In der Engelsburg: die Tränen des Petrus

EngelsburgDen Ort dieser Ausstellung kennt jeder: Es ist die Engelsburg gleich am Tiber. Wo sich einst sieben römische Kaiser begraben ließen, wo Päpste tafelten und Gefangene im Kerker saßen, da hat ein Dorfpfarrer aus dem italienischen Nordosten auf Initiative des Päpstlichen Rates für Neuevangelisierung etwa vierzig Bilder zusammengetragen. Ihr Thema: Petrus. Der Jünger Jesu, der nicht weit von hier gekreuzigt wurde, etwa hundert Jahre vor diesem Bau.

„Wir dachten, es wäre doch das Beste, im Jahr des Glaubens keine abstrakte Definition zu geben, sondern einfach mal zu erzählen, was Glauben ist.“ Das sagt Don Alessio Geretti, der in seinem 360-Seelen-Dörfchen in Venetisch-Friaul schon viele theologisch durchwirkte Kunstausstellungen organisiert hat. Was Glauben heißt, wird hier also durchexerzitiert am Beispiel des Petrus: Ikonen, Fresken, Gemälde aus etwa tausend Jahren Kunstgeschichte. Einige Szenen sind bekannt: Petrus verleugnet Jesus, Petrus in Haft. Andere sind ungewöhnlich. „Ich glaube, dieses Gebet Jesu im Garten Getsemani ist eines der Bilder, vor dem man am längsten stehen kann. Es ist von Marcello Venusti, einem Schüler des Michelangelo, und zeigt den Moment, in dem Jesus den Petrus weckt. Sowas ist äußerst selten dargestellt worden.“ Besonders nachdenklich macht allerdings ein Ölgemälde des Guercino von etwa 1650: Die Tränen des Petrus. Der alte Apostel sitzt, mit grauem Bart und nacktem Oberkörper, an einem Tisch, blickt erschöpft gen Himmel und wischt sich mit einem Taschentuch Tränen aus den Augen. „Bewegend, anrührend“, sagt Don Alessio. „Und dann das schönste Morgengrauen der Kunstgeschichte: ein Gemälde von Eugène Burnand. Petrus und Johannes rennen zum leeren Grab Jesu, am Morgen der Auferstehung.“ Das Gemälde stammt vom Ende des 19. Jahrhunderts, es kommt aus einem Pariser Museum. Überhaupt hat der Pfarrer viele Leihgaben auch aus dem Ausland an Land gezogen, auch aus Rußland, der Schweiz, Großbritannien. Eine barocke Darstellung des Petrus im Kerker kommt aus der Gemäldegalerie von Berlin.

„Die Ausstellung soll einmal keinem Vergleich zwischen verschiedenen Kunststilen dienen, sondern sie soll Momente aus dem Leben des Petrus zeigen – und damit die verschiedenen Facetten, die der Glaube hat.“ Glaube wird nicht definiert und nicht erklärt, und trotzdem ist er hier, wie Don Alessio formuliert, „der einzige Akteur auf der Bühne“. Simon, der jüdische Name des Petrus, bedeute: der Hörende, der Jünger. In seinem ersten Namen war schon sein ganzes Schicksal vorweggenommen, sagt der Kunstpfarrer. „Wir wollen die Besucher dieser Ausstellung an die Hand nehmen, damit sie wirklich eintreten können in einzelne Szenen dieses Lebens. Darum gibt es außer den Gemälden auch Hintergrundmusik, ein Spiel mit Licht und Schatten, eine richtiggehende Dramaturgie: alles, um den Betrachter in eine große Geschichte zu verwickeln.“

Ein ungewöhnliches Ausstellungskonzept, aber es geht auf. Auch deswegen, weil die Engelsburg eine Oase darstellt im lärmigen Rom. Wer die lange Rampe aus antiker Zeit hinaufgestiegen ist, die sich durch den Hadriansbau windet und in der es noch nicht mal mehr Handy-Empfang gibt, der kommt an einen Ort der Ruhe, des Nachdenkens. Hier kann man diese vielen verschiedenen Petrusbilder auf sich wirken lassen. „Und zum Schluß laden wir den Besucher ein, auf die Loggia der Engelsburg hinauszutreten und hinüberzusehen zur Petersbasilika. Und daran denken, dass dort der Weg des Petrus ans Ende kam und gewissermaßen wieder neu angefangen hat.“

Die Ausstellung zum Glaubensjahr in der Engelsburg heißt: „Der Weg des Petrus“. Sie ist ab diesem Donnerstag für Besucher zugänglich und endet am 1. Mai. (rv)

Vatikan: Beim Vorgehen gegen Missbrauch geht „Null-Toleranz-Politik“ weiter

VatikanBeim Vorgehen gegen sexuellen Missbrauch durch Kleriker will der Vatikan seine „Null-Toleranz-Politik“ fortführen; die Sorge um die Opfer soll dabei weiter im Zentrum stehen. Das hat der neue vatikanische Missbrauchsbeauftragte Robert Oliver am Dienstagabend bei einer Konferenz in der Vatikan: Beim Vorgehen gegen Missbrauch geht „Null-Toleranz-Politik“ weiterin Rom unterstrichen. Der US-Amerikaner war vom Papst am 20. Dezember als Nachfolger von Charles Scicluna, dem „Anwalt der Gerechtigkeit“ in der römischen Glaubenskongregation, eingesetzt worden. Auf der Konferenz wurden die Akten des großen Missbrauchssymposiums vorgestellt , auf dem sich im Februar 2012 Vertreter fast aller Bischofskonferenzen der Weltkirche über Prävention und Folgen von sexuellem Missbrauch durch Kleriker austauschten.

Der Vatikan behandle jährlich etwa 600 Missbrauchsvorwürfe, gab Oliver an. Die Tendenz sei rückläufig, die meisten Fälle bezögen sich auf den Zeitraum 60er bis 80er Jahre. Der bisherige Höhepunkt sei mit 800 neuen Vorwürfen im Jahr 2004 erreicht worden, so der Kirchenanwalt. In den vergangenen drei Jahren sei die Zahl auf 600 pro Jahr zurückgegangen. Oliver lobte die internationale Missbrauchskonferenz von 2012 als wegweisend, was die Aufklärung und die Sensibilisierung für das Thema betrifft:

„Ein großes Problem war schon immer, dass man bei Vorwürfen zuerst alles verneint und zurückdrängt. Deshalb wurde mit der Konferenz von 2012 an der Gregoriana große Arbeit geleistet, weil man das Missbrauchsproblem direkt ansprach. Denn die beste Prävention besteht darin, das Problem von vornherein zu kennen bzw. zu wissen, wie es zu Missbrauch kommen könnte. Wichtig war und ist, dass alle Kirchenmitarbeiter – egal in welcher hierarchischen Position – davon Kenntnis haben.“

Eine Herausforderung für den Kampf der katholischen Weltkirche gegen Kindesmissbrauch in den eigenen Reihen sind nicht nur kulturelle Unterschiede – so ist sexueller Missbrauch in asiatischen Gesellschaften zum Beispiel weitgehend ein Tabu -, sondern auch Unterschiede in den jeweiligen Gesetzgebungen der einzelnen Länder. So gibt es in Italien und Deutschland zum Beispiel keine Anzeigepflicht, in Frankreich aber schon. Ebenso muss noch geklärt werden, wie sich die Zusammenarbeit der Kirchen und der staatlichen Behörden am besten verzahnen kann, um Missbrauch tatsächlich effektiv zu ahnden und überhaupt zu verhindern. Dazu Oliver:

„Jeder Kulturkreis hat eine andere Art, mit Missbrauch umzugehen. Es ist aber wichtig, dass wir uns regelmäßig treffen und eine internationale Konferenz durchführen. Denn wir können durchaus viel voneinander lernen. Wichtig ist immer, dass die Würde der Kinder gewahrt wird.“

In der Tat werde für die katholische Kirche die Betreuung der Opfer von Missbrauch „an oberster Stelle“ stehen, versicherte der neue „Anwalt der Gerechtigkeit“.

Vor genau einer Woche hatten der Direktor des Münchner Zentrums für Kinderschutz, Hubert Liebhardt, sowie der Leiter des Psychologischen Instituts an der Gregoriana, Jesuitenpater Hans Zollner, dem Papst die deutsche Ausgabe der Akten des letztjährigen Symposiums übergeben. Im Gespräch mit Radio Vatikan sagte Zollner, der einer der Hauptorganisatoren der aktuellen Missbrauchskonferenz ist:

„Für uns war die Reaktion des Papstes sehr erfreulich und herzlich. Wir haben gemerkt, dass der Heilige Vater auf dieses Thema eingegangen ist und dass er auch derjenige war, der dieses Thema als erster – nämlich als Präfekt der Glaubenskongregation – weiter verfolgt hat. Er hat sich lange vor irgendjemand anderem in der Kirche und auch in der Gesellschaft, vor über 15 Jahren, des Themas angenommen.“

Zwischenbericht zur E-Learning-Plattform
Die zweite internationale Missbrauchskonferenz an der Gregoriana findet noch bis Freitag hinter verschlossenen Türen statt. Dort sollen unter anderem die Ergebnisse des Münchner Kinderschutzzentrums „Centre for Child Protection“ vorgestellt werden. In der Einrichtung wird in Zusammenarbeit mit dem Psychologischen Institut der Gregoriana und der Kinderpsychologischen Abteilung der Uniklinik Ulm ein E-Learning-Programm zur Missbrauchsprävention entwickelt. Das Programm schult Mitarbeiter im kirchlichen Raum in Prävention und im Umgang mit sexuellem Missbrauch und wird künftig in acht Ländern auf vier Kontinenten erprobt. Außer Deutschland und Italien sind diese Argentinien, Ecuador, Ghana, Kenia, Indien und Indonesien. (rv)