Zur Papstrede vor dem römischen Klerus: „Der ungehobene Schatz des Konzils“

Benedikts Ansprache vom Donnerstag wird insbesondere in den italienischen Medien als geistliches Vermächtnis des Papstes gehandelt. In seiner frei gehaltenen Rede vor dem römischen Klerus hatte sich Benedikt XVI. von den Priestern und Bischöfen verabschiedet, denen er als Bischof von Rom auf diözesaner Ebene vorsteht; nicht wenige der Anwesenden hatten Tränen in den Augen, als er von seinen Erfahrungen des Zweiten Vatikanischen Konzils berichtete. Fabio Bartoli ist Priester der römischen Kirche San Benedetto und berichtet im Radio Vatikan-Interview von dem intensiven Erlebnis:

„In diesen Tagen habe ich, so wie viele von uns, Momente der Unsicherheit, der Schwierigkeiten erlebt. Ich habe mir immer wieder gesagt, ruhig zu bleiben, und dass der Stellvertreter Christi sicherlich viel besser als ich weiß, was er macht, dass er derjenige ist, der die Kirche führt. Dennoch blieb tief in mir ein Gefühl des Verwaistseins, als hätten wir einen enorm wichtigen Bezugspunkt verloren. Doch als wir mit der Heiligenlitanei in die Basilika einzogen, und wir alle diese Heiligennamen aussprachen, hörten wir in gewisser Weise auch eine Übersicht über die Kirche: hinter jedem von ihnen steht eine Geschichte, die ich kenne: die Entscheidungen, die sie getroffen haben, die Leiden, die sie ertragen haben. Und in diesem Moment hatte ich das starke Gefühl darüber, was wir als Kirche darstellen: Wir haben eine Identität, die so tiefe Wurzeln in der Vergangenheit hat, dass sie wirklich unzerstörbar ist. Und in diesem Moment hat sich das vage Gefühl des Verlorenseins in eine große Hoffnung verwandelt. Das war ein spirituell sehr ergreifender Moment.“

Die lange Ansprache, die der Papst frei hielt, sei ein wundervolles Erlebnis gewesen, so der Priester. Nicht nur die Klarheit und starke Präsenz, die der Papst bei dieser Gelegenheit gezeigt habe, sondern auch die Stringenz und Tiefe seiner Worte haben Bartoli stark beeindruckt.

„Die Ansprache war wirklich der Höhepunkt der Meditationen in der Kirche. Denn der Papst hat, indem er uns von der Vergangenheit erzählte, in Wirklichkeit auf die Zukunft hingeführt. Er hat uns erklärt, wie die Kirche lebt, und letztlich hat er uns gesagt: Das große Geschenk des Konzils, seine große Kraft und seine Neuheit liegen noch vor uns! Speziell gegen Ende seiner Ansprache, als er vom Unterschied zwischen dem realen Konzil und der Wahrnehmung des Konzils gesprochen hat, hat er uns wahrnehmen lassen, wie sehr der Schatz des Zweiten Vatikanischen Konzils noch zu erforschen sei. Wenn wir erst einmal, wie er es ausgedrückt hat, mit den vielen falschen Interpretationen und den vielen nur partiellen Lesarten des Konzils aufgeräumt haben, wird sich ein enormer Schatz vor unseren Augen auftun. Das lässt uns wirklich für die Zukunft hoffen und ist ein großartiges Zeichen.“ (rv)

Kardinal Ravasi: Papst mahnt Kirche zu „Selbstreinigung“

Kardinal Gianfranco RavasiEin kurzer Abschnitt aus der Aschermittwochspredigt des Papstes hat in den Medien große Beachtung gefunden. In seiner letzten Messfeier in St. Peter hatte der scheidende Papst Benedikt daran erinnert, „welche Bedeutung das christliche Glaubens- und Lebenszeugnis eines jeden von uns und unserer Gemeinschaften für das Gesicht der Kirche hat und wie dieses bisweilen verunstaltet wird“. Wörtlich fuhr er fort: „Ich denke besonders an die Vergehen gegen die Einheit der Kirche, an die Spaltungen im Leib der Kirche.“ Und er rief dazu auf, „die Fastenzeit in einer intensiveren und sichtbareren Gemeinschaft mit der Kirche zu leben, indem man Individualismen und Rivalitäten überwindet“. Der Präsident des Päpstlichen Kulturrates, Kardinal Gianfranco Ravasi, sagt im Gespräch mit Radio Vatikan zu diesen Papstworten:

„Sicher haben sie in diesem Zusammenhang eine besondere Bedeutung, weil die ganze Gesellschaft Leiden und Schwierigkeiten erlebt. Die Worte des Papstes sind mit Sicherheit eine große Mahnung, die vor allem von der kirchlichen Gemeinschaft gehört werden muss. Sie gehören gewissermaßen auch ins Herz der fastenzeitlichen Botschaft – darum hätten sie auch in jeder Fastenzeit in diesen Jahren ausgesprochen werden können. Sie gehören nämlich zu der grundlegenden Entscheidung zu einer Selbstreinigung, die die Gemeinschaft der Kirche durchführen muss.“

Kardinal Ravasi gehörte am Montag zu den Kardinälen, die die Rücktritts-Ankündigung von Benedikt XVI. im Vatikanpalast miterlebten. Natürlich sei er überrascht gewesen, sagt Ravasi:

„Ich muss aber sagen, dass ich dann vor allem Bewunderung gespürt habe, denn der Papst hat die Größe der petrinischen Mission gezeigt, gerade indem er erklärte, dass seine physische Gebrechlichkeit diesen Dienst härter mache. Ich glaube wirklich, man kann ihn nur bewundern, denn er hat in gewisser Hinsicht einen theologischen Akt vollzogen: Er hat auf eindringliche Weise gezeigt, was der Petrusdienst wirklich ist – genau in dem Moment, in dem er sich für physisch außerstande erklärte, ihn noch fortsetzen zu können.“

„Unter deinen Schutz und Schirm flüchten wir, oh heilige Gottesmutter“: Diesen Text twitterte Kardinal Ravasi auf Lateinisch kurz nach der Rücktritts-Ankündigung Benedikts. Die bislang letzte Nachricht auf seinem Zwitscher-Account, vom 14. Februar, stammt hingegen aus Psalm 71 (Gott, die Zuflucht bis ins Alter): „Verlass mich nicht, wenn meine Kräfte schwinden“.

„Der Papst zeigt wirklich, dass das Dienstamt – lateinisch ministerium – wirklich ein Dienstamt ist. Dieses Wort ist von der politischen Tradition ins Negative gekehrt worden, dabei trägt es in seinem Herzen das ,minus‘. Das heißt: im Dienst von etwas stehen, weniger sein, nicht beherrschend sein. Ein Kaiser kann die Macht in seiner Hand behalten und als das ihm ausschließlich Zustehende ausüben. Wenn sie hingegen ein Dienstamt ist, dann muss man auch in der Lage sein, ,minus‘, also weniger zu werden, sich also zu entziehen, um dem Platz zu lassen, der es in umfänglicherer Weise auszuüben versteht.“ (rv)

Vatikan: Konklave schon früher?

Pater LombardiPater Federico Lombardi hat an diesem Samstag vor der Presse einige weitere Details im Zusammenhang mit der kommenden Sedisvakanz und den letzten Terminen des Papstes bekannt gegeben. Der Beginn des Konklaves könnte unter gewissen Umständen, so Pater Lombardi, bereits vor dem 15. März angesetzt werden, sollten bereits alle Kardinäle in Rom anwesend sein. Am 28. Februar, also mit Beginn der Sedisvakanz, wird sich Papst Benedikt in die Sommerresidenz Castel Gandolfo zurückziehen, wo er möglicherweise zwei Monate verbringen wird. Der Camerlengo und seine Mitarbeiter haben laut Lombardi bereits mit den Vorbereitungen für die Sedisvakanz begonnen, erste Informationen dazu werden allerdings wohl erst gegen Ende des Pontifikats bekannt gegeben werden.

Wie vorgesehen wird Papst Benedikt XVI. an diesem Samstag um 18 Uhr den amtierenden Premierminister Mario Monti empfangen. In der kommenden Woche werden aufgrund der Fasten-Exerzitien keine Papsttermine stattfinden, die laufenden Geschäfte werden aber dennoch wahrgenommen. Am Samstag wird er wie geplant den italienischen Staatspräsidenten Napolitano treffen. (rv)

Zum Thema: Konklavebeginn vorziehen?

Pressemitteilungen: Vorgezogener Konklavebeginn am 10. März?

Pater Lombardi PressekonferenzDerzeit tauchen Meldungen in den Medien auf, wonach es im Vatikan Stimmen gibt, den Beginn des Konklaves auf den 10. März vorzuziehen. Agenturen berufen sich hier auf eine Meldung der Nachrichtenagentur I.Media. Begründet wird dieses Vorziehen mit dem Beginn des Osterfestes Ende März.

Da bis zum 28. Februar die Katholische Kirche immer noch einen rechtmäßigen Papst hat, könnte Benedikt XVI. von sich aus eine Entscheidung zur Abänderung der Apostolischen Konstitution „Universi dominici gregis“ (UDG) erlassen und somit einen vorgezogenen Konklavebeginn auf eine kirchenrechtliche Basis stellen. Doch erscheint ein solches Vorhaben eher unwahrscheinlich. Somit kann eigentlich nur eine zweite Möglichkeit in Erwägung gezogen werden. Eine Entscheidung nach dem 28.Februar durch die Generalkongregation der Kardinäle. Doch welche Vollmachten hat diese Generalkongregation eigentlich? Und wer gehört zu dieser Generalkongregation?

Zur Generalkongregation gehören alle Kardinäle, die nicht rechtmäßig verhindert sind, sobald sie über die Vakanz des Apostolischen Stuhles unterrichtet wurden. Kardinäle über dem 80. Lebensjahr, können der Generalkongregation fern bleiben und müssen somit nicht zwangsläufig daran teilnehmen. Im Klartext – die Gesamtheit des Kardinalskollegiums kann die Generalkongregation bilden. Im Kapitell I der UDG sind die Vollmachten des Kardinalskollegiums während der Vakanz des Apostolischen Stuhles geregelt. Hier heißt es in Nr. 5: „Falls Zweifel über die in der vorliegenden Konstitution (UDG) enthaltenen Vorschriften oder über die Art und Weise ihrer Durchführung auftreten sollten, so verfüge ich förmlich, dass dem Kardinalskollegium alle Vollmacht zusteht, diesbezüglich ein Urteil zu fällen. Diesem erteile ich deswegen die Erlaubnis, die zweifelhaften oder strittigen Punkte zu interpretieren, wobei ich bestimme, dass es bei den Beratungen über diese und andere ähnliche Fragen, mit Ausnahme des Aktes der Papstwahl selber, genügt, dass die Mehrheit der versammelten Kardinäle zur gleichen Auffassung kommt.“

Ferner ergänzt Nr. 6: “Ebenso soll das Kardinalskollegium, wenn ein Problem vorliegen sollte, das nach Auffassung der Mehrheit der versammelten Kardinäle nicht auf einen späteren Zeitpunkt verschoben werden kann, nach Ansicht der Mehrheit Verfügungen treffen.“

Die genannten Vollmachten der Generalkongregation sind eindeutig und klar umrissen. Die Nachrichtenagentur I.Media scheint sich aber genau auf diese Vollmachten zu beziehen, wenn sie den Konklavebeginn auf den 10. März vordatiert. Doch sollte man zu erst den „Normalfall“ und nicht die „Ausnahme“ bei der Terminierung des Konklavebeginns beachten. Der Konklavebeginn ist klar in der Nr. 37 der UDG festgelegt:

„Ferner bestimme ich, dass die anwesenden wahlberechtigten Kardinäle nach Eintritt der rechtmäßigen Vakanz des Apostolischen Stuhles fünfzehn volle Tage auf die Abwesenden warten müssen; allerdings überlasse ich es dem Kardinalskollegium, den Beginn der Wahl, wenn schwerwiegende Gründe vorhanden sind, noch um einige Tage hinauszuschieben. Doch nach Ablauf von höchstens zwanzig Tagen nach Beginn der Sedisvakanz sind alle anwesenden wahlberechtigten Kardinäle gehalten, sich zur Wahl zu begeben.“

Diese Vorgehensweise wird nochmals in der Nr. 49 der UDG ergänzt:

Nachdem die Trauerfeierlichkeiten für den verstorbenen Papst vorschriftsmäßig gehalten worden sind und alles vorbereitet worden ist, was zum geordneten Ablauf der Wahl notwendig ist, versammeln sich am festgesetzten Tag — also am 15. Tag nach dem Tode des Papstes, oder, gemäß der Verfügung in Nr. 37 dieser Konstitution, nicht später als am 20. Tag — die wahlberechtigten Kardinäle in der Petersbasilika im Vatikan oder, je nach der Gegebenheit und den Anforderungen der Zeit und des Ortes, an einem anderen Ort, um an einer feierlichen Eucharistie mit der Votivmesse Pro eligendo Papa (19) teilzunehmen. Das soll möglicherweise zu geeigneter Stunde am Vormittag geschehen, damit am Nachmittag all das stattfinden kann, was in den folgenden Nummern dieser Konstitution vorgeschrieben ist.“

Spitzfindige Zeitgenossen könnten jetzt natürlich auf die Idee kommen, da die Sedisvakanz nicht wie über Jahrhunderte üblich, durch den Tot eines Papstes sondern den Amtsverzicht von Papst Benedikt XVI. eingetreten ist, die Wartezeit von 15. Tagen zu verkürzen. Eine Bestattungszeit bzw. Trauerfeierlichkeiten sind ja nicht zu berücksichtigen und die Zeitspanne zur Anreise der Konklavekardinäle ist lang genug.

Auch für diesen Fall hat die UDG unmissverständlich vorgesorgt und besagt in Nr. 77:

Ich bestimme, dass die Anordnungen, die all das betreffen, was der Wahl des Papstes vorausgeht, sowie deren Ablauf selbst, auch dann gänzlich zu beachten sind, wenn die Vakanz des Apostolischen Stuhles durch den Amtsverzicht des Papstes gemäß can. 332, § 2 des Kodex des kanonischen Rechtes und can. 44, § 2 des Kodex der Kanones der Orientalischen Kirchen erfolgen sollte.

Auch hier ist die Vorgabe klar und eindeutig. Sollte die Verantwortlichen im Vatikan tatsächlich den Konklavebeginn vor den 15. Tag der Sedisvakanz vorverlegen, könnte das sicherlich fatale Folgen haben. Kritiker könnten sich auf die Nr. 76 der UDG berufen:

Wenn eine Wahl in Abweichung von der in dieser Konstitution vorgeschriebenen Form oder unter Nichteinhaltung der von ihr festgesetzten Bedingungen erfolgt sein sollte, ist sie aus diesem selben Grund nichtig und ungültig, ohne dass es einer diesbezüglichen Erklärung bedarf und die Wahl deshalb dem Gewählten keinerlei Rechtsanspruch gibt.

Dem Vatikan muss daran gelegen sein, eine nach kanonischem Recht, gültige Papstwahl durchzuführen. Alles andere ist Unsinn. Auch wenn der Pressesprecher des Heiligen Stuhls, Pater Lombardi, am heutigen Tag den Konklavebeginn vor dem 15. März für möglich hält. Seine Aussage ist mit dem Kirchenrecht nicht vereinbar. (vh)