Über 50 Kirchen und Klöster in der Türkei enteignet: „Stehen vor Auslöschung“

ANKARA – Die Türkei hat im Südosten des Landes mehr als 50 Kirchen und Klöster sowie deren Liegenschaften und Friedhofsgrundstücke beschlagnahmt. In der Region leben seit fast 2000 Jahren aramäische Christen, die auch noch die Sprache Jesu sprechen.

Nach Angaben des Bundesverbandes der Aramäer in Deutschlandwurden sie der türkischen Religionsbehörde „Diyanet“ übertragen, so das päpstliche Hilfswerk „Kirche in Not„.

Ihr Vorsitzender, Daniyel Demir, sprach gegenüber der Evangelischen Nachrichtenagentur „idea“ von einem beispiellosen Vorgang. Die Entwicklung im Kernland des Christentums sei dramatisch. Eine solche Enteignungswelle habe es noch nicht gegeben. Nun könne die Behörde aramäisches Kulturerbe aus den frühen Jahrhunderten „an Dritte veräußern, in Museen verwandeln oder auch zu Moscheen umwidmen“. Es sei zudem unklar, ob die Christen künftig eine Genehmigung beantragen müssen, wenn sie in ihren Kirchen Gottesdienst feiern wollen. Die Stiftung des syrisch-orthodoxen Klosters Mor Gabriel in der südosttürkischen Region „Tur Abdin“ (Berg der Gottesknechte) bereite Klagen gegen das Vorgehen des türkischen Staates vor: „Die Christen sind entschlossen, das Ganze bis an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu tragen.“ Die aramäische Minderheit sei im „Tur Abdin“ bereits stark zurückgegangen. Mittlerweile lebten in der Region nur noch 2.000, in der gesamten Türkei rund 20.000. Demir: „Wir rufen die Bundesregierung auf, den Aramäern zur Seite zu stehen“, meldet „Fides“.

Dem Ausverkauf ausgeliefert

Kirchen und Klöster in der Türkei wurden beschlagnahmt und dem staatlichen islamisch-sunnitischen Religionsamt überschrieben.

Sie zählen zu den ältesten christlichen Gemeinden der Welt, ihre Zahl ist wie die aller Christen im Nahen Osten zuletzt stark geschrumpft, und jetzt werden ihnen auch ihre letzten Besitztümer genommen: die syrisch-orthodoxen Aramäer oder Assyrer in der Türkei, deren Siedlungsgebiet in der südostanatolischen Region Tur Abdin liegt. Ihnen gehören dort hunderte uralter Kirchen und Klöster. Nun enthüllte die türkisch-armenische Zeitung „Agos“ aus Istanbul, dass der türkische Staat in einer beispiellosen Enteignungsoperation mindestens 50 frühchristliche Monumente beschlagnahmt und dem staatlichen islamisch-sunnitischen Religionsamt Diyanet überschrieben hat; dutzende weitere Enteignungen sollen laut dem Bericht folgen. Die frühchristlichen Bauten sind damit dem Ausverkauf und möglicherweise der Zerstörung ausgeliefert.

Praktisch vor der Auslöschung

„Agos“ gegenüber bestätigte das Gouverneursamt der zuständigen Provinz Mardin die Beschlagnahmungswelle, die Kirchen, Klöster, Friedhöfe und Ländereien betrifft.

Damit stehen die christlichen Gemeinden Anatoliens, die ihre Existenz auf die Zeit der Apostel zurückführen und während des Völkermords von 1915 im Osmanischen Reich hunderttausende Opfer zu beklagen hatten, praktisch vor der Auslöschung.

Viele Aramäer verließen ihre angestammten Siedlungsgebiete bereits in den 1990er Jahren, als der Bürgerkrieg zwischen der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK und dem türkischen Staat seinen Höhepunkt erreichte. Heute leben nach Angaben ihres deutschen Bundesverbandes in der EU 350.000 und in Deutschland 150.000 Aramäer. In Tur Abdin blieben nur noch 2000 bis 3000 Christen, die versuchen, ihre religiösen Stätten zu bewahren.

Zum Opfer der aktuellen Enteignungen wurde auch das berühmteste Kloster der Türkei, Mor Gabriel aus dem Jahr 397, nahe der Stadt Midyat. Die Abtei ist eine der weltweit ältesten und eine der wenigen, die seit mehr als 1600 Jahren aktiv genutzt werden. Die Kloster-Stiftung wurde selbst während der Enteignungen von Minderheitenbesitz nach Gründung der Republik Türkei 1923 gesetzlich geschützt. Kaum eine Stiftung religiöser Minderheiten in der Türkei verfügt über so umfangreiche staatliche Schutzurkunden.

Das alles soll nun offenbar nicht mehr gelten. „Mit dem Gesetz von 2002 konnten wir einige Grundstückstitel sichern, die auf den Namen unserer Stiftung lauteten, für andere lief der juristische Prozess“, zitierte „Agos“ den Stiftungsvorsitzenden Kuryakos Ergün. „Es war uns aber nicht möglich, alle Besitztümer einzuklagen. Gleichzeitig wurden neue Grundbücher angelegt, und die Katasterämter ignorierten die Gesetzgebung“, so Kirche in Not unter Berufung auf die „Wiener Zeitung“. (CNA Deutsch)

Papstreise in die Türkei: Vor allem ökumenisch

TürkeiÖkumenische und interreligiöse Begegnungen stehen im Zentrum von Papst Franziskus‘ Reise in die Türkei. Der Vatikan gab an diesem Dienstag der Programm der Reise im Detail bekannt. Demnach wird der Papst am 28. November zunächst in die Hauptstadt Ankara fliegen und dort zunächst das Mausoleum des Staatsgründers Kemal Atatürk besuchen. Danach wird er vom Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan empfangen. Am Ende des ersten Tages wird der Papst auch die Diyanet besuchen, das Amt für Religiöse Angelegenheiten, und dort mit dessen Präsidenten zusammentreffen.

Am Samstag, dem 29. November, reist der Papst dann weiter nach Istanbul, wo er zunächst die Hagia Sofia besuchen wird, offiziell das Museum Santa Sofia. Die ehemalige Basilika und ehemalige Moschee ist offiziell ein Museumsgebäude. Im Anschluss wird der Papst die Sultan Ahmet Moschee besuchen, die in direkter Nachbarschaft zur Hagia Sofia liegt und die in Europa vor allem als „Blaue Moschee“ bekannt ist. Danach feiert der Papst in der katholischen Kathedrale eine Messe.

Nachmittags nimmt Papst Franziskus in der orthodoxen Patriarchalkirche Sankt Georg an einem ökumenischen Gebet teil. Danach trifft er den ökumenischen Patriarchen und das Ehrenoberhaupt der griechisch-orthodoxen Kirche, Bartholomaios I.; es handelt sich dabei um eine private Begegnung.

Am Sonntag beginnt das offizielle Programm mit der Feier der göttlichen Liturgie wieder in der Patriarchalkirche. Am 30. November wird das Fest des Apostels Andreas gefeiert, des Patrons des Patriarchats. Anschließend wird – wie bei Reisen und Begegnungen dieser Art üblich – eine ökumenische Erklärung unterzeichnet. Zuletzt hatte es eine solche in Jerusalem gegeben.

Am Nachmittag wird der Papst dann wieder nach Rom zurückkehren. (rv)

Türkei: „Fintenreich, wie er immer agiert“

Vor zwei Tagen musste die Türkei ein Urteil des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofes aus Straßburg akzeptieren: Da entschieden die Richter, Ankara müsse ein Waisenhaus auf einer Insel vor Istanbul an das Ökumenische Patriarchat von Konstantinopel zurückgeben. Das ist zunächst einmal eine gute Nachricht für die bedrängten orthodoxen Christen in der Türkei, ja für die Christen dort überhaupt. Otmar Oehring ist missio-Menschenrechtsexperte und Türkei-Kenner – er sagt:
„Ich denke, dass der Europäische Menschenrechtsgerichtshof die letzte Hoffnung für alle Minderheiten in der Türkei ist – und das ist nicht nur die christliche, sondern auch die jüdische Minderheit, die Bahai und andere Gruppen. In gewisser Weise gilt das auch für die Aleviten, auch wenn man sich fragen kann, inwieweit die mit rund 30 Prozent Bevölkerungsanteil überhaupt noch als Minderheit anzusehen sind. Das Problem mit allen Entscheidungen des Menschenrechtsgerichtshofs mit Bezug auf die Türkei ist allerdings die Umsetzung. Die Türkei lässt tatsächlich die Fristen ablaufen, in denen sie gegen entsprechende Urteile des Straßburger Gerichtshofs Revision einlegen könnte – aber sie handelt dann immer wieder nicht im Einklang mit den Urteilen.“
Und genau das könnte jetzt auch im Falle des Waisenhauses passieren, über das am 15. Juni die Richter in Straßburg befunden haben.
„Eigentlich hätte der türkische Staat dieses Waisenhaus schon vor über einem Jahr an das Patriarchat zurückgeben müssen; das hat er aber nicht getan, obwohl er auch damals die Frist hat ablaufen lassen, ohne Widerspruch einzulegen. Die Frage ist, was jetzt passiert – es gibt in Istanbul die Befürchtung, dass der türkische Staat (fintenreich, wie er eigentlich immer agiert hat) auch diesmal wieder versuchen könnte, das Gebäude an eine Stiftung „zurückzugeben“, die seit 1902 dieses Waisenhaus im Auftrag des Ökumenischen Patriarchats verwaltet hat, die aber natürlich nie Eigentümer dieses Waisenhauses war und deren Mitglieder im Streit mit dem Ökumenischen Patriarchat liegen.“ (rv)