Vatikanische Sternwarte: Galaxien stehen im Zentrum der 14. Sommerakademie

Castel Gandolfo„Nahe und ferne, neue und alte Galaxien“: das ist das Thema der diesjährigen Sommerakademie der Vatikanischen Sternwarte, die am vergangenen Sonntag in Castel Gandolfo startete. 25 junge Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen aus 22 Ländern sind dafür zur „Specola Vaticana“ gereist. Von den Anlagen der Päpstlichen Villa aus, die hoch in den Albaner Bergen liegt, werden sie ihren Blick ins Universum richten. Der Jesuit José Gabriel Funes ist der Direktor der „Specola Vaticana“. Er geht am Mikrofon von Radio Vatikan den faszinierenden Bezügen von Mikro- und Makrokosmos nach:

„Das Universum besteht aus ungefähr 100 Milliarden Galaxien. Wenn wir die Zahl der Galaxien im Universum durch die der Weltbevölkerung teilen, bekommen wie in etwa die Zahl sieben Milliarden: nach dieser Rechnung kämen auf jeden von uns 14 Galaxien! Es gibt so viele Galaxien wie Neuronen in unserem Kopf! Es ist sehr wichtig, die Entstehung und Evolution von Galaxien zu verstehen. Die uns nahen Galaxien sind alte Galaxien, denn das Alter des Universums beträgt ungefähr 14 Milliarden Jahre. Die weiter entfernt liegenden Galaxien sehen wir dagegen so, wie sie als junge Galaxien aussahen. Dieses Thema ist sehr interessant für die Astronomen.“

Der Handschlag von Wissenschaft und Glauben ist für die katholische Kirche schon lange selbstverständlich: Wissenschaft lässt uns durch die Schöpfung die Größe und Liebe Gottes und seine tiefe Beziehung zu jeder Kreatur verstehen, betonte Papst Franziskus am 21. Mai bei der Generalaudienz. Der Glaube habe keine Angst vor der Wissenschaft und ihren Entdeckungen, hatte der Papst in seinem Apostolischen Schreiben „Evangelii gaudium“ betont. Unter den diesjährigen Teilnehmern der Sommerakademie sind auch zwei Seminaristen, rund die Hälfte der Stipendiaten sind Frauen. Jesuit Funes:

„Wir glauben an die jungen Leute und wollen ihnen neue Möglichkeiten geben: Wir vergeben an die Nachwuchswissenschaftler aus aller Welt Stipendien, damit sie hierher kommen und sich mit Experten in diesem Bereich austauschen können. Das öffnet ihnen viele Türen, die wichtig sind für ihre Karriere als Wissenschaftler, aber auch für die Länder, aus denen sie kommen. Das ist eine internationale Gruppe, und während der vier Wochen Akademie entsteht eine internationale, interreligiöse, interkulturelle Gemeinschaft. Diese Erfahrung ist für uns und die Studenten und Professoren, die anreisen, sehr fruchtbar, auch in menschlicher Hinsicht; hier entstehen oft langjährige Freundschaften.“

Die Sommerakademie der Päpstlichen Sternwarte findet seit 1986 statt. Der Workshop wird auch in diesem Jahr wieder von renommierten Wissenschaftlern geleitet, darunter Professor John Stokes vom Zentrum für Astrophysik und Astronomie im US-amerikanischen Colorado und der New Yorker Professorin Jaqueline van Gorkom von der Columbia University. (rv)

Wenn Forschung und Glaube aufeinandertreffen: Astronomen in Castel Gandolfo

CastelgandolfoWer kennt es nicht? Castel Gandolfo, bekannt für die hier gelegene Residenz des Papstes, in die er sich alljährlich im Sommer zurück zieht. Aber es ist nicht nur der Papst, den es immer wieder in die Albaner Berge zieht. Denn zu seiner Anlage gehört auch die Vatikanische Sternwarte, in der ein ausgewähltes Team von Astronomen das Universum erforscht. Zuletzt kamen rund 25 Wissenschaftler aus der ganzen Welt in die Sternwarte des Papstes, um sich ausschließlich mit dem Sternbild Cygnus zu befassen. Eine solche Herangehensweise war für die teilnehmende Astrophysikerin Nikola Schneider neu:

„Um Sternentstehung zu verstehen, ist es eine neue Art, dass man sich nur auf eine Region konzentriert und diese versucht, ganz zu verstehen – und dadurch dann extrapoliert auf die gesamte Milchstraße und auf die gesamte Art und Weise, wie Sterne entstehen. Wir wissen, dass sich Sterne aus Molekülwolken bilden, die überall am Himmel verteilt sind und sich dadurch Sterne formen. Aber man weiß nicht genau, wie das funktioniert."

Für weitere Erkenntnisse in der Sternentstehung kam auch Hans Sennecker in die Vatikanische Sternwarte – und zwar aus Kalifornien, womit er unter den Teilnehmern den längsten Anfahrtsweg hatte.

„Wir wissen erst seit vielleicht 50 Jahren, dass Sterne überhaupt entstehen. Das heißt also, wir leben in einer besonderen Zeit, weil wir lange Zeit keine Ahnung hatten, was da eigentlich abläuft. Aber jetzt, mit den modernen Beobachtungstechniken können wir Dinge verstehen, an die wir nicht im Traum gedacht haben."

Die beiden Astronomen sind sich einig: Für sie ist es ein Glück, in einer Zeit forschen zu können, in der man technisch so vielseitige Möglichkeiten hat. Früher war der einzige Anhaltspunkt der Blick durch das Teleskop in den Himmel:

„Die Anfänge gehen natürlich auf die Optik zurück – der Bezug zur Vatikanischen Sternwarte: Die ersten Teleskope im 17. Jahrhundert, Galilei und so weiter. Inzwischen muss man aber das gesamte Wellenlängenspektrum studieren. Aber Astronomie wurde schon früher gemacht. Gerade hier im Vatikan. Das wusste ich gar nicht, dass es so viele Teleskope gibt, dass so viele interessante Studien gemacht worden sind. Wir haben gestern Bücher gesehen aus dem 17. Jahrhundert, von Galileo, von Newton – das war für mich ein erhebender Moment. Und faszinierend war auch, dass ich Jesuitenbrüder gesehen habe, die Wissenschaftler sind."

Bruder Guy Consolmagno ist einer der Jesuitenbrüder, die vom Vatikan mit der Forschung in der Sternwarte betraut sind.

„Die Vatikanische Sternwarte geht auf die Kalenderreform von 1582 zurück. Sie ist eine der letzten traditionellen, nationalen Sternwarten, in der wir die Freiheit haben, Forschung zu betreiben, wo immer wir interessante Themen finden. Zum anderen arbeiten wir immer zusammen mit externen Forschern, als Teil der Wissenschaftsgemeinschaft – aber immer als Priester."

Die jüngste Tagung anlässlich des Sternbildes Cygnus ist das beste Beispiel dafür, wie offen und fortschrittlich die Jesuiten an der Vatikanischen Sternwarte heute arbeiten.

„Optisch sieht man das Sternbild Schwan, im Sommer oder im Herbst wunderbar am Himmel zu sehen – wie ein Kreuz. Insofern ist das gar nicht so dumm, das hier im Vatikan zu machen."

Dieser Gedanke kommt Hans Sennecker halb scherzhaft über die Lippen. Später greift er ihn aber noch einmal auf – in ernsthafterer Weise und in Erinnerung an ein Bild, dem er in der Vatikanischen Sternwarte begegnet ist.

„Ein Bild von Benedikt XVI., der einen Meteoriten in der Hand hält und sich anschaut. Er war ja sehr wissenschaftszugeneigt – und es gibt sicherlich keinen Widerspruch zwischen Wissenschaft und Glaube. Aber ich glaube, das muss jeder für sich selber entscheiden. Ich kenne viele Wissenschaftler, die sind tiefreligiös."

Auch Nikola Schneider ist die Frage nach dem Verhältnis von Glauben und Wissenschaft nicht unbekannt.

„Das ist eine Frage, der ich sehr oft begegne. Da ich Wissenschaftlerin bin, versuche ich immer Beweise zu finden, bevor ich etwas glaube. Jetzt habe ich aber im Gespräch mit vielen, vielen Leuten gemerkt, dass man das nicht so scharf trennen kann. Ich kann weder eine Existenz noch eine Nicht-Existenz Gottes beweisen. Deshalb denke ich, man muss mehr kommunizieren, man muss mehr wissen: Von der rationalen Seite her mehr Wissen vermitteln – und ich kann von den Menschen lernen, die glauben, und versuchen, mal einfach nur was zu glauben und zu akzeptieren."

Der Jesuitenbruder Guy Consolmagno hat diese Frage für sich längst beantwortet. Heute weiß er:

„Gute Katholiken und Christen sollten keine Angst haben vor Wissenschaft, sondern sie lieben – als einen Weg, Gott besser kennenzulernen." (rv)