„Ein Dialog muss ehrlich sein“: Ulrich Nersinger über die Ägypten-Reise des Papstes

ROM – In einer guten Woche reist Papst Franziskus nach Ägypten. Der Besuch und sein Grundanliegen eines Dialogs mit dem Islam wird überschattet vom Terror der Islamisten und deren mörderischen Ideologie. Warum und wie ein Dialog mit dem Islam trotzdem möglich sein kann, und welche Rolle dabei die Papstreise spielen kann, ordnet im Interview mit CNA der Vatikanist und Autor Ulrich Nersinger ein.

Mehr zum Thema „Die Päpste und der Islam“ mit Ulrich Nersinger sehen Sie in der gleichnamigen Sendung beim katholischen Fernsehsender EWTN.TV. Die nächste Sendung wird am kommenden Dienstag, 25. April, um 22 Uhr ausgestrahlt.

CNA: Herr Nersinger, in unserem ersten Gespräch über die Päpste und den Islam haben Sie einen guten Rahmen für die Möglichkeiten eines Dialogs des Katholizismus mit dem Islam abgesteckt. Nun wird Papst Franziskus persönlich nach Kairo fliegen, um den interreligiösen Dialog zu unterstützen. Sprengt der Besuch diesen Rahmen?

NERSINGER: Als in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Rom St. Paul vor den Mauern, die Basilika und Grabeskirche des großen Völkerapostels, durch einen Brand fast völlig zerstört wurde, versprachen viele Nationen und Länder Europas, darunter auch protestantische und orthodoxe, Hilfe für den Wiederaufbau des Gotteshauses. Aus dem fernen Ägypten bot der dortige Vizekönig, ein muslimischer Potentat, dem Papst Alabaster für die neue Basilika an. Das damalige Oberhaupt der Katholischen Kirche, Gregor XVI. (1831-1846), ein Papst, der von Historikern oft mit dem Etikett „reaktionär“ versehen wird, nutzte die Chance, schickte drei Schiffe unter seiner Flagge zu dem Land am Nil, ließ diese Säulen und Blöcke des kostbaren Baumaterials an Bord nehmen – und iniziierte damit einen frühen christlich-islamischen Dialog. Damals sprengte ein Papst den üblichen Rahmen der Beziehungen zweier Weltreligionen zueinander. Mehr als 170 Jahre später macht sich ein weiterer Nachfolger Petri auf, erneut Begrenzungen hinter sich zu lassen.

Wie hoch sind Ihre Erwartungen denn an diese Reise?

Ich denke, Erwartungen zu formulieren oder über sie zu spekulieren, wird uns nicht weiterbringen. Dafür ist das ganze Problemfeld zu komplex. Bei dieser Reise ist vieles im Fluss und selbst fachkundige Leute dürften sich schwer tun, Entwicklungen, geschweige den Resultate, vorherzusehen. Wer behauptet, das zu können, betreibt Kaffesatzlesen. Als Christen ist uns aber Hoffnung aufgegeben. Und das sollten wir vom Gebet unterstützt tun: Hoffnung haben und vermitteln.

Für uns in der Gegenwart ist die Ägypten-Reise überschattet von den Palmsonntag-Massakern durch Islamisten und jüngst den Versuch von Kämpfern des „IS“, das Katharinenkloster anzugreifen. Was kann und soll der Papst dem Oberhaupt der Kopten, Tawadros II. dazu überhaupt sagen? Stärkt die Katholische Kirche ihren Glaubensbrüdern ausreichend den Rücken?

Angesichts so vieler ermordeter Christen in Afrika und Asien – vor allen im Nahen Osten – steht uns eine Erkenntnis deutlich vor Augen: Das Blutzeugnis für den christlichen Glauben kennt keine Konfessionen. Die grauenvollen Videos der Terrororganisation „IS“, die sich mit dem Abschlachten von Christen brüsten, haben uns in die Zeiten des frühen Christentums zurückversetzt, regelrecht in sie hinein katapultiert! Ein Zusammenrücken der Konfessionen ist daher mehr als nur geboten. Dass der Ökumenische Patriarch von Konstantinopel anlässlich der Reise des Heiligen Vaters nach Kairo kommt, ist ein gutes und hoffnungsvolles Zeichen. Vielleicht sind die schrecklichen Ereignisse in Ägypten auch ein Impuls dafür, dass die Kirche der Kopten, die ja noch in eine katholische und orthodoxe getrennt ist, wieder zu einer Einheit zurückfindet.

Ich kann mich jedoch nicht des Eindrucks erwehren, dass wir in Europa alle viel zu wenig für unsere verfolgten Glaubensbrüder und –schwestern tun und einstehen. Vor kurzem habe ich mich dafür geschämt, dass mich ausgerechnet muslimische Freunde darauf hinwiesen. Vielleicht hilft uns ja der Besuch des Papstes in Ägypten zu mehr Engagement.

Neben der Begegnung mit Tawadros II. wird Franziskus auch mit dem Imam der Azhar sprechen, Ahmaad Mohammad al-Tayyeb. Diesem wirft der koptische Bischof Damian eine zu große Nähe zur Muslimbruderschaft vor. Mit Papst Benedikt hatte der Großimam bekanntlich allen Dialog abgebrochen, weil Benedikt Angriffe gegen Kopten kritisierte. Wie kann hier ein Dialog entstehen, der die christliche Seite nicht schwach aussehen lässt und dadurch fruchtlos bleibt?

Ein Dialog muss ehrlich sein. Dass heißt, Probleme in den Beziehungen zueinander und in den Gesprächen miteinander sind zu benennen, müssen „auf den Tisch“. Man darf sich berechtigten Anfragen nicht verschließen. So ist beispielsweise die Rolle der Gewalt und der Freiheit des Menschen im Koran zu klären. Ein vorgeblich „diplomatisches“ Verschweigen oder bewusstes Verwässern solcher Thematiken ist nicht hilfreich – und zwar von beiden Seiten nicht. Bei allen nötigen Respekt vor der Religion des Gesprächspartners haben Christen den Dialog von ihrer christlichen Identität her zu führen und nicht aus einer Unverbindlichkeit heraus.

Blicken wir abschließend noch einmal aus historischer Perspektive auf die Situation des Islam heute und eines Dialogs mit ihm von christlicher Seite im Jahr 2017. Was muss aus Ihrer Sicht erst einmal alles auf katholischer Seite geschehen, damit ein sinnvoller Dialog in dieser Zeit möglich ist?

Als Katholiken haben wir zunächst einmal zu lernen, was den Dialog eigentlich ausmacht. Hier ist bedauerlicherweise ein unglaublich großes Defizit zu beklagen. Als Abhilfe und unverzichtbares Basiswissen empfehle ich die Lektüre von „Ecclesiam Suam“, der Antrittsenzyklika des seligen Papst Pauls VI. (1963-1978), die zu Recht als die Dialog-Rede der Kirche gilt. In ihr wird grundlegend vermittelt, wie sich der Dialog definiert, mit wem er zu führen ist und wie er von statten zu gehen hat. Dialog ist kein Geplapper und kein unverbindliches Geschwafel – so wird er von der Kirche nicht verstanden und propagiert. Ich erlaube mir, die Ausführungen des Papstes zu wiederholen, die ich schon in unserem ersten Gespräch zitiert habe.

Für Paul VI. hat die Kirche „sich selbst zum Wort, zur Botschaft, zum Dialog zu machen“. Der Papst betont, die Liebe zur Wahrheit verpflichte dazu, „unserer Überzeugung Ausdruck zu verleihen, dass es nur eine wahre Religion gibt, und das ist die christliche und dass wir die Hoffnung nähren, dass sie als solche einmal von allen anerkannt werde, die Gott suchen und anbeten. Damit wollen wir aber nicht den geistigen und sittlichen Werten der verschiedenen nichtchristlichen Religionen unsere Achtung und Anerkennung versagen. Wir wollen zusammen mit ihnen, soweit wie möglich, die gemeinsamen Ideale der Religionsfreiheit, der menschlichen Brüderlichkeit, der Kultur, der sozialen Wohlfahrt, der staatlichen Ordnung fördern und verteidigen.“ Über diese gemeinsamen Ideale sei der Dialog möglich: „Wir werden uns immer zu ihm bereit finden, wenn er in gegenseitiger aufrichtiger Hochschätzung auch von der anderen Seite aufgegriffen wird.“ Die Sorge, den Menschen näher zu kommen, dürfe aber niemals „zu einer Abschwächung oder Herabminderung der Wahrheit führen. Unser Dialog kann uns nicht von der Verpflichtung gegenüber unserem Glauben entbinden. Das Apostolat darf keinen doppeldeutigen Kompromiss eingehen bezüglich der Prinzipien des Denkens und Handelns, die unser christliches Bekenntnis kennzeichnen.“

Von diesem Dialog, den uns „Ecclesiam Suam“ und das II. Vatikanische Konzil zum Auftrag geben, können wir uns nicht dispensieren. In der aktuellen Situation, in der sich Christen und Muslime befinden, ist er ein Muss, eine unabdingbare Verpflichtung zum Wohle aller Menschen.

Das Buch „Krieg und Frieden. Die Päpste und der Islam“ ist im Bernardus-Verlag als Taschenbuch erschienen. Es hat 126 Seiten.

Mehr zum Thema „Die Päpste und der Islam“ mit Ulrich Nersinger sehen Sie in der gleichnamigen Sendung beim katholischen Fernsehsender EWTN.TV. Die nächste Sendung wird am kommenden Dienstag, 25. April, um 22 Uhr ausgestrahlt. (CNA Deutsch)

Wie Benedikt XVI. und andere auf den Tod von Mutter Angelica reagiert haben

cna_Mutter AngelicaVATIKANSTADT/IRONDALE, ALABAMA – „Das ist ein Geschenk“: So hat Benedikt XVI. auf die Nachricht reagiert, dass Mutter Angelica am Ostersonntag verstorben ist. Das verriet Erzbischof Georg Gänswein, persönlicher Sekretär des emeritierten Papstes, gegenüber CNA.

Mutter Angelica, eine franziskanische Nonne aus Canton, Ohio (USA) gründete im Jahr 1981 EWTN, das Eternal Word Television Network. Heute ist EWTN nicht nur auch in deutscher Sprache zu empfangen, sondern das weltweit größte religiöse Mediennetzwerk. Mutter Angelika starb am Ostersonntag, 27. März, im Alter von 92 Jahren.

Ihr Tod hat weltweit ein breites Echo ausgelöst: In Rom sagte der Präfekt des Sekretariates für Kommunikation, Monsignore Dario Vigano, er werde für Mutter Angelicas ewige Ruhe beten. Viele weitere Priester beten für sie — zusammen mit ungezählten Gläubigen in aller Welt.

Erzbischof Joseph Kurtz von Louisville, Vorsitzender der US-amerikanischen Bischofskonferenz, sagte, Mutter Angelica sei „eine außergewöhnliche Frau, fromme Gläubige und ein Medienpionier“ gewesen.

Wie die besten Evangelisten, so der Erzbischof, habe Mutter Angelica die Medien ihrer Zeit genutzt, um die Frohe Botschaft zu verkünden. Dabei habe sie der Welt auch wieder einmal „den lebenswichtigen Beitrag von Ordensfrauen“ gezeigt.

Der Vorsitzender US-Bischofskonferenz lobte Mutter Angelicas Rolle in der Gründung von EWTN, aber auch des Klosters Unserer Frau von den Engeln, der Franziskanischen Missionare des Ewigen Wortes, des Schreins des Allerheiligsten Sakraments, sowie der Ritter der Heiligen Eucharistie.

„Ihre Arbeit, die in einem Kloster begann, umspannte den Erdball. Sie war ein überzeugendes Zeichen dafür, wie selbst die bescheidensten Anfänge reiche Frucht bringen können“.

Kristin Arriaga, Leiterin des Becket Funds für Religionsfreiheit, würdigte Mutter Angelica als „leuchtendes Beispiel für Mut und Glauben“. Auch wenn sie nun um die Gründerin von EWTN trauere, lebe deren Erbe im Sender jedoch fort, und im Leben aller, die sie erreicht habe, so Arriaga. Der Becket Funds verteidigt EWTN in seinem Rechtsstreit gegen die Vorschrift der US-Regierung, dass sein Versicherungsschutz auch Medikamente und Eingriffe finanzieren müsse, die nicht mit dem katholischen Glauben und der Lehre vereinbar sind, darunter Medikamente, die ungeborene Kinder abtreiben. Die Weigerung, solche zu finanzieren könnte hohe Geldstrafen zur Folge haben. Eine Entscheidung des obersten US Gerichtshofes im Juni könnte somit für Mutter Angelicas Sender schwerwiegende Konsequenzen haben.

Auch andere Bischöfe reagierten auf die Nachricht des Todes von Mutter Angelica. Der Erzbischof von Philadelphia, Charles Chaput, ein ehemaliges Mitglied des Aufsichtsrates von EWTN, sagte: „Duch die Gründung und den Aufbau von EWTN zu einer wichtigen Medienressource für die Weltkirche, erreichte sie etwas, das fast jeder für unmöglich hielt“. Sie werde sehr vermisst werden, aber „sie hat uns das Geschenk einer Reihe von Männern und Frauen hinterlassen, die den großartigen Dienst des EWTN-Apostolates weiterführen“.

Weihbischof Robert Barron von Los Angeles erinnerte sich an Mutter Angelica als „eine der wichtigsten Figuren der nachkonziliaren Kirche in Amerika.“ Sie war „die meistgesehene und effektivste katholische Evangelisiererin der letzten 50 Jahre“.

In den 1980er und 1990er Jahren sei sie von einigen Kritikern als „krude Popularisierin“ verhöhnt worden, als „erz-konservativ“ und „eine Kulturkämpferin“. Doch diese Kritiker „sind größtenteils verschwunden, während ihr Einfluss und Bedeutung unbestreitbar sind. Aller Wahrscheinlichkeit und Erwartungen zum Trotz schuf sie ein beispielloses Werkzeug der Evangelisierung in der Geschichte der katholischen Kirche“, so Bischof Barron.

Er würdigte zudem ihr „Vertrauen in Gottes Vorsehung, ihre scharfen Sinn für die übernatürliche Qualität von Religion, und ihre Überzeugung, dass das Leiden einen erlösenden Wert hat.“ Er lobte ihre Betonung des Gebets, der Liturgie, der Sakramente, der Heiligen, der Eucharistischen Anbetung, und des geistlichen Kampfes.

„Mutter widerfuhr schweres Leid, sowohl physisch als auch psychisch, ihr ganzes Leben lang, und sie würdigte diese Prüfungen als Gelegenheiten für geistlichen Wachstum“.

Der Bischof räumte ein, dass Mutter Angelica auch sich selber als unvollkommen bezeichnet hätte. Ihre Kommentare seien manchmal „nicht ausreichend nuanciert und ausgeglichen gewesen“, zudem habe „ihr hitziges Naturell“ sie manchmal dazu verleitet, ihre Gegner unfair abzustempeln. Dennoch, betonte Bischof Barron, werde sie „einen sehr hochgeehrten Platz“ in der Geschichte des Katholizismus innehaben.

Bischof Robert Baker von Birmingham in Alabama, in dessen Diözese EWTN sein Hauptquartiert hat, bezeichnete Mutter Angelica als eine Pionierin darin, die Medien als eine Macht für das Gute zu verwenden. „Ihre großartigste Gabe war ihre starke Ehrfurcht vor dem Herrn im Allerheiligsten Sakrament und ihre Hingabe an die Gottesmutter“, sagte er.

Mutter Angelica hat der Kirche und der Welt ein großartiges Vermächtnis durch ihr Eternal World Television Network und dessen Familie hinterlassen, die eine Vielzahl an Menschen näher zum Herrn und seiner Kirche gebracht hat“, fuhr er fort.

„Wie schicksalshaft, dass ihr Tod sich am Ostersonntag ereignete, an dem wir den Sieg unseres Herrn über die Sünde, das Leiden und den Tod feiern!“ (CNA Deutsch)