Probleme zu lösen. Religiöse Minderheiten könnten nicht Menschen „zweiter Klasse“ sein. Das Heilmittel dagegen seien „volle Gleichberechtigung in Gesetz und Praxis“.

Widerstand gegen Erklärung zu „Countries of Particular Concern“

Carl Anderson forderte, dass das Außenministerium Syrien und den Irak zu „Ländern die besondere Besorgnis erregen“ deklariert. Dieser Status von „Countries of Particular Concern“ ist wichtig, denn er kann zu politischen Konsequenzen führen, etwa wirtschaftlichen Sanktionen. Er wird für Länder verwendet, in denen „systematische, andauernde, und schwere Verstöße gegen die Religionsfreiheit“ verübt oder von der Regierung toleriert werden.

Doch wenige Momente vor der Anhörung hatte Rabbi David Saperstein verteidigt, dass dies bislang nicht der Fall ist. Saperstein ist Ambassador-at-Large für Internationale Religionsfreiheit. Seine Begründung: Das Gesetz „spricht nicht über nicht-staatliche Akteure“, welche solche Verbrechen begingen, sondern nur über Regierungen, so der Botschafter. Die irakische Regierung habe „klar sich bemüht, Daesch [den Islamischen Staat] aufzuhalten“. Die Agentur werde jedoch diese Situation neu prüfen.

Robert George betonte, die US-Regierung könnte sich zum Ziel setzen, 100.000 syrische Flüchtlinge aufzunehmen. Doch diese müssten „strengstens geprüft“ und „nach Verwundbarkeit priorisiert“ werden, so Dr. George. Die Öffentlichkeit müsse zudem einen solchen Schritt unterstützen. Dies sei nicht der Fall, wenn die nationale Sicherheit nicht gewährleistet sei. Die Öffentlichkeit sei nicht grausam, und ihr fehle es auch nicht an Mitleid. Sie haben gerechtfertigte Sorgen über die Sicherheit, räumte George ein. Doch diese könnten durch entsprechende Vorsichtsmaßnahmen ausgeräumt werden. (CNA Deutsch)

Besuch im Irak: „Es braucht einen inneren Aufbau“

Erzbischof SchickSyrien erwartet von Europa Hilfe, aber es muss Hilfe zur Selbsthilfe sein. Diese Botschaft bringt der Weltkirchenbeauftragte der deutschen Bischöfe, Erzbischof Ludwig Schick, von einem Besuch in Damaskus mit. An diesem Mittwoch ist er von dort wieder abgereist, er wollte ein Zeichen der Solidarität mit den Christen im Land setzen, so Schick.

Hilfe zur Selbsthilfe – das bedeute vor allem eine andere Politik. „Das ist ja ein Problem der letzten Jahrzehnte, dass sich im Nahen Osten die West-Mächte USA und Europa nur zu ihren Interessen engagiert haben. Die USA und Europa müssen sich endlich für die Interessen der Syrer interessieren,“ so Schick, mit dem wir in Beirut sprachen. Natürlich müsse auch Geld zum Wiederaufbau fließen, „das wird viel Geld kosten.“

Schick berichtet von einer Stadt Damaskus, in der der Krieg sichtbar sei, in der es Straßensperren und überall Bewaffnete gibt, trotzdem wundere man sich, dass das Leben in Damaskus einigermaßen weiter geht. „Im Augenblick ist es verhältnismäßig ruhig, die Waffenruhe hält.“

Wichtig für die Menschen sei, dass Hoffnung bewahrt oder wieder aufgebaut werde, „Es gibt noch Hoffnung, aber auch viel Sorge, wie es mit dem Land weiter geht“, sagt Schick. In den Begegnungen mit der Kirche vor Ort habe man ihm immer wieder gesagt, dass die wichtigste Botschaft sei, Hoffnung zu machen, dass Krieg, Terror und Tod nicht das letzte Wort haben.

Der Besuch galt den Christen im Land, Solidarität sei sehr wichtig für die Menschen dort. „Den Christen geht es natürlich nicht gut, viele sind weggegangen. Wir haben auch etliche Caritas-Projekte besucht. Die Kirche hilft den Menschen – auch unabhängig von Religion – die vertrieben wurden und jetzt in den sicheren Gebieten Unterkunft suchen.“ Es gebe unter diesen Menschen viel Krankheit, um die man sich kümmern müsse. Diese Menschen seien verzweifelt.

„Alle hoffen natürlich, dass die Verhandlungen in Genf weiter gehen und dass nach dem Waffenstillstand nun dauerhafte Friedensverhandlungen begonnen werden. Die Menschen hoffen, dass sich alle daran beteiligen und dass dann auch wieder eine Zivilgesellschaft aufgebaut werden kann.“ Es gebe das Kurzzeitziel Waffenstillstand, dann beginne erst die echte Arbeit, der Wiederaufbau. Sehr viel vor allem an Infrastruktur ist zerstört. „Dann braucht es auch noch einen inneren Aufbau, es muss sehr viel Bildungsarbeit geleistet werden, die dann auch Solidarität, Verständnis, Toleranz und Akzeptanz wieder in die Gesellschaft hinein bringt.“ Auch das sei alles in den fünf Jahren Bürgerkrieg zerstört worden, berichtet Schick. Die Christen seien bei diesem Wiederaufbau sehr wichtig, das sei zu spüren, es sei bedeutsam, dass Christen blieben oder wieder zurück kämen. Erzbischof Schick zeigte sich beeindruckt vom Engagement der katholischen Kirche in Syrien: „Hier wird eine Arbeit geleistet, die ihresgleichen sucht. Bei meinen Gesprächen gerade mit jungen Syrerinnen und Syrern habe ich gespürt, dass diese Generation die künftige Zivilgesellschaft mit aufbauen will. Besonders die Priester und Ordensleute bleiben bewusst im Land. Gerade die Priester haben eine hohe Akzeptanz in der Gesellschaft. Mein Appell ist: Der Nahe Osten darf nicht zur christenfreien Zone werden!“

Die Reise geht für den Erzbischof nun weiter, und zwar nach Jordanien, aber auch dort geht es weiter um das Thema Syrien, denn auch dort besuche er Flüchtlinge. Die Wenigsten seien ja nach Europa unterwegs, die Meisten blieben in der Region, in Lagern im Libanon und in Jordanien. Auch hier gelte es, die Hilfe – auch der deutschen Kirche – noch einmal zu verstärken. (rv)

Irak: Christen wünschen sich Besuch von Papst Franziskus

Patriarch SakoDie Christen im Irak erwarten einen Besuch von Papst Franziskus. Das sagt der chaldäische Patriarch von Bagdad, Louis Raphaël I. Sako. Radio Vatikan interviewte ihn in der süditalienischen Stadt Jelsi, Region Molise, wo der irakische Patriarch am Montagabend einen internationalen Preis zur Verteidigung von Minderheiten entgegennahm. Papst Franziskus hatte im vergangenen Jahr angekündigt, er wäre dazu bereit, an die Ränder des „Islamischen Staates“ zu reisen, um mit den verfolgten Christen dort zu beten. Patriarch Sako:

„Wir brauchen seine Anwesenheit unter uns, damit er uns Kraft und Hoffnung gibt, nicht nur den Christen, sondern allen. Der Papst ist ein Symbol nicht nur für die Christen. Er ist internationale eine spirituelle und moralische Autorität, und alle warten auf seine Anwesenheit unter uns. Das könnte uns so viel Kraft geben, auszuharren und nicht aufzugeben.“

Der internationalen Staatengemeinschaft hingegen wirft der Patriarch von Bagdad Versagen und Egoismus vor. Die westlichen Länder betrieben „eine Politik, die nur ihr wirtschaftliches Interesse sucht und nicht das Wohl der Menschen“, so Sako. „Sie suchen nicht den Frieden“. Ein Grundübel ist aus seiner Sicht der internationale Waffenhandel. „Waffen herzustellen, heißt auch, Krieg herzustellen.“ Um den Terror des sogenannten „Islamischen Staates“ zu bekämpfen, brauche es freilich eine breite internationale Allianz. Der „IS“ sei tatsächlich ein Staat, erklärte der chaldäische Patriarch: „Er hat Geld, verkauft Öl, hat Waffen und viele Dschihadisten, die immer mehr werden.“

Es brauche aber nicht nur eine Erneuerung der Politik und der Wirtschaft, sondern auch eine Erneuerung des Islam, verdeutlichte Sako. „Die Muslime müssen eine neue Lesart des Islam finden, um die positive Botschaft für das menschliche Leben zu entdecken, den Respekt der Würde des Menschen.“ (rv)

Kardinal Filoni: Irak braucht eine neue Logik des Zusammenlebens

Kardinal FiloniEine gute Lösung für die Menschen im Irak und damit auch für die Christen ist kaum mit europäischen Vorstellungen von Staaten und Grenzen zu lösen, diese Logik führe nur zu Machtfragen, nicht aber zu gegenseitigem Respekt. Das sagt Kardinal Fernando Filoni, so etwas wie die Autorität im Vatikan zu Fragen der Christen im Nahen Osten. Zwei Mal war er im Auftrag von Papst Franziskus zu Besuch bei den Christen im Irak, während des zweiten Golfkrieges 2003 war er als Nuntius im Land gewesen und hatte als einziger westlicher Diplomat dort ausgeharrt. Jetzt hat der Präfekt der Missionskongregation ein Buch über die Christen im Irak vorgelegt. „Es ist klar, dass wir uns bei einer modernen Vorstellung von Staat fragen müssen, welche Zukunft der Irak haben kann, der so, wie wir ihn kennen, ja erst 1920 entstanden ist“, erklärt Kardinal Filoni im Interview mit Radio Vatikan. „Nach dem letzten Golfkrieg hat sich der Irak politisch gewandelt, aber die religiösen und politischen Identitäten sind geblieben.“

Ein Ergebnis sei der gegenwärtige Krieg, unter dem vor allem die Minderheiten, darunter die Christen, leiden. „Der Papst hat eine große Rolle gespielt, und alle dort erkennen an, dass er die weltweite Aufmerksamkeit auf diesen Bürgerkrieg und so auf das Schicksal der Christen, die dort vertrieben werden, fokussiert hat.“ Christen, Jesiden und andere Minderheiten seien die Opfer der Vertreibungen, davon habe er sich mehrfach selber überzeugen können, erklärte Filoni.

„Viele Muslime erkennen das Geburtsrecht der Christen an, hier zu sein“

„Die Christen sind integraler Teil der Geschichte des Nahen Ostens und besonders der Geschichte des Iraks. Mir hat man oft gesagt ‚Ihr Christen habt das Geburtsrecht hier, wir sind nachher gekommen, sowohl als Muslime als auch als Menschen, die nachher zugereist sind’. Der Irak war immer ein Durchzugsgebiet, in dem viele Menschen dann blieben. Viele Muslime erkennen an, dass die Christen das Geburtsrecht haben, hier zu bleiben.“

Eine entscheidende Phase der irakischen Geschichte ortet Kardinal Filoni in der Zwischenkriegszeit, als Europa – glücklos – seine Vorstellungen zu Staat und Grenzen nach Nahost exportierte. Durch die europäischen Mächte nach dem Ersten Weltkrieg habe sich im Nahen Osten Druck aufgebaut, erklärt Filoni. Länder wie Syrien, der Irak, der Libanon oder Saudi Arabien seien von Europa aus erst gebildet worden. „Es sind keine Orte mit einer langen Tradition von einheitlichen Staaten. Viele Ethnien und Religionen lebten dort zusammen. Und der Druck entstand dann mit der im Westen ausgedachten Staatenbildung, denn die entsprach nicht den örtlichen Bedürfnissen. Das ist nie überwunden worden.“ Kämpfe um Macht und die gegenseitigen Ansprüche und Forderungen prägten die politische Landschaft, so fühlten sich etwa die Kurden verraten, weil sie keinen eigenen Staat bekommen hätten.

Irak braucht eine neue „Logik des Zusammenlebens“

Die Christen hätten immer mitten in alldem gelebt, sie hätten aber niemals im Irak Gebietsansprüche erhoben, betont Filoni. Ihre Wünsche seien immer gewesen, dort nach ihren Traditionen leben zu können, wo sie waren. Aber das seien keine politischen oder administrativen Forderungen gewesen. „Wir müssen aus der Logik heraus, in der man sich nur mit den Grenzen von Staaten identifiziert und in eine Logik des Zusammenlebens hinein, wo es tiefen Respekt vor dem jeweils anderen gibt. Und das ist dann keine Toleranz, sondern der Respekt vor den Rechten der Anderen. Toleranz ist nur etwas, was ich gewähre. Wenn wir zu einer neuen Logik kommen, welche die Rechte aller anerkennt, die Menschenrechte, die sozialen Rechte, die politischen Rechte, dann kann daraus ein Zusammenleben entstehen.“

Leider herrsche im Augenblick eine Logik, in der die jeweilige Mehrheit ihre Macht wie in einer Diktatur ausübe. „Hier muss es einen Mentalitätswechsel geben, aber dafür braucht es Zeit." Die Basis dazu sei aber etwas, das im Irak zur Zeit radikal fehlt. Filoni: „Wenn es keinen Frieden gibt und wenn der gute Wille nicht da ist, dann bleiben der Irak und der gesamte Nahe Osten Gegenden, in denen es sehr schwer ist, zu leben.“ (rv)

Irak: Bischof fordert mehr Schutz für Christen

Erzbischof Louis SakoNicht nur wegen IS: Die chaldäische Kirche im Irak fordert mehr Schutz für Christen. Neben den terroristischen Attacken der IS-Milizen seien Christen auch vermehrt Zielscheibe von kriminellen Banden geworden. Dazu warnt der chaldäische Patriarch Louis Sako in einem Interview mit Radio Vatikan.

„Natürlich leiden nicht nur wir Christen im Irak. Doch die Christen sind eine besonders schwache Minderheit geworden und vor allem ein klares Zielobjekt von Böswilligen, weil wir eben ungeschützt sind. Leider ist die Regierung in Bagdad damit beschäftigt, die Städte Anbar, Ramadi und Mosul zu befreien. Da die Armee also vor allem dort im Einsatz steht, sind nun ,Mafiosi´ in die anderen Gegenden gekommen, vor allem dort aber, wo Christen leben.“

Diese Kriminellen würden Christen bestehlen, um sich dann davon Waffen zu kaufen, so Sako. Allein in den vergangenen zwei Wochen seien vier Christen entführt worden und durch eine Lösegeldforderung wieder auf freien Fuß gesetzt worden. Es sei traurig, wie „anarchisch“ das Land geworden sei, fügt der Patriarch an.

„Es ist ein Skandal, dass die internationale Staatengemeinschaft nicht in der Lage ist, etwas dagegen zu tun. Sie schaut nur tatenlos zu, ohne mahnende Worte zu äußern. Es braucht doch unbedingt eine seriöse Handlung, um den IS zu stoppen. Der ganze Nahe Osten braucht Ordnung. Ich denke an den Iran, Libyen, Syrien, Jemen oder den Libanon. Viele Christen flüchten nach Europa, aber sie kennen die dortigen Sprachen, Kulturen und Bräuche nicht und leben oft auch isoliert. Es ist einfach nur traurig.“ (rv)