Kardinal Kasper: „Eine neue Phase des Papsttums beginnt“

Kardinal Walter KasperSchweigen, Respekt und Denken an das, was jetzt kommt, spricht aus den ersten Reaktionen während und nach der Rücktrittsankündigung von Papst Benedikt XVI. Im Konsistorium am Montag mit dabei war Kardinal Walter Kasper, der ehemalige Präsident des Päpstlichen Ökumenerates. Pater Bernd Hagenkord hat ihn gefragt, was ihm in diesem Moment und danach durch den Kopf ging.

„Zunächst waren wir alle völlig perplex und erstaunt. Es ist ein Schweigen ausgebrochen, wir wussten zunächst nichts zu sagen. Natürlich war da Respekt für die Entscheidung, es zeigt ja auch Größe, wenn man die eigene physische Schwäche in dieser Weise artikuliert und sagt, ich bin nicht mehr in der Lage, das Amt in der Weise, wie ich es selber erwarte, auszuüben. Diese Demut und Größe ist anerkannt worden.
Aber dann ist im Gespräch mit einigen Kardinälen auch sofort angesprochen worden, dass das ein Einschnitt ist in der Geschichte des Papsttums. Das hat Folgen für die kommenden Pontifikate. Ich will nicht sagen, dass es ein Präzedenzfall ist, aber es ändert die Sicht des Pontifikates, es de-sakralisiert es im gewissen Sinn. Und macht das Amt im gewissen Sinn auch menschlich, weil es deutlich macht, dass dahinter ein Mensch steht, der alt wird und der mit den normalen Beschwerden des Alters zu tun hat. Es ist jetzt eine neue Phase des Papsttums angebrochen.“

Wie ist denn im Augenblick die Stimmung im Vatikan?

„Es ist immer noch die Stimmung wie nach einem Erdbeben, und nach einem solchen Erdbeben wird es zunächst einmal still. Man wartet jetzt, was kommt. Aber dann kommt auch schon die Überlegung, die jeder Kardinal, der am Konklave teilnimmt, mit sich herum trägt: Für wen entscheide ich mich jetzt? Es gibt ja keinen, der wie der geborene Nachfolger erscheint. Das ist die allgemeine Stimmung. Man tauscht sich natürlich etwas aus mit Kardinälen, mit denen man befreundet ist, das ist ganz normal, um einfach auch sein eigenes Gewissen zu schärfen.
Es ist die Stimmung einer gewissen Unsicherheit.
Die bevorstehende Sedisvakanz wird lang sein, denn die zweieinhalb Wochen bis zur eigentlichen Sedisvakanz sind ja auch eine unvorhergesehene Zwischenzeit, und dann geht es noch einmal mindestens fünfzehn Tage, bis das Konklave beginnt. Ich hoffe, dass die katholischen Christen und auch andere es als eine Zeit der Besinnung und des Gebets nehmen, denn darauf sind wir auch als Kardinäle in dieser Situation sehr angewiesen.“

Sie selber sind in leitender Position gewesen, Sie sind noch keine achtzig, sie dürfen also am Konklave teilnehmen. Obwohl Sie um einige Jahre jünger sind als Josef Ratzinger / Benedikt XVI., werden auch Sie älter. Wie nehmen Sie die Situation menschlich wahr?

„Ich bin sehr berührt von seiner menschlichen Entscheidung. Ich kenne ihn jetzt genau seit fünfzig Jahren. Da ist sehr viel Begegnung und auch manche theologisch unterschiedliche Meinung, das ist etwas Normales gewesen. Ich war erst vor Kurzem zum Abendessen bei ihm eingeladen und das war eine wunderbare Begegnung, sehr freundschaftlich, sehr persönlich, sehr freundlich, brüderlich.
Jetzt denke ich natürlich an diesen Abend zurück – da ist man bewegt. Natürlich habe ich gesehen, dass er physisch sehr abnimmt, dass er sehr schmal und zerbrechlich geworden ist.
Er hat die Entscheidung lange überlegt und lange durchgebetet, das ist nicht von heute auf morgen gefallen, das ist gereift. Er hat ja am Schluss auch gesagt, er habe die Gewissheit bekommen. Das war schon eine durchbetete, auch durchlittene Entscheidung, wie ich annehme.
Und das ist dann auch menschlich. Wenn man eine Person so lange kennt, geht das einem, wie man so sagt, unter die Haut.“ (rv)

Zum Rücktritt ein Abendessen

Pater LombardiFrüherer Papst? Emeritierter Bischof von Rom? Kardinal Ratzinger? Noch weiß keiner so genau, wie Benedikt XVI. in gut zwei Wochen – also nach seinem Rücktritt – eigentlich heißen wird. Selbst im Apostolischen Palast zerbricht man sich darüber den Kopf, sagte Vatikansprecher Federico Lombardi an diesem Mittwoch vor Journalisten.

„Bitte: Wir wissen im Moment nicht, wie der genaue Titel sein wird, mit dem wir Benedikt XVI. nach seinem Rücktritt ansprechen sollen. Das ist beileibe nicht nur eine Formalität oder etwas Nebensächliches, sondern das ist etwas Wesentliches, es hat zahlreiche – auch juridische – Implikationen. Ich weiß, dass darüber im Moment im Vatikan nachgedacht wird, und auch der Papst selbst ist daran beteiligt. Nur – im Moment gibt es noch keine Antwort auf diese Frage.“

Der Jesuitenpater Lombardi dementierte ein im Internet zirkulierendes Gerücht, dass der scheidende Papst sich auf längere Sicht in das Benediktinerkloster auf dem Montecassino zwischen Rom und Neapel zurückziehen wolle. Das stimme nicht, so Lombardi, der Papst wolle nach seinem Ausscheiden in einem früheren Klostergebäude in den Vatikanischen Gärten wohnen.

„Ich mache mir absolut keine Sorgen deswegen. Vielmehr halte ich es für eine weise Entscheidung von Papst Benedikt, im Vatikan zu bleiben. Hier kann er gleichzeitig in Zurückgezogenheit beten und studieren und auch persönliche Kontakte unterhalten. Ich glaube, dass sein Nachfolger und auch die Kardinäle froh sein werden, jemanden in der Nähe zu haben, der sehr gut weiß, was die spirituellen Bedürfnisse der Kirche sind. Er wird nahe sein, aber diskret, und den Dienst seines Nachfolgers, der Kurie und der Kirche mit einer geistlichen Präsenz und dem Gebet unterstützen.“

Der jetzige Sekretär Benedikts XVI., Erzbischof Georg Gänswein, bleibe auch nach dem Rücktritt des Papstes Präfekt des Päpstlichen Hauses; dieses Amt gehöre nicht zu den Kurienämtern, die bei einem Rücktritt oder Tod eines Papstes verfallen. Lombardi stellte noch einmal Einzelheiten des Papst-Programms bis zum 28. Februar, seinem letzten Arbeitstag, vor. Danach wird sich Benedikt XVI. am Morgen gegen elf Uhr in der Sala Clementina des Vatikans von Kardinälen verabschieden und am Nachmittag gegen 17 Uhr per Hubschrauber nach Castelgandolfo fliegen. Dort angekommen, werde dann sein Papstamt um 20 Uhr erlöschen. Was der Papst in seinen letzten Amtsstunden genau plane, diese Frage eines Journalisten beantwortete Pater Lombardi so:

„Ich glaube, der kommt in Castelgandolfo an und wird dann erst einmal zu Abend essen! Dann wird er wohl in der Kapelle beten und die dort Anwesenden begrüßen – alles mit großer Normalität.“ (rv)

Das Papstprogramm in dieser Woche

In den kommenden Tagen wird Papst Benedikt XVI. seine Amtsgeschäfte wie vorgehabt und angekündigt weiter führen. Nach den Ereignissen des Aschermittwochs mit Generalaudienz und der Liturgie in Sankt Peter am frühen Abend werden das bis zum Sonntag folgende Ereignisse sein.

Am Donnerstag wird der Papst die Pfarreien seines Erzbistums in der Audienzhalle empfangen, auch das wird ein öffentliches Ereignis sein.

Am Freitag wird Benedikt XVI. den Präsidenten Rumäniens, Traian Băsescu, in Audienz empfangen, am Samstag den Präsidenten Guatemalas, Otto Fernando Pérez Molina. Ebenfalls am Freitag und Samstag empfängt er Bischöfe Italiens zum Besuch Ad Limina.

Am Sonntag beginnen dann die Fastenexerzitien der Kurie, während dieser Woche wird es traditionell keine Auftritte, Gottesdienste und auch keine Generalaudienz geben. (rv)

„Danke für euer Gebet in diesen für mich nicht einfachen Tagen“

VatikanplatzPapst Benedikt XVI. hat an diesem Aschermittwoch seine vorletzte Generalaudienz geleitet. In der vollständig gefüllten Audienzhalle hatte sich ein buntes Meer an Pilgern und Besuchern versammelt, die sich vom Papst verabschieden wollten. Ohne Stock trat der Papst vor sein Publikum, das ihm zujubelte und jedes seiner Worte gespannt verfolgte. Neue Erklärungen zu seinem Amtsverzicht gab er bei der Generalaudienz nicht ab; er bekräftigte allerdings seine Worte vom Montag: Nachlassende Kräfte seien der Grund für die Rücktrittsentscheidung gewesen. Die Pilger würdigten seine Worte mit Applaus – „danke für eure Zuneigung“, sagte dazu der Papst, der sichtlich gerührt war. Und er erklärte weiter:

„Ich habe dies in voller Freiheit zum Wohl der Kirche getan, nachdem ich lange gebetet und vor Gott mein Gewissen erforscht habe, im Bewusstsein um den Ernst dieses Aktes, aber zugleich bewusst darum, nicht mehr in der Lage dazu zu sein, das Petrusamt mit der Kraft auszuführen, die es erfordert. Mich unterstützt und erleuchtet die Sicherheit, dass die Kirche die Kirche Christi ist, der ihr nie seine Führung und Sorge fehlen lassen wird. Ich danke allen für die Liebe und das Gebet, mit dem ihr mich begleitet habt. Danke, ich habe fast physisch in diesen für mich nicht einfachen Tagen die Kraft des Gebetes und die Liebe der Kirche gespürt, euer Gebet trägt mich. Betet weiter für mich, für die Kirche, für den zukünftigen Papst, möge der Herr uns führen.“

„Was zählt wirklich in unserem Leben?“, fragte der Papst dann in seiner Katechese. Diese stand ganz im Zeichen der Fastenzeit, die ja an diesem Aschermittwoch beginnt. Benedikt XVI. ging darin auf die Versuchungen Jesu in der Wüste ein – den Moment des „irdischen Lebens des Gottessohnes“, wie er formulierte. Die Wüste sei ein Ort der Stille und Armut, ein Ort der Einsamkeit und des Todes, so der Papst. Hier suchte der Teufel Jesus heim:

„Zunächst redet er Jesus ein, er möge befehlen, dass aus Steinen Brot werde. Dann verspricht er Macht auf dieser Erde. Und schließlich schlägt er vor, der Herr solle sich von der Zinne des Tempels stürzen und dabei die Leute ins Staunen bringen.“

Der Kern dieser drei Versuchungen sei die Instrumentalisierung Gottes für die Interessen des Menschen, der sich letztlich selbst an die Stelle Gottes setzen wolle. Jesu habe diese Versuchungen auf sich genommen, „um so das Böse zu besiegen und uns den Weg zu Gott hin zu öffnen“, so der Papst. Dieser Weg sei ein „Weg der Umkehr“:

„,Umkehr‘ bedeutet hier, die rechte Ordnung anzuerkennen, Gott den richtigen, das heißt den ersten Platz zu geben. Dann kehren wir uns zu Gott hin, zu unserem Schöpfer und der Quelle aller Liebe. Diese innere Bekehrung, diese Hinkehr zu Gott, verlangt unsere ganze Entschiedenheit gerade in unserer Zeit, in der so vieles den Werten des Glaubens entgegensteht. Und erst in dieser Hinwendung zu Gott wird unser Leben recht und finden wir unseren Frieden.“

Im italienischen Redetext unterstrich der Papst die Notwendigkeit beständiger Umkehr und Erneuerung des Glaubens; Christen stünden heute im persönlichen und öffentlichen Leben vor zahlreichen Herausforderungen. Der Papst zählte hier unter anderem die Gefährdung der christlichen Ehe und des Lebensschutzes auf sowie Tendenzen in einer säkularisierten Welt, die den Glauben aufweichen.

In seinen Grüßen an die deutschsprachigen Pilger und Besucher erinnerte der Papst an die Notwendigkeit der inneren Erneuerung, zu der Fastenzeit Gelegenheit biete:

„In dieser österlichen Bußzeit wollen wir den Weg der Erneuerung gehen und die Versuchung überwinden, uns selbst zum Zentrum zu machen. Lassen wir Gott Zeit, geben wir ihm unsere Zeit in täglichen Gebeten, um damit offen zu werden für Ihn und für den Nächsten. Die selige Jungfrau Maria begleite euch auf diesem Weg. Danke für Ihre Aufmerksamkeit!“

Aschermittwochs-Liturgie mit dem Papst im Petersdom
Am Nachmittag leitet der deutsche Papst mit der Aschermittwochs-Liturgie im Petersdom zum letzten Mal eine große liturgische Feier gemeinsam mit den Kardinälen und Bischöfen der Kurie. Zu dem Gottesdienst mit der Austeilung des Aschekreuzes werden Hunderte Besucher erwartet. Die Verlegung der Messe von der Kirche Santa Sabina in den Petersdom erfolgte aus Platzgründen. Radio Vatikan berichtet von der Feier live und mit deutschem Kommentar.
Am Donnerstag wird der Papst die Pfarreien seines Erzbistums in der Audienzhalle empfangen, auch dies wird ein öffentliches Ereignis sein. Am Freitag empfängt Benedikt XVI. den Präsidenten Rumäniens, Traian Băsescu, in Audienz, am Samstag dann den Präsidenten Guatemalas, Otto Fernando Pérez Molina. Ebenfalls am Freitag und Samstag empfängt er Bischöfe Italiens zum Besuch Ad Limina. Am Sonntag beginnen die Fastenexerzitien der Kurie, während dieser Woche wird es traditionell keine Auftritte, Gottesdienste und auch keine Generalaudienz geben. (rv)

Benedikts Wegweiser „auf der letzten Wegstrecke meines Lebens“

Bene_140110Papst Benedikt XVI. predigte anlässlich seines 85. Geburtstages am 16. April 2012 in freier Rede vor seinen engsten Mitarbeitern und einigen deutschen Kardinälen und Bischöfen; auch sein Bruder Georg Ratzinger hört ihm zu. Der Papst deutete seinen eigenen Geburtstag vom Ostergeheimnis her, sprach von Tod und Auferstehung und von einem Vertrauen, das sich ganz aus dem Glauben speist. Zu diesem Zeitpunkt war seine Entscheidung zum Rücktritt, den er ein knappes Jahr später verkündete, bereits gefallen. Damals sagte Benedikt XVI. seinen Zuhörern im Vatikan:

„Ich stehe vor der letzten Wegstrecke meines Lebens und weiß nicht, was mir verhängt sein wird. Aber ich weiß, dass das Licht Gottes da ist, dass er auferstanden ist, dass sein Licht stärker ist als alles Dunkel; dass Gottes Güte stärker ist als alles Böse dieser Welt. Und das lässt mich in Gewissheit weitergehen. Das lässt uns weitergehen, und allen, die dieses ,Ja’ Gottes immer wieder durch ihren Glauben auch mir gewiss machen, danke ich von ganzem Herzen in dieser Stunde.“

Der Papst führte in seiner Ansprache aus, was ihm persönlich und als Papst Orientierung gibt: das „Gedächtnis der heiligen Bernadette Soubirous, der Seherin von Lourdes“, der Heilige Benedikt Joseph Labre und das Ostergeheimnis, das Geheimnis von Kreuz und Auferstehung.

Benedikt XVI. kündigte seinen Rücktritt am 11. Februar, dem Gedenktag Unserer Lieben Frau von Lourdes, an. Benedikt betonte, dass mit der Bernadette Soubirous einem „einfachen Kind reinen Herzens“ die Gottesmutter erschienen sei – für Benedikt XVI. ein Bild für die Reinheit des Glaubens, der sich aus Wahrheit speist:

„Ich denke, wir dürfen dieses Wasser als Bild ansehen für die Wahrheit, die uns im Glauben zukommt: die unverstellte, unverschmutzte Wahrheit. Denn wir brauchen, um leben zu können, um rein zu werden, in uns die Sehnsucht nach dem reinen Leben, nach der unverfälschten Wahrheit, nach dem Unverschmutzten von Korruption, nach dem nicht befleckten Menschsein. So ist dieser Tag, diese kleine Heilige, für mich immer ein Zeichen gewesen, wo das lebendige Wasser herkommt, dessen wir bedürfen – das Wasser, das uns reinigt und Leben gibt – und ein Zeichen dafür, wie wir sein müssen: dass wir in allem Wissen und Können, das notwendig ist, das einfache Herz, den einfachen Blick des Herzens nicht verlieren dürfen, der das Wesentliche zu sehen vermag, und den Herrn immer bitten müssen, dass wir die Demut behalten, damit das Herz hellsichtig bleibt – das Einfache und Wesentliche sehen kann, die Schönheit und die Güte Gottes – und damit die Quelle finden kann, von der das Wasser kommt, das Leben gibt und reinigt.“

Der Papst beweist mit seinem angekündigten Rücktritt Demut, Verantwortlichkeit, aber auch Menschlichkeit – ist in vielen Reaktionen zu Benedikts Entscheidung in diesen Stunden zu hören. Neben der Demut, die Benedikt XVI. für sich beansprucht, ist ein anderes Charakteristikum der Blick auf das Wesentliche. Armut und Innerlichkeit liegen Benedikt XVI. am heiligen Benedikt Joseph Labre am Herzen, einem frommen Pilger des 18. Jahrhunderts, der seine Berufung als Bettler fand:

„Mit nichts, auf nichts gestellt und auch nichts behaltend von dem, was er bekam und was er nicht direkt brauchte – durch ganz Europa zu pilgern, zu allen Heiligtümern Europas, von Spanien bis Polen und von Deutschland bis Sizilien: ein wahrhaft europäischer Heiliger! Wir können ruhig sagen: ein sonderbarer Heiliger, der nur bettelnd herumzieht von Heiligtum zu Heiligtum, nichts tun will als beten und damit Zeugnis geben, worauf es ankommt in diesem Leben: auf Gott. Er ist sicher kein Vorbild, das wir nachahmen sollten, aber ein Wegweiser, ein ausgestreckter Finger auf das Wesentliche hin. Er zeigt uns, dass (…) von Gott her die Grenzen fallen, dass nur Gott die Grenzen beseitigen kann, weil von Gott her wir alle nur Geschwister sind, wir alle zueinander gehören, dass die Einzigkeit Gottes zugleich die Geschwisterlichkeit und die Versöhnung der Menschen ist, der Abbau der Grenzen, der uns eint und heilt. So ist er ein Heiliger des Friedens, gerade als ein Heiliger der Unbedürftigkeit, der mit nichts stirbt und doch mit allem gesegnet ist.“

Papst Benedikt XVI. wird am 28. Februar zurücktreten, und noch vor Ostern sitzt wohl ein neuer Papst auf dem Stuhl Petri. Warum hat Benedikt XVI. die Fasten- und Osterzeit gewählt, um seinen Rücktritt zu verkünden? Einen Tag vor seiner Erklärung, am Sonntag, hatte der Papst diesen Tweet ins Netz geschickt: „Wir dürfen der Kraft der Barmherzigkeit Gottes vertrauen. Wir sind alle Sünder, doch seine Gnade verwandelt uns und macht uns neu.“ Dieses Vertrauen ist es, was der Papst auch in seiner Predigt zu seinem 85. Geburtstag im Blick auf das Ostergeheimnis unterstrich:

„So gehört zur Geburt die Wiedergeburt, die Gewissheit, dass in der Tat es gut ist da zu sein, weil die Verheißung stärker ist als die Drohungen. Dies ist der Sinn der Wiedergeburt aus Wasser und Geist: eingetaucht werden in die Verheißung, die nur Gott selbst geben kann: Es ist gut, dass Du bist, Du darfst dessen gewiss sein, was immer kommen mag. Aus dieser Gewissheit durfte ich leben, wiedergeboren aus Wasser und Geist.“ (rv)

Der Papstrücktritt aus kirchenrechtlicher Sicht

Benedikt XVI. hat als erster Papst in der neueren Kirchengeschichte von seinem Recht zurückzutreten Gebrauch gemacht. Das Kirchenrecht kennt diesen Schritt, und dennoch bleiben einige Fragen offen, etwa, welchen Status eigentlich ein zurückgetretener Papst in der Kirche hat. Dazu Pater Markus Graulich, Kirchenrechtler und Richter an der römischen Rota:

„Ich denke, er ist der zurückgetretene Papst, der emeritierte Bischof von Rom, aber wie tritt er noch auf? Das ist ungeklärt. Ich wurde gestern etwa gefragt: Bleibt er unfehlbar? Das bleibt er nicht, denn das ist eine Sache, die nicht an die Person gebunden ist, sondern an das Amt; das Amt hat er nicht mehr inne, und so hat er auch nicht mehr dieses Charisma, diese Geistesgabe.“

Bis zum 28. Februar, gut zwei Wochen noch, bleibt Benedikt im Amt. Es handelt sich dabei nicht um eine Art vorgezogene Sedisvakanz, erklärt Graulich.

„Der Papst könnte jetzt beispielsweise noch seine Enzyklika über den Glauben veröffentlichen, die ja, wie man hört, bereits fertig ist. Er wird bestimmt noch Ernennungen vornehmen, gestern ist ja auch eine erfolgt; er kann alle Akte des Pontifikates noch setzen, er wird natürlich noch die Exerzitien machen wie sie vorgesehen waren, da fällt eine Woche weg, aber: Er ist bis 28. Februar 20 Uhr, warum auch immer 20 Uhr, im Amt.“

Das größte Risiko im Fall eines Papstrücktritts ist eine mögliche Kirchenspaltung. Papst Paul VI., erinnert sich Graulich, fürchtete eine solche im Fall eines eventuellen Rücktritts und hätte aus diesem Grund sein Amt nur im alleräußersten Notfall niedergelegt.

„Natürlich ist es eine Frage, wie Papst Benedikt das gestalten wird und wie zurückgezogen er leben wird. Es funktioniert ja auch in den Diözesen, wo man akzeptiert, dass ein Altbischof hin und wieder einmal zu sehen ist, aber sich nicht einmischt. Ich könnte mir vorstellen, dass der Papst sich noch radikaler zurückzieht, dass er gar nicht mehr auftreten wird. Rechtlich ist es kein Problem, die Probleme sind eher emotionaler und nichtrationaler Natur. Es kommt auch darauf an, wie der Abschied gestaltet wird, ob es da noch eine Feier geben wird. Es könnte eine liturgische Feier geben, wo er die Insignien, die bei der Amtsübernahme überreicht wurden, auf den Altar legt und dann einfach weggeht. Es wird irgendeine Form noch geben müssen, die uns auch optisch verstehen lässt: Er ist jetzt nicht mehr Papst.“

Eigene kirchenrechtliche Verordnungen, um der Gefahr der Spaltung vorzubeugen, braucht es aus Graulichs Sicht aber nicht,

„weil sowohl das Kirchenrecht diesen Schritt in der Weise, wie er geschah, vorsieht: also frei und ungezwungen. Genauso sieht die Wahlkonstitution ,Universi Dominici Gregis‘ die Vakanz des Apostolischen Stuhles durch den Tod des Papstes oder seinen Rücktritt vor; jeder, der vernünftig denken kann, muss das hinnehmen und muss diesen Schritt akzeptieren, sosehr der Schritt zu bedauern ist.“

Mit seiner Entscheidung zum Rücktritt hat Papst Benedikt nach Graulichs Ansicht eine Bresche geschlagen: Jeder Papst, der nach ihm kommt, kann sich auf Benedikts Rücktritt berufen. Das hat Auswirkungen nicht nur auf das kommende Konklave, sondern auch auf alle zukünftigen, glaubt der Kirchenrechtler.

„Die Kardinäle können auch einen jüngeren zum Papst wählen und müssen nicht denken, den haben wir jetzt 30 Jahre. sondern der kann dann mit 75 oder mit 80 sagen, gut, jetzt ist es genug, nun lässt du, Herr, deinen Knecht in Frieden scheiden; er hat immer diesen Präzedenzfall der jüngeren Geschichte. Für einen Nachfolger hat er damit vieles leichter gemacht.“

Dass dadurch geradezu ein Druck auf alle folgenden Päpste entsteht, das Amt aus allerlei möglichen Gründen zurückzulegen, glaubt Graulich nicht.

„Ich denke, das ist in der heutigen Gesellschaft ein normaler Prozess, dass Menschen von ihren Ämtern zurücktreten.“ (rv)