Der Papstbrief ist eine gutgemeinter Anfang

Ein Gastkommentar zum Brief des Pontifex über die Missbrauch- und Vertuschungskrise der Kirche.

Mit einem Brief an alle Katholiken hat Papst Franziskus auf die Krise reagiert, die Missbrauch- und Vertuschungsskandale sowie weiteres Fehlverhalten von Priestern, Bischöfen und Kardinälen ausgelöst haben.

CNA Deutsch veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung des Portals „kath.net“ den Kommentar von Petra Lorleberg.

Das Wort „Bischof“ kommt im „Schreiben von Papst Franziskus an das Volk Gottes“ zum Thema innerkirchlicher Missbrauch vom 20.8.2018 nicht vor. Das Wort „Kardinal“ kommt zweimal vor (einmal wird „Kardinal Ratzinger“ mit der Karfreitagsmeditation 2005 erwähnt, ein weiteres Mal wird in einer Fußnote ein Schreiben an einen Kardinal als Quelle genannt). Das Wort „Priester“ kommt viermal vor. Das zentrale Wort zur Beschreibung von Tätern und von stärker Tatverdächtigen ist „Kleriker“.

Eine suboptimale Terminologie, denn es handelt sich nicht zuletzt um einen Bischofs- und Kardinalsskandal. In Chile sind bisher fünf Ortsbischöfe wegen des kirchlichen Missbrauchsskandals zurückgetreten, weitere Rücktritte scheinen nicht unwahrscheinlich. Gegen zwei chilenische Kardinäle laufen starke polizeiliche Ermittlungen. Die Büros der chilenischen Bischofskonferenz wurden in einer Razzia durchsucht. Im US-Bundesstaat Pennsylvania stehen in sechs von acht Diözesen rund 300 Kleriker und Ordensleute namentlich unter Verdacht, außerdem sind klare Vertuschungsstrukturen zu erkennen. Kardinal Theodore Kardinal McCarrick, emeritierter Erzbischof von Washington D.C., wurde vom Vatikan Mitte Juni 2018 gemaßregelt und darf sein Amt nicht länger öffentlich ausüben. Gegen ihn liegen Behauptungen vor, dass er in größerem Umfang Seminaristen in sein Bett geholt habe und ihnen dann leichteren Zugang zu kirchlichen Karrieremöglichkeiten verschafft habe. Ein Aufbau eines entsprechenden Netzwerkes durch Opfer, die dann Nutznießer wurden, ist nicht völlig auszuschließen.

Auch bezüglich der Missbrauchsopfer ist die Terminologie suboptimal. Schon der zweite Satz des Papstschreibens greift zu kurz, da hier nur Missbrauch an „Minderjährigen“ beschrieben wird: „das Leiden …, das viele Minderjährige wegen sexuellem wie Macht- und Gewissensmissbrauch seitens einer beträchtlichen Zahl von Klerikern und Ordensleuten erfahren haben“. Wir wissen aber von vielen Angriffen auf die Keuschheit von Priesteramtskandidaten in den Priesterseminaren – hier handelt es sich keineswegs um „Minderjährige“. Auch wird nicht nach heterosexuellen und homosexuellen Missbrauchstaten unterschieden, im Gegenteil wird dieses Thema komplett vermieden.

Der allererste Fokus unserer Kirche muss natürlich auf den Missbrauchsopfern und ihrem Leiden liegen. Sie haben schwerste Schäden davongetragen, viele von ihnen bleiben ein Leben lang von ihren Missbrauchserfahrungen gezeichnet und entstellt, manche haben infolge der Vorgänge sogar ihr Leben verloren.

Der zweite Fokus muss aber auf der Entfernung aller Missbrauchstäter sowie Missbrauchs- und Vertuschungsstrukturen aus unserer Kirche liegen. Wenn ein Kleriker unter den begründeten Verdacht gerät, Missbrauch begangen oder vertuscht zu haben, muss er von seinem Dienst völlig suspendiert werden, solange, bis seine Schuld oder Unschuld auch rechtsstaatlich geklärt ist. Das gilt auch für Bischöfe und Kardinäle. Dass dem allerdings nicht so ist, mag der Fall von Kardinal Ricardo Ezzati Andrello, Erzbischof von Santiago de Chile, belegen. Trotz starker staatlicher Ermittlungen ist er uneingeschränkt als Erzbischof und Kardinal im Amt. Weder ist er bisher suspendiert noch hat er für sein Erzbistum einen Koadjutor an die Seite gestellt bekommen. Weitere Namen von Kardinälen könnte man hier nennen, deren Suspendierung überfällig wäre. Die katholische Kirche ist hierarchisch strukturiert, es ist Aufgabe der Leitung, Suspendierung, Maßregelung und Amtsenthebungen durchzuführen. Sprich: das genau ist Aufgabe des Papstes und der Vatikanbehörden. Bisher geschah hier deutlich zu wenig. Und wenn überhaupt etwas geschah, dann musste vorher ein unglaublich starker Aufschrei durch die Medien gehen.

Angesichts der skandalösen Vergehen katholischer Geistlicher ruft Papst Franziskus zu Fasten, Buße und Gebet auf, tatsächlich ein altbewährtes spirituelles Heilmittel der Kirche. Doch mag sich der eine oder die andere fragen: Wer genau wird fasten, büßen, beten? Jene Geistlichen, die ins Kreuzfeuer von Missbrauchs- und Vertuschungsvorwürfen geraten sind? Werden wir echt zerknirschte, womöglich öffentliche Buße von ihnen erleben, werden wir am Bildmaterial sehen, dass sie tatsächlich auch körperlich fasten? Oder werden manche der Täter weiterhin wie Maden im Speck in ihren kirchlichen Privilegien leben und die kleinen Gläubigen werden für sie fasten und büßen? Wäre dies aber nicht genau jener „Klerikalismus“, den Papst Franziskus in seinem Schreiben eigentlich anprangert?

Wir hatten in den letzten Jahrzehnten in unserer Kirche einen Graben zwischen konservativen und progressiven Katholiken, unter dem gläubige Katholiken beiderseits dieses Grabens sehr gelitten haben, wie mir Freunde und Vertraute aus beiden Lagern immer wieder erzählt haben. Wir müssen in der Kirche nun aufpassen, dass wir nicht einen noch weitaus schmerzhafteren und gefährlicheren Graben eröffnen: jenen zwischen den Klerikern und den Laienchristen. Denn derzeit sind Laienkatholiken aus beiden kirchlichen Lagern in großer Gefahr, das grundsätzliche Vertrauen in die kirchliche Leitung zu verlieren. Was aber DIES für unsere Kirche bedeuten würde, möge sich jeder selbst beantworten.

Für das Papstschreiben insgesamt möchte ich positiv sagen: Es ist immerhin ein guter Anfang, Heiliger Vater. Nun müssen Taten folgen, unbedingt auch von Ihnen! Denn wir sind bekanntermaßen keine demokratisch organisierte Gemeinschaft, sondern hierarchisch organisiert – das Gesetz des Handelns liegt also beim Vatikan. Bitte suspendieren Sie schnell, wo Kardinäle und Bischöfe unter ernstzunehmenden Missbrauchs- oder Vertuschungsverdacht geraten sind. Zuallererst zugunsten der Opfer – aber Sie haben Verantwortung auch gegenüber uns Laienchristen, denen sonst das Vertrauen in die kirchliche Hierarchie verloren geht. (CNA Deutsch)

Neuer Schülerkreis: Theologie Joseph Ratzingers weiter tragen

Erst waren es nur die direkten Schüler des Theologen Joseph Ratzinger, die sich jährlich trafen um zu diskutieren und ihre Theologie zu vertiefen. 2008 kam dann – auf Anregung des schon Papst gewordenen Theologen – neue Theologinnen und Theologen dazu, die selber nicht bei ihm studiert hatten, aber sich mit Ratzinger-Themen beschäftigten, der ‚Neue Schülerkreis’. An diesem Wochenende versammeln sich beide – Schülerkreis und Neuer Schülerkreis – wieder in Rom.

Der Neue Schülerkreis hat anlässlich seines Treffens einen Schritt auf Zukunft hin gemacht, der Kreis ist nun ein offizieller Verein, er hat sich eine Struktur gegeben. Theologische Vereine gibt es einige, die meisten organisieren theologische Tagungen und Debatten.

Gemeinschaft, die ein gemeinsames Ziel verfolgt

„Der Unterschied zu einem Symposion oder zu Tagungen ist, dass der Schülerkreis zunächst einmal eine Gemeinschaft von Personen ist, die ein gleiches Ziel verfolgen, nämlich die Förderung, die Verbreitung, die Durchdringung der Theologie von Joseph Ratzinger.“ Christoph Ohly doziert in Trier Kirchenrecht und ist seid dem Anfang des Neuen Schülerkreises 2008 dabei, jetzt ist er der erste Vorsitzende des neuen Vereins. Aus den Begegnungen und Debatten seien tiefe Verbindungen und Freundschaften gewachsen, außerdem habe Benedikt XVI. selber angeregt, neue Mitglieder in diesen Neuen Schülerkreis aufzunehmen. „Im vergangenen Jahr ist es der emeritierte Papst selber gewesen, der die Anregung gab, das Ganze doch auf Zukunft hin zu formieren.“ Und genau das sei nun geschehen.

Eine Gruppe von Menschen, die dasselbe Ziel vereint, nämlich die Verbreitung und Vertiefung der Theologie von Joseph Ratzinger. Da kommt natürlich die Frage auf, ob das die Teilnehmer theologisch nicht zu sehr festlegt, auf einen Denker. „Das ist eine heikle Frage“, gibt Michaela Hastetter zu, sie ist Pastoraltheologin und doziert unter anderem am Internationalen Theologischen Institut in Trunau und an der Universität Freiburg.

Eine Theologie, die in die Weite führt

„Man wird festgelegt, legt sich aber nicht in dem Sinne selber fest, weil die Theologie Joseph Ratzingers so breit und so weit ist. Sie geht über jedes Schließen eines Systems hinweg, er wollte selber ja auch nie ein System schließen, er wollte nie eine geschlossene Theologie haben, sondern immer Anstöße geben. Seine Theologie hat mich in die Weite geführt.“ Deswegen sei es schade, in Schubladen gesteckt zu werden, wo man vielleicht gar nicht hinein gehört, sagt Hastetter.

Kirchenrecht, Liturgiewissenschaft, Dogmatik, ganz verschiedene Disziplinen kommen ins Gespräch, das alleine garantiere schon, dass die Perspektiven sehr verschieden seien, jedes Mitglied des Schülerkreises habe seine eigene große Freiheit.

Dabei wird nicht einfach nur das wiederholt, das Joseph Ratzinger vorgedacht habe, darauf besteht Rainer Hangler, der 2013 über ein Ratzinger-Thema promoviert wurde. „Der emeritierte Papst inspiriert uns, Dinge zu hinterfragen, die nicht im ersten Moment offensichtlich und klar sind. In unserem Kreis können wir sehr fruchtbar darüber diskutieren,“ da gehöre auch kritische Auseinandersetzung dazu.

Neue Mitgliederinnen und Mitglieder

Mit der Vereinsgründung blickt der Neue Schülerkreis in die Zukunft, der Kreis ist nicht geschlossen sondern offen für neue Mitglieder. „Jeder schaut in seiner Arbeit egal wo er oder sie steht nach möglichen Kandidaten“, sagt der Vorsitzende Christoph Ohly. „Man merkt das ja auch im Umgang mit Studierenden, da ist jemand, der ein besonderes Gespür hat für Augustinus oder Thomas von Aquin, und da gibt es eben auch welche, die sagen, dass die Texte von Joseph Ratzinger ihnen viel gegeben haben.“ Solche Theologinnen und Theologen würden dann angesprochen und gefragt, ob sie sich nicht in die wissenschaftliche Diskussion des Schülerkreises hineinbegeben wollten. Andererseits ginge auch immer Mal wieder die Initiative von den anderen aus, die anfragen und teilnehmen wollten. „Heute sind wir etwa 35, die den Neuen Schülerkreis ausmachen. Aber wir wollen durch die Vereinsgründung und den Blick in die Zukunft weiter Ausschau halten, dass das Anliegen weiter getragen wird. Denn auch wir werden ja irgendwann älter nicht wahr?“ (rv)

Zum Rücktritt ein Abendessen

Pater LombardiFrüherer Papst? Emeritierter Bischof von Rom? Kardinal Ratzinger? Noch weiß keiner so genau, wie Benedikt XVI. in gut zwei Wochen – also nach seinem Rücktritt – eigentlich heißen wird. Selbst im Apostolischen Palast zerbricht man sich darüber den Kopf, sagte Vatikansprecher Federico Lombardi an diesem Mittwoch vor Journalisten.

„Bitte: Wir wissen im Moment nicht, wie der genaue Titel sein wird, mit dem wir Benedikt XVI. nach seinem Rücktritt ansprechen sollen. Das ist beileibe nicht nur eine Formalität oder etwas Nebensächliches, sondern das ist etwas Wesentliches, es hat zahlreiche – auch juridische – Implikationen. Ich weiß, dass darüber im Moment im Vatikan nachgedacht wird, und auch der Papst selbst ist daran beteiligt. Nur – im Moment gibt es noch keine Antwort auf diese Frage.“

Der Jesuitenpater Lombardi dementierte ein im Internet zirkulierendes Gerücht, dass der scheidende Papst sich auf längere Sicht in das Benediktinerkloster auf dem Montecassino zwischen Rom und Neapel zurückziehen wolle. Das stimme nicht, so Lombardi, der Papst wolle nach seinem Ausscheiden in einem früheren Klostergebäude in den Vatikanischen Gärten wohnen.

„Ich mache mir absolut keine Sorgen deswegen. Vielmehr halte ich es für eine weise Entscheidung von Papst Benedikt, im Vatikan zu bleiben. Hier kann er gleichzeitig in Zurückgezogenheit beten und studieren und auch persönliche Kontakte unterhalten. Ich glaube, dass sein Nachfolger und auch die Kardinäle froh sein werden, jemanden in der Nähe zu haben, der sehr gut weiß, was die spirituellen Bedürfnisse der Kirche sind. Er wird nahe sein, aber diskret, und den Dienst seines Nachfolgers, der Kurie und der Kirche mit einer geistlichen Präsenz und dem Gebet unterstützen.“

Der jetzige Sekretär Benedikts XVI., Erzbischof Georg Gänswein, bleibe auch nach dem Rücktritt des Papstes Präfekt des Päpstlichen Hauses; dieses Amt gehöre nicht zu den Kurienämtern, die bei einem Rücktritt oder Tod eines Papstes verfallen. Lombardi stellte noch einmal Einzelheiten des Papst-Programms bis zum 28. Februar, seinem letzten Arbeitstag, vor. Danach wird sich Benedikt XVI. am Morgen gegen elf Uhr in der Sala Clementina des Vatikans von Kardinälen verabschieden und am Nachmittag gegen 17 Uhr per Hubschrauber nach Castelgandolfo fliegen. Dort angekommen, werde dann sein Papstamt um 20 Uhr erlöschen. Was der Papst in seinen letzten Amtsstunden genau plane, diese Frage eines Journalisten beantwortete Pater Lombardi so:

„Ich glaube, der kommt in Castelgandolfo an und wird dann erst einmal zu Abend essen! Dann wird er wohl in der Kapelle beten und die dort Anwesenden begrüßen – alles mit großer Normalität.“ (rv)

Kardinal Ratzinger: Warum wiederverheiratete Geschiedene nicht zur Kommunion dürfen

Zur Vollversammlung des Päpstlichen Familienrates veröffentlicht die Vatikanzeitung Osservatore Romano einen kaum bekannten Text des heutigen Papstes zum Thema Seelsorge für Geschiedene und Wiederverheiratete. Darin geht er konkret auf Einwände gegen die kirchliche Vorschrift ein, dass Geschiedene, die eine neue Ehe eingegangen sind, nicht zur Kommunion gehen dürfen. Das Thema hat vor allem die deutschsprachige Kirche in den letzten Jahrzehnten immer wieder beschäftigt und war zuletzt beim Papstbesuch in Deutschland wieder benannt worden. Den Essay hatte Kardinal Joseph Ratzinger 1998 als Vorwort zu einem vom Vatikan veröffentlichten Buch beigesteuert; an diesem Mittwoch hob ihn der „Osservatore Romano", zusammen mit einem Papst-Text zum selben Thema, auf die Doppelseite im Innenteil.

Unauflöslichkeit
Detailliert geht der damalige Präfekt der vatikanischen Glaubenskongregation auf Kritik am Kommunionverbot für wiederverheiratete Geschiedene ein. Als erstes widerspricht er der Ansicht einiger Exegeten, gar so streng habe es Jesus mit der Unauflöslichkeit der Ehe gar nicht gemeint. „Das Lehramt betont …, dass sich die kirchliche Lehre von der Unauflöslichkeit der Ehe aus der Treue gegenüber dem Wort Jesu ableitet. Jesus bezeichnet die alttestamentliche Scheidungspraxis eindeutig als Folge der menschlichen Hartherzigkeit," so der heutige Papst. Ähnlich sieht es für Ratzinger zweitens bei einem Blick auf die Kirchenväter aus: Auch hier stellt er fest, dass es „einen klaren Konsens der Väter bezüglich der Unauflöslichkeit der Ehe" gibt und dass „die Kirche der Väterzeit Ehescheidung und Wiederheirat eindeutig ausschließt". Das wiegt aus seiner Sicht schwerer als Hinweise darauf, dass einige der Kirchenväter „auf der pastoralen Ebene eine gewisse Flexibilität mit Rücksicht auf schwierige Einzelsituationen toleriert" haben.

Praxis der Ostkirchen
Dem damaligen Kardinal ist zwar klar, dass die von Rom getrennten Ostkirchen unter Berufung auf „einen Strang der patristischen Tradition … in gewissen Fällen eine Zweit- und auch eine Drittehe erlauben". Doch diese Praxis ist für ihn „die Folge eines komplexen historischen Prozesses, einer immer liberaleren – und sich mehr und mehr vom Herrenwort entfernenden – Interpretation einiger dunkler Vätertexte". Sie könne „von der katholischen Kirche aus lehrmäßigen Gründen nicht übernommen werden". Zumal in dieser Frage die katholische Lehre „die ursprüngliche Auffassung der Väter" wiedergibt.

Der Gewissen der Einzelnen
Aber darf denn die Kirche in einem so delikaten Bereich „nur auf rechtliche Normen verweisen", ohne „auch das Gewissen der einzelnen (zu) achten und (zu) tolerieren"? Das ist der dritte Einwand, dem sich der Essay von Joseph Ratzinger stellt. „Vor allem in der Frage des Sakramentenempfangs solle die Kirche hier Schritte setzen und den betroffenen Gläubigen nicht nur Verbote vorhalten", zitiert er die Kritiker. Seine Replik: „Die Unauflöslichkeit der Ehe ist eine dieser Normen, die auf den Herrn selbst zurückgehen und daher als Normen göttlichen Rechts bezeichnet werden. Die Kirche kann auch nicht pastorale Praktiken – etwa in der Sakramentenpastoral – gutheißen, die dem eindeutigen Gebot des Herrn widersprechen." Allerdings dürfe sie prüfen, „welche Bedingungen erfüllt sein müssen, damit eine Ehe als unauflöslich im Sinne Jesu betrachtet werden kann". Wiederverheiratete Geschiedene, die ihre frühere Ehe als nicht gültig ansehen, sollten sich auf jeden Fall an das kirchliche Ehegericht wenden, statt sich sozusagen selbst freizusprechen. Aber wenn das Ehegericht ein Fehlurteil spricht? Dann könnte es allerdings sein, so Kardinal Ratzinger, dass Gläubige sich nicht daran halten müssten: „Diese Frage bedarf aber weiterer Studien und Klärungen."

Die Tradition des Konzils
Alles zu „legalistisch", ja „vorkonziliar"? Was ist denn, wenn eine Ehe sozusagen stirbt, weil „das personale Band der Liebe zwischen den Ehegatten" reißt? Der heutige Papst zeigt zunächst, dass das Konzil, an dem er als theologischer Berater teilgenommen hat, keineswegs mit „der traditionellen Eheauffassung gebrochen" hat: Wenn es zum Beispiel statt von einem Ehevertrag von einem Bund spricht, dann „darf dabei nicht vergessen werden, dass auch im Bund das Element des Vertrags enthalten" sei. „Ehe ohne rechtliche Normierung, die sie ins ganze Gefüge von Gesellschaft und Kirche einordnet, gibt es nicht", befindet der Präfekt der Glaubenskongregation. Und „wenn die Kirche die Theorie annehmen würde, dass eine Ehe tot ist, wenn die beiden Gatten sich nicht mehr lieben, dann würde sie damit die Ehescheidung gutheißen und die Unauflöslichkeit der Ehe nur noch verbal, aber nicht mehr faktisch vertreten."

Pastoral und Praxis
Der Essay geht fünftens auch auf den Vorwurf ein, die Haltung der Kirche sei heutzutage schwer verständlich, „nicht pastoral" und nicht barmherzig genug. „Gewiss ist es schwierig, dem säkularisierten Menschen die Forderungen des Evangeliums verständlich zu machen", räumt Ratzinger ein. „Aber diese pastorale Schwierigkeit darf nicht zu Kompromissen mit der Wahrheit führen." Immerhin bemühe sich die Kirche doch in letzter Zeit deutlich darum, „die Forderungen der Wahrheit mit jenen der Liebe (zu) verbinden". „Wenn früher bei der Darlegung der Wahrheit vielleicht gelegentlich die Liebe zu wenig aufleuchtete, so ist heute die Gefahr groß, im Namen der Liebe die Wahrheit zu verschweigen oder zu kompromittieren." Letztlich könne doch „nur das Wahre … letzten Endes auch pastoral sein". (rv)

Vor 30 Jahren: Ratzinger kommt nach Rom

An diesem Freitag vor genau dreißig Jahren kam Joseph Ratzinger nach Rom: Der Münchener Kardinal wurde Präfekt der vatikanischen Glaubenskongregation. Ein entscheidender Wendepunkt in seinem Leben. Ratzinger war damals 54 Jahre alt und erst seit ein paar Jahren Erzbischof. Den neuen Papst Johannes Paul II. hatte er erst im Konklave 1978 richtig kennengelernt, wie er mal im Gespräch mit dem Journalisten Peter Seewald erzählte:

„Ich habe mich spontan mit ihm sehr gut verstehen können, aber dass er da an mich denken würde, das ist mir nicht durch den Sinn gegangen."

Wohl auch deshalb, weil die vatikanische Glaubenskongregation über Jahrhunderte hinweg eine Domäne der Italiener gewesen war. Erst Papst Paul VI. hatte damit angefangen, der Kurie ein internationaleres Gesicht zu geben. Deutsche verirrten sich allerdings so gut wie nie in ein kuriales Spitzenamt. Ratzinger vermutete denn auch, dass sein Ruf nach Rom ein einsamer Entschluss des polnischen Papstes war:

„Das nehme ich an. Ich habe ihn nie danach gefragt… aber ich nehme schon an, dass das seine sehr persönliche Entscheidung war."

Wie das genau ablief mit seinem Sprung von der Isar an den Tiber, das stellte Kardinal Ratzinger im Interview mit Seewald für das Gesprächsbuch „Salz der Erde" folgendermaßen dar:

„Der Papst hat mir dann einmal gesagt, dass er diese Absicht hat, mich nach Rom zu rufen. Ich hab` ihm die Gegengründe dargestellt, und er hat dann gesagt: Überlegen wir das alles noch einmal. Dann haben wir nach dem Attentat noch einmal gesprochen, und er hat gesagt: Ich möchte dabei bleiben. Ich habe gesagt: Ich fühle mich aber doch so sehr der Theologie verpflichtet, dass ich auch weiterhin das Recht haben möchte, auch eigene private Werke herauszubringen – und ich weiß nicht, ob das kompatibel ist mit dieser Aufgabe. Da hat er gesagt: Da will ich mich auch noch einmal beraten lassen… Dann ergab sich aber, dass auch andere vor mir das schon getan hatten, und er hat dann gesagt: Nein, das ist kein Hindernis, das können wir machen."

Am 25. November 1981 also wird Joseph Ratzinger zum neuen Präfekten der Glaubenskongregation ernannt. Bis er in Rom ankommt, ist es März 1982: Da liegt eine feierliche Verabschiedung auf dem Münchener Marienplatz hinter ihm. Der Abschied von Deutschland fällt ihm nicht leicht. Ratzinger lässt sich in die Pflicht nehmen, aber angesichts des Streits um den Theologen Hans Küng in den zurückliegenden Jahren und angesichts der sich abzeichnenden Auseinandersetzung mit Befreiungstheologen ist ihm klar, dass er im neuen Amt als Chef-Theologe so manche Pfeile auf sich ziehen wird.

„Es gibt eben die bekannten Vorstellungen davon, wie die Deutschen sind, und insofern liegt es nahe, dann Entscheidungen, die Missfallen erregen, dann auch der deutschen Sturheit zuzuschreiben und diesem Prinzipien-Fanatismus, dieser mangelnden Flexibilität – das alles doch auch als Ausdruck deutschen Wesens anzusehen. Als das Wort Panzerkardinal erfunden wurde, war da sicher eine solche Anspielung auf das Deutschtum mit verbunden…"

Hat sich Ratzinger, der einstmals fortschrittliche Theologe, im römischen Amt verhärtet, ist er dort konservativ geworden? Nein, das sah er selbst im Gespräch mit Seewald nicht so. Nicht er habe sich geändert, sondern nur sein Amt.

„Insofern geben die Umstände dem, was einer tut und sagt, wirklich einen anderen Stellenwert. Ich bestreite also nicht, dass es in meinem Leben Entwicklung und Wandel gibt; was ich aber festhalte ist, dass es Entwicklung und Wandel in einer grundlegenden Identität ist und dass ich gerade mich wandelnd versucht habe, dem treu zu bleiben, worum es mir immer gegangen ist."

Obwohl er viele kontroverse Entscheidungen getroffen hat, bemühte sich Joseph Ratzinger an der Spitze der Glaubenskongregation immer um Kollegialität. In kuriale Seilschaften ließ er sich nicht hineinziehen, stattdessen machte er mit seinen klaren Analysen von sich reden. Was er denn gelernt habe in seiner Zeit in Rom, fragte ihn Radio Vatikan vor ein paar Jahren, als er noch Kardinal war. Ratzingers Antwort:

„Ja, ich habe in diesen 25 Jahren vor allem gelernt, mir nichts zu fest vorzunehmen. Was mir aber besonders am Herzen läge, wäre, noch ein Buch über Jesus Christus zu schreiben."

Das hat er dann auch geschafft – aber da war aus dem Kurienkardinal längst Papst Benedikt geworden. Seit 30 Jahren ist er in Rom, seit sechs Jahren Papst. Die Geschichte geht weiter. (rv)

Seligsprechung: „Habt keine Angst!“

 Am Samstag jährt sich zum sechsten Mal der Tod von Johannes Paul II. Dieses Jahr steht der Todestag ganz im Zeichen der Seligsprechung, die genau in einem Monat am 1. Mai in Rom gefeiert wird. Über diese Verbindung von Tod und Seligkeit haben wir mit dem Päpstlichen Vikar des Vatikans, Kardinal Angelo Comastri gesprochen.
„Wir müssen uns bewusst machen, dass sich das Volk Gottes im Moment des Todes Johannes Pauls II. sicher war, dass ein Heiliger in den Himmel aufstieg. Der damalige Kardinal Joseph Ratzinger hat dann am 8. April 2005 während der Begräbnisfeierlichkeiten am Petersplatz davon gesprochen, wie Johannes Paul jetzt am Fenster des Himmels stünde und heruntersegne – schon im Wissen, dass es sich bei ihm in gewisser Weise um einen Heiligen gehandelt hat. Wir alle erinnern uns noch an die berührenden Worte: „Heiliger Vater, segne uns vom Fenster des Himmels aus!" Mit der Seligsprechung wird die Empfindung des Volks Gottes in einem feierlichen und offiziellen Akt des Heiligen Vaters bestätigt."
Zur Seligsprechung Johannes Pauls II. werden Millionen Pilger aus aller Welt in Rom erwartet. Kardinal Comastri weist auf die geschichtliche Bedeutung dieses Ereignisses hin:
„Ich glaube, es ist das erste Mal in der Geschichte der Kirche, dass ein Papst die Ehre hat, seinen Vorgänger selig zu sprechen. Es wird sicher eine besondere Erfahrung für Benedikt XVI., auch in spiritueller Hinsicht. Der Papst hat in seiner ersten großen Ansprache gesagt: „Mir scheint, als ob ich seine Stimme immer noch höre, die mir sagt: „Hab keine Angst!". Diese Einladung, die Aufforderung, die der Papst an die ganze Welt gerichtet hat, an alle Christen, verstreut in allen Ländern: „Habt keine Angst!" Vor allem jetzt, in diesem dramatischen Moment der Geschichte, ruft er dies aus dem Himmel auch Benedikt XVI. zu. In diesem Moment, in dem die Wogen des Meeres der Geschichte hoch zu gehen scheinen. Halte dich an Jesus, und unter dem Schutz Mariens können wir alle Unwetter der Geschichte überstehen und den Hafen Gottes sicher erreichen."
(rv)

Portugal: In ein paar Stunden kommt der Papst

 

In ein paar Stunden beginnt die Papstreise nach Portugal: Am Dienstagmorgen wird Benedikt XVI. in Lissabon eintreffen, wenn es ihm die neuerliche Aschewolke erlaubt. An diesem Montag war der Flughafen von Lissabon bis 10 Uhr geschlossen. Der Papst will nicht der Aschewolke, wohl aber einem anderen Himmelsphänomen seine Reverenz erweisen: den Marienerscheinungen von Fatima nämlich. Zwei der drei Seher dieser Erscheinungen von 1917 wurden vor genau zehn Jahren selig gesprochen.
„Es gibt eine starke Beziehung Benedikts XVI. zu Fatima", sagt der portugiesische Kurienkardinal Jose Saraiva Martins. „Der damalige Kardinal Ratzinger hat einmal die Welt-Wallfahrt nach Fatima geleitet, zu der Hunderttausende von Menschen kamen. Und dann war ja auch er es, der die Veröffentlichung des letzten Teils des so genannten Geheimnisses von Fatima vorbereitet hat. Der Text, den er zusammen mit seinen Mitarbeitern an der Glaubenskongregation vorbereitet hatte, wurde vor zehn Jahren nach der Seligsprechungsmesse mit Johannes Paul II. in Fatima verlesen."
Johannes Paul war überzeugt davon, dass dieses dritte Geheimnis von Fatima sich auf das Attentat bezog, welches ihm im Mai 1981 fast das Leben gekostet hatte. Der Text sprach von einem in Weiß gekleideten Bischof, der unter den Kugeln von Soldaten zusammenbrach. Ratzinger deutete die düstere Szene etwas weiter – als Sinnbild für den Weg der Kirche durch das 20. Jahrhundert. Aber ist damit jetzt wirklich die ganze Botschaft von Fatima bekannt, gibt es wirklich keine geheimen Texte mehr?
„Ich weiß, einige reden noch von einem vierten Geheimnis von Fatima – aber ich glaube nicht, dass das wirklich existiert. Das ist eine Behauptung, die sich auf keine Fakten stützt. Das dritte Geheimnis von Fatima ist das letzte, und es gibt keinen Grund zu behaupten, da wäre noch ein vierter Teil. Ich weiß, dass es sogar Bücher zu diesem Thema gibt, aber ich sehe zu einer solchen Behauptung keine Grundlage." (rv)

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USA: „Ratzinger hat verstanden worum es geht“

US-amerikanische Medien greifen in jüngster Zeit vermehrt den Papst an. Dabei werden immer wieder einzelne Missbrauchsfälle diskutiert, die belegen sollen, dass der Papst angeblich persönlich Verantwortung trage für Wegsehen und Vertuschen. Dass dies eine völlige Fehleinschätzung sei, das betonte in einem Interview mit Radio Vatikan der Erzbischof von Atlanta, Wilton Gregory, der in seiner Amtszeit als Präsident der Bischofskonferenz des Landes von 2001 – 2004 viel mit dem damaligen Kardinal Joseph Ratzinger zu tun hatte.

„Die Kurienmitarbeiter haben bei meinen Besuchen schwierig zu beantwortende Fragen gestellt, genau so, wie es ihre Aufgabe war; es ist ihre Verantwortung, diese Sichtweise einzunehmen. Aber ich muss auch sagen, dass derjenige, der die Tragweite dieses Problems am besten verstanden hat und uns in unseren Aufklärungsbemühungen am klarsten unterstützt und zum Weitermachen ermutigt hat, Kardinal Ratzinger gewesen ist.“

Der einzige Weg, Vertrauen bei den Gläubigen wieder zu gewinnen, sei die klare Versicherung, dass kein Priester, gegen den es glaubwürdige Vorwürfe des Missbrauchs gebe, in der Seelsorge arbeitet. Es sei den Bischöfen in den USA in ihren Aufklärungsbemühungen immer darum gegangen, den Schutz der Kinder in den Vordergrund zu stellen.

„Während meiner dreijährigen Amtszeit als Vorsitzender der Bischofskonferenz war ich dreizehn Mal in Rom, und bei fast jedem Mal hatte ich ein privates Treffen mit Kardinal Ratzinger. Er hat uns Bischöfen die Unterstützung und Ermutigung gegeben, die uns ermöglicht haben, auf unserem Weg weiter voran zu gehen.“ (rv)

Gemmingen: „Wir regen uns über Nebensächlichkeiten auf“

Vor fünf Jahren – am 19. April 2005 – wurde der deutsche Kurienkardinal Joseph Ratzinger zum 265. Nachfolger des Apostel Petrus gewählt. Hautnah dabei war auch der damalige Redaktionsleiter der deutschsprachigen Sektion von Radio Vatikan, P. Eberhard von Gemmingen. In unserem Wocheninterview hat ihn Mario Galgano gefragt, welche Zwischenbilanz zu Benedikts Amtsführung zu ziehen gibt.

„Zunächst gab es ja einen großen Sturm der Begeisterung in Deutschland mit dem Slogan „Wir sind Papst" und dann kam der Papst auch noch nach Köln und Bayern und man hat sich große Hoffnungen gemacht. Und die andere Seite hat kritisiert, „um Gottes Willen Ratzinger". Und beides war meiner Ansicht nach sehr oberflächlich. Die einen haben gejubelt, weil man dachte, jetzt ist Deutschland eben vorgerückt und die anderen haben protestiert, weil sie meinten, Ratzinger oder Benedikt sei eben entsetzlich konservativ. Das heißt die öffentliche Wahrnehmung ist fast immer wahnsinnig oberflächlich und vor allem ist sie im deutschen Sprachraum auch anders als anderswo. Und das muss man sich völlig klar machen, dass, was uns deutschsprachige sehr bewegt – die Piusbruderschaft, die tridentinische Messe – das wird in anderen Weltteile, und zwar in den allerallermeisten Weltteilen, überhaupt nicht wahrgenommen. Das heißt, wir regen uns zum Teil auf über Nebensächlichkeiten und es gibt viel wichtigeres, was der Papst tut und sagt und er wird von anderen, von Christen in anderen Ländern auch ganz anders wahrgenommen als im deutschen Sprachraum."

Was ist denn Ihrer Meinung nach so die Hauptbotschaft, die der Papst in diesen fünf Jahren weitergetragen hat – sozusagen der rote Faden seines Pontifikats?

„Ich glaube er hat das Stichwort selber gegeben am Tag bevor das Konklave losging, das ihn dann gewählt hat, nämlich mit dem Wort „Diktatur des Relativismus" – also er sagt glaube ich, das ist meine Interpretation, in unserer heutigen Welt haben wir die Tendenz, nichts mehr als verbindlich, wahr, gut und sicher anzusehen. Alles wird als vergänglich angesehen, im Sinne „von heute glauben wir so, morgen werden wir anders glauben", „heute ist dies wahr, morgen wird etwas anderes wahr sein" – die Diktatur des Relativismus. Und nachdem er aber nun nicht kritisieren will, macht er es umgekehrt: Er zeigt eben auf, was Glaube ist und was der Glaube bedeutet für die Welt – auch in dem Weltauftrag und es kommt besonders zum Zug in seinen Enzykliken „Deus caritas est", Gott ist die Liebe und „Spe salvi", über die Hoffnung und dann auch in der Sozialenzyklika. Also ich meine seine guten, positiven, aufbauenden Botschaften gibt es, aber weil die Presse und die Medien meistens oberflächlich sind, wird das zu wenig wahrgenommen. Und der Vatikan hat es auch noch nicht geschafft, die konstruktiven Botschaften des Papstes so der Welt zu präsentieren, dass sie wahrgenommen werden."

Sie waren in diesen fünf Jahren Benedikt meistens in Rom, im Vatikan selber – jetzt sind Sie seit einiger Zeit außerhalb des Vatikans. Wie hat sich Ihre Sicht gegenüber dem Papst verändert?

„Die Sicht hat sich vor allem deswegen jetzt verändert, weil ich seit Anfang des Jahres hier bin und seit Anfang des Jahres haben wir die Missbrauchsvorwürfe gegen Priester. Und dadurch wird natürlich alles noch einmal besonders davon gefärbt. Also ich meine, das was wir Deutsche jetzt tun, nämlich wirklich zu sagen, wir müssen den Opfern versuchen Gerecht zu werden, indem wir sie zur Sprache bringen können. Wir dürfen nicht unser System oder die Kirche verteidigen, auch wenn die Medien ungerecht sind. Aber zunächst müssen wir den Sturm ertragen, hinnehmen und uns den Opfern zuwenden. Es war bei uns die Rede von der kopernikanischen Wende, nämlich dass man sich nicht mehr dem Schutz der Einrichtung der Kirche zuwendet, sondern der Hilfe für die Opfer. Und zwar nicht aus pragmatischen Gründen, sondern grundsätzlich – das Evangelium fordert, dass das Opfer, dass der Geschlagene, der Getretene in den Mittelpunkt gestellt wird – das ist Jesus Christus und nur wenn wir das tun, tun wir das, was Jesus täte – er würde auch nicht die Jünger verteidigen, wenn die Jünger etwas Böses tun, würde er nicht sagen „Na ja die Jünger sind schwache Leute" – sondern er würde zunächst mal den Angegriffenen verteidigen. Und das müsste glaube ich in der gesamten Weltkirche noch deutlicher geschehen. Aber Papst Benedikt hat ja da auch sehr deutlich gesprochen. Er ist für die totale Aufklärung, für Konsequenzen etc.. Nur es gibt so viele Stimmen – und dann geht die Stimme des Papstes zum Teil auch unter. Wir deutschsprachige sind in der Gefahr, aber in der Gefahr sind alle, dass man nur den Blickwinkel sieht, der einen selbst betrifft. Für die Afrikaner, Asiaten, Lateinamerikaner oder auch Nordamerikaner sieht die Kirche ganz anders aus – da spielen also gerade die Gespräche mit der Pius-Bruderschaft oder die Liturgiereform der tridentinischen Messe fast gar keine Rolle. Und dummerweise konzentrieren wir uns hier in Mitteleuropa oft nur auf diese Sachen, die uns mehr oder weniger ärgern, aber es ist eine sehr sehr einseitige Sicht und wer mit etwas mehr Informationen nach Rom schaut, der kriegt auch ein anderes Bild." (rv)

Vatikan/USA: „Kardinal Ratzinger hatte richtig gehandelt“

Der Anwalt des Heiligen Stuhls in den USA hat einen Bericht der Agentur associated press zurückgewiesen. Am Freitag behauptete ap, Papst Benedikt XVI. habe in seiner Zeit als Präfekt der Glaubenskongregation in den 80er Jahren viel Zeit verstreichen lassen, als ihm die Entlassung eines katholischen Priesters wegen mehrerer Missbrauchsfälle an Kindern angetragen wurde. Dabei verwies die Nachrichtenagentur auf Dokumenten aus dem Vatikan hin. Darin ersuchte der Bischof von Oakland, John Cummins, den Vatikan im Juni 1981 erstmals, den Priester Stephen Kiesle aus dem Kirchendienst zu entlassen.

Der US-Anwalt des Heiligen Stuhls, Jeffrey Lena, konnte nicht feststellen, ob es sich bei den veröffentlichten Dokumenten um echte Vatikanpapiere handelt. Der Anwalt verweist aber darauf, dass auch in den von ap veröffentlichten Schreiben kein Hinweis nachzulesen sei, dass der damalige Präfekt der Glaubenskongregation dem Wunsch des Bischofs von Oakland nicht stattgegeben habe. Cummins kam in dem Schreiben vom Februar 1982, das an Kardinal Joseph Ratzinger gerichtet war, auf den Fall Kiesle zurück und beharrte darauf, dass der Geistliche entlassen werden müsse. Kiesle wurde dann zwei weitere Jahre später aus dem Kirchendienst entlassen.

Der Vatikan wies diese neuen Vorwürfe gegen den Papst zurück. Kardinal Ratzinger hat den Fall Stephen Kiesle aus Kalifornien nicht gedeckt. Vielmehr habe der heutige Papst, wie auch aus dem Briefwechsel klar ersichtlich sei, „einzig darum gebeten, die Sache gründlicher zu untersuchen zum Wohl aller Beteiligten.“ Das sagte der Vizepressesprecher des Vatikans, P. Ciro Benedettini. (rv)