Kardinal Rai: „Wahre Solidarität für Nahost ist Hilfe vor Ort“

Kardinal Bechara RaiDie Kirche der deutschsprachigen Katholiken Roms hat als erste nicht-maronitische Kirche eine Reliquie des libanesischen Heiligen Charbel Markhlouf erhalten. Bei einer Feier am Freitagabend hat in der Kirche Santa Maria dell´Anima überreichte das Oberhaupt der Maroniten Kardinal Bechara Boutros Rai – er ist auch Patriarch von Antiochien – anlässlich einer Liturgiefeier im maronitischen Ritus die Reliquien. Es war ein einmaliges Ereignis. Am Samstag traf Patriarch Rai zudem Papst Franziskus, um über die politische Situation im Libanon zu sprechen. Radio Vatikan hat das Oberhaupt der Maroniten im Vorfeld interviewt. Dabei sprach der Patriarch auch von falsch verstandener Solidarität für Flüchtlinge in Europa.

„Wir sind den Christen im Westen sehr dankbar für ihre Menschlichkeit und Solidarität. Aber uns hilft es nicht, den Christen im Orient zu sagen: Kommt her, ihr seid herzlich Willkommen. Wir können den Nahen Osten nicht von der Kirche entleeren. Christen sind nicht einfach Individuen zum Herumverteilen. Es ist die Kirche Christi, die Wiege der Christenheit im Orient. Wir können nicht die Wurzeln des Christentums ausreißen.“ Patriarch Rai fügte an, dass der Westen und die Christen allgemein jeden Tag einen lautstarken Appell machen müssten: „Schluss mit Krieg in Syrien, Irak, Jemen und in Palästina! Und Friedenslösungen finden. Wie Papst Franziskus gesagt hat: Schluss mit dem Waffenhandel! Schluss mit wirtschaftlichen, geostrategischen, politischen Interessen auf dem Rücken von Millionen von Menschen, die aus ihren Ländern vertrieben werden. Also muss der christliche Westen den Christen helfen, in ihren Ländern zu bleiben, anstatt ihnen zu sagen: Kommt her. Ich weiß, das ist hart. Aber das ist wahre Solidarität. Ihnen vor Ort zu helfen, würdevoll zu leben, Arbeit zu bekommen, und auszuharren, bis dieser Sturm vorüber ist. Das wünsche ich diesen Menschen. Und so werde ich das auch dem Papst sagen.“

Patriarch Rai ging am Samstagvormittag beim Papst in Audienz, um mit ihm über die Entwicklungen bei der Besetzung des Staatspräsidentenamtes in seiner Heimat zu besprechen. Und über die Friedensbemühungen im Nahen Osten.

Zur Feier am Freitagabend in der Anima: Der Heilige Charbel Makhlouf war ein maronitischer Mönch des 19. Jahrhunderts, den Papst Paul VI. erst selig- und schließlich 1977 heiligsprach. Charbel führte in einer Einsiedelei des Klosters Annaya ein asketisch strenges Büßerleben und wurde schon zu Lebzeiten wie ein Heiliger verehrt. Die Knochenreliquie von ihm ist ein Geschenk des Kollegs Mar Abda des Maronitenordens der Heiligen Jungfrau Maria im Libanon. Sie erhielt ihren Platz in einem der Altare der Kirche, an dem zugleich ein permanentes „Friedenslicht für den Libanon und den Nahen Osten“ entzündet wurde. Kardinal Bechara Rai erklärte, wie die Anima in Rom zu dieser Ehre gekommen ist:

„Einige unserer Patres in Rom lernen deutsch und haben auch schon in der deutschsprachigen Gemeinde mitgeholfen. Daraus wurde eine Freundschaft und die Idee entstand, die Reliquien vom Heiligen Charbel auf einem Altar der Kirche aufzubewahren. Der Rektor des Päpstlichen Instituts Santa Maria dell’Anima, Franz-Xaver Brandmayr, bat mich dann darum, dort zu diesem Anlass eine Messe zu feiern.“

Die Messe wurde in syrisch-aramäisch, der Sprache Jesu gehalten. Ebenso die Gesänge der maronitischen Geistlichen, deren orientalischer Klang zusammen mit dem Weihrauch eine mystische Stimmung erzeugte. Es ist eine große Ehre für die Gemeinde, denn der Heilige Charbel wird auf der ganzen Welt verehrt, wie Kardinal Bechara Rai erklärt:

„Der heilige Charbel ist ein Eremiten-Mönch, ein großer Mensch der Stille, des Gebets, des großen Heldentums. Er wurde von der Welt und seinen Lieben ganz getrennt. Selbst als seine Mutter einmal zum Kloster kam, wollte er sich ihr nicht zeigen und sagte: ‚Mutter, wir sehen uns im Himmel‘. Er ist ein Mann des großen Opfers, der sich so sehr Gott hingegeben hat. Wir wissen nicht, warum Gott ihn auf der ganzen Welt bekannt gemacht hat. Egal wo auf der Welt Sie hingehen, gibt es eine Verehrung für den Heiligen Charbel – sei es in Afrika, Lateinamerika, Europa oder Ozeanien – überall. Wir fragen uns: warum bewirkt er überall Wunder, ist überall präsent? Menschen, die nicht einmal den Libanon kennen, kennen dafür den Heiligen Charbel.“

Die Wunder waren stets ziemlich ausgefallen, wie der Kardinal betont. An eines erinnern die Maroniten immer am 22. jedes Monats. Es geschah vor 23 Jahren. Eine Frau war komplett gelähmt und träumte eines Nachts von Charbel, der zu ihr sagte: Ich werde dich operieren. Sie antwortete: Aber nein, Pater, der Arzt hat gesagt, das sei nicht möglich. Als sie erwachte, merkte sie, dass sie blutete und eine Narbe hatte – sie war geheilt worden. Auf ein Wunder in der libanesischen Politik dürfte man auch hoffen – seit Mai 2014 gibt es keinen Präsidenten mehr, weil eine Patt-Situation zwischen zwei Kandidaten Wahlen blockierte. Einer der Kandidaten, der Samir Geagea von der sunnitisch geprägten Allianz des 14. März verzichtete am Montag vor einer Woche auf seine Kandidatur, zugunsten seines Gegenkandidaten und Erzfeinds, wie Bechara Rai sagt: Michel Aoun. Doch wer glaubt, dadurch sei die Ausganglage für eine baldige Präsidentenwahl besser, täuscht sich, so der Patriarch:

„Der Verzicht von Samir Geagea auf die Präsidentschaftskandidatur zugunsten seines Feindes Michel Aoun war eine Überraschung, die zugleich die Dinge komplizierter macht. Denn mit Michel Aoun und dem Kandidaten der maronitischen Marada-Partei, Suleiman Frangieh, sind beide Kandidaten Alliierte der Hisbollah. Die Versöhnung von Samir Gaegea und Michel Aoun hat der libanesischen Gesellschaft sehr geholfen, weil es eine sehr angespannte Situation war. Es stimmt, auch Michel Aoun hat eine starke Persönlichkeit, aber er kann nicht auf viele Stimmen hoffen. Jetzt kommt es auf die Hisbollah an, die einen Schritt vorangehen und sehen muss, wen der beiden sie aufstellt. Das wird nicht einfach. Jetzt müssen wir hören, was die einzelnen Fraktionen und Parteien sagen, um das Gleichgewicht wieder herzustellen. Die Situation ist kritisch. Damit die Wahlen vorangehen, müssen wir jetzt Druck auf die Hisbollah und den Iran machen, der Verbündeter der Hisbollah ist.”

Da könnte es auch hilfreich sein, wenn der iranische Präsident Hassan Rohani am kommenden Dienstag Papst Franziskus besucht. (rv)

 

Libanon: „Wir brauchen Papst Franziskus“

Die maronitische Kirche im Libanon hat die Autobombenanschläge in der nordlibanesischen Stadt Tripoli verurteilt. Im Gespräch mit Radio Vatikan sagt der maronitische Patriarch von Antiochien, Kardinal Béchara Rai, dass die Christen im gesamten Nahen Osten in einer sehr prekären Lage stünden. Er sei pessimistisch, wie die Situation im Libanon sowie in den übrigen arabischen Ländern sich entwickeln werde.

Die Zahl der Toten bei zwei Bombenanschlägen stieg derweil auf 47. Das teilte die Polizei in der Stadt Tripoli am Samstag mit. Zwei Autobomben waren am Freitag vor zwei sunnitischen Moscheen in Tripoli explodiert. Patriarch Rai:

„Was wir in Ägypten, Syrien oder im Irak erleben, sind Kriegshandlungen mit einer doppelten Dimension: im Irak und in Syrien geht es um Konflikte zwischen Schiiten und Sunniten, in Ägypten handelt es sich um eine Auseinandersetzung zwischen Fundamentalisten der Muslimbrüder und den sogenannten Moderaten. Es gibt aber ausländische Kräfte – sei es im Westen aber auch im Nahen Osten selber – die diese Konflikte schüren. Jetzt geht es also darum, diese Probleme zu lösen."

Wenn man die Nachrichten im Nahen Osten lese, dann habe man den Eindruck, dass es darum gehe, interne Konflikte zu verstärken, fügt der maronitische Patriarch an. Dagegen könnten namhafte Persönlichkeiten, die von allen Konfliktparteien respektiert würden, dazu beitragen, die Situation zu beruhigen, so Rai weiter.

„Normalerweise ist es leider so, dass bei chaotischen und gewalttätigen Situation im Nahen Osten, die Muslime zuerst auf die Christen los gehen. Das jetzt auch der Fall, wie wir in Ägypten gesehen haben. Das muss also gestoppt werden. Ich habe mehrmals dem Heiligen Vater geschrieben und ihm Zahlen und Fakten genannt. Allein den Irak haben mehr als eine Million Christen verlassen. Doch keine einzige Stimme der internationalen Staatengemeinschaft hat etwas dazu gesagt. Wir brauchen also Papst Franziskus, einen Mann des Friedens, der von allen hier bei uns respektiert wird. Eine andere Lösung sehe ich nicht, denn sonst werden alle Christen im Nahen Osten das Ganze teuer bezahlen."

Die Opferzahl bei den Bombenanschlägen im libanesischen Tripoli könnte übrigens weiter steigen, denn rund 300 Personen befinden sich gemäß den Angaben der Behörden noch in Krankenhäusern, 65 von ihnen sind in einem kritischen Zustand. Die Detonationen ereigneten sich zur Gebetszeit im Abstand von nur fünf Minuten. (rv)

Kardinal Sandri im Libanon: „Es fehlt an allem“

Kardinal SandriDer zweitwichtigste Argentinier aus dem Vatikan war in den vergangenen Tagen im Libanon: Kardinal Leonardo Sandri, der Präfekt der Ostkirchenkongregation und Landsmann des Papstes, will den Christen im Nahen Osten die geistliche Nähe von Papst Franziskus bezeugen.

„Ich habe allen Bischöfen der vier Riten, die ich besucht habe, eine Botschaft des Friedens und der Hoffnung übergeben, die mir Franziskus persönlich mitgegeben hatte, und gesagt, wie sehr er an die Menschen in dieser Region und an ihre Leiden denkt. In der Nähe der syrischen Grenze konnte ich auch ein Lager von syrischen Flüchtlingen besuchen. Der Papst hofft darauf, dass man hinter diesen Krieg in Syrien endlich einmal das Wort „Ende" hinschreiben kann!"

Schon letztes Jahr hatte Vatikankardinal Robert Sarah, damals noch im Auftrag von Papst Benedikt XVI., syrische Flüchtlinge im Libanon besucht. Auch für Kardinal Sandri waren seine Stunden im Flüchtlingscamp am letzten Sonntag eine bewegende Erfahrung.

„Wir sind alle wirklich aufgewühlt: all diese Kinder zu sehen, die da im Exil sind, in Armut, ohne Hygiene-Möglichkeiten. Ich habe gesehen, dass es da an allem fehlt, an Medikamenten, vor allem für schwangere Frauen und für Kinder."

Seit mehr als einem Monat sind zwei orthodoxe Metropoliten aus dem syrischen Aleppo in der Hand von Entführern – auch darüber hat Kardinal Sandri im Libanon Gespräche geführt, er hofft auf die Freilassung der beiden.

„Einen von ihnen, Ibrahim, kenne ich, er ist syrisch-orthodoxer Bischof von Aleppo. Man hört so allerlei: einmal, dass es ihnen gut gehe, dann wieder, es gehe ihnen schlecht. Ich bitte euch Entführer, gebt sie ihren Kirchen und ihrem Land, ihrem Bistum wieder! Eine solche Geste wird euch Ehre einbringen und mit Sicherheit auch den Segen Gottes!"

„Natürlich", von den starken Spannungen im Libanon hat auch der Besucher aus Rom einiges gespürt, es gebe „einige Zeichen der Gewalt", so Sandri.

„Aber alles wird doch noch von großer Hoffnung dominiert. Alle, mit denen ich gesprochen habe – Katholiken, andere Christen, orthodoxe Bischöfe, Laien, Ordensleute – tun alles dafür, dass der Krieg nicht aus Syrien auf den Libanon übergreift und dass der Friede die Oberhand behält. Viele Leute, auch viele junge, kommen zum Marienwallfahrtsort von Harissa, einige steigen barfuss hinauf, um vor Unserer Lieben Frau vom Libanon um Frieden zu beten, aber auch für den Papst und für die ganze Welt."

Nach seinem Besuch im Libanon reiste Kardinal Sandri weiter nach Jordanien, wo er bis zum 1. Juni bleiben wird. (rv)

Bechara Boutros Rai: Ein neuer Kardinal für alle Libanesen

„Die Kirche ermutigt alle Anstrengungen, die für den Frieden im Nahen Osten unternommen worden sind": Der Frieden sei jedoch nur dann von Dauer, „wenn er auf dem authentischen Respekt des einen für den anderen basiere". Diese Worte des Papstes anlässlich der Audienz an die neuen Kardinäle und ihre Begleitungen, die an diesem Montag stattgefunden hatte, trafen insbesondere einen der neuen Kardinäle persönlich: Der Libanese Bechara Boutros Rai lebt in einem Land, das täglich unter den Spannungen, die den Nahen Osten umtreiben, leidet und das auf der anderen Seite als Vorbild für das friedliche Zusammenleben zwischen Christen und Muslimen gilt. Im Interview mit Radio Vatikan erzählte der neue Kardinal, dass seine Erhebung zum Kardinal im ganzen Land, ohne Ansehen politischer und konfessioneller Unterschiede, Freude ausgelöst habe:

„Alle Libanesen, Christen und Muslime aller politischen Lager und aller Glaubensrichtungen, haben diese Geste des Papstes als eine Anerkennung für die Kirche im Land, aber auch für die Libanesen gewürdigt. Und alle haben verstanden, dass sie durch die Ehre des Kardinalsamtes aufgerufen worden sind, auch weiterhin ihr Zeugnis des friedlichen Zusammenlebens abzulegen, und auch die Apostolische Exhortation zu verbreiten. Ich selbst bin dem Papst sehr dankbar. Gleichzeitig fühle ich mich ermutigt, meine Mission trotz der Herausforderungen, die uns im Libanon und im Nahen Osten erwarten, weiterzuführen.

Insbesondere die Tatsache, dass seine Wahl von allen Libanesen so positiv aufgenommen worden sei, sei ihm eine große Ermunterung, so der frischgebackene Kardinal weiter. Erstes Ziel seiner Rückkehr in den Libanon sei es, die in der apostolischen Exhortation festgelegte Marschroute zu verwirklichen. Diese Marschroute, so der Kardinal, werde von Papst Benedikt selbst immer wieder vorgegeben, was auch bedeute, dass er aus den Worten des Papstes immer wieder Mut schöpfen könne – zuletzt bei eben jener Audienz, bei dem sich der Papst mit seinem Appell persönlich und auf Französisch an ihn gewandt hatte. Insbesondere die Situation in Syrien, aber auch der wieder aufgeflammte Konflikt zwischen Hamas und Israel gäben Grund zur Sorge, so der Kardinal:

„Wir sind ein Teil des Ganzen: das ist wie ein System von miteinander verbundenen Becken. Im Nahen Osten sind wir eine Einheit, und deshalb hat alles Schlimme, was in einem Land passiert, Konsequenzen für uns. Das gilt natürlich auch für die positiven Dinge, die passieren. Wir sind besorgt um das Heilige Land, um Syrien, um den Irak und um Ägypten. Aber auch um den Libanon, denn leider nimmt der Radikalismus zu, Wir müssen eine starke Botschaft des Evangeliums überbringen, die wir dem Integralismus und Fundamentalismus, die leider überall Unterstützer finden, entgegen setzen müssen."

Die Ernennung zum Kardinal in einem solchen Klima der Unsicherheit bringe eine große Verantwortung mit sich. Doch der Kardinal ist zuversichtlich:

„Diese Verantwortung wird leichter zu ertragen, weniger drückend, wenn diese eine gemeinsame Vision von Christen und Muslimen wird." (rv)

Kard. Sarah: „Viele hoffen auf Eingreifen des Papstes in Syrien“

Eigentlich hatte der Papst eine Friedensdelegation nach Damaskus schicken wollen. Daraus wurde wegen der Kämpfe in der syrischen Hauptstadt nur eine Ein-Mann-Friedensmission in den Libanon. Aber Kardinal Robert Sarah, der Sondergesandte Benedikts XVI., stellte bei seinen Gesprächen mit Politikern in Beirut fest, dass viele Menschen angesichts des blutigen Konflikts in Syrien Hoffnungen in den Vatikan setzen.

„Die Behörden denken, dass der Heilige Stuhl doch die Möglichkeit studieren könnte, diesen Krieg zu stoppen", so Sarah im Gespräch mit Radio Vatikan. „Der Heilige Vater hat eine Stimme, die auf der internationalen Bühne von großer Autorität ist, und vielleicht würden seine Interventionen, seine Appelle an die Großmächte doch gehört, um den Krieg zu beenden – und zwar nicht mit Gewalt, sondern auf dem Verhandlungsweg. Die Mehrheit derer, mit denen ich in Beirut gesprochen habe, setzen auf ein Eingreifen des Papstes. Als Benedikt XVI. beschloss, eine Delegation nach Syrien zu schicken, hat das sein Engagement für einen Verhandlungsfrieden in Syrien gezeigt. Es geht dem Heiligen Vater um eine politische Lösung, mit allen streitenden Parteien um einen Verhandlungstisch versammelt. Also: Hoffnung darauf, dass die Kirche mehr tut für ein Ende dieses Krieges."

Denn die Kämpfe haben schon genug Elend über Unschuldige gebracht, so Sarah. Der Kardinal, der das Päpstliche Hilfswerk Cor Unum leitet, hat sich in der Nähe der Grenze nach Syrien auch mit Flüchtlingen getroffen und ist erschüttert von ihrem Leid.

„Diese vielen Menschen in den Lagern zu sehen, ohne Wasser oder Strom, ohne Hygiene und mit dem Winter, der schon vor der Tür steht, es wird ja schon kalt, es regnet – das war sehr bewegend. Eine muslimische Frau, die vollkommen verschleiert war, fing an zu weinen, als ich mit ihr sprach. Ich fragte sie: Warum weinst du?, und sie antwortete: Weil Sie mich wie einen Menschen behandeln. Ich fühle mich auf einmal wieder wie ein Mensch."

Nach seiner Rückkehr aus dem Libanon hat Kardinal Sarah aufmerksam die Berichte verfolgt, dass die syrische Opposition auf einer Konferenz in Doha, im Katar, eine neue, einheitliche Plattform gegründet hat.

„Wir hoffen, dass diese Vereinigung auf Seiten der Opposition vielleicht einen Schritt hin zu Verhandlungen bedeutet. Denn bisher wusste man nicht so genau, mit welchen Oppositionellen sich denn eigentlich verhandeln ließe, es gab zu viele verschiedene Gruppen und Fraktionen. Also, aus meiner Sicht ist das ein Schritt nach vorne – aber ich würde schon zögern, wenn ich sagen müsste, ob das jetzt wirklich ein rundum positiver Schritt ist. Immerhin: Wir haben jetzt eine neue Lage, die eventuell zu einer Suche nach Frieden beitragen könnte. Jetzt gibt es wenigstens identifizierbare Verantwortliche, mit denen man reden kann."

Der aus Guinea stammende Kardinal hofft, dass sich jetzt auch die syrische Regierung unter Baschir al-Assad bewegt.

„Sie haben ja gehört, dass der syrische Präsident gesagt hat, er wolle in Syrien sterben. Er ist, glaube ich, entschlossen, gegebenenfalls Verhandlungen aufzunehmen – aber auch nicht mit irgendjemandem. Wenn sich das Regime jedenfalls zu Verhandlungen entschließt, dann ist einiges möglich. Ich hoffe, dass auch die internationale Gemeinschaft in diesem Sinne ein bisschen helfen kann."

Direkte Kontakte zu syrischen Rebellen habe er während seines Besuchs im Libanon nicht gehabt, sagt Kardinal Sarah.

„Es war nicht mein Ziel, Kontakt zu Rebellen oder auch zur Regierung von Herrn Assad aufzunehmen. Ich glaube auch nicht, dass man viele Rebellen im Libanon treffen könnte – aber jedenfalls war das nicht mein Ziel, Politik zu machen. Selbst wenn es Möglichkeiten zu einer entsprechenden Kontaktaufnahme gegeben hätte: Das war nicht die Mission, die mir der Heilige Vater aufgetragen hatte!" (rv)

Die Abschiedsrede des Papstes beim Flughafen von Beirut

Wir dokumentieren die Verabschiedungsrede des Papstes beim Flughafen in Beirut, vom 16. September 2012.

Herr Präsident,
meine Herren Präsidenten des Parlaments und des Ministerrats,
Vertreter des Parlaments und der Regierung,
Eure Seligkeiten und Brüder im Bischofsamt,
werte Vertreter des öffentlichen und des religiösen Lebens,
liebe Freunde!

Da nun der Augenblick des Abschieds gekommen ist, verlasse ich mit Wehmut den geliebten Libanon. Ich danke Ihnen, Herr Präsident, für Ihre Worte und dafür, daß Sie zusammen mit der Regierung – deren Vertreter ich grüße – die Organisation der verschiedenen Ereignisse während meines Aufenthalts bei Ihnen durch die Leistung der verschiedenen Dienste des Staates und des privaten Bereichs auf bemerkenswerte Weise unterstützt haben. Ich danke auch Patriarch Bechara Boutros Raï und allen anwesenden Patriarchen sowie den orientalischen und lateinischen Bischöfen, den Priestern und den Diakonen, den Ordensmännern und Ordensfrauen, den Seminaristen und den Gläubigen, die sich aufgemacht haben, um mich zu empfangen. Mein Besuch war so, als wäre Petrus zu euch gekommen, und ihr habt mich mit der Herzlichkeit empfangen, die ein Wesenszug eurer Kirchen und eurer Kultur ist.

Mein Dank geht besonders an das ganze libanesische Volk, das ein schönes und reiches Mosaik darstellt und es vermocht hat, dem Nachfolger des Petrus durch den vielgestaltigen und besonderen Beitrag jeder Gemeinde seinen Enthusiasmus zu bekunden. Herzlich danke ich den ehrwürdigen Schwesterkirchen und den protestantischen Gemeinschaften. Ein besonderer Dank gilt den Vertretern der muslimischen Gemeinschaften. Während meines gesamten Aufenthalts konnte ich feststellen, wie eure Anwesenheit zum Gelingen meiner Reise beigetragen hat. Die arabische Welt und die ganze Menschheit werden gesehen haben, wie sich Christen und Muslime vereinen, um den Frieden zu feiern. Im Nahen Osten ist es Tradition, den Gast, der sich auf der Durchreise befindet, mit Aufmerksamkeit und Respekt zu empfangen; und das habt ihr getan. Dafür danke ich allen. Aber im Hinblick auf Achtung und Respekt habt ihr eine Ergänzung vorgenommen; sie ist mit einem dieser berühmten orientalischen Gewürze vergleichbar, das den Geschmack der Speisen bereichert: Eure Wärme und eure Herzlichkeit haben mir darauf Geschmack gemacht wiederzukommen. Dafür danke ich euch besonders. Möge euch Gott dafür segnen!

Während meines allzu kurzen Aufenthaltes, dessen Anlaß ja vor allem die Unterzeichnung und Übergabe des Apostolischen Schreibens Ecclesia in Medio Oriente war, konnte ich den verschiedenen Teilen eurer Gesellschaft begegnen. Es gab Gelegenheiten, die eher offiziellen Charakter hatten, und andere, die von größerer Vertraulichkeit geprägt waren, Augenblicke von großer religiöser Dichte und inbrünstigem Gebet, und noch weitere, die vom Enthusiasmus der Jugend geprägt waren. Ich danke Gott für diese mir gewährten Gelegenheiten, für die anspruchsvollen Begegnungen, die ich haben konnte, und für das Gebet, das von allen und für alle im Libanon und im Nahen Osten dargebracht wurde – jedes Gebet, unabhängig von seinem religiösen Ursprung oder dem religiösen Bekenntnis, aus dem es kommt.

In seiner Weisheit hat Salomon den König Hiram von Tyrus bewegt, zum Bau eines Haus für den Namen des Herrn, eines Heiligtums für immer (vgl. Sir 47,13), beizutragen. Und Hiram, an den ich bei meiner Ankunft erinnert habe, sandte Holz, das von Zedern aus dem Libanon stammte (vgl. 1 Kön 5,22). Mit Vertäfelungen aus Zedernholz, die mit eingeschnitzten Blütenranken verziert waren, wurde der Innenraum des Tempels ausgestattet (vgl. 1 Kön 6, 8). Der Libanon war im Heiligtum Gottes, gegenwärtig. Könnte der heutige Libanon, könnten seine Bewohner doch weiterhin im Heiligtum Gottes anwesend sein! Könnte der Libanon weiterhin ein Ort sein, wo die Männer und Frauen in Eintracht und in Frieden miteinander zu leben vermögen, um der Welt nicht nur das Zeugnis von der Existenz Gottes – das war das erste Thema der vergangenen Synode – zu geben, sondern ebenso das Zeugnis von der Gemeinschaft zwischen den Menschen – dem zweiten Thema der Synode wie es auch immer um ihre politische, gemeinschaftliche und religiöse Sensibilität steht!

Ich bete zu Gott für den Libanon, damit er im Frieden lebe und mutig allem widerstehe, was ihn zerstören oder bedrohen könnte. Ich wünsche dem Libanon, daß er weiterhin die Vielfalt religiöser Traditionen zuläßt und daß er nicht auf die Stimme jener hört, die sie verhindern wollen. Ich wünsche dem Libanon, daß er die Gemeinschaft unter allen seinen Bewohnern stärkt, was auch immer ihre Herkunft und Religionszugehörigkeit sei, indem er alles entschieden zurückweist, was zum Auseinanderbrechen führen könnte, und sich mit Entschlossenheit für die Brüderlichkeit entscheidet. Da gibt es gottgefällige Blüten, Tugenden, die möglich sind und für die es angebracht wäre, sie durch tiefere Verwurzelung zu festigen.

Die Jungfrau Maria, die von den Gläubigen der hier anwesenden Konfessionen mit frommer Hingabe und Zärtlichkeit verehrt wird, ist ein zuverlässiges Vorbild, um auf dem Weg zu einer gelebten und glaubwürdigen Brüderlichkeit voranzukommen. Das hat der Libanon gut verstanden, als er vor einiger Zeit den 25. März zum Feiertag erklärt hat und damit allen seinen Bewohnern gestattet, ihre Einheit in froher Gelassenheit leben zu können. Möge die Jungfrau Maria, deren alte Heiligtümer in eurem Land so zahlreich sind, euch weiterhin begleiten und inspirieren!

Gott segne den Libanon und alle Libanesen! Er möge nicht aufhören, sie an sich zu ziehen, um sie an seinem ewigen Leben teilhaben zu lassen! Er erfülle sie mit seiner Freude, seinem Frieden und seinem Licht! Gott segne den ganzen Nahen Osten! Auf jeden und auf jede von euch rufe ich aus ganzem Herzen die Fülle göttlicher Segnungen herab. لِيُبَارِك الربُّ جميعَكُم [Gott segne euch alle!].
(rv)

Ökumenisches Treffen mit dem Papst im Libanon

Vertreter christlicher Konfessionen haben den Papst am Sonntagnachmittag im Libanon getroffen. Bei der ökumenischen Begegnung sprachen sie über die Lage der Ökumene und die Zusammenarbeit zwischen den christlichen Konfessionen im Nahen Osten. Unter den Teilnehmern des Treffens war auch der syrisch-katholische Patriarch Ignace Youssif III. Younan. In seinem Patriarchatssitz in Charfet fand die ökumenische Zusammenkunft statt. Im Gespräch mit Radio Vatikan sagte Younan, dass es die gemeinsame Aufgabe von Ost und West sei, auf eine Achtung der Religions- und Meinungsfreiheit hinzuarbeiten. Der Westen müsse den Christen im Orient helfen, bei internationalen Organisationen eine konsequente Haltung in Sachen Menschenrechte einzufordern. „Heuchlerisch" sei der Verweis von Europäern, dass im Nahen Osten ein anderes Denken gelte. Er warnte auch davor, die Schwierigkeiten im Dialog mit dem Islam zu unterschätzen. Hinsichtlich der christlichen Ökumene sei der Orient dem Westen voraus. „Als Getaufte im Nahen Osten können wir unseren Glauben nicht bezeugen, wenn wir nicht in echter Gemeinschaft leben", sagte der Patriarch. Man dürfe nicht „jammern und wie manche sagen, die Christen müssten sich wieder vereinen: Wir sind schon geeint", so Younan. Zugleich räumte er ein, auf pastoraler Ebene gebe es noch viel zu tun.

Hintergrund
Der Anteil der Christen im Libanon ist in den vergangenen acht Jahrzehnten von 54 auf jetzt rund 40 Prozent gesunken. Stärkste Gruppe ist die mit Rom verbundene maronitische Kirche. An zweiter Stelle stehen die Griechisch-Orthodoxen. Den Rest bilden griechisch-katholische Melkiten, Armenisch-Orthodoxe und katholische Armenier, Syrisch-Orthodoxe und Syrisch-Katholische, Assyrer und Chaldäer, Protestanten, Kopten und Römisch-Katholische. (rv)

Papst an Jugend: „Seid einig gegen Gewalt!“

Es ist Zeit, dass Muslime und Christen sich vereinen, um der Gewalt und den Kriegen ein Ende zu setzen. Das sagte der Papst am Samstagabend an Jugendliche in Bkerké. Der Papst rief die jungen Christen im Libanon zum Bleiben auf. Fehlende Sicherheit, Ausgrenzung, das Gefühl der Einsamkeit und andere „Frustrationen" wie Arbeitslosigkeit dürften nicht dazu führen, den „bitteren Honig der Emigration zu kosten" und die Heimat zu verlassen, sagte der Papst beim maronitischen Patriarchatssitz, wo er über 25.000 Jugendliche traf.

Eine Art Arabisches Weltjugendtreffen
Es war wie ein „kleines" Weltjugendtreffen mit arabischem Touch: Mit Tänzen und Gesängen begrüßten die Jugendlichen den Papst. Anwesend waren neben libanesischen Jugendlichen auch Gäste aus den benachbarten Ländern sowie aus Europa, Australien und Nordamerika. In seiner Ansprache während des Wortgottesdienstes ging Benedikt XVI. auf die Herausforderungen ein, denen sich Heranwachsende ausgesetzt sehen. Die Christen müssten die Zukunft des Landes mitgestalten, so der Papst. Benedikt XVI. betonte, die Region müsse einsehen, dass Muslime und Christen „ohne Hass und in der Achtung des Glaubens eines jeden zusammenleben können, um gemeinsam eine freie und menschliche Gesellschaft aufzubauen". Die Jugendlichen sollten zu Friedenstiftern werden und sich für die Werte des Lebens und gegen Abtreibung, Gewalt, Ungerechtigkeit und Krieg einsetzen.

Auswanderung bedeutet Entwurzelung
Die Christen im Nahen Osten müssten ihren Glauben auch weiterhin in jener Region bezeugen und weitergeben, die die Geburt Jesu und die Entstehung des Christentums gesehen habe, betonte der Papst. Eine Auswanderung sei stets „mit Entwurzelung und Trennung um einer ungewissen Zukunft willen" verbunden. Ausdrücklich wandte er sich auch an die muslimischen Jugendlichen: „Ihr seid zusammen mit euren christlichen Altersgenossen die Zukunft dieses wunderbaren Landes und des gesamten Ostens", so Benedikt XVI. Er rief sie auf, „ein Miteinander aufzubauen" und einträchtig mit den Christen zusammenzuleben.

Papst bewundert Mut der Syrer
Einen besonderen Gruß richtete der Papst auch an junge Syrer, die zum Papstbesuch nach Beirut gekommen waren. Er bewundere ihren Mut und nehme Anteil am Leiden und der Trauer ihrer Familien und Freunde in Syrien. Der Papst warnte die Jugendlichen in seiner Ansprache auch vor Drogenkonsum und Pornographie. Dies sei eine Flucht in Parallelwelten. Zudem mahnte er einen besonnen Umgang mit sozialen Netzwerken an. Diese seien zwar „interessant", könnten aber auch sehr leicht zu Abhängigkeiten und einer Verwechslung der virtuellen mit der reellen Welt führen. Er rief die jungen Libanesen auf, „im Kampf gegen die Oberflächlichkeit und den leichtfertigen Konsum" Initiativen zu ergreifen, die dem Leben Sinn und Grund gäben.

Patriarch: Furcht vor Fundamentalismus
Der maronitische Patriarch Bechara Rai sprach in seinem Grußwort von einer wachsenden Furcht vor religiösem Fundamentalismus. Dieser bestreite das „Recht auf Unterschiede" und stehe damit in Widerspruch zur Religionsfreiheit. Zugleich äußerte sich Rai besorgt über eine politische, soziale, wirtschaftliche und kulturelle Krise der Region. Durch sie drohten junge Christen ihre Identität sowie „ihre Verwurzelung in ihrem Land und ihren Kirchen" zu verlieren. (rv)

Lombardi: „Der Papst ist ein Prophet, er muss weitersehen“

In ganz Beirut Fahnen des Vatikans und Transparente mit dem Bild des Papstes – das hat Pater Federico Lombardi besonders überrascht. Der Jesuit und Pressesprecher des Vatikan freut sich über den guten Empfang für den Papst. Unser Korrespondent Stefan Kempis sprach mit Lombardi über die ersten Stunden des Papstes in Beirut.

Pater Lombardi, der Papst hat den so genannten Arabischen Frühling überraschend positiv gewürdigt. Wie kommt das? Viele Kirchenleute hier im Nahen Osten sehen den Arabischen Frühling doch sehr kritisch…

„Nun, der Papst ist ein Prophet, er muss weiter sehen, und er muss hoffen. In diesem Sinn halte ich es für sehr positiv, zunächst einmal Hoffnung zu haben und das Gute an diesen Entwicklungen zu sehen, um zum Positiven beizutragen. Denn wenn man nur das Negative sieht, dann hilft man den Menschen nicht. Ich glaube, der Papst hat gut verstanden, welche positiven Erwartungen es im Zusammenhang mit diesem Arabischen Frühling gibt. Aber der Papst ist gleichzeitig Realist. Er hat gesagt: Wie bei allen Revolutionen sucht man zunächst nach Freiheit, doch dann wird nicht unbedingt die Freiheit realisiert, sondern es kommt zu Gewalt und zu schlechten Lösungen. Dazu kommt die Verantwortung, die gewonnene Freiheit gut zu nutzen. Das ist auch das Problem: Der Arabische Frühling hat eine Öffnung gebracht, aber wir haben noch nicht vollständig das Positive gesehen."

Ist es eigentlich mutig, dass der Papst trotz der Sicherheitsbedenken an der Reise festhält, auch in diesen Tagen der Unruhen unter vielen Muslimen nach dem Youtube-Video?

„Es war von vornherein klar, dass die Lage im Nahen Osten nicht leicht ist. Natürlich ist das Problem mit diesem dummen Video sehr ernst. Wir haben das auch gesagt: Man muss sehr, sehr vorsichtig sein, wenn man mit den Symbolen und Sensibilitäten anderer Religionen spielt, das ist wirklich unverantwortlich! Aber das ist nicht das einzige Problem, es gibt auch andere und größere, etwa den Konflikt in Syrien. Der Papst wollte gerade in dieser Situation von Frieden sprechen und Frieden bringen – zumindest tun, was in seiner Verantwortung steht. Jeder von uns muss tun, was er kann, und es vor Gott verantworten! Der Papst weiß das sehr wohl, er tut was er kann – und das ist viel."

Was kann der Heilige Vater in einer so komplizierten Region wie dem Nahen Osten konkret erreichen?

„Was bedeutet denn ,konkret'? Wenn ich ein guter Christ bin und mich in der Gesellschaft engagiere, nicht korrupt bin in meiner wirtschaftlichen Tätigkeit und etwa als Journalist die Wahrheit sage usw., dann mache ich es schon richtig! Das ist es, was ein Christ machen muss. In diesem Sinn ist der Papst ein Hirte, der den Christen sagt, ihr müsst mit Kohärenz ein gutes Zeugnis als Christen geben. Das würde die Welt verändern." (rv)

Libanesischer Staatspräsident: „Mehr Christen in die Politik“

Ohne die politische Teilhabe der Christen im Nahen Osten kann dort keine Demokratie entstehen. Das hat der libanesische Staatspräsident, Michel Suleiman, in seiner Begrüßungsrede an den Papst im Präsidentenpalast unterstrichen.

Der katholisch-maronitische Politiker ging am Samstagmorgen weiter auf aktuelle Konfliktherde in der Region ein. Er bekräftigte die „Nichteinmischungspolitik" der libanesischen Führung gegenüber Syrien. Der Bürgerkrieg im Nachbarland hat auch im Libanon zu Spannungen geführt. So stießen in den vergangenen Wochen in verschiedenen Landesteilen Anhänger des syrischen Machthabers Baschar al-Assad und Unterstützer der syrischen Opposition gewaltsam zusammen, und die konfessionelle Konfliktlinie zwischen Sunniten und Schiiten im Libanon verschärfte sich. Die libanesische Regierung hat nun Sorge, dass sich die Scharmützel zu neuen interkonfessionellen Unruhen wie zu Zeiten des libanesischen Bürgerkrieges von 1975 bis 1990 auswachsen könnten. Zugunsten der „Stabilität" bemühe sich die libanesische Führung deshalb darum, Auswirkungen der Syrienkrise im eigenen Land einzudämmen, führte Suleiman dazu aus.

Der Staatspräsident plädierte weiter für eine „umfassende Lösung der Probleme zwischen den arabischen Ländern und Israel". In diesem Zusammenhang bekräftigte er die politische Linie des Libanon, den palästinensischen Flüchtlingen die libanesische Staatsbürgerschaft zu verweigern, da sie das „Recht auf Rückkehr in ihre Heimat" hätten. Auch der melkitische Patriarch Gregorius III. Laham hatte vor dem Papst seiner Hoffnung auf einen eigenen Palästinenserstaat Ausdruck gegeben. In seiner Begrüßungsrede für Benedikt XVI. in der Sankt Pauls-Kathedrale von Harissa sagte er am Freitagabend, damit könne die Abwanderung von Christen aus dem Nahen Osten gestoppt und der Weg für einen „wahrhaften arabischen Frühling" geebnet werden.

Mit einem Aufruf gegen Extremismus richtete sich der libanesische Staatspräsident Suleiman in seiner Ansprache vom Samstag weiter an junge Libanesen und Libanesinnen und rief diese zu Friedfertigkeit auf. Im nordlibanesischen Tripoli waren bei Ausschreitungen nach dem Freitagsgebet eine Person getötet und 25 weitere verletzt worden. Hintergrund der Unruhen war die filmische Mohammed-Karikatur „Die Unschuld der Muslime", die auch in anderen arabischen Ländern zu heftigen Protesten führte. In Tripoli wurden laut Medienberichten Parolen gegen die USA und Benedikt XVI. gerufen, Plakate heruntergerissen und ein US-Schnellrestaurant in Brand gesetzt. Der Papst wurde über die Ausschreitungen informiert. (rv)