Kardinal Koch über die Ökumenische Chance des neuen Mariengedenktags

VATIKANSTADT – Am Pfingstmontag hat die Weltkirche erstmals den Gedenktag der „Seligen Jungfrau Maria, Mutter der Kirche“ gefeiert, den Papst Franziskus eingeführt hat. Weshalb war es dem Heiligen Vater hier ein Anliegen, Maria mit Pfingsten, mit der Geburtsstunde der Kirche zu verbinden? Julia Wächter fragte den Präsidenten des Päpstlichen Rates für die Einheit der Christen, Kardinal Kurt Koch.

Kardinal Kurt Koch: Die Lesung, die in der Heiligen Messe am Gedenktag vorgesehen ist, bietet den Schlüssel zum Verständnis. In der Apostelgeschichte (1,12-14) wird berichtet, dass nach der Himmelfahrt Christi sich die Jünger mit Maria im Obergemach versammelten und einmütig im Gebet verharrten und auf das Kommen des Heiligen Geistes warteten. Maria tritt hier als Vorbeterin der Jüngergemeinschaft vor unsere Augen; und es wird sichtbar, wie die neue Lebenskraft der Kirche an Pfingsten und die mütterliche Sorge Mariens für die Kirche eng zusammengehören. Maria ist die pfingstliche Mutter der Kirche. Da Maria die pfingstliche Geburt der Kirche mit ihrem Gebet begleitet hat, bittet sie auch heute darum, dass die Kirche stets auf den Heiligen Geist hört.

Für viele Menschen ist das ökumenische Miteinander gerade an Pfingsten wichtig. Müssen sich Gläubige in Zukunft entscheiden: Maria oder Ökumene?

Dies wäre eine schiefe Entscheidung. Denn Maria hat kein anderes Anliegen als dies, uns zu Christus zu führen. Dies ist sehr schön sichtbar bei der Hochzeit zu Kana, bei der Maria ihre Aufgabe darin sieht, die Sorgen der Hochzeitsleute Jesus anzuvertrauen und es ihm zu überlassen, was er daraufhin tun will. Was Maria in Kana getan hat, das tut sie auch heute: Sie ist ganz Ohr für ihren Sohn und will uns zu Christus führen, dass wir seinen Willen tun. Sein Wille ist die Einheit der Jünger, und deshalb sind wir gut beraten, uns in unserem Bemühen um die Einheit der Kirche Maria um ihre Fürbitte anzugehen. Maria braucht deshalb nicht zwischen den Konfessionen zu stehen. Sie, die „Gnadenvolle“, gleichsam die personifizierte Gnade, ist eine wahrhafte Anwältin der ökumenischen Suche nach der Einheit der Kirche.

Maria stand unter dem Kreuz und wird heute als Schmerzensmutter verehrt. Was heißt das für die zerspaltene Kirche?

Im Evangelium der Gedenkmesse (Joh 19, 25-34) wird berichtet, dass Jesus unter dem Kreuz seine Mutter dem Jünger Johannes und ihm – und durch ihn allen Gliedern der Kirche in allen Generationen – seine Mutter anvertraut hat. Wenn es anschließend heißt, „von jener Stunde an“ habe der Jünger Maria zu sich genommen, dann dürfen wir hier die tiefste Wurzel der kirchlichen Gemeinschaft wahrnehmen. Wie die Kirche gleichsam unter dem Kreuz Jesu Christi entstanden ist, so kann auch die Einheit der Kirche nur unter dem Kreuz gefunden werden. Dies bedeutet zugleich, dass die ökumenische Suche nach der Einheit nicht ohne Schmerzen möglich ist, dass diese Schmerzen aber bei der Schmerzensmutter gut aufgehoben sind.

Der evangelische Ministerpräsident Markus Söder hat in ganz Deutschland die Kreuzdebatte ausgelöst. In Regensburg haben Regionalbischof Hans-Martin Weiss und Diözesanbischof Rudolf Voderholzer mit einem „ökumenischen Ja“ zum Kreuz in öffentlichen Räumen positiv Stellung bezogen. Was können Christen in der Gesellschaft erreichen, wenn sie gemeinsam auftreten?

Alles, was Christen – unter Respektierung verschiedener Überzeugungen – gemeinsam bezeugen und tun können, sollen sie gemeinsam tun. Die wichtigste ökumenische Aufgabe erblicke ich in der heutigen Zeit darin, dass wir Christen in unserer immer mehr säkularisierten Gesellschaft gemeinsam die Gegenwart des lebendigen Gottes bezeugen und die schöne Botschaft verkünden, dass Gottes Liebe in Jesus Christus ein konkretes Gesicht erhalten und ihren Ernstfall am Kreuz gefunden hat. Wenn Repräsentanten verschiedener Kirchen dies mit einer Stimme bezeugen können, dient dies der Glaubwürdigkeit der Botschaft. Und was könnte uns Christen mehr miteinander verbinden als das Kreuz Jesu Christi? (CNA Deutsch)