Kardinal Kasper: „Eine neue Phase des Papsttums beginnt“

Kardinal Walter KasperSchweigen, Respekt und Denken an das, was jetzt kommt, spricht aus den ersten Reaktionen während und nach der Rücktrittsankündigung von Papst Benedikt XVI. Im Konsistorium am Montag mit dabei war Kardinal Walter Kasper, der ehemalige Präsident des Päpstlichen Ökumenerates. Pater Bernd Hagenkord hat ihn gefragt, was ihm in diesem Moment und danach durch den Kopf ging.

„Zunächst waren wir alle völlig perplex und erstaunt. Es ist ein Schweigen ausgebrochen, wir wussten zunächst nichts zu sagen. Natürlich war da Respekt für die Entscheidung, es zeigt ja auch Größe, wenn man die eigene physische Schwäche in dieser Weise artikuliert und sagt, ich bin nicht mehr in der Lage, das Amt in der Weise, wie ich es selber erwarte, auszuüben. Diese Demut und Größe ist anerkannt worden.
Aber dann ist im Gespräch mit einigen Kardinälen auch sofort angesprochen worden, dass das ein Einschnitt ist in der Geschichte des Papsttums. Das hat Folgen für die kommenden Pontifikate. Ich will nicht sagen, dass es ein Präzedenzfall ist, aber es ändert die Sicht des Pontifikates, es de-sakralisiert es im gewissen Sinn. Und macht das Amt im gewissen Sinn auch menschlich, weil es deutlich macht, dass dahinter ein Mensch steht, der alt wird und der mit den normalen Beschwerden des Alters zu tun hat. Es ist jetzt eine neue Phase des Papsttums angebrochen.“

Wie ist denn im Augenblick die Stimmung im Vatikan?

„Es ist immer noch die Stimmung wie nach einem Erdbeben, und nach einem solchen Erdbeben wird es zunächst einmal still. Man wartet jetzt, was kommt. Aber dann kommt auch schon die Überlegung, die jeder Kardinal, der am Konklave teilnimmt, mit sich herum trägt: Für wen entscheide ich mich jetzt? Es gibt ja keinen, der wie der geborene Nachfolger erscheint. Das ist die allgemeine Stimmung. Man tauscht sich natürlich etwas aus mit Kardinälen, mit denen man befreundet ist, das ist ganz normal, um einfach auch sein eigenes Gewissen zu schärfen.
Es ist die Stimmung einer gewissen Unsicherheit.
Die bevorstehende Sedisvakanz wird lang sein, denn die zweieinhalb Wochen bis zur eigentlichen Sedisvakanz sind ja auch eine unvorhergesehene Zwischenzeit, und dann geht es noch einmal mindestens fünfzehn Tage, bis das Konklave beginnt. Ich hoffe, dass die katholischen Christen und auch andere es als eine Zeit der Besinnung und des Gebets nehmen, denn darauf sind wir auch als Kardinäle in dieser Situation sehr angewiesen.“

Sie selber sind in leitender Position gewesen, Sie sind noch keine achtzig, sie dürfen also am Konklave teilnehmen. Obwohl Sie um einige Jahre jünger sind als Josef Ratzinger / Benedikt XVI., werden auch Sie älter. Wie nehmen Sie die Situation menschlich wahr?

„Ich bin sehr berührt von seiner menschlichen Entscheidung. Ich kenne ihn jetzt genau seit fünfzig Jahren. Da ist sehr viel Begegnung und auch manche theologisch unterschiedliche Meinung, das ist etwas Normales gewesen. Ich war erst vor Kurzem zum Abendessen bei ihm eingeladen und das war eine wunderbare Begegnung, sehr freundschaftlich, sehr persönlich, sehr freundlich, brüderlich.
Jetzt denke ich natürlich an diesen Abend zurück – da ist man bewegt. Natürlich habe ich gesehen, dass er physisch sehr abnimmt, dass er sehr schmal und zerbrechlich geworden ist.
Er hat die Entscheidung lange überlegt und lange durchgebetet, das ist nicht von heute auf morgen gefallen, das ist gereift. Er hat ja am Schluss auch gesagt, er habe die Gewissheit bekommen. Das war schon eine durchbetete, auch durchlittene Entscheidung, wie ich annehme.
Und das ist dann auch menschlich. Wenn man eine Person so lange kennt, geht das einem, wie man so sagt, unter die Haut.“ (rv)