„Benedikt XVI. setzt sein theologisches Nachdenken fort“

Vor genau fünf Jahren kündigte Benedikt XVI. seinen Rückzug aus dem Petrusamt an, seitdem bereitet er sich in einem Haus in den Vatikanischen Gärten auf den Tod vor. Doch schreibt der fast 91-Jährige auch noch theologische Werke?

Stefan von Kempis – Vatikanstadt.

Kardinal Marc Ouellet hat diesen Eindruck. Der Kanadier leitet die vatikanische Bischofskongregation. Und er sagt im Gespräch mit Vatikan News über den emeritierten Papst:

„Ich glaube, dass er seine (theologische) Reflexion fortgesetzt hat. Er hat ja seine letzten Erinnerungen mithilfe eines Journalisten, den er kennt, veröffentlicht; sie sind von einer großen Einfachheit, Authentizität, auch Weisheit. Es war sehr bewegend, sie zu lesen. Ich glaube, dass er auch sein Nachdenken über andere Themen fortgesetzt hat; wir werden vielleicht nach seinem Tod noch einige Überraschungen in dieser Hinsicht erleben – man weiß ja nie. Denn das ist ein lebenslänglicher Theologe… er hat weiter nachgedacht. Ich glaube, es könnte da einige posthume Überraschungen aus der Feder Benedikts XVI. geben, zur Erbauung der Kirche.“

Ouellet gehörte zu den Kardinälen, die vor genau fünf Jahren, am 11. Februar 2013, überrascht zuhörten, als der deutsche Papst auf einmal seinen Abschied vom Petrusdienst ankündigte.

„Ich hatte an diesem Morgen den Eindruck, dass irgendetwas passieren würde – obwohl der Papst sehr, sehr diskret gewesen war. Als er am Ende des Konsistoriums auf Latein noch einmal das Wort ergriffen hat, um seinen Rücktritt anzukündigen, kehrte ein absolutes Schweigen ein. Wirklich absolut. Es hat vielleicht fünfzehn oder zwanzig Sekunden gedauert. Dann hat der Doyen des Kardinalskollegiums (Kardinal Angelo Sodano) das Wort ergriffen, um die Überraschung der Anwesenden auszudrücken; aber ich sah, dass er schon etwas Geschriebenes vorbereitet hatte… Und danach sind wir alle aufgewühlt zurückgeblieben, standen in kleinen Gruppen zusammen, um das zu besprechen – das wird uns allen auf besondere Weise ins Gedächtnis eingegraben bleiben.“

„Delikat, klardenkend, sensibel, voll Glauben und Menschlichkeit“: So wirkt der emeritierte Papst noch heute auf den kanadischen Kardinal. Über Benedikts Rückzug spricht Ouellet voller Respekt.

“ Ich glaube nicht, dass sein Tod unmittelbar bevorsteht ”

„Das Zeugnis dieses Mannes ist ein großes Ereignis für die Kirche. Man spricht ja heute von der Reform des Papsttums; nun, die größte Geste dieser Reform war diese Entscheidung zum Rücktritt. Sie hat alle Menschen überrascht, aber zugleich den Horizont geöffnet für die ganzen Transformationen, die jetzt Franziskus durchführt, hin zu einer viel pastoraleren, dem Volk Gottes näheren Amtsführung. Ich glaube, diese Transformation war schon implizit angelegt in der Entscheidung von Benedikt XVI. Die diskrete Begleitung des neuen Pontifikats durch Benedikt lässt uns verstehen, dass der frühere Papst nicht auf einmal weg ist, sondern eine bestimmte bischöfliche, päpstliche Funktion weiter ausübt: die Fürbitte, die Solidarität und dabei die völlige Diskretion.“

Ouellet rechnet es dem emeritierten Papst hoch an, dass dieser (so gut wie) keine öffentlichen Stellungnahmen über seinen Nachfolger abgebe. „Dabei kann man sich vorstellen, dass er sich manchmal Fragen gestellt haben wird, dass ihn manches überrascht haben wird. Aber er ist bewundernswert in seiner Diskretion und seiner inneren Ruhe, auch in seiner diskreten, liebevollen, betenden Präsenz.“

Der Kardinal aus Kanada hat das Gefühl, dass Benedikt noch eine Zeitlang am Leben bleiben wird, das spricht er offen aus. „Ich glaube nicht, dass sein Tod unmittelbar bevorsteht. Es stimmt zwar, dass sein Gesundheitszustand schwächer wird, aber er ist noch ganz da, um noch weiterzumachen. Wie lange noch, das weiß nur Gott…“

Ouellet ist 73 Jahre alt. Er war Erzbischof von Québec in Kanada, Johannes Paul II. machte ihn 2003 zum Kardinal, Benedikt XVI. holte ihn an die Kurie nach Rom. (vatican news)

Benedikt XVI. sendet Botschaft an Bonaventura-Konferenz

Da durfte eine Botschaft von ihm nicht fehlen: Der emeritierte Papst Benedikt XVI. hat an die Teilnehmer einer Konferenz über den heiligen Bonaventura eine Grußbotschaft gerichtet. Benedikt XVI. gilt seit jeher als großer Kenner des Kirchenlehrers. An dem Symposium an der Päpstlichen Universität Gregoriana nehmen 48 Redner aus der ganzen Welt teil. „Wenn ich das Programm des Symposiums und die behandelten Themen ansehe, so merke ich, wie stark das Bild des heiligen Bonaventura in der Zwischenzeit bereichert wurde und wie er uns deshalb auch heute noch viel zu sagen hat“, so der emeritierte Papst. Benedikt XVI. hatte in seiner Zeit als junger Theologe und Professor dem Heiligen aus Mittelitalien ein vertieftes Studium gewidmet, unter anderem verfasste er seine Habilitationsschrift über den „Doctor seraphicus”. Auch als amtierender Papst hatte Benedikt XVI. immer wieder aus Werken Bonaventuras zitiert. (rv)

Was Papst Benedikt über seinen heiligen Namensvetter von Nursia sagte

VATIKANSTADT – Einen „grundlegenden Einfluss auf die Entwicklung der europäischen Zivilisation und Kultur“ hat Papst Benedikt bei der Generalaudienz am 9. April 2008 dem heutigen Tagesheiligen, Benedikt von Nursia, zugesprochen.

Lesen Sie selbst den Wortlaut des Papa emeritus:

Heute möchte ich über den hl. Benedikt, den Begründer des abendländischen Mönchtums und Schutzpatron meines Pontifikats, sprechen. Ich beginne mit einem Wort des hl. Gregor des Großen, der über den hl. Benedikt schreibt: »Nicht nur die zahlreichen Wunder des Gottesmannes wurden in der Welt berühmt, sondern auch das Wort seiner Lehre strahlte hell auf« (II Dial., 36). Diese Worte schrieb der große Papst im Jahr 592; der heilige Mönch war kaum fünfzig Jahre zuvor gestorben und noch in der Erinnerung der Menschen und vor allem in dem von ihm gegründeten blühenden Orden lebendig. Der hl. Benedikt von Nursia hat durch sein Leben und Werk einen grundlegenden Einfluss auf die Entwicklung der europäischen Zivilisation und Kultur ausgeübt. Die wichtigste Quelle über sein Leben ist das zweite Buch der Dialoge des hl. Gregor des Großen. Es handelt sich nicht um eine Biographie im klassischen Sinn. Entsprechend den Vorstellungen seiner Zeit wollte er anhand des Vorbilds eines konkreten Menschen – eben des hl. Benedikt – den Aufstieg zu den Gipfeln der Kontemplation veranschaulichen, der von jedem, der sich Gott hingibt, verwirklicht werden kann. Er bietet uns also ein Modell des menschlichen Lebens als Aufstieg zum Höhepunkt der Vollkommenheit. Der hl. Gregor der Große berichtet in diesem Buch der Dialoge auch von vielen Wundern, die der Heilige vollbracht hat, und auch hier will er nicht einfach etwas Sonderbares erzählen, sondern zeigen, wie Gott mahnend, helfend und auch strafend in die konkreten Lebenssituationen des Menschen eingreift. Er will zeigen, dass Gott nicht eine ferne, an den Ursprung der Welt gestellte Hypothese ist, sondern im Leben des Menschen, eines jeden Menschen, gegenwärtig ist.

Diese Sichtweise des »Biographen« erklärt sich auch im Licht des allgemeinen Kontextes seiner Zeit: An der Wende vom 5. zum 6. Jahrhundert wurde die Welt von einer schrecklichen Krise der Werte und Institutionen erschüttert, die durch den Zusammenbruch des Römischen Reiches, das Eindringen der neuen Völker und den Verfall der Sitten verursacht worden war. Mit der Vorstellung des hl. Benedikt als »leuchtenden Stern« wollte Gregor in dieser furchtbaren Situation gerade hier in dieser Stadt Rom den Ausweg aus der »dunklen Nacht der Geschichte« zeigen (vgl. Johannes Paul II., Insegnamenti, II/1, 1979, S. 1158). In der Tat erwiesen sich das Werk des Heiligen und in besonderer Weise seine »Regel« als Überbringer eines echten geistlichen Sauerteigs, der im Lauf der Jahrhunderte weit über die Grenzen seiner Heimat und seiner Zeit hinaus das Antlitz Europas veränderte, indem er nach dem Zerfall der politischen Einheit, die durch das Römische Reich geschaffen worden war, eine neue geistliche und kulturelle Einheit hervorbrachte, nämlich jene des christlichen Glaubens, den die Völker des Kontinents teilten. Gerade so entstand die Wirklichkeit, die wir »Europa« nennen.

Die Geburt des hl. Benedikt wird um das Jahr 480 datiert. Er stammte, so sagt der hl. Gregor, »ex provincia Nursiae« – aus der Gegend von Nursia. Seine wohlhabenden Eltern schickten ihn für seine Ausbildung zum Studium nach Rom. Er blieb jedoch nicht lange in der Ewigen Stadt. Als durchaus glaubwürdige Erklärung dafür deutet Gregor die Tatsache an, dass der junge Benedikt vom Lebensstil vieler seiner Studiengefährten, die ein ausschweifendes Leben führten, angewidert war und nicht in dieselben Fehler wie sie verfallen wollte. Er wollte allein Gott gefallen, »soli Deo placere desiderans« (II Dial., Prol. 1). So verließ Benedikt noch vor Abschluss seiner Studien Rom und zog sich in die Einsamkeit der Berge östlich von Rom zurück. Nach einem ersten Aufenthalt in dem Dorf Enfide (heute: Affile), wo er sich für eine gewisse Zeit einer »religiösen Gemeinschaft« von Mönchen anschloss, wurde er Einsiedler im nicht weit entfernten Subiaco. Dort lebte er drei Jahre lang völlig einsam in einer Grotte, die seit dem frühen Mittelalter das »Herz« eines Benediktinerklosters bildet, das »Sacro Speco« (Heilige Höhle) genannt wird. Die Zeit in Subiaco, eine Zeit der Einsamkeit mit Gott, war für Benedikt eine Zeit der Reifung. Hier musste er die drei Grundversuchungen jedes Menschen ertragen und überwinden: die Versuchung der Selbstbehauptung und des Wunsches, sich selbst in den Mittelpunkt zu stellen, die Versuchung der Sinnlichkeit und schließlich die Versuchung des Zornes und der Rache. Es war nämlich Benedikts Überzeugung, dass er erst nach Überwindung dieser Versuchungen den anderen ein für ihre Notsituationen nützliches Wort würde sagen können. So war er, nachdem er seine Seele befriedet hatte, imstande, die Triebe des Ich gänzlich zu beherrschen, um so ein Friedensstifter in seiner Umgebung zu sein. Erst dann beschloss er, seine ersten Klöster im Tal des Anio in der Nähe von Subiaco zu gründen.

Im Jahr 529 verließ Benedikt Subiaco, um sich in Montecassino niederzulassen. Manche haben diese Übersiedlung als eine Flucht vor den Intrigen eines neidischen örtlichen Kirchenmannes erklärt. Doch dieser Erklärungsversuch hat sich als wenig überzeugend erwiesen, da der plötzliche Tod jenes Mannes Benedikt nicht zur Rückkehr veranlasst hat (vgl. II Dial. 8). In Wirklichkeit drängte sich ihm diese Entscheidung auf, weil er in eine neue Phase seiner inneren Reifung und seiner monastischen Erfahrung eingetreten war. Nach Gregor dem Großen nimmt der Auszug aus dem abgelegenen Tal des Anio zum Monte Cassio – einer Anhöhe, die die ausgedehnte umliegende Ebene beherrscht und von weitem sichtbar ist – einen symbolischen Charakter an: Das monastische Leben in der Verborgenheit hat seine Daseinsberechtigung, aber ein Kloster hat auch seinen öffentlichen Zweck im Leben der Kirche und der Gesellschaft, es Muss dem Glauben als Lebenskraft Sichtbarkeit verleihen. Als Benedikt am 21. März 547 sein irdisches Leben abschloss, hinterließ er tatsächlich mit seiner »Regel« und mit der von ihm gegründeten benediktinischen Familie ein Erbe, das in den vergangenen Jahrhunderten in der ganzen Welt Früchte getragen hat und noch immer trägt.

Im gesamten zweiten Buch der Dialoge erläutert Gregor, wie das Leben des hl. Benedikt in eine Atmosphäre des Gebets eingesenkt war, das tragende Fundament seines Daseins. Ohne Gebet gibt es keine Gotteserfahrung. Die Spiritualität Benedikts war aber keine Innerlichkeit außerhalb der Wirklichkeit. In der Unruhe und Verwirrung seiner Zeit lebte er unter dem Blick Gottes und verlor gerade so nie die Pflichten des täglichen Lebens und den Menschen mit seinen konkreten Bedürfnissen aus den Augen. Indem er Gott sah, verstand er die Wirklichkeit des Menschen und seine Sendung. In seiner »Regel« bezeichnet er das monastische Leben als »eine Schule für den Dienst des Herrn« (Prol. 45) und verlangt von seinen Mönchen, dass »dem Gottesdienst [d. h. dem Officium Divinum bzw. dem Stundengebet] nichts vorgezogen werden soll« (43,3). Er hebt jedoch hervor, dass das Gebet in erster Linie ein Akt des Hörens ist (Prol. 9–11), der dann in konkretes Handeln umgesetzt werden muss. »Nach all diesen Worten erwartet der Herr, dass wir jeden Tag auf seine göttlichen Mahnungen mit unserem Tun antworten«, sagt er (Prol. 35). So wird das Leben des Mönchs zu einer fruchtbaren Symbiose zwischen Aktion und Kontemplation, »damit in allem Gott verherrlicht werde« (57,9). Im Gegensatz zu einer heute oft gepriesenen leichten und ichbezogenen Selbstverwirklichung ist die erste und unverzichtbare Pflicht des Schülers des hl. Benedikt die aufrichtige Suche nach Gott (58,7) auf dem vom demütigen und gehorsamen Christus vorgezeichneten Weg (5,13), dessen Liebe er nichts vorziehen darf (4,21; 72,11), und gerade auf diese Weise, im Dienst am anderen, wird er ein Mann des Dienstes und des Friedens. In der Ausübung des Gehorsams, der mit einem von der Liebe beseelten Glauben in die Tat umgesetzt wird (5,2), gewinnt der Mönch die Demut (5,1), der die »Regel« ein ganzes Kapitel widmet (7). Auf diese Weise wird der Mensch immer mehr Christus ähnlich und gelangt zur wahren Selbstverwirklichung als Geschöpf nach dem Bild und Gleichnis Gottes.

Dem Gehorsam des Jüngers muss die Weisheit des Abtes entsprechen, der im Kloster »die Stelle Christi« vertritt (2,2; 63,13). Seine Gestalt, die vor allem im zweiten Kapitel der »Regel« mit einem Profil von geistlicher Schönheit und anspruchsvollem Einsatz umrissen wird, kann als ein Selbstbildnis Benedikts betrachtet werden, da – wie Gregor der Große schreibt – »der heilige Mann gar nicht anders lehren konnte, als er lebte« (II Dial. 36). Der Abt muss gleichzeitig ein liebevoller Vater und ein strenger Meister sein (2,24), ein wahrer Erzieher. Unbeugsam gegenüber den Lastern ist er jedoch dazu berufen, vor allem die Liebe und Güte des Guten Hirten nachzuahmen (27,8), »mehr zu helfen als zu herrschen« (64,8), »alles Gute und Heilige mehr durch sein Leben als durch sein Reden sichtbar zu machen« und »die Weisungen Gottes durch sein Beispiel zu veranschaulichen« (2,12). Um verantwortlich entscheiden zu können, muss auch der Abt ein Mann sein, der »auf den Rat der Brüder hört« (3,2), »weil der Herr oft einem Jüngeren offenbart, was das Bessere ist« (3,3). Diese Anordnung macht eine vor fast fünfzehn Jahrhunderten geschriebene »Regel« überraschend modern! Ein Mensch mit öffentlicher Verantwortung, auch in kleinen Bereichen, muss immer auch ein Mensch sein, der hinzuhören weiß und aus dem, was er hört, zu lernen vermag.

Benedikt bezeichnet die »Regel« als eine »einfache Regel als Anfang« (73,8); in Wirklichkeit bietet sie jedoch nützliche Anweisungen nicht nur für die Mönche, sondern auch für all jene, die auf ihrem Weg zu Gott eine Anleitung suchen. Durch ihr Maß, ihre Menschlichkeit und ihre nüchterne Unterscheidung zwischen dem Wesentlichen und dem Zweitrangigen im geistlichen Leben konnte sie ihre erhellende Kraft bis heute aufrechterhalten. Als Paul VI. am 24. Oktober 1964 den hl. Benedikt zum Patron Europas erklärte, wollte er damit das wunderbare Werk anerkennen, das von dem Heiligen durch die »Regel« für die Formung der Zivilisation und der europäischen Kultur vollbracht worden ist. Heute ist Europa – das gerade aus einem Jahrhundert gekommen ist, das von zwei Weltkriegen tief verletzt worden ist, und nach dem Zusammenbruch der großen Ideologien, die sich als tragische Utopien erwiesen haben – auf der Suche nach seiner Identität. Um eine neue und dauerhafte Einheit zu schaffen, sind die politischen, wirtschaftlichen und rechtlichen Instrumente sicher wichtig, aber es ist auch notwendig, eine ethische und geistliche Erneuerung zu erwecken, die aus den christlichen Wurzeln des Kontinents schöpft; andernfalls kann man Europa nicht wieder aufbauen. Ohne diesen Lebenssaft bleibt der Mensch der Gefahr ausgesetzt, der alten Versuchung zu erliegen, sich selbst erlösen zu wollen – eine Utopie, die auf verschiedene Weise im Europa des 20. Jahrhunderts, wie Papst Johannes Paul II. festgestellt hat, »einen Rückschritt ohnegleichen in der gequälten Geschichte der Menschheit« verursacht hat (Insegnamenti, XIII/1, 1990, S. 58). Hören wir auf der Suche nach dem wahren Fortschritt auch heute die »Regel« des hl. Benedikt als ein Licht für unseren Weg. Der große Mönch bleibt ein wahrer Lehrmeister, in dessen Schule wir die Kunst lernen können, den wahren Humanismus zu leben. (CNA Deutsch)

Zwei Päpste, fünf Kardinäle

Papst Franziskus und die neuen Kardinäle haben am Mittwochabend auch Benedikt XVI. besucht. Sie trafen den emeritierten Papst in der Kapelle seines Wohnhauses in den Vatikanischen Gärten. Zuvor hatte Franziskus die fünf Kirchenmänner, darunter den schwedischen Bischof Anders Arborelius, im Petersdom feierlich ins Kardinalskollegium aufgenommen.

Der emeritierte Papst, der unlängst seinen 90. Geburtstag feierte, wirkte gebrechlich, aber geistesgegenwärtig; er hielt eine kleine Begrüßungsansprache an die neuen Kardinäle. In der Öffentlichkeit tritt Benedikt, der sich 2013 vom Petrusdienst zurückgezogen hatte, nur noch sehr selten auf. (rv)

Zu Benedikts 90. Geburtstag: Ein Strauß guter Worte aus seinem eigenen Munde

VATIKANSTADT – „Kirchenlehrer“ nennt Erzbischof Gänswein seinen verehrten Dienstherrn im neuen Buch „Über den Wolken„. Fest steht: Benedikt XVI. ist ein homme des lettres, mehr noch, ein Mann nicht nur der Buchstaben, sondern des Fleisch gewordenen Wortes, des Logos Gottes.

Zu seinem biblischen 90. Geburtstag hat Paul Badde dem Jubilar aus den Protokollen seiner spontanen Auskünfte an Journalisten diesen kleinen Strauß höchst frischer eigener Zitate gebunden.

Von einer großen Liebe und Erkenntnis getragen zu sein, ist kein schweres Gepäck, sondern es sind Flügel und es ist schön, ein Christ zu sein.

Es gibt einen Kirchenvater, der einmal das Sonderbare sah, dass die Kirche im Lauf der Jahre nicht älter, sondern immer jünger wird, weil sie immer mehr dem Herrn entgegengeht, das heißt immer mehr der Quelle entgegen, von der Jungsein, Neuheit, Erfrischung, die frische Kraft des Lebens kommt.

Wenn ich an meine Jugend denke, dann war dies eine völlig von der heutigen verschiedene Welt. Manchmal denke ich, ich lebe auf einem anderen Planeten, wenn ich die Welt heute mit der vergleiche, die bestand, als ich ein Bub war.

Dass wir in diesem Kontinent leben, der das Weltgeschick bestimmt hat – im Guten und im Bösen – gibt uns den bleibenden Auftrag, wieder das Wahre, das Reine und das Große und Zukunft Gebende zu entdecken und damit weiterhin und auf eine neue und wohl bessere Weise im Dienst der ganzen Menschheit zu stehen.

Wir müssen nicht irgendeinen Gott wiederentdecken, sondern den Gott mit einem menschlichen Antlitz. Wenn wir Jesus Christus sehen, sehen wir Gott.

Wenn ich Karol Wojtyla beten gesehen habe, dann habe ich gesehen – und nicht nur verstanden –, dass er ein Mann Gottes war. Er war grundsätzlich ein Mann, der nicht nur mit Gott, sondern auch in Gott lebte.

Dass es zahlreiche Punkte gibt, wozu der christliche Glaube Nein sagen muss, ist wahr.

Es ist nicht eine katholische Erfindung ist, dass Mann und Frau füreinander geschaffen sind, damit die Menschheit weiterlebt – das wissen eigentlich alle Kulturen.

Was die Abtreibung angeht, gehört sie nicht ins sechste, sondern ins fünfte Gebot: „Du sollst nicht töten!“

Entstanden ist das Christentum im vorderen Orient. Und lange Zeit hat es dort auch seinen Schwerpunkt gehabt und sich viel weiter nach Asien ausgedehnt, als uns heute nach der Veränderung durch den Islam bewusst ist. Allerdings hat es dann eben dadurch seine Achse erheblich nach dem Westen und nach Europa verschoben. Europa hat dann das Christentum in seiner großen, auch intellektuellen und kulturellen Gestalt weiter ausgebildet. Aber es ist wichtig, an die Christen im Orient zu erinnern, denn im Moment besteht die große Gefahr, dass gerade diese Ursprungsorte des Christentums leer werden von Christen. Dazu treten heute die anderen Kontinente mit gleichem Gewicht in das Konzert der Weltgeschichte ein. Insofern wird die Kirche vielstimmiger und das ist auch gut so, dass die eigenen Temperamente, die eigenen Begabungen Afrikas, Asiens und Amerikas, besonders auch Lateinamerikas, erscheinen können.

Es gibt diesen großen Kampf der Kirche für das Leben. Papst Johannes Paul II. hat ihn zu einem grundlegenden Punkt seines ganzen Pontifikats gemacht. Wir setzen diese Botschaft fort, dass das Leben ein Geschenk und keine Bedrohung ist.

Das Leben ist schön, es ist nichts Zweifelhaftes, sondern ein Geschenk und das Leben bleibt auch unter schwierigen Bedingungen immer ein Geschenk.

Ich bin überzeugt, dass sich in Brasilien zumindest zum Teil – und zwar zum grundlegenden Teil – die Zukunft der katholischen Kirche entscheidet. Das war für mich immer klar.

In allen Teilen der Welt gibt es überaus viele, die nicht auf das hören wollen, was die Kirche sagt. Wir hoffen, dass es wenigstens an ihr Ohr gelangt; dann können sie auch anderer Meinung sein; aber es ist wichtig, dass sie es zumindest vernehmen, damit sie antworten können. Wir dürfen nicht vergessen, dass es auch unserem Herrn nicht gelungen ist, dass ihm alle zugehört haben.

Es ist wichtiger, gute Priester zu haben als viele Priester.

Ich würde nicht wirklich von einem Verfall der Religion in Europa sprechen. Sicher befindet sie sich hier in einer Krise, ebenso wie in Amerika und Australien. Doch jetzt, in diesem historischen Augenblick, beginnen wir zu verstehen, dass wir Gott brauchen. Wir können viele Dinge tun, aber wir können unser Klima nicht erschaffen. Wir denken nur, wir könnten es tun, aber wir können es nicht. Wir benötigen das Geschenk der Erde, das Geschenk des Wassers, wir bedürfen des Schöpfers. Der Schöpfer erscheint in seiner Schöpfung wieder und deshalb können wir ohne ihn nicht wirklich glücklich sein, ohne ihn können wir nicht wirklich Gerechtigkeit für die ganze Welt suchen, wir können nicht ohne ein Kriterium leben, an dem wir unsere Ideen messen. Und auch nicht ohne einen Gott leben, der gerecht ist und der uns Licht und Leben schenkt.

Es wird sich zeigen, dass wir immer wieder eine Rückkehr zum Glauben erleben werden, weil der christliche Glaube einfach wahr ist und weil die Wahrheit immer in der Welt des Menschen gegenwärtig sein wird, denn Gott wird immer Wahrheit sein und bleiben. In diesem Sinne bin ich entschieden optimistisch.

Es gibt Dinge, die einfach immer schlecht sind, und Pädophilie ist immer ein Übel.

Jeden Tag haben die Konzilsväter die heilige Messe nach dem alten Ritus gefeiert. Sie waren aber gleichzeitig der Auffassung, dass eine natürliche Entwicklung der Liturgie in diesem Jahrhundert nach erneuerten Kriterien notwendig ist. Die Liturgie ist eine lebendige Realität und bewahrt ihre Identität auch dann, wenn sie sich weiterentwickelt.

Der Festtag der heiligen Bernadette ist auch mein Geburtstag. Dies genügt schon als Beweggrund, dass ich mich der kleinen Heiligen, diesem jungen, reinen, demütigen, kleinen Mädchen, mit der die Muttergottes gesprochen hat, sehr eng verbunden fühle.

Der Auftrag des Herrn an den Nachfolger Petri lautet, die „Brüder im Glauben zu stärken“: das zu tun versuche ich.

Die Kirche ist katholisch, das heißt universal, offen für alle Kulturen, für alle Kontinente; sie ist in allen politischen Systemen präsent und so ist die Solidarität ein inneres Prinzip, das grundlegend ist für den Katholizismus.

Natürlich ist die Erbsünde auch in der Kirche da.

Das Problem des Atheismus stellt sich in Afrika fast gar nicht, weil die Wirklichkeit Gottes in den Herzen der Afrikaner so präsent, so real ist, dass nicht an Gott zu glauben, ohne Gott zu leben, nicht als Versuchung auftritt.

Ich denke, dass die wirksamste, am meisten präsente Realität im Kampf gegen Aids gerade die katholische Kirche mit ihren Bewegungen und verschiedenen Strukturen ist.

Als Gläubige sind wir überzeugt, dass das Gebet eine echte Kraft ist: Es öffnet die Welt für Gott. Wir sind überzeugt, dass Gott uns hört und dass er in der Geschichte handeln kann. Ich denke, wenn Millionen Gläubige beten, ist es wirklich eine Kraft, die Einfluss hat und dazu beitragen kann, dass es im Frieden Fortschritte gibt.

Die Pilgerfahrt ist ein wesentliches Element vieler Religionen, auch des Islams, der jüdischen Religion und des Christentums. Sie ist auch ein Bild für unser Leben, das ein Vorwärtsgehen ist, auf Gott hin und so auch auf die Gemeinschaft der Menschheit zu.

Ich würde gemeinsame Tage des Gebets für den Frieden im Nahen Osten vorschlagen, für die Christen und die Muslime gemeinsam, um Möglichkeiten des Dialogs und von Lösungen vorzugeben.

Aus dem Schiffbruch des Paulus ist für Malta das Glück hervorgegangen, den Glauben zu haben; so dürfen auch wir denken, dass die Schiffbrüche des Lebens Gottes Projekt für uns Wirklichkeit werden lassen können und auch nützlich sein können für neue Anfänge in unserem Leben.

Unter dem Neuen, das wir heute in der Botschaft von Fatima entdecken können, ist auch die Tatsache, dass die Angriffe gegen den Papst und die Kirche nicht nur von außen kommen, sondern die Leiden der Kirche kommen gerade aus dem Inneren der Kirche, von der Sünde, die in der Kirche existiert. Auch das war immer bekannt, aber heute sehen wir es auf wahrhaft erschreckende Weise: Die größte Verfolgung der Kirche kommt nicht von den äußeren Feinden, sondern erwächst aus der Sünde in der Kirche.

Ich würde sagen, dass eine Kirche, die vor allem versucht, attraktiv zu sein, schon auf dem falschen Weg ist. Denn die Kirche arbeitet nicht für sich, sie arbeitet nicht dafür, ihre Mitgliedszahlen und damit die eigene Macht zu vergrößern. Die Kirche steht im Dienst eines Anderen, sie dient nicht sich selbst, um stark zu sein, sondern sie dient dazu, die Verkündigung Jesu Christi zugänglich zu machen, die großen Wahrheiten, die großen Kräfte der Liebe, der Versöhnung, die in dieser Gestalt sichtbar geworden sind und die immer von der Gegenwart Jesu ausgehen. In dieser Hinsicht sucht die Kirche nicht die eigene Attraktivität, sondern sie muss für Jesus Christus transparent sein.

Die Pilgerfahrt vereint: Gemeinsam gehen wir auf das Andere zu und so finden wir uns gegenseitig. Die Jakobswege sind ein Element für die Bildung der geistigen Einheit des europäischen Kontinents gewesen.

Der christliche Glaube findet seine Identität nur in der Öffnung zur Vernunft und die Vernunft wird nur sie selbst, wenn sie sich auf den Glauben hin übersteigt. Aber genauso wichtig ist die Beziehung zwischen Glauben und Kunst, weil die Wahrheit, das Ziel der Vernunft, sich in der Schönheit ausdrückt und in der Schönheit sie selbst wird und als Wahrheit erweist. Die Beziehung zwischen Wahrheit und Schönheit ist unauflöslich.

Die Weltjugendtage sind Lichtkaskaden; sie verleihen dem Glauben Sichtbarkeit, sie verschaffen der Gegenwart Gottes in der Welt Sichtbarkeit und verleihen den Mut dazu, Gläubige zu sein.

Man kann alle möglichen Verhaltensweisen, Verfügungen und Aktivitäten einem anderen mit Gewalt aufzwingen, aber nicht die Wahrheit! Die Wahrheit öffnet sich nur gegen die Freiheit hin, in freier Übereinstimmung, und deshalb sind Wahrheit und Freiheit sehr eng miteinander verbunden, die eine ist die Bedingung für die andere.

Die Suche nach der Wahrheit und nach der Würde des Menschen ist die größte Verteidigung der Freiheit.

Die Saat Gottes geht immer schweigsam auf und erscheint nicht sofort in den Statistiken.

Hölderlin hat gesagt: Am meisten vermag doch die Geburt. Und das spüre ich natürlich auch. Ich bin in Deutschland geboren und die Wurzel kann nicht abgeschnitten werden. Ich habe meine kulturelle Formung in Deutschland empfangen. Meine Sprache ist deutsch und die Sprache ist die Weise, in der der Geist lebt und wirksam wird.

Aber bei einem Christen kommt etwas anderes dazu. Er wird in der Taufe neugeboren, in ein neues Volk aus allen Völkern und Kulturen hinein, in dem er nun wirklich ganz zu Hause ist, ohne seine natürliche Herkunft zu verlieren.

Es wäre wichtig zu erkennen, dass in der Kirche zu sein nicht bedeutet, irgendeinem Verein anzugehören, sondern im Netz des Herrn zu sein, in dem er gute und schlechte Fische aus den Wassern des Todes ans Land des Lebens zieht. Es kann sein, dass in diesem Netz ausgerechnet ich neben schlechten Fischen bin und dass ich das spüre, doch bleibt wahr, dass ich da nicht wegen diesem oder jenem bin, sondern weil es das Netz des Herrn ist. Es ist etwas anderes als alle menschlichen Vereine, eine Wirklichkeit, die den innersten Grund meines Seins berührt.

Das Buch „Über den Wolken mit Papst Benedikt XVI.“ ist hier online erhältlich. Veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung der „Tagespost“. (CNA Deutsch)

Kardinal Müller: „Keinen Bruch zwischen den Päpsten herbeireden“

Kardinal MüllerKardinal Gerhard Ludwig Müller warnt davor, die beiden Päpste Benedikt XVI. und Franziskus gegeneinander auszuspielen. Man müsse „damit leben lernen, dass beide unterschiedliche Geschichten und Prägungen haben“. Der amtierende wie der emeritierte Papst stünden im Dienst des einen Christus, eine seriöse Interpretation müsse „den Zusammenhang sehen und nicht einen Bruch herbeireden“, sagte der Präfekt der vatikanischen Glaubenskongregation im Gespräch mit Radio Vatikan. Müller hat zur Frage der beiden Päpste im vergangenen Jahr bei Herder eine Aufsatzsammlung mit dem Titel „Benedikt und Franziskus“ vorgelegt und äußerte sich nun anlässlich des Erscheinens der italienischen Übersetzung des Buches. Gudrun Sailer sprach mit dem deutschen Kurienkardinal.

Müller: „Wir haben zum ersten Mal in der Kirchengeschichte denn Fall, dass zwei legitime Päpste leben. Natürlich ist nur Papst Franziskus der Papst, aber Benedikt ist der emeritierte und insofern doch auch noch irgendwie verbunden mit dem Papsttum. Diese einzigartige Situation muss geistlich-theologisch bewältigt werden, wie, dazu gibt es unterschiedliche Meinungen. Ich habe gezeigt, dass bei aller Unterschiedlichkeit der Personen und Charaktere, die naturnotwendig gegeben ist, doch auch die innere Verbindung sichtbar zu machen ist.“

RV: Und worin besteht diese innere Verbindung der Päpste, aller Päpste eigentlich?

Müller: „Es geht immer um das Bekenntnis zu Jesus Christus, das ist die ratio essendi, der Grund überhaupt, warum es das Papsttum gibt, dass die Kirche in der Einheit in Christus zusammengehalten, zusammengeführt wird, aber beide tun das von ihrer Herkunft her. Papst Benedikt von der professionalen Laufbahn her und ist ein ganz außergewöhnlich talentierter Theologe, Papst Franziskus kommt von seiner südamerikanischen Erfahrung her, und bereichert dann unsere Sichtweise und lenkt unsere Aufmerksamkeit auf die Armen, die an den Rändern stehen, an die Peripherien geht er, das war uns theoretisch alles klar – aber das von seiner eigenen Lebenserfahrung her ins Gesamtbewusstsein einzubringen, ist doch eine providentielle Fügung, ein Wink des Heiligen Geistes, den wir dankbar aufnehmen.“

RV: In diesem Jahr haben beide Päpste wiederholt öffentlich übereinander gesprochen. Nicht nur Franziskus über Benedikt, sondern auch umgekehrt: wir erinnern uns an die Feier des Priesterjubiläums von Benedikt oder sein Interviewbuch. Da kam viel gegenseitige Wertschätzung zum Ausdruck, und das schien auf etwas zu antworten. Was entgegnen Sie besorgten Katholiken, die am liebsten die Unterschiede zwischen den beiden Päpsten betont haben möchten?

Müller: „Es gibt da zwei extreme Interpretationsrichtungen. Die einen betonen den Unterschied fast bis zu einem Gegensatz hin, die anderen sagen, [es gebe keine Unterschiede]. Ich glaube, dass beide Extreme überziehen.

Für eine seriöse Interpretation ist es wichtig, den Zusammenhang zu sehen und nicht einen Bruch herbeizureden. Und eben auch damit leben lernen, dass beide unterschiedliche Geschichten und Prägungen haben, andere geistige Mentalitäten mit sich bringen. Viele neigen dazu, daraus Gegensätze abzuleiten. Es wird oft auch an mich die Frage herangetragen, was die beiden Päpste unterscheidet, und aus jeder Antwort von mir werden dann von beiden Extremen Argumente gesucht für ihre Seite. Aber in meiner Position muss ich solche extremen Positionen einfach zurückweisen. Wir sollen uns nicht darauf kaprizieren, hier Unterschiede und Gemeinsamkeiten [zwischen Benedikt und Franziskus] hervorzuheben, sondern sagen, beide stehen im Dienst des einen Christus.“

RV: Was schenken die beiden Päpste im Doppelpack der Kirche?

Müller: „Beide üben ein Amt aus, das sie sich nicht selber gegeben haben, das sie auch nicht selber definieren können, das ja schon „de-finiert“ ist, von Christus selber, auch so wie es sich ausgelegt hat im Glaubensbewusstsein der Kirche. Und jeder erfährt ja im päpstlichen Amt, so wie in jedem anderen kirchlichen Amt, dass es eine große Last ist, die man nur mithilfe der Gnade tragen kann.

Jeder Mensch ist überfordert, wenn er der Repräsentant Christi sein soll. Aber beide bringen auf ihre Weise, mit ihrer Persönlichkeit, mit ihrer Geschichte, ihr besonderes Charisma in den Petrusdienst ein. Man soll das nicht gegeneinander stellen und vergleichen, wer ist besser, wer hat mehr Besucher bei den Audienzen auf dem Petersplatz, das ist die falsche Herangehensweise. Man sollte hier von der Theologie der Charismen ausgehen.

Wir sind im Glauben davon überzeugt, dass Franziskus vom Heiligen Geist eingesetzt ist, zwar von den Kardinälen gewählt, aber das Konklave ist nur das Instrument der Wahl. Letztlich ist er von Christus selber eingesetzt, und zwar so, wie er ist, mit seiner Herkunft von Lateinamerika, mit den politischen und sozialen Verwerfungen, mit der Erfahrung der Armut von riesigen Bevölkerungsschichten, und war verbunden mit der ganzen Entwicklung der Kirche in Lateinamerika der letzten 50 Jahre, Medellin, Puebla, Aparecida, die geistigen, intellektuellen, spirituellen Aufbrüche und Bewegungen, das prägt jeden, und das ist das Besondere – dass er die Kirche durch seine Persönlichkeit in das Gesamtleben der universalen Kirche einbringen kann. Deshalb wäre es wichtiger darauf zu schauen, was beide uns zu sagen haben und wie beide der Kirche gedient haben bzw. dienen, statt das vergleichend, auf- und abwertend gegeneinander zu stellen.

Wenn ich dazu gefragt werde, muss ich natürlich sagen, dass Benedikt in besonderer Weise ein Theologe ist, das aber nicht in Abgrenzung zu anderen, sondern um ihn zu charakterisieren, das ist eine Tatsache, die niemand leugnen kann, dieser Gabe ist ihm nicht gegeben worden von Gott, um auf Kosten anderer groß herauskommen, sondern sie demütig einzubringen, und ähnlich macht es Papst Franziskus, dass er seine Gaben demütig einbringt für die Kirche und nicht sich selber auf Kosten anderer heraushebt, das wäre kontraproduktiv zu jedem kirchlichen Dienst. Paulus hat uns das Bild geschenkt vom einen Leib mit den vielen Gliedern, und dass die Vielheit die Ganzheit nicht zerstört, sondern aufbaut.“

RV: Wir haben in Franziskus erstmals einen Papst mit vielen Zuschreibungen. Johannes Paul II. war im „Nebenberuf“ Dichter, Benedikt Theologe, Franziskus ist neben seinem Papstamt aber anscheinend noch viel mehr: Beichtvater, Dorfpfarrer, Gewerkschaftsredner, Sozialarbeiter, Diplomat, und so fort. Teilen Sie die Einschätzung, dass diese Vielfalt, das gewissermaßen Unpäpstliche an diesem Papst, nicht wenige Katholiken überfordert?

Müller: „Jeder Papst muss auch versuchen, die Einseitigkeit seiner persönlichen Lebensgeschichte zu überwinden. Benedikt hat nicht nur dogmatische Themen angegangen, in „Deus Caritas erst“ wendet er sich auch der Caritas als Einrichtung zu und hat sie doch sehr auch gefördert. Aber Franziskus lässt sich bis jetzt noch nicht auf ein einziges Etikett festlegen. Das ist vielleicht gut so, denn sonst würde er durch ein solches Klischee eingeengt. Vielleicht macht er das auch gezielt, dass er diesen Etikettierungen entkommt und sich nicht in eine Schublade drängen lässt.“ (rv)

„Letzte Gespräche“: Benedikt XVI. zieht eine Bilanz mit Peter Seewald

cna_Benedikt XVITIRANA – Ein Papst zieht zu Lebzeiten Bilanz seines Pontifikates: Im Gespräch mit dem Journalisten und Autor Peter Seewald, mit dem Benedikt XVI. bereits das Interview-Buch „Licht der Welt“ schuf, blickt der Papst emeritus zurück. Dabei geht es auch um „die Hintergründe seiner überraschenden Demission“, teilt der Verlag mit.

Als das große Thema seines Pontifikats widmet sich das Gespräch der Frage einer Erneuerung des Glaubens. Und natürlich kommen Themen seiner Amtszeit zur Sprache, die in den Medien große Wellen schlugen, manchmal zu recht: Das Verhältnis zu Judentum und Islam etwa, die erste Vatileaks-Affäre und die Aussöhnung mit der FSSPX.

Wie bereits in „Licht der Welt“ spricht Benedikt offen und persönlich über seinen Zugang zum Glauben, die gegenwärtigen Herausforderungen für das Christentum und die Zukunft der Kirche, teilt der Verlag mit.

Das Buch „Benedikt XVI. – Letzte Gespräche“ erscheint bei Droemer/Knaur und hat 288 Seiten. Auslieferungstermin nach Angaben des Verlags ist der 9. September. (CNA Deutsch)

Wie Benedikt XVI. und andere auf den Tod von Mutter Angelica reagiert haben

cna_Mutter AngelicaVATIKANSTADT/IRONDALE, ALABAMA – „Das ist ein Geschenk“: So hat Benedikt XVI. auf die Nachricht reagiert, dass Mutter Angelica am Ostersonntag verstorben ist. Das verriet Erzbischof Georg Gänswein, persönlicher Sekretär des emeritierten Papstes, gegenüber CNA.

Mutter Angelica, eine franziskanische Nonne aus Canton, Ohio (USA) gründete im Jahr 1981 EWTN, das Eternal Word Television Network. Heute ist EWTN nicht nur auch in deutscher Sprache zu empfangen, sondern das weltweit größte religiöse Mediennetzwerk. Mutter Angelika starb am Ostersonntag, 27. März, im Alter von 92 Jahren.

Ihr Tod hat weltweit ein breites Echo ausgelöst: In Rom sagte der Präfekt des Sekretariates für Kommunikation, Monsignore Dario Vigano, er werde für Mutter Angelicas ewige Ruhe beten. Viele weitere Priester beten für sie — zusammen mit ungezählten Gläubigen in aller Welt.

Erzbischof Joseph Kurtz von Louisville, Vorsitzender der US-amerikanischen Bischofskonferenz, sagte, Mutter Angelica sei „eine außergewöhnliche Frau, fromme Gläubige und ein Medienpionier“ gewesen.

Wie die besten Evangelisten, so der Erzbischof, habe Mutter Angelica die Medien ihrer Zeit genutzt, um die Frohe Botschaft zu verkünden. Dabei habe sie der Welt auch wieder einmal „den lebenswichtigen Beitrag von Ordensfrauen“ gezeigt.

Der Vorsitzender US-Bischofskonferenz lobte Mutter Angelicas Rolle in der Gründung von EWTN, aber auch des Klosters Unserer Frau von den Engeln, der Franziskanischen Missionare des Ewigen Wortes, des Schreins des Allerheiligsten Sakraments, sowie der Ritter der Heiligen Eucharistie.

„Ihre Arbeit, die in einem Kloster begann, umspannte den Erdball. Sie war ein überzeugendes Zeichen dafür, wie selbst die bescheidensten Anfänge reiche Frucht bringen können“.

Kristin Arriaga, Leiterin des Becket Funds für Religionsfreiheit, würdigte Mutter Angelica als „leuchtendes Beispiel für Mut und Glauben“. Auch wenn sie nun um die Gründerin von EWTN trauere, lebe deren Erbe im Sender jedoch fort, und im Leben aller, die sie erreicht habe, so Arriaga. Der Becket Funds verteidigt EWTN in seinem Rechtsstreit gegen die Vorschrift der US-Regierung, dass sein Versicherungsschutz auch Medikamente und Eingriffe finanzieren müsse, die nicht mit dem katholischen Glauben und der Lehre vereinbar sind, darunter Medikamente, die ungeborene Kinder abtreiben. Die Weigerung, solche zu finanzieren könnte hohe Geldstrafen zur Folge haben. Eine Entscheidung des obersten US Gerichtshofes im Juni könnte somit für Mutter Angelicas Sender schwerwiegende Konsequenzen haben.

Auch andere Bischöfe reagierten auf die Nachricht des Todes von Mutter Angelica. Der Erzbischof von Philadelphia, Charles Chaput, ein ehemaliges Mitglied des Aufsichtsrates von EWTN, sagte: „Duch die Gründung und den Aufbau von EWTN zu einer wichtigen Medienressource für die Weltkirche, erreichte sie etwas, das fast jeder für unmöglich hielt“. Sie werde sehr vermisst werden, aber „sie hat uns das Geschenk einer Reihe von Männern und Frauen hinterlassen, die den großartigen Dienst des EWTN-Apostolates weiterführen“.

Weihbischof Robert Barron von Los Angeles erinnerte sich an Mutter Angelica als „eine der wichtigsten Figuren der nachkonziliaren Kirche in Amerika.“ Sie war „die meistgesehene und effektivste katholische Evangelisiererin der letzten 50 Jahre“.

In den 1980er und 1990er Jahren sei sie von einigen Kritikern als „krude Popularisierin“ verhöhnt worden, als „erz-konservativ“ und „eine Kulturkämpferin“. Doch diese Kritiker „sind größtenteils verschwunden, während ihr Einfluss und Bedeutung unbestreitbar sind. Aller Wahrscheinlichkeit und Erwartungen zum Trotz schuf sie ein beispielloses Werkzeug der Evangelisierung in der Geschichte der katholischen Kirche“, so Bischof Barron.

Er würdigte zudem ihr „Vertrauen in Gottes Vorsehung, ihre scharfen Sinn für die übernatürliche Qualität von Religion, und ihre Überzeugung, dass das Leiden einen erlösenden Wert hat.“ Er lobte ihre Betonung des Gebets, der Liturgie, der Sakramente, der Heiligen, der Eucharistischen Anbetung, und des geistlichen Kampfes.

„Mutter widerfuhr schweres Leid, sowohl physisch als auch psychisch, ihr ganzes Leben lang, und sie würdigte diese Prüfungen als Gelegenheiten für geistlichen Wachstum“.

Der Bischof räumte ein, dass Mutter Angelica auch sich selber als unvollkommen bezeichnet hätte. Ihre Kommentare seien manchmal „nicht ausreichend nuanciert und ausgeglichen gewesen“, zudem habe „ihr hitziges Naturell“ sie manchmal dazu verleitet, ihre Gegner unfair abzustempeln. Dennoch, betonte Bischof Barron, werde sie „einen sehr hochgeehrten Platz“ in der Geschichte des Katholizismus innehaben.

Bischof Robert Baker von Birmingham in Alabama, in dessen Diözese EWTN sein Hauptquartiert hat, bezeichnete Mutter Angelica als eine Pionierin darin, die Medien als eine Macht für das Gute zu verwenden. „Ihre großartigste Gabe war ihre starke Ehrfurcht vor dem Herrn im Allerheiligsten Sakrament und ihre Hingabe an die Gottesmutter“, sagte er.

Mutter Angelica hat der Kirche und der Welt ein großartiges Vermächtnis durch ihr Eternal World Television Network und dessen Familie hinterlassen, die eine Vielzahl an Menschen näher zum Herrn und seiner Kirche gebracht hat“, fuhr er fort.

„Wie schicksalshaft, dass ihr Tod sich am Ostersonntag ereignete, an dem wir den Sieg unseres Herrn über die Sünde, das Leiden und den Tod feiern!“ (CNA Deutsch)

Vatikan: Erste Papstenzyklika noch dieses Jahr?

Vatikanisches DokumentNoch innerhalb dieses Jahres könnte die erste Enzyklika von Papst Franziskus erscheinen. Das schloss Pater Federico Lombardi am Donnerstag vor Journalisten nicht aus. Der Vatikansprecher erinnerte, dass Benedikt XVI. bereits mit Arbeiten an einer Enzyklika zum Thema Glauben beschäftigt war. Dieser Entwurf könnte nun als Vorlage für die Enzyklika von Papst Franziskus dienen. (rv)

„Danke für euer Gebet in diesen für mich nicht einfachen Tagen“

VatikanplatzPapst Benedikt XVI. hat an diesem Aschermittwoch seine vorletzte Generalaudienz geleitet. In der vollständig gefüllten Audienzhalle hatte sich ein buntes Meer an Pilgern und Besuchern versammelt, die sich vom Papst verabschieden wollten. Ohne Stock trat der Papst vor sein Publikum, das ihm zujubelte und jedes seiner Worte gespannt verfolgte. Neue Erklärungen zu seinem Amtsverzicht gab er bei der Generalaudienz nicht ab; er bekräftigte allerdings seine Worte vom Montag: Nachlassende Kräfte seien der Grund für die Rücktrittsentscheidung gewesen. Die Pilger würdigten seine Worte mit Applaus – „danke für eure Zuneigung“, sagte dazu der Papst, der sichtlich gerührt war. Und er erklärte weiter:

„Ich habe dies in voller Freiheit zum Wohl der Kirche getan, nachdem ich lange gebetet und vor Gott mein Gewissen erforscht habe, im Bewusstsein um den Ernst dieses Aktes, aber zugleich bewusst darum, nicht mehr in der Lage dazu zu sein, das Petrusamt mit der Kraft auszuführen, die es erfordert. Mich unterstützt und erleuchtet die Sicherheit, dass die Kirche die Kirche Christi ist, der ihr nie seine Führung und Sorge fehlen lassen wird. Ich danke allen für die Liebe und das Gebet, mit dem ihr mich begleitet habt. Danke, ich habe fast physisch in diesen für mich nicht einfachen Tagen die Kraft des Gebetes und die Liebe der Kirche gespürt, euer Gebet trägt mich. Betet weiter für mich, für die Kirche, für den zukünftigen Papst, möge der Herr uns führen.“

„Was zählt wirklich in unserem Leben?“, fragte der Papst dann in seiner Katechese. Diese stand ganz im Zeichen der Fastenzeit, die ja an diesem Aschermittwoch beginnt. Benedikt XVI. ging darin auf die Versuchungen Jesu in der Wüste ein – den Moment des „irdischen Lebens des Gottessohnes“, wie er formulierte. Die Wüste sei ein Ort der Stille und Armut, ein Ort der Einsamkeit und des Todes, so der Papst. Hier suchte der Teufel Jesus heim:

„Zunächst redet er Jesus ein, er möge befehlen, dass aus Steinen Brot werde. Dann verspricht er Macht auf dieser Erde. Und schließlich schlägt er vor, der Herr solle sich von der Zinne des Tempels stürzen und dabei die Leute ins Staunen bringen.“

Der Kern dieser drei Versuchungen sei die Instrumentalisierung Gottes für die Interessen des Menschen, der sich letztlich selbst an die Stelle Gottes setzen wolle. Jesu habe diese Versuchungen auf sich genommen, „um so das Böse zu besiegen und uns den Weg zu Gott hin zu öffnen“, so der Papst. Dieser Weg sei ein „Weg der Umkehr“:

„,Umkehr‘ bedeutet hier, die rechte Ordnung anzuerkennen, Gott den richtigen, das heißt den ersten Platz zu geben. Dann kehren wir uns zu Gott hin, zu unserem Schöpfer und der Quelle aller Liebe. Diese innere Bekehrung, diese Hinkehr zu Gott, verlangt unsere ganze Entschiedenheit gerade in unserer Zeit, in der so vieles den Werten des Glaubens entgegensteht. Und erst in dieser Hinwendung zu Gott wird unser Leben recht und finden wir unseren Frieden.“

Im italienischen Redetext unterstrich der Papst die Notwendigkeit beständiger Umkehr und Erneuerung des Glaubens; Christen stünden heute im persönlichen und öffentlichen Leben vor zahlreichen Herausforderungen. Der Papst zählte hier unter anderem die Gefährdung der christlichen Ehe und des Lebensschutzes auf sowie Tendenzen in einer säkularisierten Welt, die den Glauben aufweichen.

In seinen Grüßen an die deutschsprachigen Pilger und Besucher erinnerte der Papst an die Notwendigkeit der inneren Erneuerung, zu der Fastenzeit Gelegenheit biete:

„In dieser österlichen Bußzeit wollen wir den Weg der Erneuerung gehen und die Versuchung überwinden, uns selbst zum Zentrum zu machen. Lassen wir Gott Zeit, geben wir ihm unsere Zeit in täglichen Gebeten, um damit offen zu werden für Ihn und für den Nächsten. Die selige Jungfrau Maria begleite euch auf diesem Weg. Danke für Ihre Aufmerksamkeit!“

Aschermittwochs-Liturgie mit dem Papst im Petersdom
Am Nachmittag leitet der deutsche Papst mit der Aschermittwochs-Liturgie im Petersdom zum letzten Mal eine große liturgische Feier gemeinsam mit den Kardinälen und Bischöfen der Kurie. Zu dem Gottesdienst mit der Austeilung des Aschekreuzes werden Hunderte Besucher erwartet. Die Verlegung der Messe von der Kirche Santa Sabina in den Petersdom erfolgte aus Platzgründen. Radio Vatikan berichtet von der Feier live und mit deutschem Kommentar.
Am Donnerstag wird der Papst die Pfarreien seines Erzbistums in der Audienzhalle empfangen, auch dies wird ein öffentliches Ereignis sein. Am Freitag empfängt Benedikt XVI. den Präsidenten Rumäniens, Traian Băsescu, in Audienz, am Samstag dann den Präsidenten Guatemalas, Otto Fernando Pérez Molina. Ebenfalls am Freitag und Samstag empfängt er Bischöfe Italiens zum Besuch Ad Limina. Am Sonntag beginnen die Fastenexerzitien der Kurie, während dieser Woche wird es traditionell keine Auftritte, Gottesdienste und auch keine Generalaudienz geben. (rv)