Papst Franziskus schreibt Kardinal Sarah zu Magnum Principium

VATIKANSTADT – In der Debatte um die richtige Interpretation von Magnum Principium, des neuen Schreibens zur Übersetzung liturgischer Texte, hat sich Papst Franziskus an Kardinal Robert Sarah gewandt, den Präfekten der zuständigen Kongregation für den Gottesdienste und die Sakramentenordnung.

Der auf den 15. Oktober datierte Brief ist in Antwort auf ein Schreiben von Kardinal Sarah. Dieser hatte dem Papst Ende September für das neue Motu Proprio gedankt. Dieses betrifft die Handhabung von Übersetzungen aus dem lateinischen Original in die jeweilige Landessprache.

Der Kardinalpräfekt hatte dessen Interpretation kommentiert, vor allem die wesentliche Änderung zur bisherigen Regelung aus dem Jahr 2001, Liturgiam Authenticam (LA).

Im Gegensatz dazu gibt das neue Schreiben den Ortsbischöfen mehr Autorität, und räumt der zuständigen Behörde in Rom die Rolle ein, nicht mehr eine „Recognitio“ zu erteilen, sondern eine Confirmatio.

Kardinal Sarah hatte kommentiert, Magnum Principium erleichtere die Zusammenarbeit zwischen dem Heiligen Stuhl und den Bischofskonferenzen. Dabei sei zu beachten, dass die Confirmatio weiterhin keineswegs eine Formalität sei: Rom müsse alle neuen Übersetzungen prüfen und absegnen. Die Kongregation habe das Recht, ein Veto einzulegen, wenn Übersetzungen nicht dem lateinischen Original treu geblieben sind.

Papst Franziskus dankt in seinem Brief dem Kardinal für sein Engagement und den Kommentar. Gleichzeitig steuere er einige simple „Beobachtungen“ bei, so der Pontifex, „die ich für wichtig halte, besonders für die rechte Anwendung und das Verständnis des Motu Propio, und um jedes Missverständnis zu vermeiden.“

Der erste Punkt des Papsts: Magnum Principium habe den bisherigen, seit 2001 angewendeten Prozess „abgeschafft“.

Die Neuregelung betreffe auch die Begriffe „recognitio“ und „confirmatio“. Diese seien keineswegs synonym zu verwenden, so Franziskus. Die Unterscheidung betone „die unterschiedliche Verantwortung“ des Heiligen Stuhls und der verschiedenen Bischofskonferenzen.

„Magnum Principium erfordert nicht mehr, dass Übersetzungen in allen Punkten den Anforderungen von LA entsprechen, wie es früher der Fall war“, so Franziskus.

Stattdessen müssten einzelne Paragraphen in LA nun „sorgfältig neu-verstanden“ werden. Das gelte auch für Paragraphen 79 bis 84, die bislang eine Genehmigung in Form einer „Confirmatio“ durch Rom erforderten. Diese Paragraphen seien „außer Kraft gesetzt“ und neu formuliert worden mit Magnum Principium.

Weiter betonte Franziskus, dass in der Übersetzung die Bischofskonferenzen sich nicht von der liturgischen Behörde in Rom zu etwas gezwungen fühlen sollten.

Letztlich sei jedoch auch die Confirmatio keineswegs ein rein formaler Akt, sondern notwendig für die Ausgabe der übersetzten liturgischen Bücher.

Abschließend schreibt Franziskus in seinem Brief, dass Kardinal Sarahs Kommentar mehrfach publiziert worden sei, und dass er den Kardinal bitte, seine Antwort an diese Medien weiterzuleiten, wie auch an die Mitglieder und Konsultoren der Kongregation für den Gottesdienst. (CNA Deutsch)

Die Kraft der Stille: Kardinal Sarah stellt sein neues Buch in deutscher Sprache vor

ROM – Sein neues Buch hat in französischer und englischer Sprache bereits Furore gemacht – nun liegt das Werk von Kardinal Robert Sarah über die Kraft der Stille auf Deutsch vor.

Die beim Fe-Medienverlag verlegte deutsche Fassung wurde am heutigen Mittwoch in Rom vorgestellt. CNA Deutsch dokumentiert den Wortlaut der Rede des Präfekten der Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung, übersetzt aus dem Italienischen von Paul Badde.

Sehr geehrte Damen und Herren

Eminenzen, Exzellenzen,

zuerst einmal muss ich mich heute Abend bedanken. Ich danke jedem der hier Anwesenden. Mit Ihrer zahlreichen Anwesenheit zeigen Sie, dass die Stille kein Thema der Vergangenheit, sondern dass sie auch heute von wesentlicher Bedeutung ist. Mit Ihrer Anwesenheit bestätigen Sie schon, dass die Stille nicht nur das mönchische Leben betrifft, sondern dass auch wir die Stille nötig haben. Sehr herzlich danke ich seiner Exzellenz Monsignore Georg Gänswein und bitte ihn, meine dankbaren und ehrerbietigen Grüße an Seine Heiligkeit Benedikt XVI zu übermitteln, der mich so großzügig mit seiner Nähe und moralischen Unterstützung ehrt.

Ich danke dem päpstlichen Institut der Santa Maria dell’Anima, und besonders seinem Rektor, Monsignore Brandmayr, der diesen Raum anbietet, um das Buch der Öffentlichkeit vorzustellen.

Ich danke schließlich dem FE-Medienverlag und besonders seinem Herausgeber Bernhard Müller, der die Last der Veröffentlichung des Buches der „Kraft der Stille“ in deutscher Sprache übernommen hat, das wir heute in den Händen halten.

Die deutsche Ausgabe meines ersten Buches „Gott oder Nichts“ hat eine sehr schöne Aufnahme erfahren. Ich hoffe, dass die deutsche Öffentlichkeit auch jetzt wieder die Überlegungen, die ich hier in der „Kraft der Stille“ anbiete, schätzen wird. Tatsächlich ist die Stille ein universales Thema, durch das jene Horizonte aufgerissen werden, die uns erlauben, in die Wahrheit unseres Lebens einzutreten.

Dieses Buch ist dem Leben entwachsen. Es verdankt sich meiner persönlicher Erfahrung und der Erfahrung mir teurer Personen, die ich kennenlernen durfte und die in der Stille und durch ihre Stille reiche Früchte der Heiligkeit und Güte hervorgebracht haben. Ich denke dabei besonders an den Bruder Vincent-Marie de la Résurrection, einen Kanoniker der Abtei Sainte Marie di Lagrasse, den ich 2014 kennenlernen durfte. Er litt unter Multipler Sklerose, die ihn 2016 mit 37 Jahren sterben ließ. Bruder Vincent konnte nicht sprechen. Doch zwischen uns entstand eine wundervolle spirituelle Beziehung, nicht durch Worte, sondern durch Blicke, durch die Stille, und durch das Gebet, an dem Bruder Vincent nur durch die Bewegung seiner Lippen teilnahm.

Diese menschliche und mystische Dimension der Stille hat mir Bruder Vincent in ganz besonderer Weise erschlossen. Ich kann also sagen, dass das Buch, das hier heute vorgestellt wird, der Kammer eines Kranken entwachsen ist, eines jungen Ordensmannes, der den Himmel in einem Körper erwartete, der immer stärker vom Leid gezeichnet war, der aber auch – wie ich sagen möchte – leuchtete, weil in ihm schon das Licht der Auferstehung durchschien.

Für mich ist die Stille aber auch Teil einer persönlichen Erfahrung der ersten Jahre meines Bischofsdienstes in Conakry in Guinea, als ich sehr isoliert und kontrolliert lebte, unter jenen bekannten politischen Umständen, die ich schon in meinem ersten Buch beschrieben habe. Die äußere Isolation öffnete mir damals – als ein großes Geschenk Gottes – aber auch jene inneren Räume, in die Gott eintritt und wohnt und spricht und tröstet.

Es sind diese Erfahrungen, die auch heute helfen, zu einer tieferen Unterscheidung dessen zu gelangen, was uns jetzt umgibt – in einer kulturellen Umwelt, die fast systematisch vermeidet, mit sich selbst allein zu sein und nach innen zu schauen. Der Lärm, das Geschwätz, und die neuen Technologien, die dieses Getöse transportieren, verdecken die Leere eines neuen Menschen, der kaum mehr weiß, wofür er leben soll.

Noch schmerzhafter ist es aber für mich, festzustellen, wie diese Oberflächlichkeit und Gottlosigkeit und Verachtung der menschlichen Person inzwischen auch in die Kirche eingedrungen ist. Ich kann nicht leugnen, dass sich dieses Buch also auch meinen Erfahrungen als Präfekt der Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung verdankt. Denn ich muss sagen, dass die Liturgie jene Dimension im Leben der Kirche ist, die wohl am meisten leidet unter dieser entwertenden Verweltlichung, die auch in die Kirche eingedrungen ist. Das muss ich erklären.

Es ist kein Geheimnis – und dies sage ich mit großem Schmerz – dass unsere moderne Welt auf eine Weise lebt, als würde es Gott nicht geben. Das sollten wir nicht nur als intellektuelles Gedankenspiel verstehen. Diese Entfremdung ist ein Faktum und eine reale Erfahrung. Es ist das tägliche Leben von Millionen Menschen, das ganz konkret gekennzeichnet ist von einer Leere, die von der Abwesenheit Gottes herrührt. Aber wenn Gott fehlt, muss der Mensch verzweifelt nach etwas suchen, das ihm einen Zugang zum Absoluten verspricht, und er muss dabei leider gleichzeitig feststellen, dass nichts, was einfach nur menschlich ist, sein Herz vollkommen ausfüllen kann.

Es ist aber problematisch, dass wir nur menschliche Lösungen suchen als Antwort nach unserer Bestimmung.

Angesichts unleugbarer großer Probleme versteifen wir uns auf die Suche nach menschlichen Mitteln, anstatt unser Herz zu Gott zu erheben. Manchmal habe ich den Eindruck, dass diese Verweltlichung in die Kirche eingedrungen ist, um auch unseren Glauben auf ein menschliches Maß zu reduzieren. Anstatt den Menschen für die Initiative Gottes zu öffnen, der immer unerwartet, sprengend und befreiend ist, denken viele, dass der Mensch von heute besser glauben könne, wenn wir ihm einen Glauben nach menschlichem Maß vorschlagen, der nicht mehr in der Tiefe der Offenbarung durch Christus wurzelt und in der Überlieferung der Kirche, sondern in den Ansprüchen und Bedürfnissen des modernen Menschen, und den Begrenzungen seiner Möglichkeiten.

Diese Verweltlichung drückt sich auch in der Liturgie aus. Das II. Vatikanische Konzil hat festgelegt, dass die Liturgie Quelle und Höhepunkt christlichen Lebens ist.

Ich würde noch mehr sagen. Die Liturgie ist der Hochzeitsraum, wo sich Gott in einem Akt vollkommener Liebe Seiner Kirche hingibt und wo der Christ in vollkommener Gemeinschaft von Leib und Seele seinem Herrn begegnet. Und genau in dieser Wesensmitte der Liturgie, als empfindlichstem Punkt im Leben der Kirche, ist eine Verkürzung des Glaubens nach allein menschlichem Maß und Gutdünken in seiner ganzen Schwere zu erfahren, sei es in den Worten oder den Gesten. Wie in dem Buch dargestellt, hören wir fast nie mehr, wie in unseren Predigten über den Glauben, das ewige Leben, die Gemeinschaft mit der Person Christi, der Sünde als Bruch und Rebellion gegen Gott gesprochen wird.

Und wird nicht versucht, auch alle jene Gesten auszulöschen, die dem modernen „unverständlich“ scheinen, um sie durch einen Wortschwall zu ersetzen, die unsere Eucharistiefeiern immer mehr in große Happenings umwandeln, in deren Mittelpunkt der in sich eingeschlossene Mensch mit seinen Problemen steht und seinem eigenen Urteilsvermögen, diese Probleme zu lösen? Ist dies aber nicht eher nur noch eine menschliche Feier – als ein wahrer Gottesdienst und ein Fest der Kirche?

Es ist diese offensichtliche Abwesenheit Gottes auch in der Liturgie – wenn Sie mir die Beobachtung erlauben – von der sich mein Buch über die Stille herleitet, um Gott hier wieder an die erste Stelle zu setzen.

Es dreht sich dabei freilich nicht um eine Stille um der Stille willen, sondern um eine Stille, in der Gott wieder reden und gehört werden kann. Der Primat Gottes, Gott in unserer Mitte, die Anbetung Gottes und das Opfer des Menschen bilden Herz und Wesen christlicher Liturgie. Das Konzil hat uns ein großes Erbe hinterlassen, besonders in der Konstitution über die Liturgie und den Auftrag zur liturgischen Erneuerung: das ist die Heiligung jedes Getauften. Diesen Aspekt gilt es wieder zu entdecken. Diese Heiligung geschieht wesentlich im Moment der Begegnung mit Ihm in der Liturgie, wenn wir rufen: Heilig, heilig, heilig!

Aber wie können wir Ihm begegnen, wenn wir voll mit uns selbst sind, ohne jeden Raum für Ihn? Wie können wir uns erfüllen lassen von Seiner göttlichen Gegenwart, von Seinem Wort des Lebens, von Seiner trostvollen Botschaft von Tod und Auferstehung, wenn wir voll sind mit Worten, Tönen und absolut weltlichen Nachrichten? Diese Überlegung gilt für jeden einzelnen Gläubigen, aber auch für die ganze Gemeinde, wenn sie feiert: Wenn wir selber im Zentrum der Feier stehen, wie kann da die Gemeinde das Wirken des Heiligen Geistes erfahren, der sie belebt?

Die Herausforderung der Stille ist eine große Aufgabe, weil sie uns an den Sinn der menschlichen Existenz hinführt, an das Verhältnis des Menschen zu Gott, oder noch besser: an die Beziehung Gottes zum Menschen.

Ich kehre im Geist zurück zu einem Vers der Bibel, der uns vielleicht hilft, die Augen für die göttliche Perspektive des Glaubens zu öffnen. „Als tiefes Schweigen das All umfing und die Nacht bis zur Mitte gelangt war,“ lesen wir im Buch der Weisheit, Kapitel 18, Vers 14 – 15, „da sprang dein allmächtiges Wort vom Himmel, vom königlichen Thron herab als harter Krieger mitten in das dem Verderben geweihte Land.“

Wenn die Schöpfung sich in Schweigen hüllt, lässt Gott seine Stimme hören. Das ist die Stimme und das Fleisch gewordene Wort. Es ist Jesus Christus, das Wort, und es ist wirklich das Geheimnis der Menschwerdung, das Licht in die Beziehung zwischen Gott und den Menschen bringt. Und es ist dieses Licht, das den Sinn der Liturgie erhellt. Das ist der Einbruch des Göttlichen in das menschliche Dasein. Es ist ein Einfall des Lichts auf uns, der all unsere Schatten erleuchtet.

Wie ich sagte, genügt die Stille sich nicht selbst. Aber sie ist eine notwendige Bedingung: die Stille schafft jenes Klima, das die Wahrnehmung der Menschwerdung Gottes ermöglicht. Ich möchte noch darüber hinaus gehen.

Wie Benedikt XVI. es in seinem Geleitwort sagt, ist Jesus Stille und Wort, und so ist auch die Kirche Stille und Wort, die sich gegenseitig befruchten. Auf diese Weise bringen sie mindestens zwei Überlegungen hervor, die ich hinsichtlich der Liturgie vorstellen will. In Anbetracht der Natur der Menschwerdung, das heißt angesichts der Tatsache, dass Gott Mensch geworden ist und das Göttliche das Menschliche angenommen hat und der Ewige das Zeitliche – und nicht umgekehrt – bekräftige ich, dass dies nicht so ist, um das Menschliche zu erniedrigen und die Würde des Menschen zu verkleinern. Denn Gott selbst hat sich in seiner Menschwerdung doch vor dem Menschen verneigt! Dabei müssen wir aber doch einen klaren Blick darauf werfen, dass die erste Initiative von Gott her kommt. Denn der Mensch kann ja aus sich selbst nicht zum Himmel empor steigen.

Diese Logik der Fleischwerdung gilt genauso aber auch für die Liturgie, die ein Werk Gottes ist, ein opus divinum, nur in menschlichen Ausdruck gekleidet. Auf zwei Überlegungen möchte ich deshalb am Schluss mein Augenmerk richten, die sich – unter anderen – in dem Buch finden, das wir heute hier vorstellen.

1. Die Frage nach der Inkulturation ist zuerst keine Frage, wie wir die Liturgie afrikanischer oder asiatischer machen können, oder dem Brauch der australischen Ureinwohner anpassen. Das Göttliche bricht in das Menschliche ein, nicht um das Menschliche zu entfesseln, sondern um es zu öffnen, zu reinigen, zu befreien, zu verwandeln und zu vergöttlichen. Ich habe zu oft den Eindruck, dass wir uns mehr damit beschäftigen, wie wir die Liturgie „anpassen“ können statt ihren ganzen Reichtum anzubieten. Es ist offensichtlich, dass sich die Liturgie an die konkrete Person wenden und Formen finden muss, um die konkrete Person anzusprechen, so wie Gott Mensch geworden ist, um mit uns zu sprechen, aber nicht, um das Göttliche zu reduzieren, dass wir es „kapieren“ können, sondern vor allem um den Menschen für das Heil zu öffnen, das Gott anbieten will. Wir dürfen das Göttliche nicht in unsere menschlichen Kategorien einsperren. Es ist bezeichnend, dass die frühe Christenheit – bevor sie verschiedene Formen heidnischer Opferfeiern aufnahm – in ihrer ersten Begegnung mit der heidnischen Kultur denen, die Christen wurden, zuerst ihren eigenen liturgischen Reichtum weitergab, der zum großen Teil ein für die Heiden fremdes Erbe der jüdischen Offenbarung war.

2. Eine zweite Überlegung betrifft die Ehrfurcht vor Gott. Die Heilige Schrift ist voll mit Hinweisen auf die so genannte „Gottesfurcht“. Der Anfang der Weisheit ist die Furcht Gottes, heißt es da: initium sapientiae timor Domini. Die Furcht Gottes ist eine der sieben Gaben des Heiligen Geistes. Diese Furcht ist keine Angst. Denn es ist, wie der heilige Johannes sagt: „Die Liebe vertreibt jede Angst“. Aber die Gottesfurcht ist Respekt und kindliche Verehrung. Respekt und Ehrfurcht vor den Dingen Gottes, der immer viel größer ist als der Mensch. Er ist der Schöpfer, wir sind Teil seiner Schöpfung. Die intime Nähe zu Gott hebt den Respekt vor ihm nicht auf. Die Würde unserer Haltung in der Liturgie, die Bereitstellung der liturgischen Geräte, das Verhalten innerhalb des Tempels Gottes sind ein Ausdruck dessen, dass wir über Gott nicht zu verfügen haben. Das Zitat aus dem Buch der Weisheit, das Sie vorhin gehört haben, zeigt an, dass die Äußerungen Gottes wie ein scharfes Schwert sind. Es ist das gleiche Bild, das der Brief an die Hebräer benutzt, wo es heißt: „Denn lebendig ist das Wort Gottes, kraftvoll und schärfer als jedes zweischneidige Schwert; es dringt durch bis zur Scheidung von Seele und Geist, von Gelenk und Mark; es richtet über die Regungen und Gedanken des Herzens“. – Wenn es keine Ehrfurcht vor Gott gibt, können wir auch sein heilendes Wort nicht ernst nehmen, das uns in Frage stellt und erleuchtet.

Die Stille ist ein inneres Klima, eine innere Haltung, die innere Bereitschaft, die all das erlaubt, was das Wort der Kirche fruchtbar werden lässt. An eine Kirche, die es wagt zu verarmen, weil sie sich ganz allein dem menschlichen Urteil anheim stellt, erlaube ich mir in aller Bescheidenheit auf die Straße der Stille hinzuweisen, weil jeder Gläubige, aber auch jede feiernde Gemeinschaft sich der Initiative Gottes hin öffnen soll und der Gnade, die von Ihm allein herkommt.

Zusammenfassend möchte ich danach Ihrer Aufmerksamkeit das außerordentliche Buch A.M. Triaccas mit dem Titel „Heiliger Geist und Liturgie“ empfehlen, wo es an einer Stelle heißt: „Die Stille in der Liturgie ist keine Zeremonie. Es ist vor allem ein Aussetzen jeder Geste, von jedem Wort und jeder Handlung. Es ist keine Pause der Feier, vielmehr ein Eintreten in das Herz der Liturgie. Es ist kein toter Punkt, es ist ein Höhepunkt, der auf den Heiligen Geist hinweist: auf seine Gegenwart, sein Wirken, das uns zur Betrachtung führt. (…) Die liturgische Stille ist ein Ruf, in dem wir uns dem Handeln des Geistes zur Verfügung stellen. Er spricht in der Stille. Um ihn zu hören, braucht es die Stille.“

Ich danke Ihnen, weil jeder an seinem Ort sich diesem Raum der Stille öffnen und ihm etwas hinzufügen kann.

(Aus dem Italienischen von Paul Badde)

(© CNA Deutsch)

Kardinal Sarah besucht Papst Benedikt

Der afrikanische Kurienkardinal Robert Sarah hat am Dienstag den emeritierten Papst Benedikt XVI. besucht. Der mit dem Kardinal befreundete Journalist Nicolas Diat dokumentierte die Begegnung im Vatikan-Kloster Mater Ecclesiae, Benedikts Residenz, auf seiner Facebook-Seite mit zwei Fotos. Kardinal Sarah leitet seit 2014 die vatikanische Liturgie-Kongregation. Benedikt hatte den Afrikaner 2010 zum Präsidenten des Päpstlichen Rates „Cor Unum“ gemacht und in den Kardinalstand erhoben. Sarah hat mehrere erfolgreiche Bücher veröffentlicht, darunter zuletzt „Die Kraft der Stille“. Darin kritisiert der Kardinal unter anderem eine Liturgie, die zu geschwätzig und zu gefühlsorientiert ist. Auch Papst Benedikt war eine würdig gefeierte Liturgie stets ein großes Anliegen. (rv)

Kardinal Sarah: „Wenden wir uns gemeinsam dem kommenden Herrn zu“

Kardinal SarahPARIS – Kardinal Robert Sarah, Präfekt der Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung, hat zu einem großen Nachdenken über die Eucharistie aufgerufen. Und er lädt Priester und Gläubige ein, sich nach Osten, zu Christus hin zu wenden. CNA dokumentiert das vollständige, von Aymeric Pourbaix geführte, Interview in „Famille chrétienne“ mit freundlicher Genehmigung des Kardinals und der französischen Kollegen. Das Original-Interview erschien in „Famille chrétienne“ Nr. 2002 des 28.05.2016.

Vor einigen Wochen haben Sie den Wunsch geäußert, das „Sakrament der Sakramente“, also die Eucharistie, „wieder im Zentrum“ zu sehen. Was ist der Grund dafür?

Ich möchte eine große Reflektion über diese Frage veranlassen, um die Eucharistie wieder in die Mitte unseres Lebens zu bringen. Ich stelle fest, dass viele unserer Liturgien den Charakter von Theatervorstellungen haben. Oft zelebriert der Priester nicht mehr die Liebe Christi durch sein Opfer, sondern eine Begegnung unter Freunden, ein Gemeinschaftsmahl, einen Moment brüderlichen Beisammenseins. Durch das Bemühen, kreative oder festliche Liturgien zu erfinden, entsteht für uns die Gefahr eines zu menschlichen Kultes, der auf der Höhe unserer Wünsche und der aktuellen Moden ist. Schritt für Schritt entfernen sich die Gläubigen von dem Geheimnis, das uns das LEBEN gibt. Für die Christen ist die Eucharistie eine Frage von Leben und Tod!

Wie kann Gott wieder ins Zentrum gerückt werden?

Die Liturgie ist die Tür zu unserer Vereinigung mit Gott. Wenn die eucharistischen Zelebrationen sich in menschliche Selbstzelebration transformieren, ist eine immense Gefahr im Verzug, denn Gott verschwindet. Wir müssen damit beginnen, Gott wieder in die Mitte der Liturgie zu rücken. Wenn ihr Zentrum der Mensch ist, dann wird die Kirche eine rein menschliche Gemeinschaft, eine schlichte NGO, wie es Papst Franziskus gesagt hat. Wenn umgekehrt Gott im Herzen der Liturgie ist, dann findet die Kirche wieder ihre Lebenskraft und ihren inneren Schwung. „In unserem Verhältnis zur Liturgie entscheidet sich das Schicksal der Kirche und des Glaubens“, schrieb in prophetischer Weise Kardinal Ratzinger.

Welches Heilmittel empfehlen Sie?

Die Wiederanerkennung der Liturgie als Werk Gottes setzt eine wahre Herzensbekehrung voraus. Das Zweite Vatikanische Konzil betonte einen Hauptpunkt: In diesem Bereich ist das Wichtige nicht das, was wir tun, sondern das, was Gott tut. Kein menschliches Tun kann jemals verwirklichen, was sich im Herzen der Messe befindet: das Opfer des Kreuzes.

Die Liturgie erlaubt uns, das Eingeschlossensein in den Mauern dieser Welt zu überwinden. Um die Sakralität und die Schönheit der Liturgie wiederzufinden, braucht es eine Arbeit an der Ausbildung der Laien, der Priester und der Bischöfe. Es handelt sich um eine innere Umkehr.

Um Gott wieder ins Zentrum der Liturgie zu rücken, braucht es auch die Stille: die Fähigkeit des Schweigens, um Gott und sein Wort zu hören. Ich bekräftige, dass wir Gott nur in der Stille und in der Betrachtung seines Wortes in den Tiefen unseres Herzens begegnen können.

Wie soll das konkret geschehen?

Bekehrung heißt sich Gott zuzuwenden. Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass unser Leib an dieser Bekehrung Anteil haben muss. Das beste Mittel ist sicherlich, als Priester und Gläubige in gemeinsamer Gebetsrichtung zum kommenden Herrn hin zu zelebrieren. Dabei handelt es sich nicht, wie man manchmal hören kann, darum, mit dem Rücken oder mit dem Gesicht zum Volk hin zu zelebrieren. Das Problem liegt nicht dort. Es geht darum, sich gemeinsam zur Apsis zu wenden, die den Osten symbolisiert, wo das Kreuz des auferstandenen Herrn thront.

Durch diese Weise der Zelebration erfahren wir bis in den Leib hinein den Primat Gottes und der Anbetung. Wir begreifen, dass die Liturgie unsere Teilnahme am vollkommenen Opfer des Kreuzes ist. Ich habe persönlich diese Erfahrung gemacht: so zelebrierend wird die Gemeinde mit dem Priester als ihrem Haupt voran im Augenblick der Elevation wie angehaucht vom Mysterium des Kreuzes.

Aber ist denn diese Form erlaubt?

Sie ist legitim und entspricht dem Buchstaben und dem Geist des Konzils. Als Präfekt der Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung habe ich in Erinnerung zu rufen, dass die Zelebration versus orientem von den Rubriken des Meßbuches autorisiert ist, welche die Momente festlegen, wo der Zelebrant sich zum Volk hinzuwenden hat. Um zum Herrn hin zu zelebrieren, braucht es also keine besondere Erlaubnis. In diesem Sinne habe ich in einem Kommentar, der im Juni 2015 im „Osservatore Romano“ publiziert wurde, vorgeschlagen, dass die Priester und die Gläubigen sich wenigstens während des Bußritus‘, des Glorias, der Orationen und des eucharistischen Hochgebetes nach Osten wenden.

Im Bewußtsein vieler ist die Umwendung der Altäre mit dem Zweiten Vatikanum verbunden? Ist das wahr?

Mehr als 50 Jahre nach Beendigung des Zweiten Vatikanischen Konzils wird es dringend, dass wir seine Texte lesen! Das Konzil hat niemals verlangt, zum Volk hin zu zelebrieren. Diese Frage wird durch die Konstitution Sacrosanctum Concilium nicht einmal behandelt… Vielmehr wollten die Konzilsväter die Notwendigkeit für alle betonen, in die Teilnahme am gefeierten Mysterium einzutreten. In den auf das Zweite Vatikanum folgenden Jahren hat die Kirche nach Mitteln gesucht, diese Intuition ins Werk zu setzen.

So ist die Zelebration dem Volk gegenüber eine Möglichkeit, aber keine Verpflichtung geworden. Die Liturgie des Wortes rechtfertigt ein Gegenüber zwischen Lektor und Hörern, den Dialog und die Pädagogie zwischen dem Priester und seiner Gemeinde. Aber von dem Moment an, wo man sich an Gott wendet – vom Offertorium an -, ist es wesentlich, dass der Priester und die Gläubigen sich gemeinsam nach Osten wenden. Das entspricht ganz und gar dem, was die Konzilsväter wollten.

Ich halte es für notwendig, dass man zu den Texten des Konzils zurückkehrt. Einige Anpassungen an die lokale Kultur sind wahrscheinlich nicht ausgereift genug gewesen. Ich denke an die Übersetzung des Römischen Meßbuches. In einigen Ländern wurden wesentliche Elemente ausgelassen, vor allem im Moment des Offertoriums. Im Französischen wurde die Übersetzung des Orate fratres verstümmelt. Der Priester müßte sagen: „Betet, Brüder, dass mein Opfer, das auch euer Opfer ist, Gott dem allmächtigen Vater wohlgefällig sei.“ Und die Gläubigen hätten zu antworten: „Der Herr nehme das Opfer an aus deinen Händen zum Lob und zur Verherrlichung Seines Namens, für unser Wohl und das der ganzen heiligen Kirche.“ [Anm. des Übers.: Diese Passage ist im deutschen Meßbuch korrekt übersetzt, allerdings sind hier alternative Gebetseinladungen eingefügt worden, welche den Opfercharakter nicht zum Ausdruck bringen, so daß viele Gläubige das genannte Gebet gar nicht mehr kennen.] Bei der Audienz, die mir am Samstag, dem 2. April, gewährt wurde, hat der Papst bestätigt, dass die neuen Übersetzungen des Römischen Meßbuchs den lateinischen Text unbedingt respektieren müssen.

Was bedeutet für Sie die Teilnahme der Gläubigen?

Die Teilnahme der Gläubigen ist äußerst wichtig. Sie besteht vor allem darin, sich von Christus in das Mysterium seines Todes und seiner Auferstehung hineinziehen zu lassen. „Man geht nicht zur Messe, um einer Vorstellung beizuwohnen. Man geht dorthin, um am Mysterium Gottes teilzunehmen“, hat Papst Franziskus erst kürzlich in Erinnerung gerufen. Die Orientierung der versammelten Gemeinde zum Herrn hin ist ein einfaches und konkretes Mittel zur Förderung der wahren Teilnahme aller an der Liturgie.

Die Teilnahme der Gläubigen könnte somit nicht verstanden werden als die Notwendigkeit, „irgend etwas“ zu tun. In diesem Punkt haben wir die Lehre des Konzils entstellt. Im Gegenteil handelt es sich darum, Christus uns ergreifen zu lassen und uns mit seinem Opfer zu verbinden. Nur ein vom kontemplativen Glauben durchtränktes Schauen wird uns davor bewahren, die Liturgie zu einer Aufführung zu machen, wo jeder seine Rolle zu spielen hätte. Die Eucharistie läßt uns eintreten in das Gebet Jesu und in sein Opfer, denn Er allein kann im Geist und in der Wahrheit anbeten.

Welche Bedeutung misst die Kirche dieser Frage nach der Orientierung zu?

Zuerst sei gesagt, dass wir nicht die Einzigen sind, die eine Orientierung beim Gebet kennen. Der jüdische Tempel und die Synagogen waren immer geostet. Durch die Wiederentdeckung dieser Ostung können wir zu unseren Ursprüngen zurückkehren. Ich stelle auch fest, dass Nicht-Christen, die Muslime insbesondere, beim Gebet orientiert sind [Anm. d. Übers.: Das heisst, dass sie in einer bestimmten geographischen Richtung beten].

Für uns ist Jesus Christus das Licht. Jede Kirche ist zu Christus hin orientiert. Ad Dominum. Eine Kirche des in sich verschlossenen Kreises hätte ihre Daseinsberechtigung verloren. Um sie selbst zu sein, muß die Kirche im Angesicht des Herrn leben. Unser Bezugspunkt, das ist der Herr! Wir wissen, dass Er unter uns gelebt hat und dass Er auf dem östlich von Jerusalem gelegenen Ölberg zum Vater heimgekehrt ist. Und dass er auf dieselbe Weise wiederkehren wird. Zum Herrn hin ausgerichtet zu bleiben, heißt Ihn täglich zu erwarten. Der Herr soll sich nicht fortwährend beklagen müssen: „Sie kehren mir den Rücken zu und nicht das Gesicht!“ (Jer 2, 27).

Drückt sich darin eine eschatologische Dimension aus, eine Weise, sich der Zukunft zuzuwenden?

Die Eucharistie ist eine Vorwegnahme der endzeitlichen Wiederkunft Christi auf diese Erde. Sie antizipiert, was wir sein werden, sie richtet uns auf das Kommende hin aus, wenn Gott alles in allem sein wird. Und doch ist Christus, wenn der Priester spricht: „Das ist mein Leib“, schon hier! Somit antizipieren wir diese Kommunion, die wir im Himmel leben werden. Die irdische Liturgie bereitet die himmlische Liturgie vor, wo uns geschenkt werden wird, Gott ohne Hülle zu betrachten, von Angesicht zu Angesicht.

Ich denke, das Wichtige ist nicht, den Priester zu sehen, sondern einen gemeinsamen Blick auf den Herrn zu werfen. Hier geht es nicht mehr um Dialog, sondern um gemeinsame Anbetung, um unseren Weg auf den hin, der am Kommen ist. Wie Joseph Ratzinger betont hat, ist ein geschlossener Kreis nicht geeignet, der gemeinsamen Bewegung Ausdruck zu geben, die sich in derselben Gebetsrichtung ausdrückt. Unglücklicherweise ist die Position des Priesters zur Versammlung hin mancherorts die Ursache dafür, dass die betende Gemeinde sich in sich selbst verschließt. Sie ist nicht mehr geöffnet, weder zur kommenden Welt hin noch zum Himmel. Es wäre verheerend, wenn der Priester das Zentrum würde, der Hauptprotagonist der eucharistischen Zelebration.

Welchen Sinn hat es, sich nach Osten zu wenden, wenn man überall im Geist und in der Wahrheit anbeten kann.

Natürlich können wir überall beten. Aber wir sind keine reinen Geister. Wir haben einen Leib. In der Liturgie kommt uns Christus mit seinem Leib entgegen. Wir richten uns nicht auf eine Idee aus, auf etwas Abstraktes, sondern zu einer Person hin, die inkarniert und sichtbar ist, unter uns bleibend. Am Kreuz offenbart Jesus das Angesicht Gottes. Meine Pflicht als Priester ist es, jeden Christen einzuladen, sich von den irdischen Götzen abzuwenden, um sich von Christus anschauen zu lassen. Heben wir die Augen hinauf zum Kreuz!

Das Konzil erinnert daran, dass Christus gegenwärtig ist in seinem Wort, in der Person des Priesters und in der betenden Versammlung. Um diese Gegenwart wahrzunehmen, ist es wichtig, ins Mysterium Gottes einzutreten; es gilt, sich vom Mysterium tragen zu lassen und im Mysterium zu sein.

Einige Kirchen sind aus praktischen, baulichen Gründen nicht nach Osten hin ausgerichtet – das ist der Fall in St. Peter in Rom. In diesen konkreten Fällen drängte Benedikt XVI. darauf, dass in der Mitte des Altars ein Kreuz aufgestellt würde, damit alle, Priester und Gläubige, den Blick auf das Kreuz hin ausrichten und nicht auf das Gesicht des Priesters. Es ist wünschenswert, dass überall da, wo es möglich ist, eine Darstellung des gekreuzigten und auferstandenen Herrn in der Apsis thront als „geistlicher Osten“, der unseren Liturgien und Kirchen eine Sinnrichtung gibt, als Zielpunkt, zu dem hin alle sich ausrichten.

Befürchten Sie nicht, dass dies als ein Rückschritt aufgefaßt wird?

Die Tatsache, sich der Wahrheit zuzuwenden, ist kein Rückschritt… Ich glaube, man muß feinfühlig und pädagogisch vorgehen, aber ich denke, es kann nicht schaden, einmal Bilanz zu ziehen: hat unsere Art und Weise der Zelebration den Glauben an die Eucharistie, an die Realpräsenz Gottes wachsen lassen? Hat sie die Christen in ihrer Gottesliebe voranschreiten und kirchenferne Menschen wieder zurückkehren lassen? Ich glaube, dass die Liturgie in Gefahr ist. Der Mensch versucht, den Platz Gottes einzunehmen. Die Liturgie riskiert, ein rein menschliches Spiel zu werden.

Warum nicht zur Intuition des Konzils zurückkehren: Gott wieder seinen Vorrang geben? Dies scheint mir um so wichtiger, als gerade viele junge Menschen eine größere Ehrfurcht vor dem Heiligen fordern; sie wollen den Sinn der Liturgie wiederentdecken.

Welche Früchte wären von der Umwendung des Altares [Anm. d. Übers.: Hier ist gemeint, dass der Priester vor dem Altar so betet, dass er zum Altar und nach Osten bzw. zur Apsis hin schaut] zu erwarten?

Der Papst hat betont, dass wir im Westen den Sinn für die Anbetung verloren haben, weil Gott in unseren Liturgien nicht im Zentrum steht. Dem gegenüber liegt in der Liturgie des Ostens die Herrlichkeit Gottes im Herzen jeder Geste. Die Zentralität Gottes ist eine wesentliche Bedingung, wenn wir den Geschmack an der Anbetung wiederfinden wollen. Ich bin zuinnerst davon überzeugt, dass die Liturgie eine mystische Realität ist. Derjenige, der Gott von Angesicht gegenübertritt, erfährt eine wirkliche und tiefe Änderung in sich selbst. Wenn Mose mit Gott spricht, von Angesicht zu Angesicht, wird er von einem göttlichen Schein geprägt: die Haut seines Gesichtes strahlt Licht aus. Wenn wir Gott feiern und Ihn so feiern, dass wir Ihm gegenübertreten, dann wird dieses Leuchten da sein. Sein Glanz wird uns durchdringen, denn die Kirche ist wie der Mond. Sie besitzt das Licht, wenn sie die Strahlen von der Sonne empfängt. Es geht um unsere Fähigkeit, das Licht Christi zu den Menschen zu bringen. Ohne den Geist der Anbetung gibt es keine Evangelisierung, sondern nur eine leere, weltliche Geschäftigkeit.

Natürlich ist das Licht Christi nicht einfach äußerlich. Dieses Leuchten muß unser Bewußtsein und unsere Seele durchdringen, damit es eine innerliche Veränderung bewirkt. Wenn wir nicht Mystiker und Heilige werden, wie könnte die Kirche dann leben?

Ist dies ein Thema, das besonders die Priester betrifft?

Viele Priester leiden darunter, nicht mehr zu wissen, was ihr tiefes Wesen ausmacht! So viele von ihnen verlieren die Ausdauer und die Begeisterung, denn sie haben weder ein innerliches Leben noch Bande der Freundschaft zu Jesus. Sie sichern aufrichtig ihre Funktion ab, jedoch ohne Verbindung zu Gott. Durch das Anschauen des Volkes und das Sprechen zu ihm läuft der Priester Gefahr, sich selbst als das Zentrum der Aufmerksamkeit zu empfinden. Gemeinsam mit dem Volk zum Herrn hingewandt zu sein, würde ihm erlauben, seine Identität wiederzuentdecken, welche darin besteht, das Volk zu Gott hin zu führen und selbst hinter Christus zu verschwinden; die Priester müssen transparent werden, um sein Licht durchscheinen zu lassen. Wir müssen wie die Hostie werden, uns „transsubstantiieren“ lassen und Ebenbilder Christi sein. Denn der Priester ist der, der sich vor Gott aufhält, der die Welt zu Ihm hin orientiert. Er ist ein Vermittler, ein Werkzeug in Seinen Händen und nicht der Hauptprotagonist der Liturgie. Ich denke auch, dass die Zelebration zu Gott hin die Bedeutung des Gebetes vor dem Tabernakel wiederentdecken lassen wird.

Was die Gläubigen betrifft, so sind sie nicht gekommen, um mit dem Priester zu sprechen, sondern mit Gott. Durch den Priester lassen sie die Opfergabe ihres Lebens, ihrer Leiden und ihrer Freuden zu Gott hin aufsteigen.

Worin besteht die Wichtigkeit der liturgischen Erneuerung für die ganze Kirche?

Wir sind dem Konzil nicht treu gewesen, denn wir haben nicht konkret die Messe zur Quelle und zum Gipfel unseres Lebens gemacht, zum Herrn hin gewendet! Über die Woche sind die Laien durch ihre Aktivitäten in Beschlag genommen. Wenn man ihnen nicht die Möglichkeit gibt, Gott während der Messe zu begegnen, gehen sie nach Hause und finden ihre Probleme wieder vor: nichts hat sich grundlegend geändert. Schlimmer noch, sie kehren in eine grausame Welt zurück, die unbarmherzig ist und ohne Gott, eine Welt, die sie schwächt und sie mit bloß materieller Nahrung überfüttert zum Schaden der spirituellen Dimension.

Der Glaube der Kirche wird zunehmen, wenn wir die sakrale Dimension der Eucharistie wachsen lassen. Um dies zu tun, entfernen wir alles, was schadet: namentlich während der großen Zeremonien oder in den touristischen Kirchen die Fotografen, die den Eindruck vermitteln, es handele sich um Bühnenballett. Dann werden wir den Sinn der Kirche und den des Menschen wiederentdecken. Ich bin überzeugt, dass die ganze Krise, die die Kirche erfährt – die Krise der religiösen Praxis, die doktrinäre Krise, die moralische und die spirituelle – daher kommt, dass die Gegenwart Gottes in der Eucharistie nicht wahrgenommen, das heißt in der Praxis negiert wird. Wenden wir uns Ihm zu!

Gibt es eine liturgische Erziehung für die jungen Menschen?

Ich werde niemals das Vorbild der Missionare in meinem Heimatdorf vergessen. Die jungen Menschen brauchen wirklich geistliche Priester als Vorbilder. Johannes Paul II. erklärte, ausgehend von seiner eigenen Erfahrung des Ostens: „Die Zukunft der Kirche und der Mission hängt von den Kontemplativen ab.“ Ich glaube, dass die Liturgie eine mystische Schule werden muß, ein Weg, um das Mysterium Gottes wiederzuentdecken. Als Afrikaner möchte ich der Jugend unsere freudige Ehrfurcht vor dem Heiligen überliefern, unsere Begeisterung, vor dem Angesicht Gottes zu stehen.

Es reicht nicht, intellektuell oder theologisch begründete liturgische Reformen durchzuführen; es ist notwendig, dass Heilige uns helfen, in das Mysterium einzutreten, das wir feiern. Schauen Sie, wie der Pfarrer von Ars oder Pater Pio die Heilige Messe zelebrierten. „Ich sah ihn mehrere Male Tränen vergießen, während er das heilige Opfer der Messe feierte“, sagte jemand über den Pfarrer von Ars, „zeitweise war er so sehr bewegt, dass die Gläubigen es wahrnehmen konnten. Ein solches Feuer brannte in seinem Blick.“

Das Gespräch wurde aufgezeichnet von Aymeric Pourbaix. Publiziert bei CNA mit freundlicher Genehmigung von Kardinal Sarah und Famille chrétienne, NR 2002 des 28.05.2016. (CNA Deutsch)

Kardinal Sarah: Aufruf zum Widerstand gegen die ideologische Kolonialisierung

Kardinal SarahWASHINGTON, D.C. – Katholiken müssen gegen die Verbannung Gottes aus der Gesellschaft kämpfen und Widerstand leisten gegen die „ideologische Kolonialisierung“: Dazu hat Kardinal Robert Sarah aufgerufen. Christen würden so der Kirche helfen, gegen die weltweite Bedrohung der Familie und der Religionsfreiheit zu bestehen.

Kardinal Sarah ist Präfekt der Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung. Er sprach als Hauptredner des National Catholic Prayer Breakfast.

Die Verfolgung von Religion sei am Sichtbarsten in der Bedrohung der Familie durch die „dämonische Gender-Ideologie“, warnte der Kurienkardinal. Er bezeichnete die – von Papst und Kirche mehrfach verurteilte – Gender-Ideologie als „tödlichen Impuls in einer Welt, die zunehmend abgeschnitten ist von Gott durch ideologische Kolonialisierung.“

Vor der Rede von Kardinal Sarah sprachen auch der Sprecher des US-Repräsentantenhauses, Paul Ryan, und Schwester Constance Veit vom Orden der Kleinen Schwestern der Armen.

Globalisierte Gleichgültigkeit

Der aus Guinea in Afrika stammende Kurienkardinal sagte, dass ein überzogener Individualismus und die Absicht, die Welt in ein „utopisches Paradies“ ohne Gott zu verwandeln, Gesellschaften umkremple. Sarah wörtlich: „Schnelle gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklungen der letzten 50 Jahre wurden nicht begleitet von einem genauso leidenschaftlichen geistlichen Fortschritt. Wir sind Zeugen dessen, was Papst Franziskus die ‚globalisierte Gleichgültigkeit‘ nennt.“

Die Gleichgültigkeit Menschen gegenüber sei daran zu sehen, wie „wir die Augen und Herzen den Armen und Verwundbaren gegenüber schließen, auf eine sehr abscheuliche Art, und wie wir die Ungeborenen und die Alten wegwerfen.“

Die größten Herausforderungen seien jedoch die der Familien. Mit einem Zitat von Papst Franziskus erinnerte Kardinal Sarah die Zuhörer daran: Weniger vorzuschlagen, als was die Kirche über die Ehe lehrt bedeute, weniger vorzuschlagen als was Christus dem Menschen anbiete.

„Das ist der Grund, warum der Heilige Vater offen und energisch die Lehre der Kirche verteidigt, über Verhütung, Abtreibung, Homosexualität, Reproduktionstechnologien, Kindeserziehung und noch viel mehr.“ Diese und andere Verwundungen der Familie, unterstrich Kardinal Sarah, können die Familie von einem Ort des menschlichen Erblühens in einen „Ort an dem Personen menschlich und geistlich verwundet werden können“ verwandeln.

Der Schutz der Familie sei auch verknüpft mit dem Schutz der Religionsfreiheit, sagte Kardinal Sarah und appellierte an die Amerikaner, ihre Geschichte der Religionsfreiheit zu schützen. In einer Zeit, in der viele Christen auf der ganzen Welt unter Gewalt und Verfolgung durch Regierungen und Gruppen wie den Islamischen Staat litten, sei „Gewalt nicht nur physisch, sondern auch politisch, ideologisch und kulturell“, sagte der Kardinal.

„Diese Form der Religionsverfolgung ist genauso schädlich, aber versteckter. Sie zerstört nicht physisch, sondern spirituell, geistlich. Die ‚Gewalt‘ kulturellen und ideologischen Drucks versucht, den Christen von seinem oder ihrem Gewissen zu trennen und in der Gesellschaft aufzulösen.“

Die Lehre der Kirche über Ehe, Sexualität und Familie seien extrem unter Druck, sagte Kardinal Sarah.

„Im Namen der ‚Toleranz‘ wird die Lehre der Kirche über Ehe, Sexualität und die menschliche Person demontiert“, sagte er mit Verweis auf drei Beispielen, die auch in den USA aktuell sind: Die Legalisierung homosexueller „Ehe“, Verhütung als gesundheitspolitische, zwangsfinanzierte Maßnahme, und dass Zugang zu öffentlichen Toiletten nach Selbst-Identifizierung des Geschlechts geregelt wird.

Prophetisch, glaubenstreu und stark im Gebet

Angesichts solcher Gefährdung der freien Ausübung von Religion und Gewissen rief Kardinal Sarah Katholiken auf, prophetisch, treu und gebetsstark zu sein.

1. Prophetisch zu sein bedeute, wachsam zu sein und erkennen, wie Gott „in Eurem, bei Euch daheim, an Eurem Arbeitsplatz untergraben, ausgeblendet, abgeschafft wird“, sagte er.

2. Glaubenstreue bedeute, dass Katholiken mutig für die Wahrheit aufstehen müssten.

3. Und Gebet, sagte der Kirchenmann, sei notwendig um Gottes Willen zu erkennen und sich nicht entmutigen zu lassen.

„Deshalb bin ich zu diesem Gebetsfrühstück gekommen. Um Euch zu ermutigen: Seid prophetisch, seid gläubig, und vor allem: betet“, sagte Sarah seinen Zuhörern.

„Diese drei Vorschläge machen klar: Der Kampf um die Seele Amerikas, und um die Seele der Welt, ist vorrangig ein geistlicher. Sie zeigen, dass der Kampf erst einmal durch unsere eigene tägliche Bekehrung zu Gottes Wille ist.“

Er hoffe, dass die Antwort auf die geistlichen Probleme der Vereinigten Staaten zu einem „geistlichen Erwachen“ führe, und vermeiden helfen, dass diese Probleme sich überall auf der ganzen Welt ausbreiten, besonders jene, welche menschliches Leben betreffen, die Familie und die Religionsfreiheit.

„Letzten Endes gilt: Gott oder Nichts“, schloss Kardinal Sarah. (CNA Deutsch)

Gruppe von Kardinal Sarah fordert „Intervention des Lehramts“

Kardinal SarahUnter den Berichten der drei französischen Sprachgruppen kann vor allem die „Gruppe B auf Interesse zählen: Immerhin spiegelt sie die Debatten in dem von Kurienkardinal Robert Sarah geleiteten Kreis. Diese „Gruppe B“ nennt nun das Grundlagendokument (Instrumentum Laboris) zu „negativ“ und aus „sehr europäischer“ Perspektive geschrieben; man müsse viel mehr darauf bestehen, dass Familien „ein Segen“ seien. „Nicht alles läuft schlecht in der Familie von heute, sie bleibt eine Schule der Menschlichkeit.“ Das Herausstreichen der „Würde der Frau“ sei schön und gut, doch drohe dabei „die Berufung und Mission des Mannes in der Familie manchmal überschattet oder vergessen zu werden“. Die Gender-Theorie wird von der „Relatio B“ – wie auch von einer weiteren französischen – als „ideologisch“ verworfen, „vor allem wenn sie durch bestimmte internationale Organisationen verbreitet oder sogar aufgezwungen wird“. Außerdem ruft die von Kardinal Sarah geleitete Gruppe nach einer „Intervention des Lehramts“: Damit solle dem Nebeneinander von Texten „mehr Kohärenz“ und, vor allem, „mehr Einfachheit im Ausdruck“ gegeben werden.

Der französische Sprachkreis A, geleitet von Kardinal Gérald Lacroix, drückt „eine gewisse Unruhe“ darüber aus, ob sich von der lebhaften Diskussion und den dabei gewonnenen Erkenntnissen genug im Synoden-Schlußdokument wiederfinden wird. Sprachkreis C unter Leitung von Bischof Maurice Piat betont, die Synodenväter seien „keine Psychologen oder Soziologen“, sondern müssten in erster Linie „als Männer des Glaubens“ und als Seelsorger sprechen. Das Schlußdokument solle „verhindern, dass irgendjemand sich von unserer Sorge ausgeschlossen fühlt“: „Erinnern wir uns daran, dass schon in der Bibel Familien oft dysfunktional sind!“ (rv)

Ghana: Afrikas Bischöfe bereiten sich auf Synode vor

Kardinal SarahBischöfe aus ganz Afrika haben in den letzten Tagen in Accra über die bevorstehende vatikanische Bischofssynode beraten. Das Treffen, das an diesem Donnerstag zu Ende geht, wurde vom afrikanischen Bischofsrat Secam organisiert; fünf Kardinäle und 45 Bischöfe, die alle am synodalen Weg zur Neuordnung der Ehe- und Familienpastoral beteiligt sind, nahmen teil. Kurienkardinal Robert Sarah, der die Liturgiekongregation leitet, rief dazu auf, „die Heiligkeit der Ehe zu schützen, die derzeit von Ideologien angegriffen wird, und keine Angst zu haben, auf der Lehre der Kirche über die Ehe zu bestehen“.

Der Präsident der Bischofskonferenz von Ghana, Bischof Joseph Osei-Bonsu, bekräftigte, eine Ehe könne nur der Bund zwischen einem Mann und einer Frau sein. Die Afrikaner sollten sich nicht von Medien beeinflussen lassen, die die Heirat zwischen zwei Personen desselben Geschlechts propagierten. Secam-Präsident Erzbischof Gabriel Mbilingi kündigte an, Afrika werde „auf der bevorstehenden Synode mit einer Stimme sprechen“. (rv)

Neuer Präfekt der Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung

SarahPapst Franziskus hat einen neuen Präfekten für die Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung ernannt: Kardinal Robert Sarah, bislang Präsident des Päpstlichen Rates „Cor Unum“ wird das Amt fortan bekleiden, gab der Vatikan an diesem Montag bekannt. Kardinal Sarah folgt in der Funktion dem spanischen Kardinal Antonio Canizares Llovera nach, der im vergangenen August zum Erzbischof seiner Geburtsstadt Valencia ernannt worden war. Der aus Guinea stammende Kardinal Robert Sarah ist Theologe und Bibelwissenschaftler. Er war ab 2001 als Sekretär der Kongregation für die Evangelisierung der Völker tätig und ab 2010 schließlich als Präsident des Päpstlichen „Entwicklungshilfeministeriums“ Cor Unum. (rvr)

Vatikan/Venezuela: Kardinal Robert Sarah ist in Venezuela

ISarahn der Hauptstadt Caracas nimmt der Leiter des Päpstlichen Hilfswerks Cor Unum an einer Regionalkonferenz lateinamerikanischer Caritas-Verbände teil. Themen der Konferenz sind unter anderem „gleiche Chancen und Rechte für Mann und Frau" sowie ein Programm namens „Hunger Null". (rv)

Kard. Sarah: „Viele hoffen auf Eingreifen des Papstes in Syrien“

Eigentlich hatte der Papst eine Friedensdelegation nach Damaskus schicken wollen. Daraus wurde wegen der Kämpfe in der syrischen Hauptstadt nur eine Ein-Mann-Friedensmission in den Libanon. Aber Kardinal Robert Sarah, der Sondergesandte Benedikts XVI., stellte bei seinen Gesprächen mit Politikern in Beirut fest, dass viele Menschen angesichts des blutigen Konflikts in Syrien Hoffnungen in den Vatikan setzen.

„Die Behörden denken, dass der Heilige Stuhl doch die Möglichkeit studieren könnte, diesen Krieg zu stoppen", so Sarah im Gespräch mit Radio Vatikan. „Der Heilige Vater hat eine Stimme, die auf der internationalen Bühne von großer Autorität ist, und vielleicht würden seine Interventionen, seine Appelle an die Großmächte doch gehört, um den Krieg zu beenden – und zwar nicht mit Gewalt, sondern auf dem Verhandlungsweg. Die Mehrheit derer, mit denen ich in Beirut gesprochen habe, setzen auf ein Eingreifen des Papstes. Als Benedikt XVI. beschloss, eine Delegation nach Syrien zu schicken, hat das sein Engagement für einen Verhandlungsfrieden in Syrien gezeigt. Es geht dem Heiligen Vater um eine politische Lösung, mit allen streitenden Parteien um einen Verhandlungstisch versammelt. Also: Hoffnung darauf, dass die Kirche mehr tut für ein Ende dieses Krieges."

Denn die Kämpfe haben schon genug Elend über Unschuldige gebracht, so Sarah. Der Kardinal, der das Päpstliche Hilfswerk Cor Unum leitet, hat sich in der Nähe der Grenze nach Syrien auch mit Flüchtlingen getroffen und ist erschüttert von ihrem Leid.

„Diese vielen Menschen in den Lagern zu sehen, ohne Wasser oder Strom, ohne Hygiene und mit dem Winter, der schon vor der Tür steht, es wird ja schon kalt, es regnet – das war sehr bewegend. Eine muslimische Frau, die vollkommen verschleiert war, fing an zu weinen, als ich mit ihr sprach. Ich fragte sie: Warum weinst du?, und sie antwortete: Weil Sie mich wie einen Menschen behandeln. Ich fühle mich auf einmal wieder wie ein Mensch."

Nach seiner Rückkehr aus dem Libanon hat Kardinal Sarah aufmerksam die Berichte verfolgt, dass die syrische Opposition auf einer Konferenz in Doha, im Katar, eine neue, einheitliche Plattform gegründet hat.

„Wir hoffen, dass diese Vereinigung auf Seiten der Opposition vielleicht einen Schritt hin zu Verhandlungen bedeutet. Denn bisher wusste man nicht so genau, mit welchen Oppositionellen sich denn eigentlich verhandeln ließe, es gab zu viele verschiedene Gruppen und Fraktionen. Also, aus meiner Sicht ist das ein Schritt nach vorne – aber ich würde schon zögern, wenn ich sagen müsste, ob das jetzt wirklich ein rundum positiver Schritt ist. Immerhin: Wir haben jetzt eine neue Lage, die eventuell zu einer Suche nach Frieden beitragen könnte. Jetzt gibt es wenigstens identifizierbare Verantwortliche, mit denen man reden kann."

Der aus Guinea stammende Kardinal hofft, dass sich jetzt auch die syrische Regierung unter Baschir al-Assad bewegt.

„Sie haben ja gehört, dass der syrische Präsident gesagt hat, er wolle in Syrien sterben. Er ist, glaube ich, entschlossen, gegebenenfalls Verhandlungen aufzunehmen – aber auch nicht mit irgendjemandem. Wenn sich das Regime jedenfalls zu Verhandlungen entschließt, dann ist einiges möglich. Ich hoffe, dass auch die internationale Gemeinschaft in diesem Sinne ein bisschen helfen kann."

Direkte Kontakte zu syrischen Rebellen habe er während seines Besuchs im Libanon nicht gehabt, sagt Kardinal Sarah.

„Es war nicht mein Ziel, Kontakt zu Rebellen oder auch zur Regierung von Herrn Assad aufzunehmen. Ich glaube auch nicht, dass man viele Rebellen im Libanon treffen könnte – aber jedenfalls war das nicht mein Ziel, Politik zu machen. Selbst wenn es Möglichkeiten zu einer entsprechenden Kontaktaufnahme gegeben hätte: Das war nicht die Mission, die mir der Heilige Vater aufgetragen hatte!" (rv)