Griechenland: „Die werden uns erst helfen, wenn wir tot sind“

Die Griechenland-Krise geht in eine neue Etappe: mit neuen europäischen Sparforderungen an die Athener Regierung, weil sie sonst nicht an die nächste Tranche von Hilfen kommt. Die Finanzminister der Eurogruppe und der Internationale Währungsfonds geben noch kein grünes Licht für ein neues Hilfsprogramm, das Griechenland aber dringend braucht.

Zwar haben die Euro-Grüppler ihre „austerity“-Rhetorik deutlich heruntergedimmt, aber viele Griechen fühlen sich am Ende. „Der Staat hat kein Geld mehr, und wir werden jetzt alle Bettler“, sagt uns der katholische Erzbischof von Athen, Sevastianos Rossolatos, in einem Interview.

„Der Staat schuldet den Privaten und den Unternehmen viel Geld, das er gar nicht hat: Milliarden. So kommt die Wirtschaft nirgendwohin, und der Handel auch nicht. Die Geschäfte schließen, eines nach dem anderen. Unseren Staat erleben wir nur noch als Blutsauger; wir wissen nicht, was wir machen sollen. Natürlich wären Reformen nötig. Aber allmählich haben wir den Eindruck: Die machen beim Staat erst dann Reformen, wenn sie uns an Entkräftung haben sterben lassen.“

In den nächsten Tagen soll in Athen ein neues Reformprogramm geschnürt werden, das mehr auf strukturelle Reformen setzt. In den vergangenen Monaten hatten Reformen vor allem Rentenkürzungen bedeutet. Dabei leben von einer Rente in Griechenland mittlerweile ganze Familien, die kein anderes Einkommen mehr haben. „Viele Großeltern helfen ihren arbeitslosen Kindern mit ihrer Rente aus, aber die Renten schrumpfen und schrumpfen. Die Gehälter übrigens auch. Dabei sind die Versicherungsbeiträge, die ein Arbeiter leisten muss, gestiegen. Es ist eine Verrücktheit! Wenn ich aus dem Haus gehe, nehme ich immer Geld mit, denn mittlerweile sieht man überall Obdachlose, und ich kann da nicht einfach auf die andere Seite gucken.“

„Auch wir Bischöfe sind zu Bettlern geworden“

Das Land Homers ist ein Land der Armen und Verzweifelten geworden. „In den Jahren der Krise haben 450.000 junge Leute Griechenland verlassen. Wir bilden also hier Wissenschaftler aus und schicken die dann ins Ausland, damit sie dort die Wirtschaft anderer Länder in Gang halten…“

Die katholische Kirche versucht, den Ärmsten besonders beizustehen. „Wir sind ihnen nahe, weil viele uns dabei helfen. Denn die griechische Caritas hat kein eigenes Geld mehr, und auch die Bischöfe und die Bischofskonferenz können kaum noch Geld für pastorale Dinge oder für den Unterhalt des Klerus aufbringen. Die, die uns helfen, sind vor allem die Bischofskonferenzen aus ärmeren Ländern – das ist beeindruckend. Nur wer selbst in Schwierigkeiten ist, kann den anderen verstehen, der dasselbe durchmacht. Auch wir Bischöfe sind zu Bettlern geworden. Uns sind die Hände gebunden, wir können nichts machen.“

Innensicht, Außensicht: Es ist ein Unterschied, ob man einen Griechen von der Lage in seinem Land erzählen hört oder etwa Jeroen Dijsselbloem, den Präsidenten der Eurogruppe. Im Wirtschaftsteil der Zeitungen kann man lesen, die EU sei „nicht pessimistisch“ mit Blick auf Griechenland, man verzeichne zarte Keime der Hoffnung. Aber für den katholischen Erzbischof von Athen haben solche Worte mit der wirklichen Lage im Land nicht viel zu tun. „Darum sage ich ja: Erst töten sie uns, und dann kommen sie, um unserer Wirtschaft wieder auf die Füße zu helfen. Fragt sich nur, für wen eigentlich. Für die Toten? Sie sollten sich erst ganz auf die Wirtschaft konzentrieren und ihr Denken ändern. Wir haben hier Leute, die hatten ein Unternehmen oder gutgehende Geschäfte, und jetzt stehen sie auf der Straße, schlafen in irgendeinem Hauseingang – ohne dass sie irgendeine Schuld träfe. Sie sind zum Müll der Gesellschaft geworden, aber ganz ohne eigene Schuld! Die Wirtschaft hat sich verändert, und niemand ist schuld daran.“

Welche Reformen schlagen Sie denn vor, Herr Erzbischof? Da muss Sevastianos Rossolatos passen – er sei kein Wirtschaftsexperte, sagt er. Wenn man nur, so findet er, irgendwie die Produktion und den Handel wieder in Gang bekäme! „Wir (Kirchenleute) versuchen zu hoffen, dass die Lage sich wieder ändern kann. Die Leute kommen nicht zu uns, weil sie von uns eine Lösung erwarten, sondern weil sie um Hilfe bitten. Was die Wirtschaft betrifft, dazu können wir nichts sagen.“

Die Aufgabe seiner kleinen Minderheitskirche besteht nach Ansicht des Erzbischofs darin, bei den Menschen zu sein und ihr Los zu teilen. „Wir stehen ja alle vor derselben Situation.“ Dann hat er aber doch noch einen Satz für die Wirtschaftspolitiker: „Die versuchen, die Währung zu stützen, die sogenannte Währungspolitik. Aber sie denken nicht an die Menschen. Dabei sind es doch die Menschen, die eine Wirtschaft zum Wachsen bringen!“ (rv)

„EU-Türkei-Deal funktioniert nicht“

TürkeiNach wie vor kommen Flüchtlinge aus Syrien und dem Irak über die Türkei nach Griechenland. Der EU-Türkei-Deal aber, der ihre Verteilung in der EU regulieren soll, steht auf der Kippe. Die türkische Regierung droht immer wieder damit, den Flüchtlingspakt mit der EU platzen zu lassen, wenn die versprochene Visafreiheit nicht kommt. Die EU hingegen fordert als Ausgangsbedingung die Einhaltung der Menschenrechte im Land. Wie aber geht es den Flüchtlingen in Griechenland, die Gegenstand dieser Verhandlungen sind? Darüber sprach Radio Vatikan mit dem italienischen kirchlichen Migrations-Experten Giancarlo Perego. Der Geistliche ist Direktor der bischöflichen Stiftung Migrantes.

„Die Lage ist dramatisch, 70 Prozent der Menschen leben nicht mal in den Flüchtlingslagern oder vorgesehenen Einrichtungen. Der Schutz der Menschenrechte steht auf dem Spiel. Der EU-Türkei-Pakt ist ohnehin schon ein Rückschritt, was die Rechte von Migranten angeht, doch jetzt ist ihr Schutz noch mehr in Gefahr. Die Hälfte dieser gefährdeten Personen sind Kinder und Minderjährige. Europa bräuchte mehr Garantien für die Grundrechte der Asylbewerber und Flüchtlinge.“

Der Streit zwischen EU und Türkei dreht sich insbesondere um die Visafreiheit für türkische Staatsbürger, die als Gegenleistung für die Regulierung der Migration aus der Türkei nach Europa versprochen wurde. Die Türken machen Druck, damit die Visafreiheit baldmöglichst eingeführt wird, die EU hingegen fordert als Bedingung unter anderem die Einhaltung der Menschenrechte, die nach dem Putschversuch gegen Erdogan und durch seinen radikalen Staatsumbau besonders bedroht sind.

„Das Abkommen hat von vornherein schlecht funktioniert und funktioniert immer noch schlecht, vor allem was den Schutz der Rechte der Migranten angeht. Viele Hilfsorganisationen, etwa Caritas Europa oder Ärzte ohne Grenzen, weisen immer wieder auf die dramatische Situation der Flüchtlinge hin. Und sie hat sich jetzt noch weiter verschlechtert.“

Dennoch glaubt Perego nicht, dass jetzt ein Ende des EU-Türkei-Abkommens bevorsteht. Zu hoch seien die Interessen der beiden Partner, dabei das Gesicht zu wahren und zu demonstrieren, dass sie die Situation unter Kontrolle halten können. Dennoch wäre ein Plan B sinnvoll, findet er.

„Das wünschen wir uns: dass Europa eine Quotenverteilung der Flüchtlinge einführt, und dass es Asylrecht und ein nationales Asylsystem in allen 27 Mitgliedstaaten schafft, denn in fast 20 Mitgliedstaaten fehlt es daran noch. Auch warten wir noch immer auf die Umverteilung von rund 160.000 Flüchtlingen aus Griechenland und Italien in andere EU-Staaten, die im Herbst 2015 vereinbart wurde und von denen bislang nur wenige Tausend verteilt wurden. Vor allem müssten die EU-Länder jetzt aber humanitäre Korridore einführen, um Massenfluchten zu vermeiden und vor allem Schleppern und terroristischen Organisationen wie dem Islamischen Staat das Handwerk zu legen.“ (rv)

„Ich kann sagen, Ja“: Papst Franziskus über Kommunion für geschiedene Wiederverheiratete

cna_Fliegende_PressekonferenzEigentliches Problem seien aber Familien in der Krise – Medien hätten sich zu sehr auf Umgang mit geschiedenen Wiederverheirateten fixiert – Die sinkende Geburtenrate in Europa ist „zum Weinen“ – Fragen auch zu muslimischer Migration und Bernie Sanders.

ROM – Papst Franziskus hat bestätigt, dass er in seinem Lehrschreiben Amoris Laetitia („die Freude der Liebe“) eine Kommunion für geschiedene Wiederverheiratete zulässt.

Der Heilige Vater beantwortete auf dem Rückflug von Lesbos nach Rom auch kritische Fragen über seinen Umgang mit dem Thema der Masseneinwanderung nach Europa und die Schwierigkeiten der Integration von Muslimen.

Zentrales Thema freilich war die Frage, ob er mit seinem Lehrschreiben Amoris Laetitia eine Zulassung geschiedener Wiederverheirateter zur Kommunion ermögliche.

Ich kann sagen, Ja.“ — So die Antwort des Papstes an einen Journalisten des „Wall Street Journal“. Dieser hatte ihn mit Verweis auf „die vielen Diskussionen“ und zum Teil widersprüchlichen Interpretationen des Schreibens gefragt, ob es denn, so wörtlich, nun „neue, konkrete Möglichkeiten gibt, die es vor der Veröffentlichung nicht gab“.

Im gleichen Atemzug zu seinem „Ja“ fügte der Papst hinzu: „Doch dies wäre eine Antwort, die zu klein ist.“ Die Antwort sei in der Vorstellung von Amoris Laetitia durch Kardinal Christoph Schönborn zu finden, so der Papst weiter.

Der Wiener Kardinal hatte am 8. April auf Einladung von Franziskus im Vatikan das Lehrschreiben vorgestellt. Dabei hatte der Erzbischof von Wien inhaltlich unter anderem gesagt, Amoris Laetita müsse aus der Perspektive der Armen gelesen werden.

Frage nach Fußnote 351

Diese Aussage des Papstes warf weitere Fragen auf. Ein Journalist wollte wissen, was viele der Kritiker von Amoris Laetitia fragen: Warum Franziskus überhaupt eine so wichtige Frage in einer Fußnote beantworte. Tatsächlich ist die Möglichkeit einer Zulassung von geschiedenen Wiederverheirateten in Fußnote 351 des achten Kapitels des 190 Seiten umfassenden Lehrschreibens zu finden. „Haben Sie nicht den Widerstand vorhergesehen oder wollten Sie damit sagen, dass dieser Punkt nicht so wichtig sei?“, fragte der Journalist von „Le Figaro“ wörtlich.

Franziskus antwortete, die Medien hätten sich auf diese Frage der geschiedenen Wiederverheirateten zu sehr fixiert. „Das hat mich traurig gemacht„, so der Papst.

Krise von Ehe und Familie das eigentliche Problem

Das eigentliche Problem seien Familien in der Krise: „Versteht ihr nicht, dass die Familie weltweit in der Krise steckt? Realisieren wir nicht, dass die sinkende Geburtenrate in Europa zum Weinen ist? Und die Familie ist die Basis der Gesellschaft“, betonte Franziskus. „Dies sind die großen Probleme. Ich kann mich nicht an die Fußnote erinnern, aber bestimmt, wenn es etwas Generelles ist in einer Fußnote, dann weil ich darüber gesprochen habe, ich glaube, in Evangelii Gaudium“. Damit beendete der Papst die Pressekonferenz, die insgesamt 25 Minuten gedauert hatte.

Fragen zu muslimischer Migration und Integration

Weitere Fragen der Journalisten drehten sich um seine spektakuläre Geste, drei syrische Familien von Lesbos nach Rom mitzunehmen. Die Aktion hatte für Begeisterung, aber auch Kritik gesorgt. „Sie sprechen viel über das Willkommen heißen, aber vielleicht sprechen Sie zu wenig über Integration“, sagte eine Journalistin von „Il Messaggero“. Sie sagte wörtlich: „In Anbetracht dessen, was gerade in Europa passiert, wo es eine große Welle von Einwanderern gibt, wo wir sehen, wie sich in Städten Ghettos bilden…In all diesem zeigt sich, dass muslimische Einwanderer die größten Schwierigkeiten haben, sich mit unseren Werten, den Werten des Westens, zu integrieren. Wäre es das nicht nützlicher, christliche Einwanderer zu bevorzugen? Und warum haben Sie drei ausschließlich muslimische Familien mitgenommen?“Der Papst antwortete, er habe „keine religiöse Entscheidung zwischen Christen und Muslimen“ gefällt. „Diese drei Familien hatten die richtigen Papiere“. Es habe auch zwei christliche Familien gegeben, die aber nicht die richtigen Paper hatten, so Franziskus. „Dies ist kein Privileg. Alle 12 sind Kinder Gottes. Es ist ein Privileg, ein Kind Gottes zu sein“, so Franziskus wörtlich.

„Was die Frage der Integration betrifft: Sie haben ein Wort verwendet, dass in der heutigen Kultur vergessen scheint, aber das weiter existiert: Die Ghettos. Und manche der Terroristen sind Kinder und Enkel der Menschen, die in Europa geboren sind, und was ist geschehen? Es gab keine Politik der Integration“, antwortete der Papst.

Die Integration sei auch Thema von Amoris Laetitia, betonte er, und zwar im Sinne, dass die Integration von Familien in der heutigen Gesellschaft eine pastorale Herausforderung sei. Franziskus weiter: „Mit der Integration wird Europas Kultur bereichert. Ich glaube, wir brauchen eine Erziehung, eine Lektion, über eine Kultur der Integration“.

Was er bei seinem Besuch in Lesbos gesehen habe, habe ihn fast zum Weinen gebracht, sagte Franziskus: Er zeigte den Journalisten Bilder, die ihm Kinder geschenkt hatten. Auf einem war eine weinende Sonne zu sehen, die über eine Darstellung von Flüchtlingen in einem sinkenden Boot gemalt war. Vor diesem Hintergrund erinnerte er an Mutter Teresas Aussage, dass ein Tropfen, der ins Meer falle, das Meer verändere. So sei auch seine Reise nach Lesbos und die Mitnahme der 12 Flüchtlinge zu verstehen.

Begrüßung mit Bernie Sanders

Eine amerikanische Journalistin fragte Franziskus über sein Treffen mit Bernie Sanders, dass in den USA großes Aufsehen erregt hatte. Dieses stelle keine Einmischung in die Politik dar, sagte dazu Franziskus. Es sei nur eine Geste der Höflichkeit gewesen. Der Papst hatte Sanders zu einer Konferenz in den Vatikan eingeladen. (CNA Deutsch)

Papst auf Lesbos: Rede am Hafen

LesbosBei seiner apostolischen Reise nach Lesbos hat sich Papst Franziskus am Hafen der Insel an die Bewohner und an die Öffentlichkeit gewandt. Hier die Rede des Papstes im Wortlaut:

„Sehr geehrte Vertreter des öffentlichen Lebens, liebe Brüder und Schwestern,

Seit Lesbos ein Anlegeplatz für viele Migranten auf der Suche nach Frieden und Würde geworden ist, spüre ich den Wunsch hierherzukommen. Heute danke ich Gott, der es mir gewährt hat. Und ich danke Herrn Präsidenten Paulopoulos, dass er mich gemeinsam mit Patriarch Bartholomäus und Erzbischof Hieronymos eingeladen hat.

Ich möchte dem griechischen Volk meine Bewunderung ausdrücken: Trotz der großen Schwierigkeiten, mit denen sie sich auseinandersetzen müssen, haben sie es verstanden, ihre Herzen und ihre Türen offen zu halten. Viele einfache Leute haben das Wenige, das sie hatten, zur Verfügung gestellt, um es mit denen zu teilen, denen es an allem fehlte. Gott wird diese Großzügigkeit wie auch die anderer umliegender Nationen, die von Anfang an viele zur Migration Gezwungene mit großer Bereitschaft aufgenommen haben, zu belohnen wissen.

Segensreich ist auch die großherzige Präsenz so vieler Freiwilliger und zahlreicher Vereinigungen, die gemeinsam mit den verschiedenen öffentlichen Einrichtungen ihre Hilfe beigesteuert haben und weiterhin beisteuern. Sie bringen damit im Konkreten eine brüderliche Nähe zum Ausdruck.

Heute möchte ich aus bekümmertem Herzen erneut an die Verantwortung und die Solidarität appellieren angesichts einer so dramatischen Situation. Viele Flüchtlinge, die sich auf dieser Insel und in verschiedenen Gegenden Griechenlands befinden, leben in bedenklichen Situationen, in einem Klima der Beklemmung, der Angst und zuweilen auch der Verzweiflung aufgrund der materiellen Schwierigkeiten und der Unsicherheit der Zukunft.

Die Sorgen der Institutionen und der Menschen hier in Griechenland wie auch in anderen Ländern Europas sind verständlich und berechtigt. Und doch darf man nie vergessen, dass die Migranten an erster Stelle nicht Nummern, sondern Personen sind, Gesichter, Namen und Geschichten. Europa ist die Heimat der Menschenrechte, und wer auch immer seinen Fuß auf europäischen Boden setzt, müsste das spüren können; so wird es ihm selbst deutlicher bewusst werden, dass er sie respektieren und verteidigen muss. Leider ist es einigen – darunter vielen Kindern – nicht einmal gelungen, anzukommen: Sie haben ihr Leben im Meer verloren als Opfer unmenschlicher Reisen unter den Schikanen niederträchtiger Peiniger.

Ihr Bewohner von Lesbos beweist, dass in diesen Landstrichen, der Wiege der Zivilisation, noch das Herz einer Menschheit schlägt, die im anderen vor allem den Bruder oder die Schwester zu erkennen weiß; einer Menschheit, die Brücken bauen will und vor der Illusion zurückschreckt, Zäune aufzurichten, um sich sicherer zu fühlen. Tatsächlich schaffen die Barrieren Spaltungen, anstatt dem wahren Fortschritt der Völker zu dienen; und Spaltungen führen früher oder später zu Auseinandersetzungen.

Um wirklich solidarisch zu sein mit denen, die gezwungen sind, aus ihrem Land zu fliehen, muss man sich engagieren, um die Ursachen dieser dramatischen Realität zu beseitigen: Es genügt nicht, sich darauf zu beschränken, dem augenblicklichen Notfall zu begegnen, sondern es müssen weitreichende und nicht einseitige politische Pläne entwickelt werden. Vor allem ist es notwendig, dort, wo der Krieg Zerstörung und Tod verursacht hat, Frieden aufzubauen und zu verhindern, dass dieses Krebsgeschwür sich anderswo ausbreitet. Darum muss man standhaft der Verbreitung und dem Handel von Waffen und den damit verbundenen oft dunklen Machenschaften entgegenwirken. Wer Pläne des Hasses und der Gewalt verfolgt, dem muss jede Unterstützung entzogen werden. Dagegen muss die Zusammenarbeit zwischen den Ländern, den internationalen Organisationen und den humanitären Einrichtungen unermüdlich gefördert werden und diejenigen, welche den Notlagen entgegentreten, dürfen nicht isoliert, sondern müssen unterstützt werden. In diesem Sinn bringe ich erneut meine Hoffnung zum Ausdruck, dass der erste Weltgipfel für humanitäre Hilfe (World Humanitarian Summit), der im nächsten Monat in Istanbul stattfindet, Erfolg hat.

All das kann man nur gemeinsam tun: Gemeinsam können und müssen menschenwürdige Lösungen für die komplexe Flüchtlingsfrage gesucht werden. Und dabei ist auch der Beitrag der Kirchen und der Religionsgemeinschaften unverzichtbar. Meine Präsenz hier zusammen mit Patriarch Bartholomäus und Erzbischof Hieronymos bezeugt unseren Willen, weiter dafür zusammenzuarbeiten, dass diese epochale Herausforderung nicht Anlass zu Auseinandersetzungen wird, sondern eine Gelegenheit zum Wachsen der Kultur der Liebe.

Liebe Brüder und Schwestern, angesichts der Tragödien, welche die Menschheit verwunden, ist Gott nicht gleichgültig, bleibt er nicht fern. Er ist unser Vater, der uns beim Aufbau des Guten und bei der Zurückweisung des Bösen unterstützt – nicht nur unterstützt, sondern in Jesus hat er uns den Weg des Friedens aufgezeigt. Angesichts des Bösen in der Welt hat er sich zu unserem Diener gemacht, und mit seinem Dienst der Liebe hat er die Welt gerettet. Das ist die wahre Macht, die Frieden hervorbringt. Nur wer in Liebe dient, baut den Frieden auf. Der Dienst lässt aus sich herausgehen und nimmt sich der anderen an, er lässt nicht zu, dass die Menschen und die Dinge zugrunde gehen, sondern weiß sie zu behüten, indem er die dichte Decke der Gleichgültigkeit überwindet, die Herz und Geist umnebelt.

Ich danke euch, dass ihr Hüter der Menschlichkeit seid, dass ihr euch liebevoll um den Leib Christi kümmert, der im geringsten hungrigen und fremden Mitmenschen leidet und den ihr aufgenommen habt. (vgl. Mt 25,35).“ (rv)

Franziskus reist am 16. April nach Lesbos

GriechenlandPapst Franziskus wird am 16. April auf die griechische Insel Lesbos reisen. Das teilte der Vatikan an diesem Donnerstag mit. Dort wird der Papst gemeinsam mit dem Ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel, Bartholomaios I., und dem griechisch-orthodoxen Erzbischof von Athen, Hieronimus II., Flüchtlinge treffen. Die Einladung auf die griechische Insel sei durch Bartholomaios und den griechischen Präsidenten erfolgt. Die Insel ist Haupt-Anlaufpunkt bei der Überfahrt der Flüchtlinge von der Türkei nach Griechenland und Brennpunkt des erst kürzlich in Kraft getretenen Rückführungsabkommen zwischen EU und Türkei. In seiner Mitteilung betonte der Vatikan auch den ökumenischen Charakter des Besuches von Papst Franziskus und den Vertretern der orthodoxen Kirche.

Vatikansprecher Federico Lombardi sagte dazu auf Anfrage von Radio Vatikan:

„Wie wir wissen, verfolgt der Papst immer mit großer Aufmerksamkeit alle großen Krisen auf der Welt und insbesondere, wenn es dabei Menschen gibt, die leiden und unserer Solidarität und Hilfe bedürfen. … Weil es sich bei der griechischen Insel um ein Gebiet handelt, das vorwiegend von orthodoxen Christen bewohnt ist, stattet er diesen Besuch zusammen mit Vertretern der orthodoxen Kirche ab. Was der Papst dort tut, hat nicht unbedingt einen direkten politischen Charakter sondern es hat menschliche, moralische und religiöse Bedeutung, weil er jeden von uns dazu aufruft, Verantwortung für die Mitmenschen zu tragen.“ (rv)

„Papstworte nicht in eingeengtem Zusammenhang sehen“

Pater LombardiVatikansprecher Federico Lombardi hat dazu eingeladen, die Worte von Papst Franziskus bei der Begegnung mit Volksbewegungen im weiten Zusammenhang zu sehen. Das Kirchenoberhaupt hatte bei dem Treffen, das stellenweise an eine antikapitalistische politische Kundgebung erinnerte, unter anderem Kolonialismus durch Freihandelsabkommen und „aufgezwungene Sparmaßnahmen“ kritisiert, wobei er offen ließ, ob damit etwa TTIP bzw. Griechenland gemeint sein könnten. Boliviens Präsident Evo Morales kannte solche Zurückhaltung nicht, er erklärte vorab in seiner Ansprache vor dem Papst das Referendum in Griechenland zum „Beginn der Befreiung Europas“.

Nach der außerordentlich langen Begegnung in einer Messehalle in Boliviens größter Stadt Santa Cruz baten Journalisten Lombardi um eine Einordnung. Sie wollten unter anderem wissen, wie der Papst nach einer solchen Rede ausschließen könne, von Politikern für ihre Zwecke missbraucht zu werden. „Ich verstehe das Problem“, so Lombardi. „Es ist klar, dass es Instrumentalisierungen gibt. Es ist aber auch irgendwie normal und nicht nur hier so. Meine Antwort ist, dass der Papst eine solch große Autorität hat und eine Fähigkeit, sich auf einem sprachlichen Niveau auszudrücken, die es erlaubt, ihn sofort zu verstehen. Man kann das, was er sagt, nicht in einem eingeengten Zusammenhang sehen.“

Der Papst habe bestimmte Prozesse in der Entwicklung Boliviens klar gelobt, das sei offensichtlich, er habe aber nicht gesagt, das sei ein Modell für alle, so Lombardi weiter. Der Papst habe in einer viel weiteren Perspektive gesprochen und mit einem inneren Gleichgewicht. „Mir scheint, dass der Papst ein Ermutiger und ein Katalysator für diese Volksbewegungen ist“, fügte Lombardi an. Er respektiere aber gleichzeitig ihre Autonomie und ihre Kreativität, er gebe ihnen nicht seine Richtung vor. Er ermutige und helfe auf seine Weise, um gemeinsam ein Netzwerk aufzubauen, so dass die Arbeit dieser Bewegungen wirkungsvoller werde. (rv)

Griechenland: Bischof weiß nicht, wie er noch Gehälter zahlen soll

Der katholische Bischof von Athen, Nikolas Foskolos, hofft, dass sich bei den Verhandlungen über eine neue Regierung vernünftige Kräfte durchsetzen werden. Derzeit sei Griechenland „in einer Lage des großen Chaos", meinte der Bischof im Gespräch mit Radio Vatikan. Keiner wisse, „wie das enden wird". Die jüngsten Wahlen, die das Land an den Rand der Regierungsunfähigkeit gebracht haben, sieht Foskolos als Protestvotum:

„Die Bevölkerung wehrt sich damit gegen Maßnahmen aus Brüssel, aus Europa. Mindestens 65 Prozent der Griechen wollen zwar keinen Austritt aus der EU und der Eurozone, aber die Leute sind verzweifelt und wissen nicht, wie sie überleben sollen. Die Gehälter sinken, die Steuern steigen, die Preise klettern."

Bischof Foskolos hält es für gut möglich, dass alle Verhandlungen in Athen scheitern und Neuwahlen angesetzt werden müssen.

„Ja, man denkt schon an den 10. oder 17. Juni. Die Haltungen, die die Parteiführer einnehmen, sind eben kaum miteinander zu vereinbaren, von daher wirkt eine Koalition nicht sehr wahrscheinlich. Vielleicht stimmt das Volk, nachdem es bei den letzten Wahlen seinem Ärger Luft gemacht hat, jetzt nüchterner, ruhiger ab. Aber wenn dieselben Ergebnisse herauskommen sollten, dann würde die Lage wirklich schlimmer werden…"

Die katholische Kathedrale liegt mitten im Zentrum von Athen – darum zieht sie viele Hilfesuchende an:

„Viele bitten uns um etwas zu essen, andere bitten um Hilfe, um die Miete zu zahlen; andere kommen, weil man sie aus ihrer Wohnung herausgeworfen hat, weil sie die Miete nicht mehr zahlen konnten."

Viel können Foscolos und seine Leute für die Hilfesuchenden aber nicht tun, denn der kleinen katholischen Diözese steht selbst das Wasser bis zum Hals.

„Was uns beunruhigt, ist die Finanzlage der Kirche: Die Steuern nämlich, die die Kirche zahlen muss, haben jetzt 48 Prozent der Einnahmen aus Immobilien und ähnlichem erreicht. Unsere Lage ist also sehr schwierig. Ich weiß nicht, wie ich es schaffen soll, an jedem Monatsende noch die Gehälter unserer wenigen Angestellten zu zahlen." (rv)