Was Papst Franziskus in Genf vorhat

Ökumenisches Gebet, Rede vor dem Weltkirchenrat, heilige Messe – und ein Gespräch mit dem Schweizer Bundesratspräsidenten.

VATIKANSTADT – Rund zehn Stunden lang wird sich Papst Franziskus am 21. Juni in der Schweiz aufhalten – seit 2004 das erste Mal, dass ein Oberhaupt der Katholischen Kirche das Land besucht. Im Zentrum steht die Beziehungspflege mit dem meist als Weltkirchenrat bezeichneten Ökumenischen Rat der Kirchen (ÖRK), der in diesem Jahr seines 70-jährigen Bestehens gedenkt.

Das Anliegen der Reise des Pontifex ist also die Ökumene; die Beziehung der weltweiten Katholischen Kirche – die kein Vollmitglied des ÖRK ist – mit den rund 350 Strömungen des Christentums, die dort anzutreffen sind, darunter Altorientale, Anglikaner, Orthodoxe, Pfingstkirchler und Anhänger weiterer Formen des Protestantismus.

Franziskus tritt mit seiner Visite im Juni einerseits in die Fußstapfen früherer Päpste – im Jahr 1969 kam Paul VI., im Jahr 1984 war Johannes Paul II. in Genf – und bringt gleichzeitig sein ureigenes Engagement zur Geltung.

Darauf deutet auch das nun vorgestellte Logo und Motto der Visite hin:

„Ökumenischer Pilgerweg – Gemeinsam unterwegs sein, beten und arbeiten“.

Das Programm der 23. Auslandsreise von Franziskus:

10:10 Uhr Ankunft Flughafen Genf

10:30 Uhr Gespräch mit Schweizer Bundesratspräsident Alain Berset (SP)

11:15 Uhr Gemeinsames Gebet, Rede des Papstes im ÖRK-Zentrum, Genf

12:45 Uhr Mittagessen mit ÖRK-Leitung im Ökumenischen Institut, Bossey

15.45 Uhr Ansprache des Papstes bei Begegnung im ÖRK-Zentrum

17:30 Uhr Heilige Messe im Kongresszentrum, mit Predigt des Pontifex

20:00 Uhr Rückflug nach Rom (Landung 21:40 Uhr)

(CNA Deutsch)

Genf: Das Programm des Papstbesuches

Der Papst wird am Donnerstag in Genf drei Ansprachen halten. Laut dem Vatikansprecher Greg Burke wird Franziskus als „ökumenischer Pilger“ in die Schweiz kommen um „mitzugehen, zu beten und zusammenzuarbeiten“. Ein Höhepunkt neben dem offiziellen Programm soll ein Treffen mit einer koreanischen Delegation mit Vertretern aus dem Norden und Süden sein.

Die Terminübersicht:

8.30 Uhr: Abflug vom Flughafen Rom-Fiumicino nach Genf

10.10 Uhr: Ankunft auf dem Internationalen Flughafen Genf und anschließend

Begrüßungszeremonie

10.30 Uhr: Private Begegnung mit dem Schweizer Bundespräsidenten Alain Berset in einem Raum des Flughafens

11.15 Uhr: Ökumenisches Gebet im Ökumenischen Zentrum des Weltkirchenrates (ÖRK); Ansprache des Papstes

12.45 Uhr: Mittagessen mit der Leitung des Weltkirchenrates im Ökumenischen Institut Bossey

15.45 Uhr: Ökumenisches Treffen im Ökumenischen Zentrum des Weltkirchenrates; Ansprache des Papstes

17.30 Uhr: Heilige Messe im Kongresszentrum Palexpo; Predigt des Papstes

19.15 Uhr: Verabschiedung von den Bischöfen und Mitarbeitern der päpstlichen Vertretungen in der Schweiz

19.45 Uhr: Offizielle Verabschiedung am Internationalen Flughafen Genf

20.00 Uhr: Abflug nach Rom-Ciampino

21.40 Uhr: Ankunft auf dem Flughafen Rom-Ciampino

(vh – mm)

Kardinal Koch über die Ökumenische Chance des neuen Mariengedenktags

VATIKANSTADT – Am Pfingstmontag hat die Weltkirche erstmals den Gedenktag der „Seligen Jungfrau Maria, Mutter der Kirche“ gefeiert, den Papst Franziskus eingeführt hat. Weshalb war es dem Heiligen Vater hier ein Anliegen, Maria mit Pfingsten, mit der Geburtsstunde der Kirche zu verbinden? Julia Wächter fragte den Präsidenten des Päpstlichen Rates für die Einheit der Christen, Kardinal Kurt Koch.

Kardinal Kurt Koch: Die Lesung, die in der Heiligen Messe am Gedenktag vorgesehen ist, bietet den Schlüssel zum Verständnis. In der Apostelgeschichte (1,12-14) wird berichtet, dass nach der Himmelfahrt Christi sich die Jünger mit Maria im Obergemach versammelten und einmütig im Gebet verharrten und auf das Kommen des Heiligen Geistes warteten. Maria tritt hier als Vorbeterin der Jüngergemeinschaft vor unsere Augen; und es wird sichtbar, wie die neue Lebenskraft der Kirche an Pfingsten und die mütterliche Sorge Mariens für die Kirche eng zusammengehören. Maria ist die pfingstliche Mutter der Kirche. Da Maria die pfingstliche Geburt der Kirche mit ihrem Gebet begleitet hat, bittet sie auch heute darum, dass die Kirche stets auf den Heiligen Geist hört.

Für viele Menschen ist das ökumenische Miteinander gerade an Pfingsten wichtig. Müssen sich Gläubige in Zukunft entscheiden: Maria oder Ökumene?

Dies wäre eine schiefe Entscheidung. Denn Maria hat kein anderes Anliegen als dies, uns zu Christus zu führen. Dies ist sehr schön sichtbar bei der Hochzeit zu Kana, bei der Maria ihre Aufgabe darin sieht, die Sorgen der Hochzeitsleute Jesus anzuvertrauen und es ihm zu überlassen, was er daraufhin tun will. Was Maria in Kana getan hat, das tut sie auch heute: Sie ist ganz Ohr für ihren Sohn und will uns zu Christus führen, dass wir seinen Willen tun. Sein Wille ist die Einheit der Jünger, und deshalb sind wir gut beraten, uns in unserem Bemühen um die Einheit der Kirche Maria um ihre Fürbitte anzugehen. Maria braucht deshalb nicht zwischen den Konfessionen zu stehen. Sie, die „Gnadenvolle“, gleichsam die personifizierte Gnade, ist eine wahrhafte Anwältin der ökumenischen Suche nach der Einheit der Kirche.

Maria stand unter dem Kreuz und wird heute als Schmerzensmutter verehrt. Was heißt das für die zerspaltene Kirche?

Im Evangelium der Gedenkmesse (Joh 19, 25-34) wird berichtet, dass Jesus unter dem Kreuz seine Mutter dem Jünger Johannes und ihm – und durch ihn allen Gliedern der Kirche in allen Generationen – seine Mutter anvertraut hat. Wenn es anschließend heißt, „von jener Stunde an“ habe der Jünger Maria zu sich genommen, dann dürfen wir hier die tiefste Wurzel der kirchlichen Gemeinschaft wahrnehmen. Wie die Kirche gleichsam unter dem Kreuz Jesu Christi entstanden ist, so kann auch die Einheit der Kirche nur unter dem Kreuz gefunden werden. Dies bedeutet zugleich, dass die ökumenische Suche nach der Einheit nicht ohne Schmerzen möglich ist, dass diese Schmerzen aber bei der Schmerzensmutter gut aufgehoben sind.

Der evangelische Ministerpräsident Markus Söder hat in ganz Deutschland die Kreuzdebatte ausgelöst. In Regensburg haben Regionalbischof Hans-Martin Weiss und Diözesanbischof Rudolf Voderholzer mit einem „ökumenischen Ja“ zum Kreuz in öffentlichen Räumen positiv Stellung bezogen. Was können Christen in der Gesellschaft erreichen, wenn sie gemeinsam auftreten?

Alles, was Christen – unter Respektierung verschiedener Überzeugungen – gemeinsam bezeugen und tun können, sollen sie gemeinsam tun. Die wichtigste ökumenische Aufgabe erblicke ich in der heutigen Zeit darin, dass wir Christen in unserer immer mehr säkularisierten Gesellschaft gemeinsam die Gegenwart des lebendigen Gottes bezeugen und die schöne Botschaft verkünden, dass Gottes Liebe in Jesus Christus ein konkretes Gesicht erhalten und ihren Ernstfall am Kreuz gefunden hat. Wenn Repräsentanten verschiedener Kirchen dies mit einer Stimme bezeugen können, dient dies der Glaubwürdigkeit der Botschaft. Und was könnte uns Christen mehr miteinander verbinden als das Kreuz Jesu Christi? (CNA Deutsch)

Papst in Genf: Ökumene, Messe, Treffen mit Bundespräsident

Papst Franziskus hält bei seinem Besuch in Genf am 21. Juni zwei Predigten und eine Rede. Das geht aus dem Reiseprogramm hervor, das der Vatikan an diesem Montag bekanntgab.

Demnach trifft der Papst um 11:15 Uhr im Ökumenischen Zentrum in Genf zum ökumenischen Gebet ein, wo er seine erste Homilie halten will. Danach nimmt Franziskus das Mittagessen mit der Führungsriege des gastgebenden Weltkirchenrates im Ökumenischen Institut von Bossey ein. Um 15:45 Uhr findet eine ökumenische Begegnung mit dem Weltkirchenrat statt, bei der Franziskus eine Rede halten wird. Die darauf folgende Heilige Messe am späten Nachmittag, die der katholischen Bevölkerung gilt, findet im Kongresszentrum Palaexpo statt.

Vorgesehen ist zum Beginn des Genf-Besuchs auch eine private Begegnung des Papstes mit dem Schweizer Bundespräsidenten Alain Berset. Sie ist in einem Saal des Flughafens anberaumt; die Ankunft des Papstes mit einer Willkommenszeremonie ist davor für 10:10 geplant. Um 20 Uhr fliegt der Papst zurück nach Rom-Ciampino, wo er um 21:40 Uhr ankommen soll. Der Besuch in Genf ist als „Ökumenische Pilgerreise“ deklariert. (Vatican News – gs)

Kardinal Müller: Dem Papst ist nicht mit Personenkult gedient

Befreiungstheologie, Wahrheit Gottes und Freiheit des Menschen, Ökumene, Kapitalismuskritik, ewiges Leben: Würden Sie vermuten, dass ein Buch, das diese Inhalte vereint, den Titel „Der Papst“ trägt? An diesem Montag ist ein solches Buch erschienen, der Autor ist kein Geringerer als der Präfekt der Glaubenskongregation, Kardinal Gerhard Ludwig Müller.

Gleich zu Beginn betont der deutsche Kurienkardinal, er wolle nicht über „das Papsttum“ schreiben, also eine anonyme Institution. Papst, das sei eine Abfolge von Menschen, die personale Beziehung hat Vorrang, so Kardinal Müller im Interview gegenüber Radio Vatikan. „Es gibt viele Bücher über ‚das Papsttum’, oder über die Päpste, aber es ist wichtig, dass man diese Sendung als eine Sendung von Personen auffasst und nicht von einer Institution redet. Jesus hat selber zu Simon gesagt ‚du bist Petrus und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen’. Es ist eine personale Relation, welche dieses besondere Amt ausmacht.“ Das Buch ist insgesamt ein theologisch-spiritueller Gang durch das Papstamt, „von mir als alteingesessenem Theologieprofessor, da erwartet man halt so ein Buch“, sagt Müller lachend.

„Eine Gefahr heute, in den Medien: dass nur noch die Stimme des Papstes erklingt“

Kardinal Müller beginnt aber zunächst biographisch, mit seiner persönlichen Geschichte der Päpste, von der Jugend an. Er wolle nicht nur eine theologische Abhandlung vorlegen, sondern bewusst auch als reflektierter Gläubiger schreiben, so Müller, „dass wir also nicht etwas errichten, was seine lebendigen Wurzeln verloren hat und dann wie ein toter Baum vielleicht schön anzusehen ist, aber ohne Leben in der Landschaft herum steht.“

Die katholische Kirche sei keine „Papstkirche“, das Zentrum ist Christus selber, betont Kardinal Müller. „Es muss auch nicht alles auf Rom hin konzentriert sein“, verweist er auf das Zweite Vatikanische Konzil. Dementsprechend ausführlich zitiert der Autor in seinem Buch immer wieder vor allem das Dokument Gaudium et Spes. „Man muss einerseits betonen, wie wichtig der Papst für die Einheit der gesamten Kirche im Glauben ist, aber andererseits darf man das nicht zentralistisch auffassen. Man kann nicht dem Papst dienen, wenn man einen Personenkult um ihn herum betreibt. Das ist sicherlich eine Gefahr heute, in den Medien, dass nur noch die Stimme des Papstes erklingt, während die Sichtweise von der natürlichen Verfassung der Kirche her eigentlich andersherum ist.“ Die konkrete Versammlung – ob nun die biblischen „zwei oder drei“ oder auch fünfzig – sei das Ursprüngliche, zunächst in der Familie, dann in der Gemeinde und von da aus weite sich das. Das Konkrete vor Ort dürfe nicht als nachgeordnet erscheinen.

Christus hat einfache Menschen gewählt

Papstverherrlichung schade dem Amt mehr, als sie ihm nutze. „Wir kennen das ja schon von Paulus her, dass er Petrus als den Ersten anerkannt hat, aber doch in einer wichtigen Frage der praktischen Umsetzung kritisch etwas zu ihm gesagt hat. Das äußere Verhalten muss mit der inneren Haltung überein stimmen, das begleitet die Geschichte der Päpste. Es war die Wahl Christi selber, dass er nicht die Schönsten und Mächtigsten zu seinen Aposteln gemacht hat, sondern einfache Menschen, die sich auch bewusst sind, dass sie keine Übermenschen sind, sondern die immer der Gnade Gottes bedürfen.“

Kardinal Müller warnt deswegen auch vor überzogenen Erwartungen, weil diese bei – voraussehbarer – Nichterfüllung ins Gegenteil umschlagen. Die Schwächen gehörten aber zum Menschen, „ein erwachsener Christ muss umgehen können mit den Schwächen und Grenzen der offiziellen Repräsentanten der Kirche.“ Verehrung und Anerkennung sei für einen Katholiken dem Papst gegenüber selbstverständlich, auch dem konkreten Papst, nicht nur dem Amt – aber bitte nicht übertreiben.

Reform: wieder Fahrt gewinnen

Kardinal Müller zitiert an dieser Stelle in seinem Buch einen Theologen des 16. Jahrhunderts, Melchior Cano, also aus einer Zeit der nötigen Kirchenreform. Um Reform geht es auch ihm, Müller, wenn sie auch anders gelagert ist als vor 500 Jahren. Damals sei es um tiefgreifende Schwächen, auch strukturelle, der Kirche gegangen, „während ich heute unter Kurienreform eher verstehen würde, dass wir alle neu motiviert werden und nicht in die bürgerliche Bequemlichkeit zurück fallen. Was wir heute unter Reform verstehen ist die Frage, wie wir wieder Fahrt gewinnen, wenn es um die großen Herausforderungen der Säkularisierungen geht. Es geht darum, dass wir positiv die Fülle des Glaubens und der Hoffnung, die uns geschenkt worden ist, werbend, einladend, ermöglichend in den großen gesellschaftlichen Diskurs einbringen.“

Aber auch die äußeren Zeichen des Papsttums verändern sich, sagt Kardinal Müller, das Papsttum nehme natürlich immer auch die Züge seiner Zeit an, weil es auf konkrete Umstände Antwort geben müsse. „Das hat aber nichts mit einer von einigen befürchteten De-Sakralisierung des Bischofsamtes oder des Papstamtes zu tun. Es wäre ja auch nicht möglich, einen reinen Funktionalismus aufzubauen. Die Kirche ist Leib Christi und Volk Gottes und nicht eine von uns gemachte soziale Organisation mit ihren einzelnen Abteilungen, die innerweltliche Verbesserungsvorschläge einbringt.“

Ausrichtung auf Seelsorge und die Würde des Menschen

Konkret wird gerade der aktuelle Papst gegenüber den sozialen und ökologischen Herausforderungen heute, was Kardinal Müller in seinem Buch mit einer ausführlichen Betrachtung der Enzyklika Laudato Si’ beantwortet. „Die Ausrichtung auf die Seelsorge, eine konstruktive und aufbauende Gesellschaftskritik, die Soziallehre, die Befreiungstheologie nicht nur als fünftes Rad am Wagen eines politischen Programms sondern als echte Theologie, die von Gott her Entscheidendes beiträgt zur Unterstreichung oder Wiederherstellung der Menschenwürde in vielen Teilen der Welt: Das alles gehört innerlich zusammen und ist nicht nur eine äußerliche Kombination. Es gehört so untrennbar zusammen wie Gottes- und Nächstenliebe.“

Gerhard Ludwig Müller: Der Papst. Sendung und Auftrag. Das Buch ist im Verlag Herder erschienen und kostet etwa 30 Euro. (rv)

In vollem Wortlaut: Papstpredigt zur Ökumene

In der römischen Basilika St. Paul vor den Mauern hat Papst Franziskus an diesem Mittwochabend die diesjährige Gebetswoche für die Einheit der Christen feierlich abgeschlossen. Wir dokumentieren seine Predigt bei der Vesper hier in vollem Wortlaut.

Die Begegnung mit Jesus auf der Straße nach Damaskus verwandelt das Leben des heiligen Paulus von Grund auf. Von jenem Moment an liegt für ihn der Sinn seines Daseins nicht mehr darin, auf die eigenen Kräfte zu vertrauen, um peinlich genau das Gesetz zu befolgen, sondern darin, sich ganz und gar an die gegenleistungsfreie und unverdiente Liebe Gottes zu klammern, an den gekreuzigten und auferstandenen Jesus Christus. So erlebt er, wie ein neues Leben anbricht, das Leben nach dem Geist, in dem er durch die Kraft des auferstandenen Herrn Vergebung, Vertrautheit und Ermutigung erfährt. Und diese Neuheit kann Paulus nicht für sich behalten: Die Gnade drängt ihn, die Frohe Botschaft von der Liebe und der Versöhnung zu verkünden, die Gott in Christus der Menschheit in Fülle anbietet.

Für den Völkerapostel ist die Versöhnung des Menschen mit Gott, deren » Gesandter « er geworden ist (vgl. 2 Kor 5,20), ein Geschenk, das von Christus kommt. Das wird ganz deutlich in dem Text aus dem Zweiten Korintherbrief, dem in diesem Jahr das Thema der Gebetswoche für die Einheit der Christen entnommen ist: „Die Liebe Christi drängt uns zur Versöhnung“ (vgl. 2 Kor 5,14-20). „Die Liebe Christi“: Es handelt sich nicht um unsere Liebe zu Christus, sondern um Christi Liebe zu uns. In gleicher Weise ist die Versöhnung, zu der wir gedrängt werden, nicht einfach unsere Initiative: An erster Stelle ist sie die Versöhnung, die Gott uns in Christus anbietet. Mehr als ein menschliches Bemühen der Gläubigen, die versuchen, ihre Spaltungen zu überwinden, ist sie zuerst einmal eine ungeschuldete Gabe Gottes. Als Konsequenz dieser Gabe ist der Mensch, der Vergebung und Liebe erfahren hat, aufgefordert, seinerseits das Evangelium der Versöhnung in Wort und Tat zu verkünden, ein versöhntes Dasein zu leben und zu bezeugen.

Aus dieser Sicht können wir uns heute fragen: Wie kann man dieses Evangelium der Versöhnung nach Jahrhunderten der Trennung verkünden? Paulus selbst hilft uns, den Weg zu finden. Er betont, dass die Versöhnung in Christus nicht ohne Opfer geschehen kann. Jesus hat sein Leben hingegeben und ist für alle gestorben. Ähnlich sind die Botschafter der Versöhnung in seinem Namen aufgerufen, ihr Leben hinzugeben; nicht mehr für sich selbst, sondern für den zu leben, der für sie gestorben und auferstanden ist (vgl. 2 Kor 5,14-15). Wie Jesus lehrt, retten wir unser Leben nur dann wirklich, wenn wir es aus Liebe zu ihm verlieren (vgl. Lk 9,24). Das ist die Umwälzung (rivoluzione), die Paulus erlebt hat, aber es ist die christliche Umwälzung aller Zeiten: nicht mehr für uns selber zu leben, für unsere Interessen und unsere Image-Pflege, sondern nach dem Bild Christi, für ihn und nach ihm, mit seiner Liebe und in seiner Liebe.

Für die Kirche, für jede christliche Konfession ist es eine Einladung, sich nicht auf Programme, auf Berechnungen und Vorteile zu stützen, nicht auf die Zweckmäßigkeiten und derzeitige Moden zu vertrauen, sondern im ständigen Blick auf das Kreuz des Herrn den Weg zu suchen: Dort ist unser Lebensprogramm. Es ist auch eine Einladung, aus jeder Abschottung herauszukommen, die Versuchung der Selbstbezogenheit zu überwinden, die verhindert, das zu erfassen, was der Heilige Geist außerhalb der eigenen Räume wirkt. Eine echte Versöhnung zwischen den Christen wird sich verwirklichen lassen, wenn wir verstehen, wechselseitig die Gaben des anderen anzuerkennen, und fähig sind, demütig und aufmerksam voneinander zu lernen – voneinander zu lernen! -, ohne zu erwarten, dass zuerst einmal die anderen von uns lernen.

Wenn wir so leben, d.h. um Christi willen uns selbst sterben, wird unser alter Lebensstil in die Vergangenheit verbannt und wir treten, wie damals Paulus, in eine neue Form des Daseins und der Gemeinschaft ein. Dann können wir mit Paulus sagen: » Das Alte ist vergangen « (2 Kor 5,17). Zurückzublicken ist hilfreich und überaus notwendig, um das Gedächtnis zu reinigen. Aber sich auf die Vergangenheit zu versteifen, indem man sich dabei aufhält, an erlittenes und verübtes Unrecht zu denken und nach rein menschlichen Kriterien zu urteilen, kann lähmend sein und verhindern, dass man in der Gegenwart lebt. Das Wort Gottes ermutigt uns, aus dem Gedenken Kraft zu schöpfen, uns an das vom Herrn empfangene Gute zu erinnern. Aber es verlangt auch von uns, die Vergangenheit hinter uns zu lassen, um Jesus im Heute zu folgen und in Ihm ein neues Leben zu leben. Erlauben wir dem, der alles neu macht (vgl. Offb 21,5), uns auf eine neue Zukunft auszurichten, welche offen ist für die Hoffnung, die nicht trügt – eine Zukunft, in der die Spaltungen überwunden werden können und die Gläubigen, in der Liebe erneuert, vollkommen und sichtbar vereint sein werden.

Während wir auf dem Weg der Einheit unterwegs sind, denken wir in diesem Jahr besonders an den fünfhundertsten Jahrestag der protestantischen Reformation. Dass heute Katholiken und Lutheraner gemeinsam eines Ereignisses gedenken können, das die Christen getrennt hat, und dass sie dies hoffnungsvoll tun, indem sie den Schwerpunkt auf Jesus und sein Werk der Versöhnung setzen, ist ein bemerkenswertes Ziel, das durch Gott und das Gebet im Laufe von fünfzig Jahren gegenseitiger Bekanntschaft und ökumenischen Dialogs erreicht wurde.

Indem ich von Gott die Gabe der Versöhnung mit ihm und unter uns erbitte, richte ich meine herzlichen und brüderlichen Grüße an den Vertreter des ökumenischen Patriarchats, Seine Eminenz Metropolit Gennadios, an den persönlichen Vertreter in Rom des Erzbischofs von Canterbury, Seine Gnaden David Moxon und an alle Vertreter der verschiedenen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften, die hier zusammengekommen sind. Mit besonderer Freude begrüße ich die Mitglieder der gemischten Kommission für den theologischen Dialog zwischen der katholischen Kirche und den altorientalischen Kirchen, denen ich für die Vollversammlung, die in diesen Tagen stattfindet, eine fruchtbare Arbeit wünsche. Ich begrüße auch die Studenten des Ecumenical Institute of Bossey (so ausgelassen!, ich habe sie heute morgen gesehen), die in Rom zu Besuch sind, um Ihre Kenntnis der katholischen Kirche zu vertiefen, sowie die jungen orthodoxen und altorientalischen Christen, die dank der Stipendien vom Komitee für kulturelle Zusammenarbeit mit den orthodoxen Kirchen in Rom studieren – ein Komitee, das beim Rat zur Förderung der Einheit der Christen tätig ist. Den Vorgesetzten und allen Mitarbeitern dieses Dikasteriums drücke ich meine Wertschätzung und meinen Dank aus.

Liebe Brüder und Schwestern, unser Gebet für die Einheit der Christen ist eine Teilhabe an dem Gebet, das Jesus vor seinem Leiden an den Vater richtete: » Alle sollen eins sein « (Joh 17,21). Werden wir niemals müde, diese Gabe von Gott zu erbitten. In der geduldigen und zuversichtlichen Erwartung, dass der Vater allen Gläubigen das Gut der vollen sichtbaren Einheit gewähren möge, wollen wir auf unserem Weg der Versöhnung und des Dialogs vorangehen. Dabei ermutigt uns das heroische Zeugnis so vieler Brüder und Schwestern, die gestern wie heute im Leiden für den Namen Jesu vereint waren und sind. Nehmen wir jede Gelegenheit wahr, welche die Vorsehung uns bietet, um gemeinsam zu beten, gemeinsam zu verkündigen und gemeinsam zu lieben und zu dienen – vor allem gegenüber denjenigen, die am ärmsten und am meisten vernachlässigt sind. (rv)

Kardinal Koch: Ein spannendes Jahr für die Ökumene

Kardinal KochDie Einheit der Christen hat ein interessantes Jahr vor sich: Die Ökumene mit den Lutheranern, den Orthodoxen, den Orientalen und den Anglikanern steht vor unterschiedlichen und großen Herausforderungen. Wenn ab Montag die Gebetswoche für die Einheit der Christen begangen wird, dann sind diese Herausforderungen immer mit dabei, sagt Kardinal Kurt Koch, der als Präfekt des vatikanischen Einheitsrates für die Ökumene zuständig ist.

„Wir haben als Leitwort der Woche dieses schöne Wort gewählt, dass wir berufen sind, die Großtaten Gottes zu verkünden. In diesem Zusammenhang wird im biblischen Text gesagt, dass wir eine Zeit lang ausgeschlossen gewesen sind von der Barmherzigkeit, nun aber aus der Barmherzigkeit Gottes leben dürfen. Da haben wir eine schöne Koinzidenz mit dem Jubiläum der Barmherzigkeit, und dieses Jubiläum ist ein Anlass, tiefer über die Mitte des christlichen Glaubens gemeinsam nachzudenken. Ökumene heißt ja nicht nur, über die schwierigen, uns noch trennenden Fragen zu diskutieren, sondern gemeinsam die Mitte und das Herz des christlichen Glaubens zu vertiefen. Dazu ist das Heilige Jahr, das Jubiläum der Barmherzigkeit und die Einheitswoche eine gute Gelegenheit.“

Die Woche steht am Beginn eines interessanten Jahres für die Ökumene, die Kirchen gehen schließlich auf den 500. Jahrestag des Beginns der Reformation zu. Kardinal Koch ist überzeugt, dass die Kirchen gut darauf vorbereitet sind. „Wir haben bereits ein Dokument veröffentlicht unter dem Titel ‚Vom Konflikt zur Gemeinschaft’, in dem wir zeigen, wie man gemeinsam das Reformationsgedenken begehen kann. Auf der Basis dieses Dokuments hat eine Arbeitsgruppe liturgische Elemente erarbeitet, wie man dieses Reformationsgedenken gemeinsam begehen kann. Das wird nun vom Lutherischen Weltbund und von uns versandt. Dann sind wir aber auch in der Vorbereitung der liturgischen Begegnung zwischen Lutheranern und Katholiken auf weltweiter Ebene. Das ist geplant für Ende Oktober in Lund in Schweden, dem Geburtsort des Lutherischen Weltbundes. Hier haben wir die schöne Idee, dass die Lutheraner von Anfang an gesagt haben, dass nicht sie die Katholiken einladen, sondern dass Lutheraner und Katholiken gemeinsam die anderen einladen. So hoffe ich, dass dieses Ereignis in Lund die Einheit zwischen Lutheranern und Katholiken vertieft und ein guter Schritt ist auf dem Weg zur vollen Einheit.“

Reformation stehe für viele Christen für Konflikt und Trennung, kein Grund erst einmal für Feiern. Das müsse man ernst nehmen, sagt Kardinal Koch, denn die Reformation habe ja nicht nur die Wiederentdeckung der Bibel und der Rechtfertigungslehre gebracht, sondern auch die Trennung der Kirche heraufgeführt – und damit grausame Konfessionskriege.

„Papst Franziskus hat unlängst einmal gesagt: Wenn wir die aktuellen Auseinandersetzungen zwischen Sunniten und Schiiten sehen, dann müssen wir uns daran erinnern, dass wir dasselbe gemacht haben zwischen Lutheranern und Katholiken. In dem Sinn müssen wir Buße tun!“ Das sei aber nur die eine Seite, sagt der Ökumeneverantwortliche des Vatikans, man begehe nicht nur 500 Jahre Beginn der Reformation, sondern man feiere auch fünfzig Jahre des ökumenischen Dialogs zwischen Katholiken und Lutheranern. Für die dabei entdeckten Gemeinsamkeiten dürfe man dankbar sein.

Ökumene mit Orthodoxen und Orientalen

Das ist der eine Bereich der Ökumene, der Dialog mit den Kirchen der Reformation, besonders den Lutheranern. Aber auch in anderer Hinsicht wird 2016 ein ökumenisch interessantes Jahr: Die Kirchen der Orthodoxie haben ihr erstes Konzil seit der Trennung der Kirchen vor tausend Jahren geplant. „Ich denke, dass der Ökumenische Patriarch Bartholomaios den Ernst sehr klar erfasst hat, wenn er sagt, dass die Orthodoxen zwar immer sagen, dass sie eine synodale Kirche seien, nun müssten sie es der Welt auch zeigen. Auf der anderen Seite bin ich überzeugt, dass in der Panorthodoxen Synode (dem Konzil) die orthodoxen Kirchen unter sich mehr Einheit finden können und dass das auch eine große Hilfe sein wird, die Schwierigkeiten im katholisch-orthodoxen Dialog zu bearbeiten und zu überwinden.“

Bei diesen Schwierigkeiten geht es unter anderem um einen gemeinsamen Ostertermin, um die gegenseitige Anerkennung der Sakramente und um die Frage des Primats des Papstes. Er hoffe und bete, dass das Konzil wie vorgesehen wirklich zu Pfingsten stattfinden könne, so Kardinal Koch.

Der dritte Bereich der Ökumene, der Dialog mit den orientalischen Kirchen, sieht im kommenden Jahr ebenfalls ein wichtiges Ereignis: Bei einer Konferenz in Kairo wird die dritte Phase eines Dialogprozesses begonnen. In den ersten beiden Phasen habe man über die Kirche und ihre Sendung gesprochen, in der zweiten sei es um die Gemeinschaft zwischen den Kirchen gegangen. „Und jetzt beginnen wir einen Dialog über die Sakramente, vor allem über die Sakramente der Initiation, im Vordergrund steht die Taufe. Das wird kein leichtes Thema sein, weil einzelne orientalische Kirchen noch immer die Wiedertaufe haben, etwa bei Heirat oder bei Konversion. Das ist eine schwierige Herausforderung, weil Taufe und die gemeinsame Anerkennung der Taufe das Fundament der Ökumene ist. Da hoffe ich, dass wir mehr Konsens untereinander finden können.“

Ökumene mit den Anglikanern

In den Fokus gerückt ist in diesen Tagen die Entscheidung der anglikanischen Weltgemeinschaft, ihre Kirchen in den USA wegen der Anerkennung der gleichgeschlechtlichen Ehe für eine bestimmte Frist zu sanktionieren: Drei Jahre lang dürfen US-Amerikaner keine Leitungsaufgaben in der Gemeinschaft wahrnehmen. Er sei froh, dass es nicht zum endgültigen Bruch gekommen sei, kommentiert Kardinal Koch diese interne Entscheidung der Anglikaner. Er hoffe, dass die Zeit der Suspendierung der US-Anglikaner genutzt werden könne, um die tiefere Einheit wieder zu finden.

„Im ökumenischen Zeitalter, wo wir Einheit suchen, ist jede neue Spaltung eine große Gefahr und eine große Herausforderung. Ich glaube, dass wir unseren Dialog weiterführen, denn die Hauptthemen dieses Dialogs betreffen ja genau dieselben Fragen. Auf der einen Seite das Verhältnis von Ortskirche und Universalkirche, und auf der anderen Seite geht es darum, wie wir mehr Einheit finden können in der Behandlung von ethischen Differenzen. Das sind die Hauptthemen unseres Dialogs. Es wäre schön, wenn dieser Dialog helfen könnte, in der anglikanischen Gemeinschaft die Einheit wieder zu finden!“ (rv)

Papstbesuch bei Lutheranern: Mehr möglich als Bedenkenträger meinen

Luther_95_ThesenDas Wort „Ökumene“ hat Papst Franziskus gar nicht benutzt, aber dennoch ist ihm ein großer Schritt gelungen. Das sagt der Pfarrer der Evangelisch-Lutherischen Gemeinde in Rom, Jens-Martin Kruse, nach dem Besuch des Papstes in seiner Kirche an diesem Sonntag. Wir haben mit Kruse direkt nach dem Besuch gesprochen. „Ich glaube, dass wir heute ein schönes und verbindendes Zeichen gesetzt und vielleicht sogar aufgezeigt haben, dass man tatsächlich noch mehr in der Ökumene machen kann, dass der Papst ganz willig und bereit ist und mit großer Offenheit uns gegenüber ein Zeichen gesetzt hat. Das gibt unglaublich Mut und, wie ich hoffe, auch Schwung – auch auf dem Weg Richtung 2017 [Reformations-Gedenken]. Es ist viel mehr möglich, als die Bedenkenträger immer meinen!“

In einer Antwort auf eine ihm gestellte Frage hatte Papst Franziskus gesagt, dass er als Papst nicht einfach erlauben dürfe, dass gemischt-konfessionelle Paare zur Kommunion gehen. Aber dann hatte er auf das Gewissen und das gemeinsame Gebet des Paares verwiesen. Dass ihm diese Frage selber auch ein Anliegen ist, bewies der Papst in seinem Gastgeschenk: einem Kelch, wie die katholische Kirche ihn zur Eucharistie und die lutherische Kirche zum Abendmahl verwendet. „Das ist natürlich ein wirklich spektakuläres Geschenk und eine tolle Geste“, so Pfarrer Kruse. „An der Stelle, wo es eben noch keine Gemeinschaft gibt, das Zeichen zu setzen, dass wir diese Gemeinschaft wollen, dass wir dieses gemeinsame Abendmahl wollen. In diesem Sinn hat der Papst ja auch sehr fein auf die ihm gestellten Fragen nach der Gemeinschaft im heiligen Abendmahl geantwortet. Ich glaube, dass man da heute sehr dankbar sein darf für das Geschenk, das er uns gemacht hat. Das wird uns hier in Rom in den kommenden Wochen, Monaten und Jahren tragen.“

Bisher waren Papst Franziskus Zeichen in Richtung Ökumene mit der Orthodoxie gelungen und Begegnungen mit evangelikalen Christen, nun ist auch das Kapitel der „klassischen“ Ökumene mit den Kirchen der Reformation geöffnet. Pfarrer Jens-Martin Kruse ist hoffnungsvoll, dass das für seine Gemeinde und seine ganze Kirche noch zu mehr führt. „Wir haben im Kleinen gezeigt, was ökumenisch möglich ist. Und der Papst hat verstanden, auf die Herzlichkeit und Nähe der Gemeinde mit genau dieser Herzlichkeit und Nähe zu antworten, und mit Geschwisterlichkeit. Ich glaube, dass im Kleinen deutlich geworden ist, dass auch im Größeren mehr möglich ist.“

Hintergrund

Papst Franziskus ist bereits der dritte Papst, der die Gemeinde in der Nähe der römischen Villa Borghese besucht hat. 1983 war als erster Papst überhaupt in einer lutherischen Kirche Papst Johannes Paul II. zu Gast, 2010 besuchte dann Benedikt XVI. die Kirche. Die Gemeinde ist evangelisch-lutherisch und vor allem – aber nicht ausschließlich – deutschsprachig, die Pfarrstelle wird immer von Deutschland aus besetzt. (rv)

Ökumene-Kardinal: „Franziskus liegt Taizé sehr am Herzen“

Kardinal KochZum 10. Todestag des Taizé-Gründers Frère Roger hat Papst Franziskus „seinen“ Ökumene-Verantwortlichen in die französische Ortschaft geschickt. Der Schweizer Kurienkardinal Kurt Koch kannte den verstorbenen Gründer der Gemeinschaft von Taizé persönlich gut, wie er im Gespräch mit Radio Vatikan in Taizé sagte:

„Meine erste Begegnung mit Frère Roger war während der Seminarzeit, als ich im Priesterseminar in Luzern war. Da hatte der damalige Regens die gute Idee gehabt, eine Woche in Taizé zu verbringen. Als ich später Bischof von Basel war, habe ich immer die Exerzitien der Bistumsleitung dort gemacht. Das war jeweils eine Woche im Advent und da kam ich einmal nach Taizé und habe da Frère Roger besser kennengelernt. Das war sehr schön, weil er sich freute, einen Bischof empfangen zu dürfen. Man hat seine tiefe Spiritualität gespürt.“

Auch Papst Franziskus selber ist sehr von der Gemeinschaft von Taizé angetan, versichert Kardinal Koch.

„Papst Franziskus liegt Taizé sehr am Herzen, wie eigentlich allen Päpsten zuvor. Frère Roger hat zu allen Päpsten, die er in seinem Leben kennen lernen durfte, ganz gute Beziehungen gepflegt. Das geht jetzt weiter mit Frère Alois, der sowohl Papst Benedikt XVI. als auch Papst Franziskus mehrmals getroffen hat. Deshalb ist es für mich eine große Freude, hier in Taizé zu sein.“

Rund 100 katholische und evangelische Brüder gehören zur Gemeinschaft von Taizé in Ostfrankreich. Davon lebt etwa ein Viertel in bislang fünf kleinen Fraternitäten in Asien, Afrika und Südamerika. Diese Brüder teilen ihr Leben mit Straßenkindern, Gefangenen, Sterbenden und Vereinsamten. (rv)

Kardinal Müller: Bonhoeffers Potential für die Ökumene

Kardinal MüllerDass sich Kardinal Gerhard Müller mit Dietrich Bonhoeffer auskennt, liegt an seinem Lehrer, Kardinal Karl Lehmann. Ein Referat am Anfang seines Studiums führte den heutigen Präfekten der Glaubenskongregation zu einem der bedeutendsten Märtyrer der evangelischen Kirche, er befasste sich damals mit dem Sakramentsverständnis Bonhoeffers. Aus der Seminararbeit wurde später eine Diplomarbeit und aus dieser schließlich eine Doktorarbeit. 70 Jahre nach der Hinrichtung Bonhoeffers ehrt Kardinal Müller den protestantischen Theologen und Nazigegner in einem Vortrag in Rom als standhaften Glaubenszeugen und christlichen Märtyrer.

Nicht nur für Protestanten ist Bonhoeffer ein Begriff. Bekannt geworden ist Bonhoeffer vor allem durch seine eindrucksvollen Texte, die er während seinem Aufenthalt im Konzentrationslager kurz vor seiner Hinrichtung geschrieben hat. Ökumenische Fundstücke, die auch im katholischen Gotteslob einen festen Platz haben. Doch dabei darf es nicht bleiben, erläutert Müller: „In vielen Gemeinden ist Bonhoeffer präsent durch bestimmte Lieder und Texte, aber es ist auch die Frage, wie weit er dann in die ökumenische Theologie dann als solche auch eingeht, hier konnte er ja nur in seiner kurzen Lebenszeit einige Impulse geben."

Müller sieht auch für heute ein enormes Potential in Bonhoeffers Theologie. Gerade seine Verhältnisbestimmung von Kirche und Staat in einer säkularisierten Welt sind für Müller wichtige Impulse, auch für die heutige Zeit. Für die Ökumene ist Bonhoeffer nicht zuletzt auch wegen seines engen Kontakts zum Katholizismus und zur katholischen Theologie von Bedeutung. Während seiner Verfolgung in der Nazizeit fand er Unterschlupf im Kloster Ettal. Nach seinem Abitur einige Jahre zuvor verbrachte er sogar eine Zeit in Rom. Für einen Protestanten, der aus einem katholisch feindlichen Umfeld kam, eine positive Erfahrung, weiß Müller. „Er sagt ja dann, […] dass er hier zum ersten Mal erkannt und erlebt hat, was Kirche ist, denn aus seinem evangelischen Hintergrund ist Kirche ja nicht so anschaulich gelebt. Das hier Jung und Alt, aber das eben gebildete und nicht gebildete Menschen zusammen sind und beten, dass hat ihn sehr beeindruckt."

Bonhoeffer erlebte, dass in Rom viele zur Beichte gehen – das Sündenbekenntnis und die Gottesbegegnung über die Verkündigung hinaus. Das beeindruckte ihn laut Müller so sehr, dass Bonhoeffer versuchte die Beichte im evangelischen Sinne wieder in die religiöse Praxis zu integrieren. Der lutherische Theologe ist für Müller einer der Weichensteller der ökumenischen Bewegung, von katholischer Seite anschlussfähiger als so manch anderer lutherischer Theologe. Das liegt nicht zuletzt daran, dass Bonhoeffer nicht nur Theologe sondern auch Praktiker war, erklärt Müller:

„Er hat ganz bewusst den Schritt über das akademische hinaus gemacht zur Praxis hin. Nicht nur die Theorie umgesetzt, sondern die innere Einheit vom Bezug zu Gott im theologischen Denken im Gebet, aber eben auch in der konkreten Begegnung mit den Menschen, Mitgläubigen in der Gemeinde, aber auch denen, die distanziert sind zur Kirche. Diesen konkreten Schritt vom Theoretischen zum Praktischen – im weiteren Sinne des Wortes – den hat er getan und dieser ist für ihn auch maßgebend geworden."

Der Schritt zeigt sich auch im Umgang mit etwa der Armut, Müller bezog sich auf Bonhoeffers Begriff des „religionslosen Christentums". Was das heißt?: „Dass wir nun irgendwie schön singen und pietistisch unsere Seelen pflegen und schöne wunderbare Gefühle haben, während wir neben dran die massenhafte Armut und das Elend sehen. Das kann man eben nicht voneinander trennen. Christus in seinem Wort und seiner Verkündigung, wie er auch in den Sakramenten zu uns spricht, ist der Christus, der uns auch in den Armen begegnet. Deshalb ist es wichtig zu sagen, Christentum ist nicht nur am Sonntag in der Feierlichkeit der Kirche, des Ritus und der Musik, in den Zeremonien." In dieser Bonhoefferischen Theologie zeigt sich seine Aktualität, die auch Papst Franziskus verkündet. Der Glaube an Gott und die Begegnung mit Jesus stehen im Mittelpunkt, nicht als Selbstzweck, sondern zur Begegnung mit den Menschen. (rv)