Letzter Kardinal vereidigt

Sedisvakanz 2013Im Vatikan ist am Donnerstagnachmittag der letzte der erwarteten 115 Papstwähler eingetroffen. Wie Vatikansprecher Federico Lombardi mitteilte, wurde der vietnamesische Kardinal Jean-Baptiste Pham Minh Man zu Beginn der sechsten Generalkongregation vereidigt. Über den Termin des Konklavebeginns sei bislang noch nicht abgestimmt worden, so Lombardi. Bei der Nachmittagskonferenz hätten 16 Kardinäle das Wort ergriffen. (rv)

Sedisvakanz: Riten und Historie

Die Sedisvakanz – die Zeit, in der der Stuhl Petri unbesetzt ist – ist eine Zeit, um viel über die Zukunft der Kirche nachzudenken. Wir haben hier auch den gegenteiligen Weg eingeschlagen und uns mit dem Historiker, Theologen und Journalisten Ulrich Nersinger über die Vergangenheit und die alten und neueren Riten der Sedisvakanz unterhalten.

Die eigentlichen Verwalter der Kirche sind in der Sedisvakanz die Kardinäle. Das ist im Prinzip der Ältestenrat des Papstes. Was können die Kardinäle in der Zeit der Sedisvakanz, und was können sie nicht?

Die Kardinäle dürfen eigentlich recht wenig machen. Sie sind laut der Papstwahlverordnung daran gehalten, nichts an den geltenden Gesetzen zu ändern. Sie müssen sich voll und ganz an die bis zu diesem Zeitpunkt gültige Gesetzordnung halten. Sie dürfen auch die bestehenden Gesetze nicht großzügig interpretieren. Das ist auch sinnvoll, weil wir sonst in eine chaotische Lage kämen.

Die Kardinäle treffen sich in der Sedisvakanz zu Generalkongregationen; dort machen sie sich ein Bild über den Zustand der Weltkirche und das Profil des zukünftigen Papstes. Wie sind diese Kardinalsversammlungen gestaltet?

In diesen Generalkongregationen wir viel behandelt, auch der Ablauf ist nicht statisch. Es können auch die über 80-jährigen Kardinäle daran teilnehmen, sie müssen aber nicht. Die Kardinäle sollen Fragen stellen und sich informieren. In erster Linie wird das Prozedere der Wahl besprochen, wann und wie sie stattfindet und ob man vielleicht etwas modifizieren muss. Es kann sich jeder zu Wort melden, und die Anliegen werden ernst genommen.

Die Sonderkongregationen sind hingegen jene Kardinalsversammlungen, die die weniger wichtigen, die technischen Dinge klären. Welche etwa?

Das sind Dinge, die ad hoc besprochen werden müssen. Woraus bestehen die Sonderkongregationen: Der Kardinalkämmerer mit drei Kardinälen aus den verschiedenen Rängen, also der Kardinalbischöfe, der Kardinalpriester und der Kardinaldiakone. Diese drei Kardinäle werden alle drei Tage neu gewählt, sodass ein ständiger Wechsel da ist. Sie behandeln so Kleinigkeiten wie: Was muss noch gedruckt werden, oder wann soll das und das gemacht werden, etwa mit den Briefmarken und Münzen der Sedisvakanz, eher ranguntergeordnete Angelegenheiten.

In welcher Form darf in der Sedisvakanz so etwas wie „Wahlwerbung“ stattfinden?

Wahlwerbung soll nicht stattfinden, sie ist eigentlich ausdrücklich verboten. Die Rechtsnormen sprechen davon, dass die Kardinäle sich untereinander informieren sollen. Aber das darf nicht ausarten in eine Werbekampagne und, was noch schlimmer wäre, in so genannte Wahlkapitulationen, also Wahlversprechen: Für den Fall, dass ich gewählt werde, erhältst du das und das. So etwas ist verboten und mit hohen Kirchenstrafen belegt. Aber es ist schwierig, die Grauzone zwischen Beratungen und einer gewissen Werbung und dem Eintreten für einen Kandidaten zu definieren.

Hauptfigur der Sedisvakanz ist der Kardinalkämmerer, diesmal Kardinal Tarcisio Bertone. Was sind die wichtigsten Aufgaben des Kardinalkämmerers?

Das wichtigste ist die Wahrung der zeitlichen Rechte und Belange der Kirche. Das betrifft das Finanzielle, den Schutz der Liegenschaften der Kirche. Das wird sehr deutlich in einem der ersten Akte, die der Kardinalkämmerer in seinem Amt setzt, indem er etwa vom apostolischen Palast im Vatikan und von den Palästen im Lateran und in Castelgandolfo Besitz ergreift. Das heißt, er nimmt diese Liegenschaften in Besitz, um sie zu schützen vor – was heute natürlich weniger passieren wird – vor Beschlagnahme oder Missbrauch. Auch hat er die Aufgabe der Versiegelung der Liegenschaften.

In früheren Jahrhunderten kam es offenbar manchmal zu tumultartigen Szenen nach dem Tod eines Papstes. Damit waren Plünderungen verbunden, gelegentlich auch durch Vatikanbedienstete…

Ja, das geht hin bis zu den höchsten Chargen und engsten Vertrauten. Es gibt ein berühmtes Beispiel. Als 1495 Papst Alexander VI., Rodrigo Borgia, starb, war einer der ersten, der sich noch am Totenbett des Papstes bediente, sein Zeremonienmeister, der einige Gewandstücke für sich reklamierte. Die Zustände nach Alexander VI. und nicht nur nach seinem Tod müssen gravierende gewesen sein. Der Leichnam des Papstes wurde derart beraubt, dass der Papst mehr oder weniger nackt auf der Totenbahre lag.

Ging es da wirklich um Bereicherung?

Nein, das ist natürlich wirklich ein mittelalterliches Verständnis, dass man der Meinung war, dass ein Toter kein Recht mehr auf seinen Besitz hatte. Es bediente sich so gut wie jeder, das reichte vom einfachen Soldaten bis hin zum Mitglied des Kardinalskollegiums.

Das zu verhindern, ist der Kardinalkämmerer da. Aber wer sorgte und sorgt denn physisch für die Sicherung der Sedisvakanz?

Wir haben sehr früh eine besondere militärische Charge, die das übernahm. Mit der Einführung des Konklave taucht eine Person auf, die man Konklavemarschall nannte, offizieller Titel: Marschall der Heiligen Römischen Kirche und Kustode des Konklaves. Das war ein Mitglied des römischen Adels, der diese Funktion nur in der Zeit der Sedisvakanz ausübte. Er konnte eigene Truppen ausheben, das waren bis zu 500 Mann starke Einheiten, die den Apostolischen Palast schützten und die auch über eine berittene schnelle Eingreiftruppe verfügten, um bei der Wahl des Papstes, wenn sein Name bekannt war, das Gebäude zu schützen, in dem der gewählte Kardinal residierte. Weil dann das Volk sofort auf den Palast zustürmte und alles an sich riss, was nicht niet- und nagelfest war. Wir kennen aus der Geschichte viele Beispiele, dass dann Gerüchte aus dem Konklave drangen, und dass eine ganze Reihe von Kardinälen große Einbußen an ihrem Besitz zu verzeichnen hatten. Es gab auch eindrucksvolle Szenen, zum Beispiel die Zugänge zum Vatikan waren stark gesichert. Die Brücken über den Tiber besaßen eigene Gitter, man kam praktisch nur über Sicherheitsschranken in die Nähe des Vatikans.

Vor dem Konklave gibt es alle möglichen Eide, die verschiedene Personengruppen ablegen müssen. Wer schwört wann welchen Eid auf Geheimhaltung aller Informationen, die das Konklave betreffen?

Wir haben zwei Abschnitte von Eiden: jene, die vor dem Eintritt ins Konklave, und jene, die zu Beginn der Wahlhandlung geleistet werden. Wir haben vor dem Konklave sofort wenn die Kardinäle zusammenkommen einen Eid, den die Kardinäle leisten müssen, indem sie sich verpflichten, die Rechtsnormen, besonders die Konstitution Universi Dominici Gregis zu beachten, und noch einige andere Versprechungen ablegen: der Geheimhaltung, dass sie sich nicht beeinflussen lassen von einer fremden Macht oder von Kreisen innerhalb der Kirche. Daneben gibt es eine Gruppe von Personen, die ins Konklave eintreten werden, die Geistlichen, die dort das Amt der Zeremoniare versehen oder der Beichtväter, das ganze Personal, jene, die die Sakristei betreuen, die für das leibliche Wohle sorgen wie Essen und medizinische Versorgung. Auch diese Personen leisten einen Eid. Dabei hat Papst Benedikt ganz am Ende seines Pontifikates durch ein Motu Proprio die Bestimmungen etwas verschärft: Wenn dieser Eid gebrochen wird, tritt die Tatstrafe der Exkommunikation ein. Sie braucht nicht einmal festgestellt zu werden, sondern sie tritt mit diesem Vergehen automatisch ein. Dann leisten die Kardinäle, wenn sie in die Sixtinische Kapelle eingezogen sind, einen weiteren Eid, indem sie alles nochmals bekräftigen und schwören, dass sie den wählen werden, den sie für würdig halten. Einen Teil dieses Eides werden sie noch jedes Mal bei der Stimmabgabe sprechen. Auch da rufen sie Christus noch einmal als Zeugen an, dass sie nur den wählen, von dem sie glauben, dass Gott ihn dazu berufen hat.

Die Tatstrafe der Exkommunikation, die Benedikt XVI. verfügt hat, trifft – bei Geheimnisverrat aus dem Konklave – ausschließlich das Personal, nicht die Kardinäle, ist das richtig?

Ja, denn beim Kardinal haben wir das Problem, dass man nicht weiß, wie seine Stimme zu zählen wäre, sollte er aufgrund dieses gebrochenen Eides sich selbst exkommuniziert haben. Man wollte diese Problematik draußen halten und hat diese Strafe auf die anderen Teilnehmer ausgerichtet. Das hat rein praktische Gründe, glaube ich, weil man nicht riskieren will, dass ein Mitglied der Wahlversammlung von einer schweren kanonischen Strafe betroffen ist und es heftige Debatten geben könnte, wenn etwa seine Stimme für die Wahl ausschlaggebend sein könnte.

Welche Strafen würden denn einen Kardinal treffen, der ein Wahlgeheimnis ausplaudert?

Das liegt im Ermessen des neuen Papstes. Er kann Strafen so verhängen, wie er es für richtig hält.

Bis hin zur Exkommunikation?

Das ist durchaus denkbar.

Nur ganz wenige Kurienchefs bleiben während der Sedisvakanz im Amt: Neben dem Kardinalkämmerer sind das die Stellvertreter des Papstes für das Bistum Rom und für den Petersdom, sowie der Leiter des Gnadengerichtshofes, der Apostolischen Pönitentiarie. Warum gerade diese?

Es sind vor allem die Ämter, die eine seelsorgerliche oder karitative Aufgabe haben. Auch der Almosengeber des Papstes bleibt im Amt. Es soll in der Zeit der Sedisvakanz den Gläubigen weder in der geistlichen noch materiellen Versorgung an irgendetwas fehlen.

Das Wappen des Heiligen Stuhles ändert sich in der Sedisvakanz. Da ist ein altmodischer Schirm zu sehen, etwa auch auf der Webseite des Heiligen Stuhles. Wofür steht dieser Schirm über den gekreuzten Schlüsseln?

Dieser Schirm ist ein uraltes Symbol, das auf vorchristliche Zeit zurückgeht und rund 2700 Jahre alt ist. Das war ein Würdezeichen der damaligen Potentaten vor allem im Bereich Mesopotamien, also im Zweistromland, das dem jeweiligen Herrscher vorangetragen oder über ihn gehalten wurde. Es ist eine verkleinerte Form des Baldachins. Über diesen Gebrauch ist er nach Ägypten zu den Pharaonen gekommen und dann nach Rom zu den Caesaren. Nach der konstantinischen Wende, also zu Beginn des 4. Jahrhunderts, übernahmen die Päpste ja viele kaiserliche Symbole, auch diesen Schirm. Er wurde als relativ weltliches Symbol verstanden, aber sehr früh auch jüdisch-christlich gedeutet. Im Judentum wurde es als die „Bundeshütte“ gedeutet. In den christlichen Texten als die Kirche – das Zelt Gottes unter den Menschen. Das wurde gemischt mit dem Herrschersymbol. Ein altes und sehr schönes Zeichen, dadurch, dass dieses schützende, aber auch bestimmte Rechte beanspruchende Symbol über den gekreuzten Schlüsseln Petri zu sehen ist. (rv)

Pressemitteilungen: Vorgezogener Konklavebeginn am 10. März?

Pater Lombardi PressekonferenzDerzeit tauchen Meldungen in den Medien auf, wonach es im Vatikan Stimmen gibt, den Beginn des Konklaves auf den 10. März vorzuziehen. Agenturen berufen sich hier auf eine Meldung der Nachrichtenagentur I.Media. Begründet wird dieses Vorziehen mit dem Beginn des Osterfestes Ende März.

Da bis zum 28. Februar die Katholische Kirche immer noch einen rechtmäßigen Papst hat, könnte Benedikt XVI. von sich aus eine Entscheidung zur Abänderung der Apostolischen Konstitution „Universi dominici gregis“ (UDG) erlassen und somit einen vorgezogenen Konklavebeginn auf eine kirchenrechtliche Basis stellen. Doch erscheint ein solches Vorhaben eher unwahrscheinlich. Somit kann eigentlich nur eine zweite Möglichkeit in Erwägung gezogen werden. Eine Entscheidung nach dem 28.Februar durch die Generalkongregation der Kardinäle. Doch welche Vollmachten hat diese Generalkongregation eigentlich? Und wer gehört zu dieser Generalkongregation?

Zur Generalkongregation gehören alle Kardinäle, die nicht rechtmäßig verhindert sind, sobald sie über die Vakanz des Apostolischen Stuhles unterrichtet wurden. Kardinäle über dem 80. Lebensjahr, können der Generalkongregation fern bleiben und müssen somit nicht zwangsläufig daran teilnehmen. Im Klartext – die Gesamtheit des Kardinalskollegiums kann die Generalkongregation bilden. Im Kapitell I der UDG sind die Vollmachten des Kardinalskollegiums während der Vakanz des Apostolischen Stuhles geregelt. Hier heißt es in Nr. 5: „Falls Zweifel über die in der vorliegenden Konstitution (UDG) enthaltenen Vorschriften oder über die Art und Weise ihrer Durchführung auftreten sollten, so verfüge ich förmlich, dass dem Kardinalskollegium alle Vollmacht zusteht, diesbezüglich ein Urteil zu fällen. Diesem erteile ich deswegen die Erlaubnis, die zweifelhaften oder strittigen Punkte zu interpretieren, wobei ich bestimme, dass es bei den Beratungen über diese und andere ähnliche Fragen, mit Ausnahme des Aktes der Papstwahl selber, genügt, dass die Mehrheit der versammelten Kardinäle zur gleichen Auffassung kommt.“

Ferner ergänzt Nr. 6: “Ebenso soll das Kardinalskollegium, wenn ein Problem vorliegen sollte, das nach Auffassung der Mehrheit der versammelten Kardinäle nicht auf einen späteren Zeitpunkt verschoben werden kann, nach Ansicht der Mehrheit Verfügungen treffen.“

Die genannten Vollmachten der Generalkongregation sind eindeutig und klar umrissen. Die Nachrichtenagentur I.Media scheint sich aber genau auf diese Vollmachten zu beziehen, wenn sie den Konklavebeginn auf den 10. März vordatiert. Doch sollte man zu erst den „Normalfall“ und nicht die „Ausnahme“ bei der Terminierung des Konklavebeginns beachten. Der Konklavebeginn ist klar in der Nr. 37 der UDG festgelegt:

„Ferner bestimme ich, dass die anwesenden wahlberechtigten Kardinäle nach Eintritt der rechtmäßigen Vakanz des Apostolischen Stuhles fünfzehn volle Tage auf die Abwesenden warten müssen; allerdings überlasse ich es dem Kardinalskollegium, den Beginn der Wahl, wenn schwerwiegende Gründe vorhanden sind, noch um einige Tage hinauszuschieben. Doch nach Ablauf von höchstens zwanzig Tagen nach Beginn der Sedisvakanz sind alle anwesenden wahlberechtigten Kardinäle gehalten, sich zur Wahl zu begeben.“

Diese Vorgehensweise wird nochmals in der Nr. 49 der UDG ergänzt:

Nachdem die Trauerfeierlichkeiten für den verstorbenen Papst vorschriftsmäßig gehalten worden sind und alles vorbereitet worden ist, was zum geordneten Ablauf der Wahl notwendig ist, versammeln sich am festgesetzten Tag — also am 15. Tag nach dem Tode des Papstes, oder, gemäß der Verfügung in Nr. 37 dieser Konstitution, nicht später als am 20. Tag — die wahlberechtigten Kardinäle in der Petersbasilika im Vatikan oder, je nach der Gegebenheit und den Anforderungen der Zeit und des Ortes, an einem anderen Ort, um an einer feierlichen Eucharistie mit der Votivmesse Pro eligendo Papa (19) teilzunehmen. Das soll möglicherweise zu geeigneter Stunde am Vormittag geschehen, damit am Nachmittag all das stattfinden kann, was in den folgenden Nummern dieser Konstitution vorgeschrieben ist.“

Spitzfindige Zeitgenossen könnten jetzt natürlich auf die Idee kommen, da die Sedisvakanz nicht wie über Jahrhunderte üblich, durch den Tot eines Papstes sondern den Amtsverzicht von Papst Benedikt XVI. eingetreten ist, die Wartezeit von 15. Tagen zu verkürzen. Eine Bestattungszeit bzw. Trauerfeierlichkeiten sind ja nicht zu berücksichtigen und die Zeitspanne zur Anreise der Konklavekardinäle ist lang genug.

Auch für diesen Fall hat die UDG unmissverständlich vorgesorgt und besagt in Nr. 77:

Ich bestimme, dass die Anordnungen, die all das betreffen, was der Wahl des Papstes vorausgeht, sowie deren Ablauf selbst, auch dann gänzlich zu beachten sind, wenn die Vakanz des Apostolischen Stuhles durch den Amtsverzicht des Papstes gemäß can. 332, § 2 des Kodex des kanonischen Rechtes und can. 44, § 2 des Kodex der Kanones der Orientalischen Kirchen erfolgen sollte.

Auch hier ist die Vorgabe klar und eindeutig. Sollte die Verantwortlichen im Vatikan tatsächlich den Konklavebeginn vor den 15. Tag der Sedisvakanz vorverlegen, könnte das sicherlich fatale Folgen haben. Kritiker könnten sich auf die Nr. 76 der UDG berufen:

Wenn eine Wahl in Abweichung von der in dieser Konstitution vorgeschriebenen Form oder unter Nichteinhaltung der von ihr festgesetzten Bedingungen erfolgt sein sollte, ist sie aus diesem selben Grund nichtig und ungültig, ohne dass es einer diesbezüglichen Erklärung bedarf und die Wahl deshalb dem Gewählten keinerlei Rechtsanspruch gibt.

Dem Vatikan muss daran gelegen sein, eine nach kanonischem Recht, gültige Papstwahl durchzuführen. Alles andere ist Unsinn. Auch wenn der Pressesprecher des Heiligen Stuhls, Pater Lombardi, am heutigen Tag den Konklavebeginn vor dem 15. März für möglich hält. Seine Aussage ist mit dem Kirchenrecht nicht vereinbar. (vh)

Der Papstrücktritt aus kirchenrechtlicher Sicht

Benedikt XVI. hat als erster Papst in der neueren Kirchengeschichte von seinem Recht zurückzutreten Gebrauch gemacht. Das Kirchenrecht kennt diesen Schritt, und dennoch bleiben einige Fragen offen, etwa, welchen Status eigentlich ein zurückgetretener Papst in der Kirche hat. Dazu Pater Markus Graulich, Kirchenrechtler und Richter an der römischen Rota:

„Ich denke, er ist der zurückgetretene Papst, der emeritierte Bischof von Rom, aber wie tritt er noch auf? Das ist ungeklärt. Ich wurde gestern etwa gefragt: Bleibt er unfehlbar? Das bleibt er nicht, denn das ist eine Sache, die nicht an die Person gebunden ist, sondern an das Amt; das Amt hat er nicht mehr inne, und so hat er auch nicht mehr dieses Charisma, diese Geistesgabe.“

Bis zum 28. Februar, gut zwei Wochen noch, bleibt Benedikt im Amt. Es handelt sich dabei nicht um eine Art vorgezogene Sedisvakanz, erklärt Graulich.

„Der Papst könnte jetzt beispielsweise noch seine Enzyklika über den Glauben veröffentlichen, die ja, wie man hört, bereits fertig ist. Er wird bestimmt noch Ernennungen vornehmen, gestern ist ja auch eine erfolgt; er kann alle Akte des Pontifikates noch setzen, er wird natürlich noch die Exerzitien machen wie sie vorgesehen waren, da fällt eine Woche weg, aber: Er ist bis 28. Februar 20 Uhr, warum auch immer 20 Uhr, im Amt.“

Das größte Risiko im Fall eines Papstrücktritts ist eine mögliche Kirchenspaltung. Papst Paul VI., erinnert sich Graulich, fürchtete eine solche im Fall eines eventuellen Rücktritts und hätte aus diesem Grund sein Amt nur im alleräußersten Notfall niedergelegt.

„Natürlich ist es eine Frage, wie Papst Benedikt das gestalten wird und wie zurückgezogen er leben wird. Es funktioniert ja auch in den Diözesen, wo man akzeptiert, dass ein Altbischof hin und wieder einmal zu sehen ist, aber sich nicht einmischt. Ich könnte mir vorstellen, dass der Papst sich noch radikaler zurückzieht, dass er gar nicht mehr auftreten wird. Rechtlich ist es kein Problem, die Probleme sind eher emotionaler und nichtrationaler Natur. Es kommt auch darauf an, wie der Abschied gestaltet wird, ob es da noch eine Feier geben wird. Es könnte eine liturgische Feier geben, wo er die Insignien, die bei der Amtsübernahme überreicht wurden, auf den Altar legt und dann einfach weggeht. Es wird irgendeine Form noch geben müssen, die uns auch optisch verstehen lässt: Er ist jetzt nicht mehr Papst.“

Eigene kirchenrechtliche Verordnungen, um der Gefahr der Spaltung vorzubeugen, braucht es aus Graulichs Sicht aber nicht,

„weil sowohl das Kirchenrecht diesen Schritt in der Weise, wie er geschah, vorsieht: also frei und ungezwungen. Genauso sieht die Wahlkonstitution ,Universi Dominici Gregis‘ die Vakanz des Apostolischen Stuhles durch den Tod des Papstes oder seinen Rücktritt vor; jeder, der vernünftig denken kann, muss das hinnehmen und muss diesen Schritt akzeptieren, sosehr der Schritt zu bedauern ist.“

Mit seiner Entscheidung zum Rücktritt hat Papst Benedikt nach Graulichs Ansicht eine Bresche geschlagen: Jeder Papst, der nach ihm kommt, kann sich auf Benedikts Rücktritt berufen. Das hat Auswirkungen nicht nur auf das kommende Konklave, sondern auch auf alle zukünftigen, glaubt der Kirchenrechtler.

„Die Kardinäle können auch einen jüngeren zum Papst wählen und müssen nicht denken, den haben wir jetzt 30 Jahre. sondern der kann dann mit 75 oder mit 80 sagen, gut, jetzt ist es genug, nun lässt du, Herr, deinen Knecht in Frieden scheiden; er hat immer diesen Präzedenzfall der jüngeren Geschichte. Für einen Nachfolger hat er damit vieles leichter gemacht.“

Dass dadurch geradezu ein Druck auf alle folgenden Päpste entsteht, das Amt aus allerlei möglichen Gründen zurückzulegen, glaubt Graulich nicht.

„Ich denke, das ist in der heutigen Gesellschaft ein normaler Prozess, dass Menschen von ihren Ämtern zurücktreten.“ (rv)