Kardinal Ravasi: „Kurie braucht jetzt Exerzitien als Freiraum für Gott“

RavasiAn diesem Sonntag Abend beginnen im Vatikan die jährlichen Fastenexerzitien. In diesem Jahr predigt Kardinal Gianfranco Ravasi, Präsident des Päpstlichen Kulturrats und Bibelwissenschaftler. Es geht um die Psalmen; drei mal täglich kommen Benedikt XVI. und seine engsten Mitarbeiter zu den Meditationen in der Kapelle Redemptoris Mater im Apostolischen Palast zusammen. Alle öffentlichen Termine sind wie gewohnt abgesagt, auch die Generalaudienz findet nicht statt. Durch den Amtsverzicht des Papstes erhalten die Exerzitien in diesem Jahr wohl einen ganz besonderen Charakter. Das bestätigt im Gespräch mit Radio Vatikan Kardinal Ravasi:

„Ich muss sagen, dass sich die erste Aufregung wegen des Amtsverzichts inzwischen gelegt hat aus mindestens zwei Gründen: Zum einen hat der Papst selber an diesen Exerzitien festgehalten, als eine Art ruhige Oase nach diesem Mediensturm, den sein Schritt verursacht hat. Von daher wird dies ein Moment des Ruhe sein. Auf der anderen Seite sind die Exerzitien immer auch ein familiäres Erlebnis gewesen, denn es sind die Menschen da, die den Alltag der Kurie prägen und damit den Alltag des Papstes. Es ist ein Geschehen sozusagen im inneren Kreis, das wichtig ist für die Kirche, die sich in einer Phase der Stille und Reflektion befindet. Vielleicht haben wir hier, die wir die engsten Mitarbeiter des Papstes sind, niemals mehr als gerade jetzt einen solchen Freiraum nötig, eine Leerstelle sozusagen, und wo man alleine stehen kann vor seinem Gewissen und vor Gott.“

Das Thema der Exerzitien lautet: „Ars orandi, ars credendi. Das Antlitz Gottes und das Amtlitz des Menschen im Psalmengebet.“ (rv)

Kardinal Turkson: Die „Macht“ der Kirche liegt im Dienen

Kardinal TurksonAls Benedikt XVI. den aus Ghana stammenden Kardinal Peter Turkson 2009 zu seinem „Friedensminister“ ernennt, wurde dies aufmerksam registriert. Turkson ist nicht der erste Schwarzafrikaner mit einem wichtigen Kurienamt. Doch der Leiter des „Päpstlichen Rats für Gerechtigkeit und Frieden“ hat im Vatikan eine Schlüsselfunktion im Gespräch mit der Gesellschaft. P. Max Cappabianca OP hatte jüngst Gelegenheit zu einem Interview mit dem Kardinal und früheren Erzbischof von Cape Coast in Ghana. Dabei betonte Turkson, dass die Kirche den Armen zu dienen habe:

„Als ich 2003 zum Kardinal ernannt wurde, die letzte Gruppe unter Johannes Paul II., haben deutsche Journalisten ein Interview mit geführt. Sie wollten es nennen „In den Fluren der Macht“. Damals habe ich gesagt: Dass wir uns nicht falsch verstehen: Für mich heißt Macht, die Fähigkeit zu dienen. Je mehr jemand zum Dienen in der Lage ist, desto „mächtiger“ ist er. Das scheint eigenartig, aber es ist wirklich so. Woher kommt die Macht Jesu? Er war mächtig, nicht weil er andere zu etwas hätte zwingen können, sondern weil er diente. Schon immer ist die Kirche vor allem von den armen Menschen unterstützt worden. Und deswegen ist die Grundlage der „Macht“ der Kirche die Nachfolge der einfachen und armen Menschen, denen die Kirche zu dienen hat. Das ist eine Erfahrung, die ich gemacht habe, als ich in Ghana war und das hat mich immer geleitet.“

Vom Fach her ist Turkson Bibelwissenschaftler. Da wird er schon mal leidenschaftlich, wenn es um die Predigt Jesu in der Synagoge von Nazaret geht als dieser die Worte des Propheten Jesaja auf sich: „Er hat mich gesandt, damit ich den Armen eine gute Nachricht bringe; damit ich den Gefangenen die Entlassung verkünde und den Blinden das Augenlicht; damit ich die Zerschlagenen in Freiheit setze.“ Könnte man diese Worte als eine Regierungserklärung Jesu verstehen?

Regierungsprogramm Jesu?

Turkson zögert. Hier von einem „politischen Programm“ Jesu zu sprechen, sei irreführend. Es gehe vielmehr um seinen Anspruch als Sohn Gottes, in dem ein „anthropologisches Programm“ steckt: Der Mensch wird durch und mit Jesus aus dem Exil der Sünde geführt, zurück in die Freundschaft und Nähe Gottes. Nur – was heißt Sünde? Eher sprechen Menschen doch von Missständen wie Krieg, Hunger, Ausbeutung und Ungerechtigkeit. Ja, kontert Turkson, aber in den heutigen Krisen wird doch viel über Auswirkungen, aber wenig über Ursachen nachgedacht. Deswegen sei es seine wichtigste Aufgabe: die Krisen der globalisierten Gesellschaft im Licht des theologischen Menschenbildes zu lesen: Inwieweit kann die „Gottfähigkeit“ des Menschen ethisch fruchtbar gemacht werden?

„Alles Handeln hat eine Bedeutung für Gott“

Dies etwa war ein wichtiges Thema bei einer Tagung zur Finanzkrise im Jahr 2011 im Vatikan: Warum sind Menschen habgierig? Warum handeln sie verantwortungslos? „Es reicht nicht, nur über die Symptome zu sprechen, ohne die Ursachen in den Blick zu nehmen“, sagt Turkson. Stolz ist der Kardinal über die jüngste Veröffentlichung seines Büros: „Zum Unternehmer berufen! Eine Ermutigung für Führungskräfte in der Wirtschaft“ ist der Titel der Schrift, erarbeitet mit dem Bund Katholischer Unternehmer in Deutschland. „Berufung“ ist ein Schlüsselbegriff dieses Textes. Turkson: „Alles menschliche Handeln, auch das unternehmerische, hat eine Bedeutung für Gott. Deswegen muss man auch bei Führungskräften in der Wirtschaft von Berufung sprechen: Sie verantworten ihr Tun und werden zugleich von Gott dazu befähigt und bestärkt, an einer besseren Welt mitzubauen!“

Kardinal Turkson setzt bei dem an, was Menschen zunächst gut können. Deswegen geht es seiner Ansicht nach darum, die Sorgen und Nöte der Menschen zu teilen, so wie es die Pastoralkonstitution des Zweiten Vatikanischen Konzils sagt: „Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Menschen von heute, besonders der Armen und Bedrängten aller Art, sind auch Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Jünger Christi.“

Werten des Evangeliums Gehör verschaffen

Dass diese Fragen im Vatikan nicht theoretisch bleiben, dafür sorgt der Kardinal. Schließlich war er 17 Jahre lang Erzbischof von Cape Coast. Das westafrikanische Ghana ist ein junges, dynamisches Land, das aber unter wirtschaftlicher Ungerechtigkeit zu leiden hat. Traditionell leben die Menschen von der Landwirtschaft, von der Fischerei oder dem Anbau von Kakao. Doch die Goldvorkommen in dem Land interessieren ausländische Konzerne. Einige wenige Einheimische erzielen durch den Abbau von Gold einen kurzfristigen Profit. Doch durch Zerstörung der Kakaoplantagen wird den Menschen dauerhaft die Existenzgrundlage entzogen.

Probleme der Globalisierung

Aber auch andere globale Probleme beschäftigen den Kirchenmann Tag für Tag. Ein wichtiges Thema in vielen Schwellenländern sei etwa der ökologische Raubbau zur Gewinnung von Biodiesel, berichtet er. Riesige Landflächen würden Kleinbauern weggenommen oder für lächerlich wenig Geld aufgekauft, ohne dass die Menschen vor Ort etwas davon hätten. Als weiteres Beispiel nennt Kardinal Turkson den Klimawandel und das Ansteigen der Meeresspiegel; die Bischöfe aus asiatischen Ländern und dem Pazifik seien darüber sehr besorgt. In vielen Ländern geschehe zu wenig, um Ungerechtigkeit, Raubbau, Klimawandel und andere Probleme zu lösen. Immerhin: Überall vor Ort seien Priester, Laien und Bischöfe engagiert und suchten das Gespräch mit Politikern und Unternehmern, um den Werten des Evangeliums Gehör zu verschaffen.

Sich von Jesus an die Hand nehmen lassen

Jedem, der an den Ungerechtigkeiten der Welt oder der Unzulänglichkeit seiner Kirche leidet, verrät der Kardinal seine eigene Strategie: Jesus vertrauen und sich von ihm an die Hand nehmen lassen, wie Petrus, der über das Wasser geht und aus Angst unterzugehen droht! Oder, mit einem Beispiel aus der Tierwelt: sich nicht bewegen wie eine Schildkröte, die den Kopf nach unten hält und beim kleinsten Hindernis anstößt und hängenbleibt. Sondern aufrecht stehen wie ein Pinguin, der den Kopf nach vorne ausstreckt, um weiter zu sehen und weiter zu gehen. Immerhin geht es doch um gute Nachrichten, um Heilung und um Freiheit. (rv)

Vatikan: Papst Benedikt XVI. nach Castel Gandolfo

Mater_EcclesiaeWie aus dem Vatikan am Samstag verlautet, wird Papst Benedikt XVI. am letzten Tag seines Pontifikats, Donnerstag den 28. Februar 2013, gegen 17.00 Uhr mit einem Hubschrauber in die Sommerresidenz Castel Gandolfo fliegen. Hier wird er für etwa zwei Monate bleiben. In dieser Zeitspanne soll seine künftige Wohnung in den Mauern der Vatikanstadt fertiggestellt sein und der ehemalige Bischof von Rom, Joseph Ratzinger, wird hier in das Kloster „Mater Ecclesiae“ (Bild) einziehen. (vh)

Angelus: „Danke für euer Gebet in diesen für mich schwierigen Tagen“

Bene_Angelus_170213Über 50.000 Menschen sind an diesem Sonntag zum vorletzten Angelusgebet mit Papst Benedikt XVI. auf den Petersplatz in Rom geströmt. „Danke, dass ihr so zahlreich gekommen seid! Auch das ist ein Zeitchen der Zuneigung geistigen Verbundenheit, dass ihr mit in diesen Tagen erweist“, sagte Benedikt vor der Menschenmenge, die ihn mit langem Applaus und „Viva-il-papa-Rufen“ begrüsste.
In seiner Kurzkatechese ging der scheidende Papst auf das Sonntagsevangelium von den Versuchungen Jesu in der Wüste ein. In ihnen zeige sich die Gefahr der Instrumentalisierung Gottes für unsere eigenen Zwecke. Gott werde zweitrangig und zähle nicht mehr, wenn man nur vermeintlich gute Ziele anstrebe. Er forderte mit Bezug auf die Kirchenväter dazu auf, – an der Seite Christi – gegen die Versuchungen zu kämpfen, um Gott wieder neu in die Mitte des Lebens zu stellen.

„Als Jesus sein öffentliches Wirken begann, musste er die falschen Bilder vom Messias entlarven und zurückweisen, die der Versucher ihm zeigte. Aber diese Versuchungen sind auch falsche Bilder des Menschen, die zu jeder Zeit das Gewissen bedrohen, indem sie sich als sinnvolle und wirksame, sogar gute Vorschläge verkleiden. Die Evangelisten Matthäus und Lukas sprechen von drei Versuchungen Jesu und unterscheiden sich nur in der Reihenfolge.
Ihr innerster Kern besteht immer in der Instrumentalisierung Gottes für die eigenen Zwecke, indem dem Erfolg oder materiellen Gütern eine höhere Bedeutung geschenkt wird. Der Versucher ist hinterlistig: Er drängt nicht direkt zum Bösen, sondern zu einem falschen Gut, und lässt einen glauben, dass die Macht und die Bedürfnisbefriedigung die eigentliche Wirklichkeit seien. Auf diese Weise wird Gott zweitrangig, wird zu einem Mittel zum Zweck reduziert und wird tatsächlich irreal, er zählt nicht mehr, verschwindet. Letztlich geht es bei den Versuchungen um den Glauben, denn es geht um Gott. In den entscheidenden Momenten des Lebens, aber eigentlich jederzeit, stehen wir vor dem Scheideweg: Wollen wir dem Ich folgen oder Gott? Den individuellen Interessen oder dem wahren Gut, dem was wirklich gut ist?“

Benedikt XVI. nahm auch an diesem Sonntag wieder Bezug auf die Kirchenväter:

„Wie uns die Kirchenväter lehren, sind die Versuchungen Teil der „Herabkunft“ Jesu in unsere menschliche Verfasstheit, in den Abgrund der Sünde und seiner Folgen. Eine „Herabkunft“, die Jesus bis zum Ende vollzogen hat, bis zum Tod am Kreuz und in die Hölle extremer Gottferne. So ist er die Hand, die Gott den Menschen entgegenstreckt, und dem verlorenen Schaf, um es zu retten.
Der heilige Augustinus lehrt: Jesus hat von uns die Versuchungen genommen, um uns seinen Sieg zu geben. Wir brauchen also keine Angst haben, gegen den Geist des Bösen zu kämpfen. Wichtig ist, dass wir es mit Ihm machen, mit Christus, dem Sieger.
Und um mit ihm vereint zu sein, wenden wir uns an die Mutter Maria: Rufen wir sie an mit kindlichem Vertrauen in der Stunde der Versuchung, und sie wird uns die machtvolle Gegenwart ihres göttlichen Sohnes spüren lassen, um die Versuchungen mit dem Wort Christi abzuwehren, und um so Gott wieder in die Mitte unseres Lebens zu stellen.“

In seiner Muttersprache sagte der Papst:

„Von Herzen heiße ich alle deutschsprachigen Pilger willkommen. Die Lesungen und das Evangelium des heutigen Sonntags stellen uns vor Augen, dass der Mensch sich oft unwürdig und bedürftig empfindet, wenn er Gott gegenübersteht, und er ist es ja auch. Aber der Herr kommt dem Sünder entgegen und erneuert ihn. Suchen wir immer wieder die Begegnung mit Christus, aus der wir Nahrung und Orientierung für unsere Aufgaben in der Welt schöpfen können.
Ich danke euch vor allem für die zahlreichen Beweise eurer Verbundenheit und für euer Gebet in diesen für mich schwierigen Tagen. Ich bitte euch, mir und der Römischen Kurie besonders in der heute beginnenden Woche nahe zu sein, während wir unsere alljährlichen Exerzitien halten. Der Heilige Geist begleite uns alle auf unserem geistlichen Weg in der Fastenzeit.“

Bei dem Gebet war auch eine offizielle Abordnung der Stadt Rom präsent mit Bürgermeister Alemanno an der Spitze, und dem offiziellen „Banner“ der Kapitale. Benedikt verabschiedete sich mit herzlichen Worten von seiner „geliebten Stadt Rom“. (rv)