Was hinter den schweren Anschuldigungen gegen einen neuen Kardinal steckt: Eine Recherche

Eine investigative Recherche der Vorwürfe gegen Kardinal Toribio Porco Ticona von ACI Prensa, der spanischen Schwesteragentur von CNA Deutsch.

LA PAZ – Als bekannt wurde, dass Papst Franziskus den Prälaten Toribio Porco Ticona zum Kardinal kreieren würde, gab es in Bolivien Vorwürfe, dass er Frau und Kinder habe.

Was steckt hinter den Vorwürfen gegen den neuen Purpurträger? Journalisten von ACI Prensa, der spanischspachigen Schwester-Agentur von CNA Deutsch, sind der Frage auf den Grund gegangen.

Die ersten Reaktionen auf die Schlagzeilen ließen nicht auf sich warten: Der damals noch zukünftige Kardinal widersprach diesen Behauptungen bereits am vergangenen 29. Mai.

In seiner Mitteilung erklärte Prälat Porco Ticona, er habe „hinsichtlich dieser Falschmeldung, die in den Medien über mein Privatleben verbreitet wird, die Pflicht, mit Nachdruck zu erklären und klarstellen, dass deren Inhalt nicht der Wahrheit entspricht.“

Die Anschuldigung gegen den gestern kreierten Kardinal wurde am 28. Mai auf dem Blog „Adelante la Fe“ veröffentlicht, das seinen Sitz in Spanien hat. Am 18. Juni weitete der Blog diese Anschuldigung durch die Veröffentlichung eines Briefes an der Apostolischen Nuntiatur in Boliven aus, welcher aus der Stadt Oruro, dem Wohnort eines Mitarbeiters von „Adelante la Fe“ versandt worden war.

Einer der ersten Einwände gegen den Würdenträger betrifft die Frage nach seinem richtigen Namen. Die Gepflogenheit des spanischen Sprachraums, in der Regel den Nachnamen der Mutter ebenfalls anzuführen, spielte hier Rolle: Als der Heilige Stuhl seine Kardinalskreierung ankündigte, stellte er ihn als Toribio Ticona Porco, den emeritierten Prälaten von Corocoro, vor. In den offiziellen Dokumenten erscheint er jedoch als Toribio Porco Ticona.

Der Pressesprecher der bolivianischen Bischofskonferenz (CEB), José Rivera, erläuterte gegenüber der Schwesteragentur von CNA Deutsch, dass „Toribio Porco Ticona richtig“ sei, der Bischof jedoch „mehr den Namen seiner Mutter (Ticona) verwende, da er seinen sehr jung verstorbenen Vater kaum gekannt habe.“

In dem Brief, in dem Porco Ticona die Anschuldigungen zurückweist, erklärt der Kardinal, dass „diese Gerüchte“ nicht neu seien; sie seien im Jahr 2011 verbreitet worden und „fanden als bloße Verleumdung ein Ende.“

„Ich persönlich freue mich darüber, dass diese Anklagen zu diesem Zeitpunkt kommen, damit der Fall definitiv abgeschlossen werden kann“ so der zukünftige Kardinal in seinem damaligen Schreiben.

Die Beschuldigungen gegen Porco Ticona entstanden aufgrund einiger Grundstücksstreitigkeiten um Ländereien, die ihm ursprünglich gehörten und die er der Kirche vermacht hat, als er Priester wurde.

Einige Jahre später entschloss sich die Kirche, Porco Ticona – der mittlerweile Bischof war – die Ländereien zurückzugeben. Es sollen sich um insgesamt sieben Grundstücke handeln, auch wenn einige Quellen weniger angeben.

Laut Angaben der Zeitung Pagina Siete verkaufte Porco Ticona dann, als er emeritierter Bischof von Corocoro war, ein 1.717 Quadratmetern großes Stück Land an eine dritte Person, die „Leonor R. G.“ genannt wird.

Das Grundstück befindet sich neben einer Schule in der Stadt Llallagua, 271 Kilometer südöstlich von La Paz.

Nach Aussage der Gemeindeverwaltung von Llallagua, die mit dem Sonderkorrespondenten von ACI Prensa gesprochen hatte, war jedoch ein rechtliches Problem entstanden: Beim Verkauf seien nicht die richtigen Dokumente verwendet worden. Seither besteht ein Streit um das Land zwischen Leonor Ramos Gareca und einer weiteren Frau, der Bürgervertreterin Rosario Paco.

Die Gemeinde von Llallagua würde ihrerseits selbst gerne das Grundstück besitzen, weil es an eine Schule angrenzt, die erweitert werden soll.

Leonor Ramos Gareca ist die Person, die der Blog „Adelante la Fe“ als „Leonor R. G.“ bezeichnet und die sich laut Angaben dieses Blogs „in der Öffentlichkeit als Frau des Bischofs präsentiert hätte, wie Zeugen berichten.“

In einem Gespräch mit ACI Prensa räumte Rosario Paco ein, dass sie „vor dem Streit die Frau (Leonor Ramos) nicht kannte, und noch weniger wusste, dass sie in einer Beziehung zu Bischof Toribio Porco Ticona stehe.“

„Ich weiß nichts über ihr Leben; erst als er mich angegriffen hat, habe ich herausgefunden, wer sie war. Die Leute dort sprachen von ihr und sagten: ‚Sie ist die Frau von Porco‘. Aber was, wie – er ist Priester?“, erzählte sie.

René Felipez, Sekretär bei der Gemeinde Llallagua, sagte zu ACI Prensa, dass „Frau Leonor sich nie als Frau des Bischofs vorgestellt habe, sondern als seine Bekannte.“

Das Problem bezüglich des 1.717 Quadratmeter großen Grundstücks „ist sehr komplex und ist seit mehr als drei Jahre nicht gelöst“, so Felipez, „das Eigentum gehört der Kirche, dem Bistum von Potosí, aber es gibt immer noch keine klare oder ausreichende Dokumentation für die Sanierung.“

Der Sekretär teilte auch mit, die Schule hätte das Land „symbolische eingenommen, da sie es nutzen will, um ihr Bildungsangebot zu erweitern.“

Praktisch jedoch ist klar: Ramos Gareca ist die aktuelle Besitzerin des Grundstücks. Gegenüber ACI Prensa erklärte Leonor Ramos Gareca dies so: Bischof Porco Ticona habe ihrer Mutter das Grundstück aus Dankbarkeit gegeben – für all die Jahre, in denen sie sich um diesen Ort gekümmert habe. Nach dem Tod der Mutter ging das Land dann in den Besitz der Tochter Ramos Gareca über.

Aussage von Leonor Ramos Gareca

Die Schwesteragentur von CNA Deutsch hat Frau Ramos Gareca in Llallagua ausfindig gemacht und auf die Vorwürfe gegen ihre Person angesprochen. Im Interview erklärte sie mit Nachdruck, die Anschuldigungen seien falsch: „Sie erzählen Lügen wenn sie sagen, dass ich eine Beziehung zu Kardinal Porco Ticona habe.“

Ramos Gareca betonte weiter, sie habe mit dem Erzbischof von La Paz über die Anschuldigungen gesprochen und er hätte gesagt, dass er mit ihm Porco Ticona sprechen werde. „Ich habe ihm gesagt, wie die Dinge wirklich stehen: Ich hatte nie eine Beziehung mit ihm (Porco Ticona), mit meinen Kindern hat er nichts zu tun. Absolut gar nichts.“ Sie habe nicht mit ihm selber gesprochen, weil sie dachte, das würde die Sache nur schlimmer machen, so Ramos Gareca.

Was die Anschuldigungen über eine vermeintliche Beziehung mit dem neuen Kardinal Porco Ticona betrifft, sagte sie: „Wenn sie Beweise haben, dann sollen sie sie mir zeigen. Das ist sehr wichtig. Hinter mir steht eine Familie, da sind Kinder. Ich fühle mich als Frau getroffen. Die Medien und einige Leute haben mich angegriffen.“

Zu dem Artikel über den Grundstücksstreit in Llallagua sagte Ramos Gareca, dass die Zeitung „mich nie aufgesucht hat. Ich war hier. Wenn sie gekommen wären, hätten sie mich hier gefunden.“

„Man schadet einem Priester, einem Ordensmann, einem Geweihten. Man kann nicht einfach so Dinge über ihn behaupten“, fügte sie hinzu.

Leonor Ramos Gareca erklärt, dass die Vorwürfe gegen sie ein Versuch seien, sich das umstrittene Land anzueignen. In diesem Zusammenhang sagte Frau Ramos Gareca, sie hätte vor ein paar Jahren eine Verleumdungsklage gegen eine weitere Person eingereicht.

Unter Tränen fügte Ramos Gareca hinzu: „Ich habe zwei Kinder und keines ist von Monsignore Ticona. Ich habe mit einem sehr jungen Mann zusammengelebt; es hat nicht funktioniert und ich habe mich von ihm getrennt. Ich habe mich nicht mit Leuten eingelassen, mit denen ich mich nicht einlassen darf. Das alles verletzt meine Kinder, schadet ihrer Identität.“

„Das Leben ist anstrengend und schwer für eine alleinerziehende Mutter, für eine Witwe oder geschiedene Frau. Es ist schwer, weil man mit dem Finger auf uns zeigt. Ich weiß, dass so etwas passiert. Gott weiß, dass die, die meine Würde in den Dreck ziehen, es mit Boshaftigkeit tun. Das Traurigste ist, dass meine ganze Familie dadurch getroffen wird“, betonte sie.

Der Leiter der Pressestelle der Bolivianischen Bischofskonferenz, José Rivera, erklärte seinerseits, es sei „nichts bewiesen, nichts stichhaltig, und wenn wirklich etwas existieren sollte, dann ist die Kirche als Erste daran interessiert, die Wahrheit herauszufinden und die Verantwortlichkeiten zu klären.“

ACI Prensa kontaktierte auch Bischof Christobal Bialasik von Oruro, da die Anklagen von „Adelante la Fe“ aus dieser Stadt kamen. „Es gibt kein Dokument, das dies bestätigen würde. Es gibt nichts, es ist nur Klatsch“, so der ursprünglich aus Polen stammende Bischof.

„Sie sagen, dass er dieser Frau half, die sie für seine Ehefrau halten, aber es gibt nichts, das bestätigen würde, dass sie seine Frau sei oder dass er Kinder habe. Wie jeder andere Bischof auch half er den Armen, und wir schauen nicht darauf, wer es ist. Wir sind darauf bedacht, zu dienen. Er hat mit dem Herzen gedient“, fügte er hinzu.

Auf die Frage, warum sich die bolivianischen Bischöfe nach den Vorwürfen von „Adelante la Fe“ nicht gemeinsam geäußert hätten, sagte Bialasik: „Wir wollen uns mit diesen Punkten nicht beschäftigen, weil sie nichts als grundlose Anschuldigungen sind. Deshalb haben die Bischöfe nichts zu diesem Thema gesagt. Es gibt nichts, keinerlei Beweis.“

„Adelante la Fe“ weist darauf hin, dass der Bischof von Oruro über die Anklage informiert worden sei, die der Nuntiatur vorgelegt wurde und die Aussagen von Personen aufführt, die nur mit Initialen angegeben sind. Diese Personen stammen allesamt aus Oruro.

ACI Prensa hat verschiedene Mails an den Mitarbeiter des Blogs in Oruro gesandt und ihn nach seinen Quellen gefragt. ACI Prensa hat Mazuelo ebenfalls gefragt, ob er derjenige sei, der diese Aussagen gegen Ticona Porco gesammelt und an die Nuntiatur in La Paz geschickt hat. Eine Antwort steht bislang aus.

In Bezug auf die Ankläger von Porco Ticona betonte der Bischof von Oruro gegenüber der Schwesteragentur von CNA Deutsch, dass „diejenigen, die ihn anklagen, über etwas sprechen, für das sie keinerlei Beweise haben. Ich habe mich mit diesen Leuten getroffen und sie haben mir gesagt, dass sie keine Beweise haben“.

Bischof Bialasik erklärte auch, er wisse, wer die Ankläger seien, „besonders eine Person. Ich habe sie um Beweise gebeten. Sie konnten nichts beweisen.“ Seiner Meinung nach werde diese ganze Situation geschaffen, um „die Kirche, und vor allem die Bischöfe, zu spalten. Das sind Menschen, die der Kirche großen Schaden zufügen, nicht nur dem Kardinal.“

Bischof Bialasik teilte weiter mit, dass die Bischofskonferenz einen Brief verfasst habe, in dem erklärt wird, dass Kardinal Porco Ticona nicht das neue Oberhaupt der Kirche in Bolivien wird. Danach beklagte er, dass hinter diesem Thema „viel Politik stecke, Aufstände von Ministern und aus der Dorgenszene gegen die Bischöfe, weil sie die kirchliche Situation des Kardinals dargelegt haben. Das tut weh, denn sie schaden der Kirche mit diesen grundlosen Beschuldigungen.“

Eine Recherche von Walter Sanchez Silva (ACI Prensa, Peru) unter Mitarbeit von Diego López Marina, dem Sonderkorrespondenten von ACI Prensa in Bolivien. Aus dem Spanischen übersetzt von Susanne Finner. (CNA Deutsch)

Ticona Porco: Konkubinatsvorwurf und Zwietracht in der Bischofskonferenz

Nach Chile könnte es in Bolivien zu einem weiteren Skandal für die katholische Kirche kommen.

Vaticanhistory – Martin Marker

Der neue Skandal betrifft einen bolivianischen Kirchenmann, der am 28. Juni zum Kardinal ernannt werden soll. Gemeint ist der emeritierte Bischof von Corocoro, Toribio Ticona Porco (81). Ticona Porco stammt aus einer indigenen Bauernfamilie und pflegt enge Kontakte zu dem bolivianischen Präsidenten Evo Morales. Morales selbst stammt ebenfalls aus einem indigenen Umfeld.

Die katholische Onlineseite „One Peter Five“ berichtete gestern über die Probleme um den designierten Kardinal ToribioTicona Porco und beruft sich hierbei auf einen Artikel der Nachrichtenagentur „ACI Prensa“ vom 13. Juni.

Präsident Evo Morales und Bischof Ticona Porco

In dem Interview hatte Ticona Porco ermutigende Bemerkungen über Evo Morales gemacht und gesagt, er hoffe auf die kirchliche Hierarchie von Bolivien und würde mit Morales aus bestimmten Gründen zusammenarbeiten. Morales hatte 2016 mithilfe eines Referendums versucht, die Erlaubnis der Bolivianer zu erhalten, 2019 als Präsident wiedergewählt zu werden, aber das Volk lehnte seine Idee ab. Allerdings hat Morales kürzlich angedeutet, dass er dennoch versuchen könnte, zum vierten Mal wiedergewählt zu werden.

Über diese Konfliktsituation in Bezug auf Morales betonte Ticona Porco, dass er es vorziehen würde, sich nicht zu äußern, ob Morales wiedergewählt werden sollte oder nicht, weil „wir Freunde sind“.

Da Ticona Porco bald zum Kardinal erhoben wird, stellen einige Medien dieses Interview als die Meinung der höchsten kirchlichen Autorität in Bolivien dar und untergraben damit den offiziellen Widerstand gegen Morales, der von der ´Bolivianischen Bischofskonferenz kommt.

Da die Bolivianische Bischofskonferenz Morales Versuch abgelehnt hatte, wiedergewählt zu werden, reagierten sie bald nach diesem Ticona Porco-Interview. In ihrer Erklärung vom 13. Juni beziehen sie sich auf

„Fehlinterpretationen einiger Aussagen des Kardinals“, die „in der Öffentlichkeit Verwirrung stiften konnten“.

Die Bischöfe verweisen die Öffentlichkeit auf die verschiedenen Medienaussagen und Hirtenbriefe, die sie zuvor veröffentlicht haben.

„Wir lehnen jeden Versuch ab, die katholische Kirche [in Bolivien] zu spalten oder zu manipulieren“.

Ferner verwies die Bolivianische Bischofskonferenz darauf, dass Ticona Porco zwar seine eigene Meinung als Mitglied der Bischofskonferenz und emeritierter Bischof in Übereinstimmung mit den eigenen Statuten der Bischofskonferenz äußern könne, aber nicht als die höchste Autorität der Kirche von Bolivien.

Dass Evo Morales und Ticona Porco sich nahe stehen, beweist auch die Tatsache, dass der Präsident dem designierten Kardinal zu seiner Ernennung beglückwünschte und umgehend verkündete, er werde Ticona Porco für die Zeremonie nach Rom begleiten.

Konkubinatsvorwurf gegen Bischof Ticona Porco

Neben dem Konflikt der Bolivianischen Bischofskonferenz mit Ticona Porco stehen Vorwürfe eines möglichen Konkubinats des designierten Kardinals im Raum.

Ticona Porco steht unter massivem Druck, nachdem die spanischsprachige Website „ADELANTE LA FE“ Vorwürfe erhoben hatte, der Bischof habe auch eine „Ehefrau“ und Kinder. Während er selbst solche Vorwürfe zurückwies, bestätigten „ADELANTE LA FE“ sowie andere Websites wie „LifeSiteNews“ die Richtigkeit dieses ersten Berichts.

In einem weiteren Bericht vom 18. Juni hat Miguel Ángel Yáñez von „ADELANTE LA FE“ zusätzliche Informationen über die Aussagen von „direkten Zeugen“ veröffentlicht, die Ticona Porco und seine Begleiterin – welche nur als „Leonor RG“ bekannt ist – berichtet. Die bolivianische Zeitung „Página siete“ hat einen Untersuchungsbericht veröffentlicht, in dem es heißt, dass Ticona Porco kircheneigenes Land an die bereits erwähnte „Leonor RG“ verkauft habe, die sich „öffentlich“ als „Ehefrau des Kardinals“ bezeichnet.

Ferner behauptet Yáñez in seinem neuen Bericht,

„dass Ticona seinen Namen in verschiedenen Kombinationen für verschiedene Zwecke verwendet hat. Während er im ursprünglichen Dekret zum vatikanischen Konsistorium als „HE Mons. Toribio Ticona Porco“ bezeichnet wird, in seinem offizieller Ausweis aber steht“ Toribio Porco Ticona“. Wir haben uns mit verschiedenen Rechtsquellen in Bolivien beraten, und alle bestätigen, dass diese Praxis nicht nur im Land nicht üblich ist, sondern höchst unregelmäßig und charakteristisch für Menschen ist, die Dinge verstecken und mit Verwirrung spielen wollen“.

Yáñez verweist in dem Bericht auf Zeugnisse und Anschuldigungen aus erster Hand, darunter ein Priester und andere Personen aus der Stadt Oruro, wo Ticona angeblich mit seiner „Ehefrau“ gelebt hat.

Bisher keine Reaktion des Vatikans

Vonseiten des Vatikans gab es bisher keine Reaktion zu den Vorwürfen um Bischof Ticona Porco. Es bleit abzuwarten, ob und wie, Papst Franziskus auf die öffentlichen Anschuldigungen zwischen Bischof Ticona Porco und der gesamten Bolivianischen Bischofskonferenz reagieren wird. Ebenso steht der Skandal eines möglichen Doppellebens ungeklärt im Raum.

Besonders nachdem die Krise in der chilenischen Kirche tiefe Wunden unter den Gläubigen und in der gesamten Weltkirche gerissen hat, sollte die Römische Kurie in Rom und das Kirchenoberhaupt die Verwirrungen und Anschuldigungen aus Bolivien sehr ernst nehmen und hier eine klare Position beziehen, und das, bevor Bischof Ticona Porco in den Kardinalsstand erhoben wird. Viel Zeit bleibt dem Heiligen Vater nicht mehr, dass Konsistorium findet am 28. Juni statt. (vh – mm)

Italien/Bolivien: Kardinäle Furno und Terrazas Sandoval verstorben

Kardinal Furno Kardinal Terrazas SandovalAm Mittwoch, den 09. Dezember sind die Kardinäle Carlo Furno und Julio Terrazas Sandoval verstorben. Der italienische Kardinal Furno war von 1997 bis 2004 Erzpriester der Patriarchalbasilika S. Maria Maggiore und ist mit 94 Jahren in Rom verstorben. Papst Johannes Paul II. hatte ihn 1994 zum Kardinal erhoben. Der aus Bolivien stammende Kardinal Terrazas Sandoval war von 1991 bis 2013 Erzbischof von Santa Cruz de la Sierra und wurde ebenfalls von Johannes Paul II. 2001 in den Kardinalsstand erhoben. Er ist mit 79 Jahren verstorben.

Das Kardinalskollegium umfasst somit noch 117 wahlberechtigte und 99 nichtwahlberechtigte Purpurträger. (vh)

Adios, America Latina: Papst Franziskus auf dem Rückflug nach Rom

ParaguayKinder, die mit ihren bunten Uniformen die Schweitergarde imitierten, standen Spalier, als Papst Franziskus am Sonntag Abend (Ortszeit) am Flughafen von Asunción das Flugzeug bestieg, das ihn zurück nach Rom bringt. Horacio Cartes, der Präsident Paraguays und letzter Gastgeber des Papstes, verabschiedete ihn auf dem Rollfeld. Zurück erwartet wird der Papst vor zwei Uhr mittags.

Damit endet die bislang längste Papstreise dieses Pontifikates, Ziele waren Ecuador, Bolivien und zuletzt Paraguay. Als nächste Reise stehen im September die Länder Kuba und USA auf dem Programm, samt einem Besuch bei den Vereinten Nationen. (rv)

„Papstworte nicht in eingeengtem Zusammenhang sehen“

Pater LombardiVatikansprecher Federico Lombardi hat dazu eingeladen, die Worte von Papst Franziskus bei der Begegnung mit Volksbewegungen im weiten Zusammenhang zu sehen. Das Kirchenoberhaupt hatte bei dem Treffen, das stellenweise an eine antikapitalistische politische Kundgebung erinnerte, unter anderem Kolonialismus durch Freihandelsabkommen und „aufgezwungene Sparmaßnahmen“ kritisiert, wobei er offen ließ, ob damit etwa TTIP bzw. Griechenland gemeint sein könnten. Boliviens Präsident Evo Morales kannte solche Zurückhaltung nicht, er erklärte vorab in seiner Ansprache vor dem Papst das Referendum in Griechenland zum „Beginn der Befreiung Europas“.

Nach der außerordentlich langen Begegnung in einer Messehalle in Boliviens größter Stadt Santa Cruz baten Journalisten Lombardi um eine Einordnung. Sie wollten unter anderem wissen, wie der Papst nach einer solchen Rede ausschließen könne, von Politikern für ihre Zwecke missbraucht zu werden. „Ich verstehe das Problem“, so Lombardi. „Es ist klar, dass es Instrumentalisierungen gibt. Es ist aber auch irgendwie normal und nicht nur hier so. Meine Antwort ist, dass der Papst eine solch große Autorität hat und eine Fähigkeit, sich auf einem sprachlichen Niveau auszudrücken, die es erlaubt, ihn sofort zu verstehen. Man kann das, was er sagt, nicht in einem eingeengten Zusammenhang sehen.“

Der Papst habe bestimmte Prozesse in der Entwicklung Boliviens klar gelobt, das sei offensichtlich, er habe aber nicht gesagt, das sei ein Modell für alle, so Lombardi weiter. Der Papst habe in einer viel weiteren Perspektive gesprochen und mit einem inneren Gleichgewicht. „Mir scheint, dass der Papst ein Ermutiger und ein Katalysator für diese Volksbewegungen ist“, fügte Lombardi an. Er respektiere aber gleichzeitig ihre Autonomie und ihre Kreativität, er gebe ihnen nicht seine Richtung vor. Er ermutige und helfe auf seine Weise, um gemeinsam ein Netzwerk aufzubauen, so dass die Arbeit dieser Bewegungen wirkungsvoller werde. (rv)

Der Papst an Priester und Ordensleute in Santa Cruz, Bolivien

BolivienChristen dürfen nicht wegsehen, wenn sie mit dem Leid ihrer Mitmenschen konfrontiert werden. Das sagte Papst Franziskus am Donnerstagnachmittag (Ortszeit) bei einer Begegnung mit Priestern, Ordensleuten und Seminaristen in einer Salesianerschule in Santa Cruz, Bolivien. Hier finden Sie den vollen Text der Ansprache des Papstes mit den meisten der von ihm vorgenommenen, spontanen Einschüben.

„Liebe Brüder und Schwestern,

ich freue mich über diese Begegnung mit euch, um die Freude zu teilen, die das Herz und das ganz Leben der Jünger und Missionare Jesu erfüllt. Die Grußworte von Weihbischof Roberto Bordi haben das zum Ausdruck gebracht und ebenso die Zeugnisse von Padre Miguel, von Schwester Gabriela und des Seminaristen Damián. Vielen Dank dafür, dass ihr uns an eurer eigenen Berufungserfahrung habt Anteil nehmen lassen.

Im Bericht des Markus haben wir auch von der Erfahrung eines anderen Jüngers, des Bartimäus gehört, der sich der Gruppe derer anschloss, die Jesus nachfolgten. Er war ein Jünger der letzten Stunde. Es war die letzte Reise des Herrn von Jericho nach Jerusalem, wo er ausgeliefert werden sollte. Blind und ein Bettler. So stand Bartimäus am Rand des Weges. Ausgeschlossener geht es gar nicht. Ausgegrenzt. Und als er erfuhr, dass Jesus vorüberging, begann er zu schreien, er ließ sich hören – so wie diese gute Schwester, die mit dem Schlagzeug auf sich aufmerksam gemacht und gesagt hat, hier bin ich! Herzlichen Glückwunsch, du spielst gut!

Jesus war von den Aposteln umgeben, den Jüngern, den Frauen, die ihm gewöhnlich folgten, mit denen er sein Leben lang die Wege Palästinas durchwanderte, um das Reich Gottes zu verkünden. Und eine große Menschenmenge. Wenn wir das etwas pointiert ins Heute übersetzen: Mit Jesus gingen die Bischöfe, die Priester, die Ordensfrauen, die Seminaristen, die engagierten Laien, alle, die ihm folgten, die ihm zuhörten, und das gläubige Volk Gottes.

Zwei Fakten zeigen sich deutlich, drängen sich uns auf. Einerseits das Geschrei, das Geschrei des Bettlers und andererseits die verschiedenen Reaktionen der Jünger. Stellen wir uns die verschiedenen Reaktionen der Bischöfe, der Priester, der Ordensfrauen, der Seminaristen auf die Schreie vor, die wir da hören… Es ist, als wollte der Evangelist uns die Art des Echos zeigen, die das Geschrei des Bartimäus im Leben der Menschen und im Leben der Gefolgsleute Jesu auslöst. Wie sie angesichts der Leiden dessen reagieren, der am Rand des Weges steht, allein mit seinem Leid. Wie keiner auf ihn achtet, wie auch keiner ihm ein Almosen zusteckt. Er gehört nicht in diesen Kreis derer, die dem Herrn folgen.

Drei Antworten hören wir auf die Schreie des Blinden, und auch heute sind diese drei Antworten aktuell. Wir könnten sie mit den Worten des Evangeliums selbst benennen:

1. Vorübergehen.

2. Sei still!

3. Hab Mut! Steh auf!

1. Vorübergehen. Einige gehen vielleicht vorüber, weil sie ihn nicht gehört haben. Sie waren bei Jesus, sie schauten auf Jesus, sie wollten Jesus hören und konnten ihn nicht verstehen. Vorübergehen ist das Echo der Gleichgültigkeit, das Vorübergehen an den Problemen, so dass sie uns nicht berühren. „Das ist ja nicht mein Problem.“ Wir hören sie nicht, wir nehmen sie nicht zur Kenntnis. Es ist die Versuchung, das Leid zu bagatellisieren, sich an das Unrecht zu gewöhnen – und, ja, so Leute gibt es: Ich bin hier bei Gott, mit meinem gottgeweihten Leben, von Jesus in den Dienst gerufen und, ja doch, es ist ganz normal, dass es Kranke gibt, Arme, Leute die leiden, und darum ist es genauso normal, dass ein Schrei, eine Bitte um Hilfe mich nicht aufmerken lassen. Wir gewöhnen uns daran, wir sagen uns: Das ist normal, es war immer so, aber mich betrifft es nicht – aber das in Klammern gesetzt, nicht wahr? Es ist das Echo, das aus einem gepanzerten, verschlossenen Herzen kommt, das die Fähigkeit zu staunen verloren hat und damit die Möglichkeit, sich zu ändern. Wir Jünger Jesu, wieviele von uns laufen Gefahr, unsere Fähigkeit des Staunens zu verlieren, sogar dem Herrn gegenüber? Dieses Staunen der ersten Begegnung, wie sehr geht es mit der Zeit zurück, und das kann jedem passieren, auch dem ersten Papst ist es passiert: Wohin sollen wir gehen, Herr, wenn du doch Worte des ewigen Lebens hast? Und dann verraten sie ihn, er leugnet, das Staunen ist bei ihm zerstört. Das ist ein ganzer Prozess des Abstumpfens. Vermauertes Herz. Es ist ein Herz, das sich daran gewöhnt hat vorüberzugehen, ohne sich anrühren zu lassen; eine Existenz, die sich dahin und dorthin wendet, aber im Leben ihres Volkes nicht Fuß fasst – einfach weil sie zu dieser „Elite“ gehört, die dem Herrn folgt.

Wir könnten das die Spiritualität des zapping nennen. Immer etwas anderes, noch etwas und noch etwas, aber nichts bleibt. Es sind die Menschen, die der letzten Neuigkeit nachlaufen, dem letzten “best seller”, die aber dann nicht imstande sind, Kontakt aufzunehmen, sich in Verbindung zu setzen, sich einzubringen, auch nicht dem Herrn gegenüber, dem sie doch folgen…

Ihr werdet mir sagen: „Diese Leute sind aber dem Meister gefolgt, sie haben aber auf die Worte des Meisters geachtet. Sie haben ihm zugehört”. Ich glaube, das ist die größte Herausforderung der christlichen Spiritualität. Der Evangelist Johannes erinnert uns daran: Wie kann jemand Gott lieben, den er nicht sieht, wenn er seinen Bruder, den er sieht, nicht liebt? (1 Joh 4, 20b). Sie glaubten dem Herrn zuzuhören, aber sie verrieten ihn zugleich, und die Worte des Meisters prallten an ihrem vermauerten Herzen ab. Diese Einheit zu zerteilen – Gott hören und den Bruder hören –, ist eine der größten Versuchungen, die uns auf dem ganzen Weg begleiten, wenn wir Jesus folgen. Und wir müssen uns dessen bewusst sein. So wie wir auf unseren Vater hören, hören wir auch auf das gläubige Volk Gottes. Wenn wir es nicht mit eigenen Ohren hören, mit unserer ganzen Fähigkeit des Hinhörens, mit dem Herzen, dann ist etwas schiefgelaufen.

Vorüberzugehen, ohne auf das Leid unserer Leute zu hören, ohne Wurzel zu schlagen in ihrem Leben, in ihrem Land, ist so viel wie das Wort Gottes zu hören und nicht zuzulassen, dass es in unserem Inneren Wurzel schlägt und fruchtbar wird. Eine Pflanze, eine Geschichte ohne Wurzel, ist ein vertrocknetes Leben.

2. Zweites Wort: Sei still! Das ist die zweite Haltung gegenüber dem Geschrei des Bartimäus. Sei still, fall nicht lästig, mach keinen Wirbel, wir beten gerade, wir sind in einer Spiritualität tiefer Versenkung, stör nicht, fall nicht lästig. Im Gegensatz zur vorherigen Haltung hört diese hin, nimmt Kenntnis, tritt in Kontakt mit dem Schrei des Anderen. Sie weiß, dass er da ist, und reagiert sehr elementar, indem sie zurechtweist. Das sind die Bischöfe, die Priester, die Ordensfrauen, die Päpste, oder? … Armes Volk Gottes, wie oft wird es angeraunzt, wegen schlechter Laune oder wegen der persönlichen Lage eines Jüngers oder einer Jüngerin Jesu. Es ist die Haltung, wie sie jene dem Volk Gottes gegenüber einnehmen, die es immer zurechtweisen, die immer knurren, die es immer zum Schweigen bringen wollen. Streichle es doch lieber, bitte, hör ihm zu, sag ihm, dass Jesus es liebt! „Nein, das geht doch nicht, gute Frau, schaffen sie diesen Jungen, der die ganze Zeit heult, aus der Kirche, ich predige doch gerade.“ Als ob das Weinen eines Kinders nicht eine sublime Predigt wäre!

Es ist das Drama des isolierten Gewissens derjenigen Jünger und Jüngerinnen, die denken, das Leben Jesu sei nur für jene, die sich für geeignet halten. Im tiefsten steckt darin eine tiefe Verachtung des heiligen, gläubigen Volkes Gottes: „Dieser Blinde da, was hat der sich hier einzumischen, der soll dahinten bleiben!“ Es sollte nur Platz geben für die “Berechtigten”, für eine “Kaste der Anderen”, die sich nach und nach von ihrem Volk absondert. Sie haben aus der Identität eine Frage der Superiorität gemacht… Die, die dem Volk Gottes ständig Hindernisse aufbauen, die spalten es.

Sie hören, aber sie hören nicht zu, sie halten lieber eine Predigt, sie sehen, aber sie schauen nicht hin. Die Notwendigkeit, anders zu sein, hat ihr Herz blockiert. Die Notwendigkeit, sich zu sagen: Ich bin nicht wie er, wie sie, hat sie nicht nur vom Schrei der Leute und von ihren Tränen entfernt, sondern besonders von den Motiven ihrer Freude. Lachen mit denen, die lachen, weinen mit denen, die weinen – das ist ein Teil des priesterlichen Herzens und des gottgeweihten Herzens…

3. Das dritte Wort: Hab Mut! Steh auf! Das ist das dritte Echo. Es geht nicht direkt auf das Geschrei des Bartimäus zurück, sondern kommt aus der Reaktion der Leute, die zusehen, wie Jesus auf den Ruf des Bettler reagiert… Es ist ein Schrei, der zum Wort wird, zur Einladung, zur Veränderung, zum Angebot einer neuen Weise, auf das heilige Volk Gottes einzugehen.

Das Evangelium sagt uns, dass Jesus nicht wie die anderen vorüberging, sondern dass er stehen blieb und fragte, was denn los sei. Er hält inne vor dem Ruf einer Person. Er tritt heraus aus der Anonymität der Masse, um zu wissen, wer das ist, und so nimmt er sich seiner an. Er schlägt Wurzel in seinem Leben. Und statt ihm Schweigen zu gebieten, fragt er: Was kann ich für dich tun? Er hat es nicht nötig, anders zu sein, sich abzusondern, er überprüft nicht, ob der Betreffende Redebefugnis hat oder nicht. Er fragt ihn nur, er will wissen, wer er ist, um am Leben dieses Menschen Anteil zu nehmen, um sein Los zu teilen. So gibt er ihm nach und nach die Würde wieder, die er da am Wegesrand, blind, verloren hatte, er bezieht ihn ein. Statt ihn nur von außen zu sehen, macht er sich auf, um sich mit den Problemen zu identifizieren und so die verwandelnde Kraft der Barmherzigkeit zu offenbaren. Es gibt kein Mitleid…, das nicht innehält. Wenn du nicht innehälst, nicht mit dem anderen leidest, dann hast du nicht das göttliche Mitleid. Es gibt kein Mitleid, das nicht zuhört. Es gibt kein Mitleid, das sich nicht mit dem Anderen solidarisiert. Das Mitleid ist kein zapping, es besteht nicht im Verschweigen des Leids. Es ist im Gegenteil die Logik der Liebe. Es ist die Logik, die sich nicht von der Angst bestimmen lässt, sondern von der Freiheit, die daher kommt, dass man liebt und das Wohl des Anderen über alle Dinge stellt. Es ist die Logik, die daher kommt, dass man keine Angst hat, dem Leid unserer Leute nahezukommen. Auch wenn es oftmals nicht mehr ist, als an ihrer Seite zu sein und aus diesem Augenblick eine Gelegenheit zum Gebet zu machen.

Das ist die Logik der Jüngerschaft, das ist es, was der Heilige Geist mit uns und in uns tut. Dafür sind wir Zeugen. Eines Tages sah uns Jesus am Rand des Weges, auf unseren Leiden sitzend, auf unserem Elend, auf unserer Gleichgültigkeit. Jeder kennt seine alte Geschichte. Er hat uns nicht zu schweigen befohlen, sondern ist im Gegenteil stehen geblieben, hat sich uns genähert und gefragt, was er für uns tun könne. Und dank einer großen Zahl von Zeugen, die uns sagten: Hab Mut! Steh auf!, haben wir nach und nach diese barmherzige Liebe begriffen, die verwandelnde Liebe, die es uns befähigt hat, das Licht zu sehen. Wir sind nicht Zeugen einer Ideologie, wir sind nicht Zeugen eines Rezepts, oder einer Art und Weise, Theologie zu betreiben. Von all dem sind wir keine Zeugen. Wir sind Zeugen der heilenden und barmherzigen Liebe Jesu. Wir sind Zeugen seines Wirkens im Leben unserer Gemeinden.

Das ist die Pädagogik des Meisters, das ist die Pädagogik des Volkes Gottes. Von der Gleichgültigkeit des zapping zum “Hab Mut! Steh auf! Der Meister ruft dich” (Mk 10, 49). Nicht weil wir etwas Besonderes sind, nicht weil wir besser sind, nicht weil wir Funktionäre Gottes sind, sondern nur, weil wir dankbare Zeugen der Barmherzigkeit sind, die uns umgestaltet.

Und wenn man so lebt, dann kommen Lust und Freude auf, und wir können dem Zeugnis der Schwester zustimmen, die sich in ihrem Leben an den Rat des hl. Augustinus, zu singen und voranzugehen, gehalten hat. Diese Freude, die vom Zeugnis der umwandelnden Barmherzigkeit herkommt. Wir sind nicht allein auf diesem Weg. Wir helfen einander durch das Beispiel und das Gebet. Eine Wolke von Zeugen (vgl. Hebr 12,1) steht uns zur Seite. Denken wir an die selige Nazaria Ignacia de Santa Teresa de Jesús, die ihr Leben der Verkündigung des Reiches Gottes gewidmet hat. Sie betreute die Alten, mit der »Schüssel des Armen« für jene, die nichts zu essen hatten, sie eröffnete Heime für verwaiste Kinder und Krankenhäuser für Kriegsversehrte, sie gründete sogar eine weibliche Gewerkschaft zur Förderung der Frau. Denken wir auch an die ehrwürdige Virginia Blanco Tardío, die sich ganz der Evangelisierung und Pflege der Armen und Kranken gewidmet hat. Sie und viele andere Namenlose, sehr viele unter uns, die wir Jesus folgen, sind ein Ansporn auf unserem Weg. Diese Wolke der Zeugen! Gehen wir voran mit der Hilfe Gottes und der Mitarbeit aller. Der Herr bedient sich unser, damit sein Licht in alle Winkel der Erde dringt. Und vorwärts: Sing und geh voran! Und während Sie singen und vorangehen, beten Sie bitte für mich, ich brauche es. Danke.“ (rv)

Papstrede zur Begrüßung in Bolivien

BolivienHerr Präsident,
geschätzte Vertreter des öffentlichen Lebens,
liebe Brüder im Bischofsamt,
liebe Brüder und Schwestern,

zu Beginn dieses Pastoralbesuchs möchte ich alle Männer und Frauen Boliviens grüßen und ihnen meine besten Wünschen für Frieden und Wohlergehen aussprechen. Ich danke dem Präsidenten des Plurinationalen Staates Bolivien für den mir erwiesenen herzlichen Empfang und für seine freundlichen Worte zur Begrüßung. Dank sage ich auch den Herren Ministern und den Vertretern des Staates, der Streitkräfte und der Staatspolizei, die so gütig waren, mich zu empfangen. Meinen Brüdern im Bischofsamt, den Priestern, den Ordensleuten, den Christgläubigen und der ganzen pilgernden Kirche in Bolivien möchte ich meine Empfindungen brüderlicher Verbundenheit im Herrn zum Ausdruck bringen. Im Herzen trage ich besonders die Söhne und Töchter dieses Landes, die aus vielfachen Gründen eine „andere Erde“ suchen mussten, damit diese sie aufnehme, einen anderen Ort, wo diese Mutter sie fruchtbar werden lasse und ihnen das Leben möglich mache.

Ich freue mich, in diesem Land einzigartiger Schönheit zu sein, das in seinen verschiedenen Gegenden von Gott gesegnet wurde: das Hochland, die Täler, das Amazonastiefland, die Wüsten, die unvergleichlichen Seen. Die Präambel seiner Verfassung hat dies auf poetische Weise festgehalten: „Vor unvordenklichen Zeiten erhoben sich Berge, entsprangen Flüsse, bildeten sich Seen. Unser Amazonien, unser Chaco, unser Hochland und unsere Ebenen und Täler hüllten sich in Pflanzen und Blumen“. Es erinnert mich daran, dass „die Welt [..] mehr [ist] als ein zu lösendes Problem, sie ist ein freudiges Geheimnis, das wir mit frohem Lob betrachten“ (Enzyklika Laudato si’, 12). Es ist aber vor allem ein Land, das in seinen Menschen gesegnet ist mit seiner reichen kulturellen und ethnischen Wirklichkeit, die einen großen Reichtum und einen bleibenden Aufruf zum gegenseitigen Respekt und zum Dialog darstellt: jahrtausendealte ansässige Völker und gegenwärtige ansässige Völker. Wie viel Freude bereitet es uns zu wissen, dass das Kastilische, das in diese Länder gebracht wurde, heute mit 36 indigenen Sprachen zusammenlebt und sich vermischt – wie es bei den Nationalblumen Kantuta und Patujú das Rot und das Gelb tun –, um Schönheit und Einheit in der Verschiedenheit zu geben. In diesem Land und Volk hat die Verkündigung des Evangeliums starke Wurzeln geschlagen, und die Jahre hindurch hat das Evangelium das Zusammenleben erleuchtet und so zur Entwicklung des Volkes beigetragen und die Kultur gefördert.

Ich komme als Gast und Pilger, um den Glauben derer zu stärken, die an den auferstandenen Christus glauben. Denn wir Gläubige sollen, während wir in diesem Leben pilgernd unterwegs sind, Zeugen seiner Liebe, Sauerteig einer besseren Welt sein und am Aufbau einer gerechteren und solidarischen Welt mitarbeiten.

Bolivien macht gerade wichtige Schritte, die Inklusion von weiten Bereichen des wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und politischen Lebens voranzubringen. Es kann auf eine Verfassung zählen, welche die Rechte der Einzelnen, der Minderheiten, der Umwelt anerkennt, wie auch auf Einrichtungen, die für diese Wirklichkeiten empfänglich sind. All das verlangt einen Geist öffentlicher Zusammenarbeit, des Dialogs und der Teilnahme der Einzelnen und der gesellschaftlichen Handlungsträger in den Fragestellungen, die alle angehen. Der ganzheitliche Fortschritt eines Volkes beinhaltet das Wachstum in Bezug auf die menschlichen Werte und die Übereinstimmung in gemeinsamen Idealen, denen es gelingt, die Willen zu vereinen, ohne jemanden auszuschließen oder abzuweisen. Wenn es sich beim Wachstum um ein bloß materielles handelt, läuft man immer Gefahr, wieder neue Unterschiede zu schaffen, bei denen der Überfluss der einen auf dem Mangel der anderen beruht. Daher erfordert der gesellschaftliche Zusammenhalt neben der Transparenz auf institutioneller Ebene Anstrengung bei der Erziehung der Bürger.

In diesen Tagen möchte ich gerne die Berufung der Jünger Christi fördern, die Freude des Evangeliums zu verkünden und Salz der Erde und Licht der Welt zu sein. Die Stimme der Hirten, die eine prophetische sein muss, spricht zur Welt im Namen der Mutter Kirche, ausgehend von ihrer auf dem Evangelium gründenden vorrangigen Option für die Geringsten. Die brüderliche Nächstenliebe, der lebendige Ausdruck des neuen Gebots Jesu, drückt sich in Programmen, Werken und Einrichtungen aus, welche die ganzheitliche Förderung des Menschen suchen, so wie die Sorge und der Schutz für die Schwächsten. Man kann nicht an Gott Vater glauben, ohne in jedem Menschen einen Bruder oder eine Schwester zu sehen, und man kann Jesus nicht nachfolgen, ohne das Leben für die hinzugeben, für die er am Kreuz gestorben ist.

In einer Zeit, die oft dazu neigt, die grundlegenden Werte zu vergessen oder zu verkehren, verdient die Familie ein besonderes Augenmerk seitens der Verantwortlichen für das Gemeinwohl. Sie bildet nämlich die Grundzelle der Gesellschaft, die feste Bande der Einheit beisteuert, auf denen das menschliche Zusammenleben beruht, und sie gewährleistet durch die Zeugung und Erziehung ihrer Kinder die Erneuerung der Gesellschaft.

Die Kirche fühlt ebenso besondere Sorge für die jungen Menschen, die im Einsatz für den Glauben und für große Ideale eine viel versprechende Zukunft sind, „Wächter, die die Morgenröte und den neuen Frühling des Evangeliums ankündigen“ (Johannes Paul II., Botschaft zum 18. Weltjugendtag, 6). Für die Kinder Sorge zu tragen, dafür zu sorgen, dass die Jugend sich für edle Ideale einsetzt, ist die Garantie für die Zukunft einer Gesellschaft. Einer Gesellschaft, die ihre eigene Versicherung findet, wenn sie ihre alten Leute schätzt, ehrt und für sie sorgt, wenn sie die Wahl trifft, eine „Gedächtniskultur“ zu schaffen, die den alten Menschen nicht nur die Lebensqualität in ihren letzten Jahren sicherstellt, sondern die Herzenswärme, wie es Ihre Verfassung gut zum Ausdruck bringt.

Herr Präsident, liebe Brüder und Schwestern, ich danke Ihnen, dass ich hier sein darf. Diese Tage werden es uns möglich machen, verschiedene Momente der Begegnung, des Dialogs und der Feier des Glaubens zu erleben. Es freut mich, in Ihrer Heimat zu sein, die sich als friedliebend bezeichnet, welche die Kultur des Friedens und das Recht auf Frieden fördert.

Ich stelle diesen Besuch unter den Schutz der Unserer Lieben Frau von Copacabana, der Königin Boliviens, und bitte sie, dass sie alle ihre Kinder beschütze. Vielen Dank! Der Herr segne sie! Jallala Bolivien! (rv)

Vatikan veröffentlicht Programm der Papstreise nach Lateinamerika

BolivienPapst Franziskus wird während seiner Lateinamerikareise im Juli an einem Welttreffen von Volksbewegungen im bolivianischen Santa Cruz teilnehmen. Das ergibt sich aus dem Reiseprogramm, das an diesem Freitag vom Vatikan veröffentlicht wurde. Am 5. Juli bricht der Papst morgens zu seiner Reise auf; um 15 Uhr Ortszeit trifft er in der ecuadorianischen Hauptstadt Quito ein. Am Montag, 6. Juli, feiert er zunächst eine Messe im Wallfahrtsort der Göttlichen Barmherzigkeit Guayaquil; am Abend trifft er dann in Quito Präsident Rafael Correa zu einem Höflichkeitsbesuch.

Am Dienstag, 7. Juli, will Franziskus sich zunächst mit Bischöfen treffen und dann in einem Park von Quito eine große Messe feiern. Der Nachmittag gehört Begegnungen mit Schülern und Studenten, mit Vertretern der ecuadorianischen Gesellschaft und mit jesuitischen Mitbrüdern. Am Mittwoch, 8. Juli, geht der Papst in ein Altenheim der Mutter-Teresa-Schwestern und trifft sich mit Klerus, Ordensleuten und Seminaristen, bevor er nach Bolivien weiterreist.

Am Nachmittag des 8. Juli trifft der Papst in La Paz ein und besucht zunächst Präsident Evo Morales. Auch ein Treffen mit Vertretern der Behörden und der Gesellschaft ist vorgesehen. Am Tag darauf hält Franziskus dann eine Messe in Santa Cruz, trifft Priester, Ordensleute und Seminaristen Boliviens und verbringt dann den Abend auf dem zweiten Welttreffen der Volksbewegungen.

Am Freitag, 10. Juli, will Franziskus eine Haftanstalt in Santa Cruz besuchen. Danach trifft er Bischöfe und fliegt mittags weiter nach Paraguay. Auch in Asunción, der Hauptstadt Paraguays, ist zunächst ein Höflichkeitsbesuch bei Staatspräsident Horacio Cartes geplant. Am Samstag, 11. Juli, will der Papst dann ein Kinderheim aufsuchen, eine große Messe im Marienwallfahrtsort Caacupé feiern und Vertreter der Gesellschaft sowie – in der Kathedrale – Priester, Diakone, Ordensleute, Seminaristen und Mitglieder katholischer Bewegungen treffen.

Der Sonntag, 12. Juli, ist der letzte vollständige Reisetag des Papstes bei seiner zweiten Lateinamerikareise. Vorgesehen sind unter anderem eine Messe, eine Begegnung mit den Bischöfen und ein Treffen mit Jugendlichen. Um 19 Uhr Ortszeit will der Papst wieder in Richtung Rom aufbrechen; dort wird er am Montag, 13. Juli, gegen 13.45 Uhr erwartet. (rv)