GB: Grünes Licht für gleichgeschlechtliche Ehe

Nach heftigen Debatten und dreimonatiger Beratung hat sich die Regierung in Großbritannien nun entschieden: Die Ehe homosexueller Partner soll zugelassen werden. Ein entsprechendes Gesetz soll ab 2013 vorliegen.

Die katholische Kirche reagierte bestürzt auf die Ankündigung der Regierung. Ebenso wie die anglikanischen Kirchen von England und Wales lehnt sie eine Ehe gleichgeschlechtlicher Partner ab. Die Kirchen sollen durch das Gesetz nicht in Zugzwang gesetzt werden: Neben der Zivilehe sollen zwar auch religiöse Zeremonien für homosexuelle Paare erlaubt werden, aber nur, wenn sich die jeweilige Kirche dazu entschließe, so die britische Kultusministerin Maria Miller. Peter David Smith, der Vorsitzende der Kommission für Christliche Verantwortung und soziale Einrichtungen der Bischofskonferenz von England und Wales zweifelt jedoch an dieser Aussage:

„Die Diskussion hatten wir ja auch schon mal, als es um die standesamtliche Gleichstellung von gleichgeschlechtlichen Paaren mit allen anderen Paaren ging. Die Regierung hat uns damals garantiert, dass es keine Erlaubnis geben werde, gleichgeschlechtliche Partnerschaften in der Kirche zu erlauben. Und dann, etwa drei Jahre später, gab es einen Zusatzantrag, der doch genau das erlauben sollte. Deshalb beruhigen mich Versicherungen der Regierung nicht im Geringsten. Das Gesetz wird vom Parlament gemacht und jede Regierung kann sagen, was sie will. Wenn es bei den nächsten Wahlen eine neue Regierung gibt, kann die wieder neue Gesetze machen."

Es heiße zwar, die Kirchen sollen davor geschützt werden, solche Zeremonien in ihrer Kirche durchzuführen, aber das habe er alles schon einmal gehört, so der Erzbischof von Southwark im Süden Londons. Sollte die Regierung ihre Versprechen diesbezüglich nicht halten, so werde man vor dem Gerichtshof für Menschenrechte klagen. Die Regierung habe auch nicht darauf reagiert, dass mehr als 600.000 Menschen eine Petition gegen die Gesetzesänderung unterschrieben hätten:

„Das ist ein weiterer Punkt, den wir kritisieren: Vor dieser Gesetzesänderung hat es keinen demokratischen Prozess gegeben. Auch war weder in den Parteiprogrammen der Hauptparteien, noch in der Rede der Königin jemals die Rede von diesen Plänen. Insofern ist das ganze wirklich lächerlich. Nichts wurde vorher durchdacht und sie versuchen, den Hauptpunkt der Diskussion zu ignorieren."

Es gehe nämlich um mehr, als nur um die Frage der Religionsfreiheit:

„Es geht um die Bedeutung der Ehe. Keine Regierung hat das Recht, diese fundamentale Bedeutung der Ehe zu ändern. Schon seit jeher ist es so, dass es die Ehe zwischen Mann und Frau gibt. Und auch viele verschiedene, nicht katholische Untersuchungen zeigen, dass es am besten für Kinder ist, in dem stabilen Umfeld eines verheirateten Paares aufzuwachsen."

Was die Kirche konkret tun könne, um dieses, seiner Meinung nach völlig irrationale Gesetz noch zu stoppen, wisse er nicht, so Erzbischof Smith. Sicher sei aber, dass man bis zum Schluss dagegen vorgehen wolle. So sollten etwa katholische Rechtsanwälte das geplante Gesetz genau lesen und prüfen, inwieweit man rechtliche Schritte einleiten könne. (rv)

Vatikan: Bischof Ma Daquin immer noch unter Hausarrest

„Bezüglich der Lage des Bischofs von Shanghai, Ma Daquin, hat der Heilige Stuhl auch keine anderen Informationen, als das, was aktuell von den Medien berichtet wird." Dies sagte Vatikansprecher Pater Federico Lombardi am Dienstag in einer Pressemeldung. Seit einigen Monaten steht Daquin nach Informationen der Nachrichtenagentur „Asianews" in China unter Hausarrest. Sichere Informationen zu seiner Lage gibt es nicht. Lombardi verwies in diesem Zusammenhang auf einen Artikel von Kardinal Filoni, der vor einiger Zeit in der Zeitschrift „Tripod" veröffentlicht wurde. Dort heißt es: „Die Situation in China bleibt weiterhin schlimm. Einige Bischöfe oder Geistliche werden isoliert oder ihrer persönlichen Freiheit beraubt – so wie es kürzlich dem Bischof von Shanghai, Ma Daquin, geschehen ist, weil er seine ganze Zeit der Seelsorge widmen wollte." Filoni wirft in dem Text außerdem die Frage auf: „Ist es angesichts von mangelnder Religionsfreiheit und starken Einschränkungen nicht Aufgabe der ganzen Kirche, den Glauben zu verteidigen und denen eine Stimme zu verleihen, die keine haben?" (rv)

Kardinal Koch: „Die Ökumene braucht ein gemeinsames Ziel“

Eine Ökumene ohne ein klares und gemeinsames Ziel ist zum Scheitern verurteilt. Daran hat Kurienkardinal Kurt Koch jetzt in Rom erinnert. Das postmoderne Ideal des Pluralismus habe auch Spuren im Ökumenismus hinterlassen, führte der Präsident des päpstlichen Einheitsrates am Montagabend in einer Grundsatzrede über Bedingungen eines erfolgreichen Ökumenismus an der päpstlichen Lateranuniversität aus. Das Streben nach Einheit werde in der postmodernen Logik, in der religiöser Pluralismus und kirchliche Vielfalt zum guten Ton gehörten, skeptisch beäugt, so Koch. Die Suche nach Einheit sei jedoch für das Christentum wesentlich – ohne diese Suche würde sich der Glauben selbst verleugnen, so der Kardinal.

Dies werde deutlich in Jesu Hohepriesterlichen Gebet für die Einheit der Christenheit, in dem der Gottessohn auch die ökumenische Zukunft der Kirche mit eingeschlossen habe. Die „volle" und „sichtbare" Einheit der Christenheit müsse so immer Zielpunkt jedes ökumenischen Bemühens sein, unterstrich Koch der sich mehrfach auf den Papst bezog. Er würdigte Papst Benedikt XVI. als „großen Ökumeniker unserer Zeit": Seine Interpretation des Hohepriesterlichen Gebetes Jesu beim Letzten Abendmahl im zweiten Jesusbuch könne als „Synthese" des ökumenischen Werkes des Papstes gelesen werden, so Koch. Der Papst biete darin eine christologische Vision des Ökumenismus an, die das Potential habe, zu einer größeren Einheit der Christenheit zu führen. Der Titel der Grundsatzrede von Kardinal Koch lautete „Einheit: Illusion oder Versprechen? Ökumenische Aspekte im Jahr des Glaubens".

Ein klares und gemeinsames Ziel

Wie übersetzt sich die Forderung nach „voller, sichtbarer Einheit" im ökumenischen Gespräch etwa mit den Protestanten? Das wollte Anne Preckel von Kurt Koch nach seinem Vortrag wissen.
„Das ist heute die große Frage, weil: Das ursprüngliche der ökumenischen Suche nach der Einheit ist nicht mehr so klar und ist verschiedenartig geworden. Nicht wenige Kirchen und kirchliche Gemeinschaften, die von der Reformation her kommen, haben dieses Ziel der sichtbaren Einheit eigentlich aufgegeben und ersetzt durch das Konzept der gegenseitigen Anerkennung aller Realitäten der Kirche, die wir haben – als Teile der einen Kirche. Und das ist natürlich eine Vorstellung, die für uns Katholiken, aber auch für die Orthodoxen eine schwierige Vorstellung ist. Und deshalb müssen wir, das ist eine große Herausforderung, ein gemeinsames Gespräch haben über das Ziel der Ökumene, denn wenn wir kein klares Ziel mehr haben, dann könnten wir in verschiedene Richtungen gehen und am Ende feststellen müssen, dass wir noch weiter entfernt sind als bisher oder, wie der Wiener Komiker Qualtinger einmal gesagt hat: ,Ich weiß zwar nicht wohin, aber dafür bin ich umso schneller dort’ – das kann keine sinnvolle Vorstellung für die Ökumene sein. Deshalb ist es eine große Herausforderung, im Gespräch vor allem auch mit den Protestanten ein gemeinsames Ziel der ökumenischen Bemühungen wieder zu finden."

Viel wird auf evangelischer wie katholischer Seite bereits über das Reformationsjubiläum 2017 gesprochen. Ihnen wäre es lieber, wenn man hinsichtlich des Ereignisses von „Reformationsgedenken" sprechen und ein beiderseitiges Schuldbekenntnis einplanen würde – was wünschen Sie sich da konkret?

„In 2017 stehen zwei Wirklichkeiten im Mittelpunkt. Auf der einen Seite das Anliegen Martin Luthers, die Wiederentdeckung der Heiligen Schrift, vor allem auch die Wiederentdeckung der Rechtfertigungsbotschaft. Das sind großartige Dinge. Auf der anderen Seite können wir nicht darüber hinwegsehen, dass Martin Luther keine neue Kirche gründen wollte, er wollte keine Spaltung, sondern er wollte die Erneuerung der Kirche. Das ist damals nicht gelungen, es sind neue Kirchen entstanden, es ist zu einer Kirchenspaltung gekommen, es ist zu grausamen Konfessionskriegen des 16. und 17. Jahrhunderts, vor allem des 30-jährigen Krieges gekommen, die dann auch Konsequenzen gehabt haben für die Säkularisierung, die teilweise vom Christentum selber verschuldet ist. Und nun diese beiden Seiten unter das Dach des Feierns und des Jubiläums zu setzen, ist einfach sehr schwierig, wenn man die ganze Geschichte betrachtet. Und deshalb, denke ich, werden wir die Einladung annehmen, dieses Reformationsgedenken ökumenisch zu begehen, aber es kann für uns nicht eine Jubiläumsfeier sein, sondern es kann nur ein Gedenken sein, bei dem auch ein gewisser Bußakt, ein Schuldbekenntnis auf beiden Seiten – dass es nicht zu einer Kirchenerneuerung, sondern zu einer Kirchenspaltung mit diesen furchtbaren Konsequenzen gekommen ist – das sollte meines Erachtens Platz haben."

Gibt es denn dafür schon konkrete Pläne und Gespräche darüber?

„Ich bringe diesen Vorschlag immer wieder ein, ich habe ja auch teilgenommen an der Synode der Vereinigten Evangelischen Kirche im Norden Deutschlands, dort haben wir einen ganzen Tag über dieses Thema gesprochen, und ich habe den Eindruck, dass viele nachdenklich geworden sind und diese Situation sehen. Andere möchten einfach feiern, aber ich glaube, wenn sie uns dabeihaben wollen, dürfen sie erwarten, dass wir auch unsere Vorstellungen einbringen."

Sie haben in Ihrem Vortrag als eine Dimension des Ökumenismus die Märtyrer angesprochen. Inwiefern können die Märtyrer uns auf den Grund des gemeinsamen Glaubens hinweisen?

„Das ist eine Vorstellung und eine Perspektive, die vor allem Papst Johannes Paul II. sehr am Herzen lag, weil er gesagt hat: Alle christlichen Kirchen und alle christlichen Gemeinschaften haben heute ihre Märtyrer. Und alle Märtyrer haben ja Zeugnis abgelegt für den gemeinsamen Glauben an Christus. Und deshalb sind die Märtyrer in ihrem gemeinsamen Zeugnis, in ihrer gemeinsamen Hingabe des Lebens der Einheit viel näher gekommen als wir das sind. Sie können, wenn wir uns in das Zeugnis ihres Lebens vertiefen, eine große Hilfe sein, die Einheit im Glauben wiederzufinden, das heißt, den Ökumenismus spirituell-theologisch zu vertiefen."

Gehen wir von der Mitte zum rechten Rand der Kirche. Auch wenn Sie selbst nicht direkt in die Gespräche mit der Piusbruderschaft involviert sind – wie würden Sie die Beziehungen zwischen Vatikan und Piusbruderschaft aktuell beschreiben?

„Bei der Piusbruderschaft hoffe ich immer noch, dass sie zur Kirche gehört und zur Kirche zurückkommen. Ich hoffe, dass es zu dieser Einheit kommt, aber es kann nicht eine Einheit um jeden Preis sein. Es ist nicht denkbar, dass man ein Konzil ablehnt, denn wer das Zweite Vatikanische Konzil ablehnt, wenigstens in großen Teilen, der lehnt ja auch das Lehramt des heutigen Papstes Benedikt XVI., der ganz auf dem Boden des Fundamentes des Zweiten vatikanischen Konzils steht. Von diesem Punkt kann man nicht abgehen!" (rv)

Vatikan: Neuer Präsident des Berufungsgerichts ernannt

An diesem Montag hat Papst Benedikt XVI. den neuen Präsidenten des Berufungsgerichts des Vatikanstaates ernannt. Es handelt sich um Pio Vito Pinto, der bislang als Dekan des Tribunals der Rota Romana tätig war – eine Aufgabe, die er auch in Zukunft weiter versehen wird. Das vatikanische Berufungsgericht wurde in Zusammenhang mit der vatikanischen Justizreform von 1987 gegründet. Hier werden zivil- und strafrechtliche Prozesse sowie arbeitsrechtliche Berufungsprozesse verhandelt, aber auch Entscheidungen über Schadensersatzforderungen getroffen. Pio Vito Pinto löst den bisherigen Präsidenten José Maria Serrano Ruiz ab und steht einem Richterkollegium aus drei Laien und drei Priestern sowie einem Justizpromotor vor. (rv)

Der Kardinal hält nichts vom Wörtchen „neutral“

Der Mailänder Kardinal Angelo Scola gilt als einer der scharfsinnigsten Denker in Italiens Kirche. Seine Predigt gegen einen in Religionsdingen angeblich „neutralen Staat" vor ein paar Tagen hat einige Beachtung gefunden. Scola hatte mit der Anti-Laizitäts-Predigt in Mailand die Feiern zu 1.700 Jahren Mailänder Edikt eröffnet; mit dem Text hatte Kaiser Konstantin den Christen Religionsfreiheit zugestanden. Radio-Vatikan fragte Kardinal Scola: Darf ein Staat in Religionsfragen neutral sein?

„Das Wort neutral ist in diesem Zusammenhang problematisch, weil eine Gesellschaft gar nicht neutral sein kann. Jeder tritt immer automatisch für eine bestimmte Sicht des Lebens ein. Auch wenn ich sage: ,Mir ist alles gleichgültig, ich bin Agnostiker‘, stehe ich damit auch für eine bestimmte Sicht des Lebens. Ich würde eher sagen, der Staat sollte ,akonfessionell‘ sein. Das heißt: Er darf selbst nicht für eine bestimmte Sicht des Lebens stehen, darf aber auch die religiöse bzw. ethische Präsenz, wo es sie im Leben der Gesellschaft gibt, nicht neutralisieren, sondern muss ihre Ausdrucksmöglichkeit fördern. Ich will nicht sagen, der Staat dürfe gar nichts tun, im Gegenteil: Ich sage, der Staat darf intervenieren, regulieren und lenken. Aber er darf dabei noch nicht einmal indirekt eine bestimmte Sicht des Lebens vor anderen bevorzugen: Er darf nur den Wettbewerb zwischen allen Kräften auf dem Platz fördern."

Wir fragten Kardinal Scola auch, ob aus seiner Sicht die Religionsfreiheit in Europa derzeit eingeschränkt oder bedroht ist. Seine Antwort:

„Man muss sehr klar zwei Dinge auseinanderhalten. Die seriösesten Berichte in diesem Bereich sprechen von Einschränkungen der Religionsfreiheit bzw. von Verfolgungen in etwa 123 Ländern weltweit. Doch der Fall Europas liegt etwas anders. Hier gibt es einige Signale, die es aus meiner Sicht nahelegen, an dem Thema noch energischer dranzubleiben als bisher. Das letzte Signal, das mich wirklich sprachlos gemacht hat, war die Initiative einer Vertreterin der französischen Regierung, welche ernstlich erwägt, alle leerstehenden Räumlichkeiten von religiösen Einrichtungen zu beschlagnahmen, um hier Obdachlose unterzubringen."

Es war die Pariser Wohnungsbauministerin Cécile Duflot, die letzte Woche im „Parisien" mit Zwangsmaßnahmen drohte, sollte die Kirche nicht von sich aus Schlaforte für Clochards angesichts der Kältewelle in Frankreich bereitstellen. Kardinal Scola dazu:

„Als ob die französische Kirche nicht schon längst unglaublich viel in diesem Bereich tun würde! Wenn die Kirche leerstehende Räumlichkeiten hat, dann doch sicher aus bestimmten Gründen und weil für diese Räume etwas vorgesehen ist; die stehen ja nicht zufällig leer. Also, da sehe ich die Gefahr von einschränkenden Gesetzen. Und dann heißt es ja auch, man wolle auf europäischer Ebene den sogenannten Gewissensvorbehalt abschaffen. Welche Opposition der Kirche das hervorrufen kann, haben wir in Amerika gesehen; dort wollten einige ausführende Bestimmungen der Gesundheitsreform Obamas alle katholischen Einrichtungen, auch Krankenhäuser und Schulen, verpflichten, ihre Angestellten auch in Bezug auf Verhütung und Abtreibung zu versichern. Das bedeutet, an eine Dimension der Gewissensfreiheit der Christen zu rühren!" (rv)

Kardinal von Sao Paolo: „Menschliche Werte gehen über Bord“

Mehr als zweihundert Mordopfer seit Oktober im Bundesstaat Sao Paolo: Das ist selbst für das an Gewalt gewöhnte Brasilien beunruhigend. Ende November trat wegen der Mordwelle der regionale Minister für öffentliche Sicherheit zurück. Eine kriminelle Gruppe scheint viele der Anschläge aus dem Gefängnis heraus zu koordinieren, viele der Opfer sind Polizisten, aber die meisten sind Passanten, die sozusagen zur falschen Zeit am falschen Ort waren. Kardinal Odilo Scherer ist Erzbischof von Sao Paolo. Er sagte im Interview mit Radio Vatikan:

„Das ist ein ziemlich neues Phänomen. Zwar hatten wir immer schon Gewalt, aber dieses Jahr kommt dazu auch ein Kampf gegen die Polizei, und es ist herausgekommen, dass eine Gruppe Morde an Politikern geplant hat. Andererseits fällt der Einsatz der Polizei beim Kampf gegen die Gewalt zuweilen ebenfalls gewalttätig aus. Leider haben wir jetzt jeden Tag in den Zeitungen eine Statistik, wie viele Menschen am Tag zuvor umgebracht worden sind; der Durchschnitt liegt bei acht bis zehn Personen in der ganzen Sao-Paolo-Metropolenregion, in der mehr als zwanzig Millionen Menschen leben. Offensichtlich hat sich die organisierte Kriminalität in den letzten Jahren bestimmter Räume – geographisch gesprochen – und bestimmter Stadtviertel bemächtigen können, wo mittlerweile die Sicherheitskräfte nicht mehr hingehen können. Ihnen kommt die Korruption zugute und das Geld aus Drogengeschäften und Schmuggel."

Er könne nicht behaupten, dass die Regierung angesichts des Vordringens der organisierten Kriminalität untätig geblieben sei, so der aus einer deutschbrasilianischen Familie stammende Kardinal. Sie habe unter anderem auch bei der Polizei einige Umbesetzungen vorgenommen und Grenzkontrollen verstärkt.

„Aber auf der anderen Seite gibt es hier auch einen kulturellen Faktor, den man erkennen muss – und genau auf diesem Feld versuchen auch wir als Kirche unseren Beitrag zu leisten. Wir stehen hier vor einem ganz und gar nicht banalen Absturz im Wertesystem: Es geht um moralische, um Lebens-, um Personenwerte, um Menschenwürde, Ehrlichkeit… Mit der organisierten Kriminalität schreitet ja auch die Korruption in mehreren sozialen Schichten voran, und gleichzeitig erscheint vielen der Konsumismus das große Ziel, der einzige Bezugspunkt fürs Handeln zu sein. Hier gehen elementar menschliche Werte über Bord! Und auch das gibt der Gewalt einen Raum, den sie okkupieren kann. Wir brauchen also eine neue Erziehung, die aus den Menschen wirklich Personen macht und nicht Wirtschaftsobjekte, Produzenten oder Konsumenten."

Scherer träumt von einer „kulturellen Wende", einer „neuen Mentalität". Die Kirche stehe auf der Seite der Gewaltopfer und bemühe sich, an den Voraussetzungen für die Gewalt etwas zu ändern. Doch anders als manche Agenturmeldungen das in den letzten Wochen suggerierten, werde das kirchliche Bild in Sao Paolo nicht von abgesagten Gottesdiensten und verbarrikadierten Kirchentüren bestimmt: So weit gehe die Angst vor der Gewalt dann doch wieder nicht. Die Christen bereiteten sich auf Weihnachten vor, so der Kardinal, überall würden Novenen gebetet und Gottesdienste gefeiert.

„Zum Glück haben wir es dieses Jahr auch geschafft, den Behörden wieder etwas klarer zu machen, dass Weihnachten etwas mit Jesus zu tun hat! Denn vor einiger Zeit – und das hatte mich sehr getroffen – war auf Weihnachtsplakaten und –glückwünschen noch nicht einmal der Name Jesus erwähnt worden. Und manchmal wurde sogar das Wort ,Weihnachten‘ vermieden – unter dem Motto ,Frohes Fest‘ oder so. Dieses Jahr hingegen wird Jesus wieder erwähnt, und man sieht Krippen an öffentlichen Plätzen und spricht von ,Weihnachten‘. Da ist eine Wiederaneignung des christlichen Elements im Gang." (rv)

Eritrea: Regime will Priester mit Waffen ausstatten

Während die internationale Staatengemeinschaft mit Sorge auf Ägypten blickt, befindet sich ein weiteres afrikanisches Land in einer schlimmen Krise. Im westafrikanischen Eritrea leidet besonders die katholische Kirche an den politischen Wirren in dem Land. Stimmen aus der Kirche, die aus Sicherheitsgründen anonym bleiben müssen, haben gegenüber dem internationalen katholischen Hilfswerk „Kirche in Not" beklagt, die Kirche in Eritrea blute durch den erzwungenen Militärdienst personell aus. Das bestätigt gegenüber Radio Vatikan John Newton von dem katholischen Hilfswerk.

„Alle Einwohner Eritreas – auch Frauen – sind gezwungen, mindestens eine Waffe zu besitzen. Die Regierung schafft aber damit eine Atmosphäre der permanenten Kriegsbedrohung, um die Menschen gefügig zu halten. Auch Seminaristen sowohl von katholischen als auch von orthodoxen Einrichtungen mussten vor Kurzem gezwungenermaßen den Militärdienst absolvieren."

Kritik wird in kirchlichen Kreisen daran geäußert, dass die kommunistische Regierung sogar Priester mit Waffen ausstatten will, so Newton. Der Kirche sei zudem die karitative Tätigkeit verboten.

„Die Regierung will, dass sich Seelsorger zwar auf die Kirche und die Sakristei beschränken, aber gleichzeitig auch in ihrem Dienst stehen. Das hat nun dazu geführt, dass in vielen Pfarreien niemand mehr für die Gläubigen da ist. Es fehlen Katecheten oder Messdiener. Alle haben Angst. Und mit dem Militärzwang für Seminaristen wird auch die Ausbildung der künftigen Priester prekär."

Die Zeit des Militärdienstes sei nicht zeitlich begrenzt, so dass er oft viele Jahre dauere. Die Kriegsgefahr werde seitens der Regierung übertrieben, was als Vorwand dazu diene, Militärdienstleistende nicht gehen zu lassen. Manche von ihnen seien bereits seit 16 Jahren in der Armee.

„Generell führt der Militärdienst dazu, dass es in dem Land einen Mangel an qualifizierten Arbeitskräften gibt. Davon ist natürlich auch die katholische Kirche sehr betroffen. Dazu kommt, dass viele Eritreer das Land verlassen. Somit geht dem Land wertvolles Potential verloren. Auch Jugendliche, die in Eritrea bleiben, sind im Geiste schon im Ausland. Es gilt hier ein weit verbreiteter Grundsatz: Wer bleibt, ist dumm. Bereits eine Million Eritreer leben im Ausland. Zurzeit leben in dem nordostafrikanischen Land 5,2 Millionen Menschen."

Papst Benedikt: Aufruf zu Solidarität mit Migranten

In seiner Ansprache nach dem Angelusgebet an diesem zweiten Adventssonntag hat Papst Benedikt in französischer Sprache dazu aufgerufen, Solidarität mit Migranten zu zeigen, die sich aus verschiedensten Gründen dazu gezwungen sehen, ihre angestammte Heimat zu verlassen:

„Der Advent lädt uns dazu ein, den Herrn zu treffen, und uns folglich auf den Weg zu machen. Diese Realität ist den Menschen wohl bekannt, die dazu gezwungen sind, ihre Region aus verschiedenen Gründen zu verlassen, darunter die Kriege oder die Armut. Migranten kennen die Ungewissheit und treffen häufig auf wenig Verständnis. Mögen sie wohl aufgenommen werden und eine würdige Existenz führen! Möge ihnen in dieser Vorweihnachtszeit brüderliche und freudige Solidarität zu Hilfe kommen und ihre Hoffnung aufrecht erhalten!"

In seinem Angelus hatte Papst Benedikt XVI. zuvor Bezug auf das Evangelium des zweiten Adventssonntags genommen, das von Johannes dem Täufer berichtet. Johannes der Täufer, so Papst Benedikt, werde bereits durch die Umstände seiner Empfängnis und seiner Geburt zu Christus in Relation gesetzt (vgl. Die Kindheitsgeschichten). Die Stimme Johannes des Täufers rufe zwar das Wort aus, doch es sei Gottes Wort selbst, das in der Wüste auf ihn herabkomme:

„Wir haben die Aufgabe, heute auf diese Stimme zu hören, um im Herzen Platz und Aufnahmefähigkeit für Christus, das Wort, das uns rettet, zu schaffen. Bereiten wir uns darauf vor, in dieser Adventszeit mit den Augen des Glaubens in der bescheidenen Grotte zu Bethlehem das Heil, das von Gott kommt, zu sehen (vgl. Lk 3,6). In der Konsumgesellschaft, in der man versucht ist, die Freude in weltlichen Dingen zu suchen, lehrt der Täufer uns, uns in unserem Leben auf das Wesentliche zu konzentrieren, damit Weihnachten nicht nur wie ein äußeres Fest gelebt werde, sondern als Fest des Gottessohnes, der gekommen ist, um den Menschen den Frieden, das Leben und die wahre Freude zu bringen."

An die deutschsprachigen Pilger gewandt, erinnerte der Papst daran, dass das Sakrament der Versöhnung ein Geschenk Gottes an uns sei, das stets aufs Neue zu empfangen sei:

„Ganz herzlich grüße ich die Pilger und Besucher deutscher Sprache. Das Evangelium des zweiten Adventssonntags berichtet von der Predigt des heiligen Johannes des Täufers, der zu Umkehr und Versöhnung mit Gott aufruft. Auch wir sind eingeladen, immer wieder das Geschenk der Vergebung von Gott zu empfangen, neue Menschen zu werden. Das Sakrament der Versöhnung ist ein besonderer Ort, um dem barmherzigen Gott zu begegnen. Hier vergibt der Herr alle Sünden, hier heilt er unsere Verwundungen und macht alles gut. Jedes verzagte Herz nimmt er in seine Hände und schenkt uns seinen Frieden und seine Freude. Gott segne euch alle!" (rv)

Vatikan: Kardinal Turkson fordert Menschenrechte ein

Kardinal Peter Turkson fordert einen verstärkten weltweiten Einsatz für Menschenrechte. Der Präsident des Päpstlichen Rates für Gerechtigkeit und Frieden war an diesem Samstag in Krakau zu Besuch. Turkson hielt dort eine Rede vor der Internationalen Menschenrechts- und Bildungs-Konferenz. Ein wichtiger Punkt sei die Religionsfreiheit. Turkson beklagte, dass es in vielen Ländern immer wieder Gewalt gegen Religionsgemeinschaften zu beobachten gebe, vor allem Christen litten sehr darunter. Die Kirche bitte deshalb dringend darum, dass sich alle für den Schutz der Religionsfreiheit einsetzten, denn sie sei „der Inbegriff der Wahrheit". Papst Benedikt XVI. habe erklärt, dass in einem funktionierenden und modernen säkularen Staat religiöse und weltliche Dinge getrennt werden müssten. (rv)

Brasilien: Kardinal Scheid feiert 80. Geburtstag

Der Brasilianische Kardinal Eusébio Oscar Scheid S.C.I. war bis Juli 2010 Bischof von Brasilien. Scheid wurde 2003 Durch Papst Johannes Paul II. in den Kardinalsstand erhoben. Mit der Erhebung erhielt er die Titelkirche "Santi Bonifacio e Alesio" in Rom. Mit seinem heutigen Geburtstag verliert er sein Wahlrecht in einem künftigen Konklave. Das Kardinalskollegium umfasst derzeit 211 Kardinäle  und von diesen sind 119 wahlberechtigt bei einer anstehenden Papstwahl. Mit seinem Wahlverlust verliert Kardinal Scheid auch seine Mitgliedschaft in zwei Dikasterien der Römischen Kurie in Rom. (vh)