Über 50 Kirchen und Klöster in der Türkei enteignet: „Stehen vor Auslöschung“

ANKARA – Die Türkei hat im Südosten des Landes mehr als 50 Kirchen und Klöster sowie deren Liegenschaften und Friedhofsgrundstücke beschlagnahmt. In der Region leben seit fast 2000 Jahren aramäische Christen, die auch noch die Sprache Jesu sprechen.

Nach Angaben des Bundesverbandes der Aramäer in Deutschlandwurden sie der türkischen Religionsbehörde „Diyanet“ übertragen, so das päpstliche Hilfswerk „Kirche in Not„.

Ihr Vorsitzender, Daniyel Demir, sprach gegenüber der Evangelischen Nachrichtenagentur „idea“ von einem beispiellosen Vorgang. Die Entwicklung im Kernland des Christentums sei dramatisch. Eine solche Enteignungswelle habe es noch nicht gegeben. Nun könne die Behörde aramäisches Kulturerbe aus den frühen Jahrhunderten „an Dritte veräußern, in Museen verwandeln oder auch zu Moscheen umwidmen“. Es sei zudem unklar, ob die Christen künftig eine Genehmigung beantragen müssen, wenn sie in ihren Kirchen Gottesdienst feiern wollen. Die Stiftung des syrisch-orthodoxen Klosters Mor Gabriel in der südosttürkischen Region „Tur Abdin“ (Berg der Gottesknechte) bereite Klagen gegen das Vorgehen des türkischen Staates vor: „Die Christen sind entschlossen, das Ganze bis an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu tragen.“ Die aramäische Minderheit sei im „Tur Abdin“ bereits stark zurückgegangen. Mittlerweile lebten in der Region nur noch 2.000, in der gesamten Türkei rund 20.000. Demir: „Wir rufen die Bundesregierung auf, den Aramäern zur Seite zu stehen“, meldet „Fides“.

Dem Ausverkauf ausgeliefert

Kirchen und Klöster in der Türkei wurden beschlagnahmt und dem staatlichen islamisch-sunnitischen Religionsamt überschrieben.

Sie zählen zu den ältesten christlichen Gemeinden der Welt, ihre Zahl ist wie die aller Christen im Nahen Osten zuletzt stark geschrumpft, und jetzt werden ihnen auch ihre letzten Besitztümer genommen: die syrisch-orthodoxen Aramäer oder Assyrer in der Türkei, deren Siedlungsgebiet in der südostanatolischen Region Tur Abdin liegt. Ihnen gehören dort hunderte uralter Kirchen und Klöster. Nun enthüllte die türkisch-armenische Zeitung „Agos“ aus Istanbul, dass der türkische Staat in einer beispiellosen Enteignungsoperation mindestens 50 frühchristliche Monumente beschlagnahmt und dem staatlichen islamisch-sunnitischen Religionsamt Diyanet überschrieben hat; dutzende weitere Enteignungen sollen laut dem Bericht folgen. Die frühchristlichen Bauten sind damit dem Ausverkauf und möglicherweise der Zerstörung ausgeliefert.

Praktisch vor der Auslöschung

„Agos“ gegenüber bestätigte das Gouverneursamt der zuständigen Provinz Mardin die Beschlagnahmungswelle, die Kirchen, Klöster, Friedhöfe und Ländereien betrifft.

Damit stehen die christlichen Gemeinden Anatoliens, die ihre Existenz auf die Zeit der Apostel zurückführen und während des Völkermords von 1915 im Osmanischen Reich hunderttausende Opfer zu beklagen hatten, praktisch vor der Auslöschung.

Viele Aramäer verließen ihre angestammten Siedlungsgebiete bereits in den 1990er Jahren, als der Bürgerkrieg zwischen der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK und dem türkischen Staat seinen Höhepunkt erreichte. Heute leben nach Angaben ihres deutschen Bundesverbandes in der EU 350.000 und in Deutschland 150.000 Aramäer. In Tur Abdin blieben nur noch 2000 bis 3000 Christen, die versuchen, ihre religiösen Stätten zu bewahren.

Zum Opfer der aktuellen Enteignungen wurde auch das berühmteste Kloster der Türkei, Mor Gabriel aus dem Jahr 397, nahe der Stadt Midyat. Die Abtei ist eine der weltweit ältesten und eine der wenigen, die seit mehr als 1600 Jahren aktiv genutzt werden. Die Kloster-Stiftung wurde selbst während der Enteignungen von Minderheitenbesitz nach Gründung der Republik Türkei 1923 gesetzlich geschützt. Kaum eine Stiftung religiöser Minderheiten in der Türkei verfügt über so umfangreiche staatliche Schutzurkunden.

Das alles soll nun offenbar nicht mehr gelten. „Mit dem Gesetz von 2002 konnten wir einige Grundstückstitel sichern, die auf den Namen unserer Stiftung lauteten, für andere lief der juristische Prozess“, zitierte „Agos“ den Stiftungsvorsitzenden Kuryakos Ergün. „Es war uns aber nicht möglich, alle Besitztümer einzuklagen. Gleichzeitig wurden neue Grundbücher angelegt, und die Katasterämter ignorierten die Gesetzgebung“, so Kirche in Not unter Berufung auf die „Wiener Zeitung“. (CNA Deutsch)

„EU-Türkei-Deal funktioniert nicht“

TürkeiNach wie vor kommen Flüchtlinge aus Syrien und dem Irak über die Türkei nach Griechenland. Der EU-Türkei-Deal aber, der ihre Verteilung in der EU regulieren soll, steht auf der Kippe. Die türkische Regierung droht immer wieder damit, den Flüchtlingspakt mit der EU platzen zu lassen, wenn die versprochene Visafreiheit nicht kommt. Die EU hingegen fordert als Ausgangsbedingung die Einhaltung der Menschenrechte im Land. Wie aber geht es den Flüchtlingen in Griechenland, die Gegenstand dieser Verhandlungen sind? Darüber sprach Radio Vatikan mit dem italienischen kirchlichen Migrations-Experten Giancarlo Perego. Der Geistliche ist Direktor der bischöflichen Stiftung Migrantes.

„Die Lage ist dramatisch, 70 Prozent der Menschen leben nicht mal in den Flüchtlingslagern oder vorgesehenen Einrichtungen. Der Schutz der Menschenrechte steht auf dem Spiel. Der EU-Türkei-Pakt ist ohnehin schon ein Rückschritt, was die Rechte von Migranten angeht, doch jetzt ist ihr Schutz noch mehr in Gefahr. Die Hälfte dieser gefährdeten Personen sind Kinder und Minderjährige. Europa bräuchte mehr Garantien für die Grundrechte der Asylbewerber und Flüchtlinge.“

Der Streit zwischen EU und Türkei dreht sich insbesondere um die Visafreiheit für türkische Staatsbürger, die als Gegenleistung für die Regulierung der Migration aus der Türkei nach Europa versprochen wurde. Die Türken machen Druck, damit die Visafreiheit baldmöglichst eingeführt wird, die EU hingegen fordert als Bedingung unter anderem die Einhaltung der Menschenrechte, die nach dem Putschversuch gegen Erdogan und durch seinen radikalen Staatsumbau besonders bedroht sind.

„Das Abkommen hat von vornherein schlecht funktioniert und funktioniert immer noch schlecht, vor allem was den Schutz der Rechte der Migranten angeht. Viele Hilfsorganisationen, etwa Caritas Europa oder Ärzte ohne Grenzen, weisen immer wieder auf die dramatische Situation der Flüchtlinge hin. Und sie hat sich jetzt noch weiter verschlechtert.“

Dennoch glaubt Perego nicht, dass jetzt ein Ende des EU-Türkei-Abkommens bevorsteht. Zu hoch seien die Interessen der beiden Partner, dabei das Gesicht zu wahren und zu demonstrieren, dass sie die Situation unter Kontrolle halten können. Dennoch wäre ein Plan B sinnvoll, findet er.

„Das wünschen wir uns: dass Europa eine Quotenverteilung der Flüchtlinge einführt, und dass es Asylrecht und ein nationales Asylsystem in allen 27 Mitgliedstaaten schafft, denn in fast 20 Mitgliedstaaten fehlt es daran noch. Auch warten wir noch immer auf die Umverteilung von rund 160.000 Flüchtlingen aus Griechenland und Italien in andere EU-Staaten, die im Herbst 2015 vereinbart wurde und von denen bislang nur wenige Tausend verteilt wurden. Vor allem müssten die EU-Länder jetzt aber humanitäre Korridore einführen, um Massenfluchten zu vermeiden und vor allem Schleppern und terroristischen Organisationen wie dem Islamischen Staat das Handwerk zu legen.“ (rv)

Vatikan zu Türkei: „Das sind keine guten Entwicklungen“

Kardinal Parolin„Das sind keine guten Entwicklungen, sondern Grund zur Sorge für jeden”: Mit diesen Worten kommentierte Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin die aktuelle Situation in der Türkei. „Die Spannungen in der Welt nehmen zu und solche Spannungen sind kein guter Ausgangspunkt für die Lösung von Problemen“, so Parolin weiter. Er antwortete auf Fragen von Journalisten am Rande einer Feierstunde im Vatikan. „Wir hoffen, dass die Klugheit und die Menschlichkeit siegen werden und den Menschen helfen, die richtigen Lösungen zu suchen und zu finden.“

Bereits vor zwei Tagen hatte Parolin betont, dass eine Lösung für die aktuelle Krise beim Respekt vor dem Menschen und seiner Würde beginnen müsse, „sonst erleben wir immer wieder solche Situationen des Hasses, der Gewalt und der Entzweiung, die zunehmen“, so Parolin vor zwei Tagen. Als Kardinalsstaatssekretär ist Parolin der zweite Mann im Vatikan und Leiter der Diplomatie des Heiligen Stuhls. (rv)

Armenien: Hoffen auf Friedensstifter Papst

Logo ArmenienIn knapp drei Wochen geht Papst Franziskus auf seine nächste Auslandsreise: Vom 24. bis zum 26. Juni bereist er Armenien, ein Land, in dem „der erste Völkermord des Jahrhunderts stattgefunden“ hat, wie der Papst selbst sagte. Auch der Deutsche Bundestag hat letzte Woche das Massaker der ottomanischen Truppen 1915 an den christlichen Armeniern in einer umstrittenen Bundestagsresolution als Völkermord gebrandmarkt. Die Türkei als Nachfolgerin des Osmanischen Reichs sprach von einer historischen Fehlentscheidung des deutschen Parlaments.

Umso wichtiger in diesen Tagen der aufflammenden Diskussion ist jedoch der Geist der Versöhnung, den man sich von der Papstvisite in dem Land verspricht. Nareg Naamo ist der Rektor des päpstlichen armenischen Kollegs in Rom. Er hofft im Interview mit Radio Vatikan darauf, dass der Papst mit seinem Besuch einen wichtigen Beitrag zum Frieden in der gesamten Region leisten kann.

„Bei seinen Besuchen hat man immer wieder sein Charisma beobachtet, das im Geist, aber auch menschlich Veränderungen hervorruft. Und der Papst wird ja auch einen Friedensbesuch abstatten, nicht nur in Armenien, sondern in den kommenden Monaten auch in Georgien und in Aserbaidschan, zwei Länder, die keine guten Beziehungen zu Armenien haben – insbesondere Aserbaidschan. Deshalb erhoffen wir uns von diesem Besuch viele Früchte….“

Die Menschen in Armenien sind dem Papst dankbar, erzählt der Geistliche, dankbar nicht erst seit gestern. Vor gut einem Jahr, am 12. April 2015, feierte Franziskus zum 100-Jahrtag des Massakers an armenischen Christen im Petersdom eine Messe im armenischen Ritus. Im Zug der damit verbundenen Begegnungen luden der Staatspräsident und die Oberhäupter der katholischen und apostolischen armenischen Kirche den Papst in ihr Land ein.

Auch die ökumenischen Beziehungen der katholischen zur apostolischen armenischen Kirche könnten wichtige Impulse erhalten, ist sich Rektor Naamo sicher: „Unserem Volk, das in den vergangenen Jahren sehr aufgrund seines Glaubens, seiner Treue zur katholischen Kirche gelitten hat, wird sein Besuch einen Hauch von Hoffnung geben, einen Hauch von Liebe: Er ist der Vater, der seine Kinder besucht. Wir wissen sehr gut, dass die armenische apostolische Kirche, auch wenn sie nicht mit Rom uniert ist, der katholischen Kirche sehr nahe ist: sie hat viele Märtyrer, Theologen und Kirchenlehrer hervorgebracht, insbesondere letztes Jahr mit der Anerkennung des Heiligen Gregor von Narek als Kirchenlehrer durch Papst Franziskus.“ Alle diese Gaben, die die katholischen Kirche auch den nicht mit ihr unierten Kirchen schenke, ließen große Hoffnungen für das ökumenische Leben im Land zu. Doch es gebe noch zahlreiche andere Probleme des konkreten täglichen Lebens, die den Papst erwarteten, so der Rektor:

„Es ist ein historischer Besuch für uns Armenier, aber auch ein Besuch, der viele Themen vereinigt: sei es religiöser, ökumenischer oder vor allem auch politischer Natur. Die Region, die der Heilige Vater besuchen wird, wurde vor einigen Jahren von einem schlimmen Erdbeben getroffen, das tausende Todesopfer forderte und viel Schaden anrichtete. Bis heute gibt es zahlreiche Obdachlose. Deshalb ist der Besuch des Papstes sehr wichtig auf politischer und internationaler, aber auch auf menschlicher und religiöser Ebene.“ (rv)

Italien: Sant´Egidio kritisiert EU-Türkei-Abkommen

TürkeiDas Abkommen zwischen der Europäischen Union und der Türkei über die Rückführung von Flüchtlingen „ist eine Niederlage“. Das sagte der Präsident der katholischen Basisgemeinschaft Sant´Egidio, Marco Impagliazzo, bei einer Pressekonferenz in Rom. Die katholische Bewegung organisiert seit kurzem mit dem Bund der evangelischen Kirchen in Italien humanitäre Korridore für Flüchtlinge. Bisher wurden bereits 97 syrische Flüchtlinge auf legale Weise und ohne dass sie auf Schlepper zurückgreifen mussten, in Italien aufgenommen.

„Unser Projekt kann man sehr gut andernorts wiederholen, weil es dem Staat nichts kostet. Alles liegt in den Händen von Verbänden und dennoch verläuft die Aufnahme der Flüchtlinge nach europäische Regelungen. Deshalb könnte das auch jeder andere EU-Staat genauso machen. Konkret geht es um die Vergabe von EU-Visa, die jedoch keine Schengen-Visa sind, wie es Touristen kennen. Wenn man also dieses Einreise-Instrument benützen würde, würde man auch das Problem in Griechenland oder Italien lösen, wo so viele Flüchtlinge auf ihr Weiterkommen warten.“

Ziel der humanitäre Korridore von Sant´Egidio ist es, in den nächsten zwei Jahren 1.000 Flüchtlingen aus Marokko, Äthiopien und anderen Transit-Ländern nach Europa zu begleiten. Es soll sich vor allem um sogenannte Risiko-Gruppen handeln. Dies sind vor allem Kinder, Kranke und Opfer von Menschenhandel. Bis Ende April soll die 150-Marke an aufgenommen Flüchtlingen erreicht werden.

„Wir rufen die Staaten Europas auf, aber auch jeden Bürger, unser Projekt zu unterstützen, weil es überall machbar ist. Wir sprechen von Korridoren, also gesicherten Wegen, die Tote im Meer verhindern sollen. Das heißt, Familien, ältere Menschen, Frauen und Kinder, die gerettet werden. Wir sehen stattdessen weiterhin Mauern, Zäune und Menschen, die in Auffanglagern warten und das mitten im Sumpf. So etwas mit anzusehen, tut weh, denn es gibt Möglichkeiten, um das zu verhindern.“ (rv)

Bücher-Diplomatie: Der Vatikan und die Türkei

Erzbischof BruguèsDie Gespräche mit der Türkei waren ein „wirklicher Erfolg“: Nein, das sagt nicht Angela Merkel oder einer ihrer EU-Kollegen, sondern der Archivar der Heiligen Römischen Kirche. Es geht auch nicht um Flüchtlinge, sondern um Bücher und Manuskripte. Erzbischof Jean-Louis Bruguès war in der Türkei, um die Arbeit der Apostolischen Bibliothek und des Vatikanischen Geheimarchivs vorzustellen – und ist bei seinen türkischen Gesprächspartnern auf viel Interesse gestoßen.

„Für die (Apostolische) Bibliothek gibt es eine praktische Verfahrensweise: Ein neuer Botschafter stellt sich als erstes dem Papst vor, dann dem Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin, und dann kommt er in die Bibliothek. Wir sind also die dritte Adresse der diplomatischen Besucher! Als der neue Botschafter der Türkei (beim Heiligen Stuhl) ernannt wurde, kam er also zu mir, schenkte mir Bücher für die Bibliothek und schlug mir eine Reise in die Türkei vor. Das Ziel sollte darin bestehen, Bibliothek und Geheimarchiv vorzustellen.“

Dazu müsse man wissen, so der Erzbischof, „dass die öffentliche Meinung der Türkei ein eher negatives Bild vom Heiligen Stuhl und auch vom Archiv hat, weil es das Geheime im Namen trägt“. Das betreffe übrigens nicht nur Türken, sondern auch vielen Menschen in unseren Breiten. Sie hören „Geheimarchiv“ und denken: Aha, der Vatikan will seine Geheimnisse für sich behalten.

„Ich wurde nach Istanbul eingeladen, wo es eine großartige Universität gibt – die Universität der schönen Künste –, um dort vor 400 Studierenden zu sprechen. Die Aufmerksamkeit war wirklich groß! Und ich habe ja 25 Jahre lang unterrichtet…, dass die Bibliothek und das Archiv für alle Studierenden offen sind, auch für die aus der Türkei, und dass wir zur Zusammenarbeit bereit sind. Die Antwort darauf war enthusiastisch!“

Zweite Station für Bruguès: Smyrna. Der neue katholische Erzbischof, ein Dominikaner, ist ein alter Bekannter von Bruguès, der ebenfalls Dominikaner ist, und lud ihn zu einem Vortrag ein. Eine weitere Etappe in Bruguès „Bücher-Diplomatie“. Der Erzbischof erklärt das so:

„Es gibt in der Bibliothek zunächst eine wissenschaftliche Dimension: 15.000 Menschen, die jedes Jahr zu uns zum Forschen und Studieren kommen. Aber dann gibt es auch noch eine zweite Dimension, die ich zunächst nicht verstanden hatte: die Kultur. Sie ist in einigen, schwierigen Fällen die einzige Art und Weise, Brücken zu bauen, wo es ansonsten nur Grenzen und Gegensätze gibt. Auch in der Türkei konnte ich trotz einer eher negativen öffentlichen Meinung die Öffnung der Kirche durch den Kanal der Kultur demonstrieren.“

Seit fast drei Jahren treibt der rührige Franzose seine „Bücher-Diplomatie“ voran. Den Anfang machten, wie er erzählt, Politiker und auch orthodoxe Metropoliten aus Belgrad, Sofia, Bukarest: „Sie baten mich, den orthodoxen Ortskirchen und den Ländern zu helfen, ihr vom Krieg beschädigtes historisches Gedächtnis wiederherzustellen; die nationalen Bibliotheken waren verbrannt oder zerstört. Ich fand es sehr interessant, dass orthodoxe Kirchen die katholische Weltkirche um Hilfe baten. Mittlerweile ist die Vatikan-Bibliothek eine Art Mutterbibliothek für diese nationalen und kirchlichen Bibliotheken geworden.“

Wichtig geworden ist auch die Zusammenarbeit mit China: Immerhin unterhält das kommunistische Land keine diplomatischen Beziehungen zum Vatikan. Für Bruguès „Bücher-Diplomatie“ war das kein Hindernis. „Wir bereiten eine Wanderausstellung für China vor, für den Sommer 2017. Das chinesische Publikum soll die antiken (chinesischen) Manuskripte kennenlernen, die wir heute in unserer Bibliothek haben. Um sie dem großen Publikum vorzustellen, werden sie komplett digitalisiert.“ (rv)

UNHCR kritisiert EU-Türkei-Vereinbarung

TürkeiNoch ist es nur eine Skizze – doch schon jetzt ruft das sich abzeichnende Flüchtlingsabkommen zwischen der EU und der Türkei Kritiker auf den Plan. Das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR), zum Beispiel. Vincent Cochetel leitet das Europa-Büro der Organisation; er sagt im Interview mit Radio Vatikan von Genf aus:

„Wir kennen noch keineswegs die Details und die Tragweite der Abmachung. In diesem Stadium muss man noch vorsichtig sein. Allerdings haben wir schon einen konkreten Punkt, der uns beunruhigt. Da geht es darum, dass jeder Migrant, der eine griechische Insel erreicht, wieder in die Türkei zurückgeschickt werden soll – ohne eine Einzelfalluntersuchung.“

Angeboten hat das beim Brüsseler Gipfel vom Montag der türkische Ministerpräsident Ahmet Davutoglu: Ankara würde alle Personen wieder aufnehmen, die irregulär über die Ägäis nach Griechenland übersetzen – egal ob das Kriegsflüchtlinge sind oder Wirtschaftsmigranten. Jeden Flüchtling ohne Ausnahme. Hintergrund ist, dass die EU und die Türkei zugleich legale Möglichkeiten der Einreise für jene ermöglichen wollen, die ein Anrecht auf Schutz haben.

Die Kritik aus Sicht des UNO-Flüchtlingshilfswerks fasst Cochetel so zusammen: „Das sind in erster Linie Menschen, die aus Kriegsgebieten oder aus Gegenden flüchten, in denen Menschenrechte verletzt werden: Syrien, Irak, Afghanistan. Mehr als 91 Prozent der Flüchtlinge kommen aus diesen drei Ländern. Man muss also extrem vorsichtig sein und kann nicht einfach sagen: Diese Menschen können wir in die Türkei zurückschicken, und die Türkei ist ein sicherer Drittstaat für alle. Da braucht man jedenfalls Sicherheitsgarantien und Prozeduren, um die Befürchtungen von jedem einzelnen dieser Menschen auf ihre Berechtigung hin zu überprüfen!“

„Das widerspräche dem europäischen Recht“

In welcher Form solche Sicherungen in den EU-Türkei-Deal eingebaut werden können, das müssten die nächsten Tage lehren. EU-Ratspräsident Donald Tusk muss binnen kurzer Zeit bis zum nächsten Sondergipfel die Einzelheiten aushandeln. Cochetel: „In diesem Stadium haben wir noch nicht die Gewissheit, dass es diese Sicherheitsklauseln und Prozeduren gibt. Wenn alle Migranten einfach so in die Türkei zurückgeschickt würden, dann wäre das aus unserer Sicht eine kollektive Abschiebung von Ausländern, und das widerspräche dem derzeit geltenden europäischen Recht sowie einer Reihe weiterer Normen im Bereich des Menschenrechtsschutzes.“ Das zielt vor allem auf die Genfer Flüchtlingskonvention.

Der UNHCR-Verantwortliche wundert sich nicht darüber, dass die Türkei auf dem Gipfel ein so detailliertes Angebot auf den Tisch gelegt hat. „Viele europäische Länder waren spürbar überrascht angesichts der türkischen Vorschläge, doch da muss man sich vor Augen halten, dass die Türkei das größte Asylland der Welt ist. Sie hat mehr als zwei Millionen und siebenhunderttausend Flüchtlinge auf ihrem Territorium!“

Vatikanzeitung: „EU delegiert das Problem“

Dass Ankara für sein Entgegenkommen handfeste Gegenleistungen von der EU erwartet, kommentiert Cochetel in unserem Interview nicht. „Ankara treibt den Preis nach oben“: So titelt die Vatikanzeitung „L’Osservatore Romano“ in ihrer Mittwochsausgabe. Vom Brüsseler Gipfel bleibe „der starke Eindruck von der Schwäche der EU“ zurück, heißt es in einer Analyse des Blattes. Europa sei aufgrund der divergierenden Interessen der EU-Staaten „unfähig, eine nachhaltige interne Lösung für die (Flüchtlings-)Krise zu finden“, und müsse sich deswegen an die Türkei binden. Selbst Angela Merkel handle derzeit offenbar mit Blick auf die Landtagswahlen vom nächsten Sonntag.

„Der Eindruck ist, dass es die EU als Ganzes einfach vorgezogen hat, das Problem nicht anzugehen, sondern zu delegieren.“ Der Preis dafür sei hoch, so Cochetel. „Ein weiteres Mal hat die EU darauf verzichtet, eine Protagonistenrolle einzunehmen.“ (rv)

Bilanz (2): Das war 2014 aus der Sicht des Vatikans

Bilanz 2014Der Papst reist. Auslandsreisen führten ihn 2014 ins Heilige Land, nach Korea, Albanien, Straßburg und in die Türkei. Unvergessen bleibt sein spontaner Gebets-Stopp am Trennwall zwischen Israelis und Palästinensern. Es war überhaupt eine Reise von Mauer zu Mauer: vom Trennwall in den besetzten Palästinensergebieten zur Klagemauer; dort umarmte er einen Rabbi und einen Muslimgelehrten, schon wieder so ein emblematisches Bild. Im Juni, kurz nach seiner Heilig-Land-Reise, lud Franziskus die Präsidenten Israels und Palästinas, Peres und Abbas, zum Friedensgebet in die vatikanischen Gärten. Erfolg blieb der einmaligen Friedensinitiative zunächst versagt, denn im August flammte ein neuer Krieg zwischen den verfeindeten Nachbarn auf: der Gaza-Krieg. Beim Friedensgebet wich ein muslimischer Teilnehmer vom mühsam austarierten Gebetsprotokoll ab, als er auf einmal eine Sure des Korans rezitierte.

Reisen an die Peripherie

Einige der Papstreisen dieses Jahres waren, charakteristisch für ihn, Reisen an die „Peripherien“. In Korea, überhaupt in Fernost war seit 26 Jahren kein Petrusnachfolger mehr gewesen. Hier sprach Papst Franziskus 124 Märtyrer selig; und gleichzeitig richtete er von diesem zweigeteilten Land zwischen Russland, China und Japan eine Friedensbotschaft an ganz Asien. Europa betrat Franziskus sozusagen durch die Hintertür, bei einem Eintagestrip nach Tirana, Albaniens Hauptstadt. Ausgerechnet dieses lange isolierte Balkanland würdigte er als Modell friedlichen Zusammenlebens zwischen Christen und Muslimen. In Ankara pochte er auf mehr Rechte für Christen und betete einen Moment still in der Blauen Moschee von Istanbul – übrigens war das sein erster Moscheebesuch als Papst überhaupt. Vor allem aber setzte Franziskus fort, was er schon mit einer Begegnung in Jerusalem getan hatte: Er pflegte die Beziehungen zum Ehrenoberhaupt der orthodoxen Christen, Patriarch Bartholomaios.

Nicht nur zu den orthodoxen Kirchen pflegt Papst Franz Sonderbeziehungen. Sein ökumenischer Suchscheinwerfer erfasste 2014 auch – ganz anders, als das bisher in Rom Usus war – Freikirchen, oder die Heilsarmee. Fast fühlen sich die traditionellen Ansprechpartner im ökumenischen Friedenspfeifenrauchen, die Kirchen der Reformation nämlich, ein wenig vernachlässigt von diesem Papst.

In Straßburg hielt Franziskus bei der kürzesten Papstreise der Geschichte seine bisher längsten Reden. Europa kann aus seiner Altersstarre herausfinden, wenn es statt der Zahlen wieder mehr den Menschen in den Blick nimmt, sagte der Papst aus Argentinien vor dem EU-Parlament und dem Europarat. Besonders genau durchgelesen hat die Straßburger Papstreden Annette Schavan. Die unter medialem Druck zurückgetretene Bildungsministerin von Angela Merkel ist 2014 als neue deutsche Botschafterin am Vatikan angetreten, erste Frau in diesem Amt, und erste Katholikin seit langem.

Familiensynode: eine überraschend offene Debatte

Ausgerechnet das Thema Ehe- und Familienpastoral hatte sich der Papst als erste große Reformbaustelle im Innerkirchlichen ausgesucht. Dazu verschickte er einen Fragebogen an die Bischofskonferenzen in aller Welt, der vielerorts auch von interessierten Laien ausgefüllt wurde. Für viele eine Sensation: Zum ersten Mal interessiert sich ein Papst vor Beginn einer römischen Bischofssynode für die Meinungen und Haltungen im gläubigen Volk. Dem deutschen Kurienkardinal Kasper fiel gewissermaßen die Aufgabe des Lockvogels zu. Er stellte vor dem Papst und vielen Kardinälen im Februar die Skizze einer neuen Eheseelsorge vor. Schnell gewann daraufhin eine Debatte an Fahrt, auch die Träger von Kardinalskäppchen beteiligten sich munter daran. Im babylonischen Stimmengewirr ging es vor allem um die Frage, ob geschiedene Menschen nach einer zweiten, zivilen Heirat zur Kommunion gehen dürfen oder nicht.

Unter den Scheinwerfern der Weltöffentlichkeit trat im Oktober 2014 die außerordentliche Generalversammlung der Bischofssynode zusammen; Franziskus wünschte ausdrücklich eine offene Debatte zu einer Palette strittiger Themen – und er bekam sie auch. Manchen kam das wie ein Durcheinander vor, einige sahen Ur-Elemente katholischer Lehre wie zur Disposition gestellt, andere rühmten die Wiederentdeckung des freien Worts in der Kirche. Als ein Zwischenbericht zur Halbzeit der Beratungen von Zugehen auf Homosexuelle und von Gradualität kirchlicher Gebote sprach, platzte dem polnischen Erzbischof Gadecki der Kragen: In diesem Text gebe es Spuren einer gegen die Ehe gerichteten Ideologie.

Von „Buona sera“ bis „Hier bestimme ich“

Zum Schluss der Synode machte Papst Franziskus, der bis dahin in der Aula geschwiegen hatte, überraschend klar, dass er hier die Entscheidungen treffe. Es war ein weiter Weg von seinem „Buona sera, ich bin der Bischof von Rom“, mit dem er 2013 angetreten war, bis zu diesem „Ich bin hier, kirchenrechtlich gesehen, der Oberbefehlshaber“ von 2014. In der Hitze des medialen Wortgefechts ging manchmal unter, dass erst nach der nächsten Synode im Herbst 2015 Beschlüsse – wohlgemerkt des Papstes, nicht der Synode – zu erwarten sind.

Noch vieles mehr könnte man von 2014 erwähnen: Ukraine. Ebola. CIA-Folterskandal. Oder, im Vatikan, das Verfahren gegen den polnischen Erzbischof Wesolowsky wegen sexuellen Missbrauchs von Jugendlichen in seiner Zeit als Nuntius in der Karibik. Da wäre noch einiges mehr. In Erinnerung bleibt der Franziskus des Jahres 2014 vor allem mit zwei Bildern: Gebet an der israelischen Sperrmauer. Gebet in der Blauen Moschee. Und mit einem diplomatischen Erfolg: der geglückten Vermittlung bei der Annäherung zwischen den USA und Kuba nach einem halben Jahrhundert der Eiszeit.

Wie lange er noch Papst sein werde, wisse er nicht, sagte Franziskus zum Entsetzen nicht weniger Gläubiger vor Journalisten bei der Rückreise von Korea. Einen Amtsverzicht wie Benedikt XVI. könne er sich gut vorstellen, oder auch einfach „zwei, drei Jahre noch, und dann ins Haus des Herrn“. Ein so dichtes päpstliches Jahr wie 2014 lässt erahnen, dass aus dem Scherz unvermittelt Wirklichkeit werden könnte. Aber auch, dass die katholische Kirche einen Papst wie Franziskus heute braucht. (rv)

Türkei/Vatikan: Ohne Religionsfreiheit keine Gerechtigkeit

Der Vatikan hat erneut die Bedeutung der Religionsfreiheit für Gerechtigkeit und Frieden betont. Beim „Istanbul World Forum", das am Wochenende in Instanbul stattfand, sagte der Sekretär des Vatikanrats für den interreligiösen Dialog, Religionen leisteten einen wesentlichen Beitrag im gesellschaftlichen Diskurs. Religionen könnten zudem den Frieden sichern helfen, so Mons. Miguel Ángel Ayuso Guixot. Dazu dürfte aber ihre Ausübung nicht eingeschränkt werden. – Das „Istanbul World Forum 2012" steht unter dem Thema „Gerechtigkeit und der Aufbau einer neuen globalen Ordnung". Es nehmen Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft teil. Außer Guixot nahm auch der päpstliche Nuntius, Erzbischof Antonio Lucibello teil; ferner der ökumenische Patriarch Bartholomaios, der Großmufti von Jerusalem und Scheich Hamsa Yusuf vom Zaytuna College in Kalifornien. (rv)

Zypern/Türkei: Entweihte Kirchen

Metropolit Chrysostomos II. von Zypern klagt über die Entweihung christlicher Kirchen im türkisch besetzten Teil von Zypern. Viele Kirchen würden in diesem Teil der Insel in Lagerräume, Museen oder Moscheen umgewandelt, sagte das Oberhaupt der zyprisch-orthodoxen Kirche Anfang der Woche auf dem Katholikentreffen im italienischen Rimini. 120 Kirchen seien betroffen, die darin enthaltenen Kunstwerke seien beeinträchtigt bzw. verkauft worden. Der Metropolit beschwerte sich weiter über die Erhebung von Gebühren für Besucher des Grabes des Apostels Barnabas und anderer Heiliger Stätten des Christentums. Zyperns Bevölkerungsmehrheit gehört dem orthodoxen Christentum an, die zumeist türkischsprachigen Muslime machen etwa zwanzig Prozent aus. Nur jeweils ein Prozent der zyprischen Bevölkerung gehört der römisch-katholischen Kirche sowie den katholischen Maroniten an. Die für diese Christen zuständige Apostolische Nuntiatur wird vom Nuntius für das Heilige Land mitbetreut. (rv)