Religionsfreiheit: Eine dramatische Entwicklung

RFBFIn jedem vierten Land der Welt ist das Recht auf freie Religionsausübung eingeschränkt; in diesen 24 Prozent der Länder leben aber 75 Prozent der Weltbevölkerung. Das geht aus Zahlen hervor, welche das US-Außenministerium in dieser Woche veröffentlicht hat. „Diese Zahlen sind nicht neu und sie wachsen weiter“, kommentiert Brian Grim, Präsident der Religious Freedom & Business Foundation. Er hat zuvor für das wichtigste Umfrage-Unternehmen der USA – PEW – gearbeitet und lehrt an der katholischen Georgetown Universität am Religious Liberty Project. „Die Zahlen kommen vom PEW-Research Center, das ich geleitet habe, und rechnen sowohl Einschränkungen der Religionsfreiheit durch Regierungen als auch sozial feindliche Einstellungen gegen Religion mit ein.“

Wie aus dem Bericht für 2015 hervorgeht, meint das auch Terrororganisationen wie den so genannten Islamischen Staat. Der Bericht dokumentiert „den Status des universellen Menschenrechts auf Religionsfreiheit in 199 Ländern“. Auch ein Blasphemie-Fall aus Deutschland wird darin kurz erwähnt. „Das Anwachsen der Einschränkungen kann man auf die Terroranschläge durch El Kaida vom 11. September 2001 datieren. Damit hat ein Teufelskreis begonnen: Regierungen handeln, um Religionsausübung einzuschränken – aus Sicherheitsgründen –, und dagegen wiederum wehren sich einige Religionen und heizen das noch weiter an.“

Religionsfreiheit hat Auswirkungen auf andere Freiheiten

„Keine Region, kein Land und keine Religion ist immun“, sagt der Report des Außenministeriums. Dabei geht es bei Religionsfreiheit um viel mehr als „nur“ um Religion, kommentiert Brian Grim. „Wo man Religionsfreiheit einschränkt, fällt das meist zusammen mit Einschränkungen von Versammlungsfreiheit, Redefreiheit, Meinungsfreiheit, und die bemerkt man nicht nur in den Religionen, sondern in der gesamten Gesellschaft. Wo es Religionsfreiheit gibt, gibt es statistisch gesehen mehr Freiheiten für jeden in der Gesellschaft.“

Man könne den Kreis auch noch weiter ziehen, sagt Grim – über die Grundrechte hinaus in ganz andere Bereiche. „Wo es Religionsfreiheit gibt, hat man stabilere und friedlichere Gesellschaften, und wo man Stabilität und Frieden hat, da gibt es auch eine stabilere Wirtschaft.“

Für stabilere Gesellschaften

Was die weitere Entwicklung angeht, ist er nicht sehr optimistisch. Die vielen Faktoren, die zu Einschränkungen von Religionsfreiheit führten, nähmen nicht ab, im Gegenteil. Auch der Trend zu immer säkulareren Gesellschaften im Westen habe oft genug negative Auswirkungen für die Religionsfreiheit. „Wenn Menschen säkularer werden, hören sie auf, den Wert zu sehen, den Religion für eine Gesellschaft hat.“

Zunehmend gebe es aber auch internationale Initiativen, die sich für Religionsfreiheit einsetzten, weil sie die stabilisierende Wirkung für die gesamte Gesellschaft erkannt hätten, sagt Grim. „Im September wird meine Stiftung gemeinsam mit den Vereinten Nationen Preise an Wirtschaftsvertreter verleihen, die sich für das Verständnis unter Religionen und Religionsfreiheit für alle einsetzen. Diese kommen aus Indonesien, aus dem Heiligen Land, aus dem Libanon, aus Afrika und Europa. Die Vereinten Nationen erkennen also an, dass das ein gefährlicher Trend ist, der sich entwickelt, und sie suchen nach Verbündeten, um sich damit zu befassen.“ (rv)

OSZE: Gewaltakte gegen Christen genau dokumentieren

osze„Solidarität für bedrohte Christen“, „Sensibilität für das Drama“, „Ende des nicht hinnehmbaren Verbrechen“, „Religionsfreiheit als unveräußerliches Menschenrecht“. All das forderte Papst Franziskus am Mittwoch am Ende der Generalaudienz auf dem Petersplatz. Das Thema der Christenverfolgung wurde Anfang dieser Woche auch im Hauptsitz der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) in Wien besprochen. Als Vertreter des Sekretariats des Rats der Europäischen Bischofskonferenzen (CCEE) nahm Vizegeneralsekretär Michel Remery daran teil. Ein wichtiger Aspekt sei für ihn die genaue Bezeichnung und Definition der Gewaltakte gegen die Christen in der OSZE-Region: „Oft wenn es zur Erfassung der Daten von Hass-Kriminalität kommt oder zu Vandalismus, wird es meist nur spezifiziert wenn es um Antisemitismus geht, oder Gewalt gegen Muslime. Gewalt gegen Christen wird in den OSZE-Ländern meistens als generelle Gewalt vermerkt, oder genereller Vandalismus. Was es aber nicht ist, sondern ein Akt gegen eine spezifische Gruppe, in dem Fall Christen.“

Nur wenn diese Gewaltakte gegen Christen dokumentiert werden, könne auch agiert werden. Die OSZE und die Teilnehmer der Konferenz, sowie auch der Vertreter des Heiligen Stuhls, fordern eine bessere und genauere Dokumentation um politische Entscheidungsträger zu den bestmöglichen Antworten zu führen. Dabei dürfe auch die generelle Unterscheidung, vielleicht sogar Kontraststellung der Menschenrechte von Religionsfreiheit und Meinungsfreiheit nciht zu kurz kommen: „Auf der einen Seite steht die Religionsfreiheit, die Freiheit seine Religion frei auszuüben. Auf der anderen Seite, die Meinungsfreiheit, die es erlaubt, zu sagen, was man willst. Wenn Sie jedoch frei sind, alles zu sagen was Sie wollen, dann sind Sie auch im Stande andere Menschen zu attackieren, vielleicht sogar diskriminieren.“

Dasselbe Thema sprach Papst Franziskus bei einer fliegenden Pressekonferenz im Januar an, kurz nach den Attentat vom Paris. Er betonte, dass jeder das Recht habe, seine Religion auszuüben, ohne einen anderen zu beleidigen. Man dürfe im Namen der Religion keine Gewalt ausüben oder gar töten: „Töten im Namen Gottes ist eine Abirrung“, sagte Franziskus wörtlich. Vizegeneralsekretär betont hierzu ein weiteres Recht, dass in diesem Fall Wuzeln schlage: „Das Recht nicht diskriminiert zu werden, das ist auch Teil der Religionsfreiheit. Und man sieht in unserer Gesellschaft, dass diese beiden Rechte einander gegenüberstehen. Man sieht heute, dass eine absolute Freiheit nicht existiert, auch wenn das die Gesellschaft sucht.“

Im Zuge der OSZE-Konferenz wurde auf dieses Thema ein besonderes Augenmerk gesetzt: Wo endet die eigene Freiheit? Wo startet die Rechteverletzung der Religionsfreiheit des anderen? In diesem Fall ist es eben die Religionsfreiheit der Christen, die als solche auch definiert werden soll. Denn die „Hass-Kriminalität gegen Christen werde meistens nur unvollkommen erfasst“, heißt es im Schlussdokument der Konferenz. (rv)

Kardinal Tauran: Iran braucht Religionsfreiheit

Kardinal TauranDer Iran muss „eine freie Religionsausübung“ gewährleisten. Dazu fordert der Vatikan-Beauftragte für den interreligiösen Dialog, Kardinal Jean-Louis Tauran. Auch müsse im Iran „Fairness gegenüber Andersgläubigen“ gelten. Angehörige religiöser Minderheiten sollten sich ohne Angst vor „negativen Reaktionen“ offen äußern können, so Kardinal Tauran auf einer Konferenz am Dienstag in Teheran. Christen und Muslime müssten „glaubwürdige“ Partner im Dialog sein. Weiter rief er dazu auf, dass in Schulbüchern Glaubensgemeinschaften und ihre Anhänger „objektiv und respektvoll“ dargestellt werden. Kardinal Tauran äußerte sich bei einem Kolloquium des Iranischen Zentrums für Interreligiösen Dialog und des Päpstlichen Rats für Interreligiösen Dialog. Die am Dienstag eröffnete zweitägige Veranstaltung steht unter dem Thema „Christen und Muslime im konstruktiven Dialog zum Wohl der Gesellschaft“. (rv)

Der Kardinal hält nichts vom Wörtchen „neutral“

Der Mailänder Kardinal Angelo Scola gilt als einer der scharfsinnigsten Denker in Italiens Kirche. Seine Predigt gegen einen in Religionsdingen angeblich „neutralen Staat" vor ein paar Tagen hat einige Beachtung gefunden. Scola hatte mit der Anti-Laizitäts-Predigt in Mailand die Feiern zu 1.700 Jahren Mailänder Edikt eröffnet; mit dem Text hatte Kaiser Konstantin den Christen Religionsfreiheit zugestanden. Radio-Vatikan fragte Kardinal Scola: Darf ein Staat in Religionsfragen neutral sein?

„Das Wort neutral ist in diesem Zusammenhang problematisch, weil eine Gesellschaft gar nicht neutral sein kann. Jeder tritt immer automatisch für eine bestimmte Sicht des Lebens ein. Auch wenn ich sage: ,Mir ist alles gleichgültig, ich bin Agnostiker‘, stehe ich damit auch für eine bestimmte Sicht des Lebens. Ich würde eher sagen, der Staat sollte ,akonfessionell‘ sein. Das heißt: Er darf selbst nicht für eine bestimmte Sicht des Lebens stehen, darf aber auch die religiöse bzw. ethische Präsenz, wo es sie im Leben der Gesellschaft gibt, nicht neutralisieren, sondern muss ihre Ausdrucksmöglichkeit fördern. Ich will nicht sagen, der Staat dürfe gar nichts tun, im Gegenteil: Ich sage, der Staat darf intervenieren, regulieren und lenken. Aber er darf dabei noch nicht einmal indirekt eine bestimmte Sicht des Lebens vor anderen bevorzugen: Er darf nur den Wettbewerb zwischen allen Kräften auf dem Platz fördern."

Wir fragten Kardinal Scola auch, ob aus seiner Sicht die Religionsfreiheit in Europa derzeit eingeschränkt oder bedroht ist. Seine Antwort:

„Man muss sehr klar zwei Dinge auseinanderhalten. Die seriösesten Berichte in diesem Bereich sprechen von Einschränkungen der Religionsfreiheit bzw. von Verfolgungen in etwa 123 Ländern weltweit. Doch der Fall Europas liegt etwas anders. Hier gibt es einige Signale, die es aus meiner Sicht nahelegen, an dem Thema noch energischer dranzubleiben als bisher. Das letzte Signal, das mich wirklich sprachlos gemacht hat, war die Initiative einer Vertreterin der französischen Regierung, welche ernstlich erwägt, alle leerstehenden Räumlichkeiten von religiösen Einrichtungen zu beschlagnahmen, um hier Obdachlose unterzubringen."

Es war die Pariser Wohnungsbauministerin Cécile Duflot, die letzte Woche im „Parisien" mit Zwangsmaßnahmen drohte, sollte die Kirche nicht von sich aus Schlaforte für Clochards angesichts der Kältewelle in Frankreich bereitstellen. Kardinal Scola dazu:

„Als ob die französische Kirche nicht schon längst unglaublich viel in diesem Bereich tun würde! Wenn die Kirche leerstehende Räumlichkeiten hat, dann doch sicher aus bestimmten Gründen und weil für diese Räume etwas vorgesehen ist; die stehen ja nicht zufällig leer. Also, da sehe ich die Gefahr von einschränkenden Gesetzen. Und dann heißt es ja auch, man wolle auf europäischer Ebene den sogenannten Gewissensvorbehalt abschaffen. Welche Opposition der Kirche das hervorrufen kann, haben wir in Amerika gesehen; dort wollten einige ausführende Bestimmungen der Gesundheitsreform Obamas alle katholischen Einrichtungen, auch Krankenhäuser und Schulen, verpflichten, ihre Angestellten auch in Bezug auf Verhütung und Abtreibung zu versichern. Das bedeutet, an eine Dimension der Gewissensfreiheit der Christen zu rühren!" (rv)

USA: Kurienkardinal Ouellet lob US-Bischöfe

Der aus Kanada stammende Kurienkardinal Marc Ouellet lobt das Engagement der US-Bischöfe für Religionsfreiheit. „Sie haben ihren Einsatz für den Respekt vor katholischen Überzeugungen sehr autonom vorangebracht", sagte der Präfekt der vatikanischen Bischofskongregation bei einer Pressekonferenz im Vatikan. Er sei „froh darüber, dass diese Debatte mit Entschiedenheit und starker öffentlicher Präsenz der Kirche abgelaufen ist". Das sei ein „wichtiges Zeugnis der Kirche in der gegenwärtigen Kultur". Die US-Bischöfe hatten mit Präsident Barack Obama im Präsidentschafts-Wahljahr eine heftige Kontroverse über einige Aspekte seiner Gesundheitsreform ausgefochten. Am Sonntag beginnt eine Vatikan-Konferenz über die Lage der Kirche in Nord-, Mittel- und Südamerika. (rv)

D: „Es fehlt eine Basissympathie für Religionsgemeinschaften“

Vor dem deutschen Parlament liegen zwei Gesetzentwürfe, die Beschneidungen gesetzlich ordnen sollen, zwei Entwürfe, die sehr verschieden sind. Die Debatte gehört in den weiteren Kontext von Religionsfreiheit. Das sagt der UNO-Koordinator für Religionsfreiheit, Heiner Bielefeldt, im Gespräch mit Radio Vatikan.

„Das Thema Beschneidung ist ein wirklich schwieriges Thema. Es geht darum, hier unterschiedliche Menschenrechtsansprüche und Grundrechtsansprüche zusammen zu bringen, was auch manche Kompromisse erforderlich macht: Religionsfreiheit, Elternrecht, aber auch das Recht des Kindes auf Unverletzlichkeit – das alles zusammen zu bringen, wird vielleicht gar nicht ganz reibungslos funktionieren.

Beschneidung soll möglich sein. Das, finde ich, ist ein wichtiges Signal, denn wir haben immerhin einen wichtigen religiösen Ritus, der für Juden und für Muslime sehr breit verankert ist, der sehr breiten Konsens in den Communities findet.

Da gibt es immer auch Minderheiten, die das anders sehen, Minderheiten innerhalb der Minderheiten. Mit dem kann man auch durchaus Sympathie haben und Fragen stellen, ob nicht auch hier vielleicht Reformen entstehen können. Aber mit dem Strafrecht jüdische Gemeinden oder Muslime zu bedrohen oder gar zu Reformen zu zwingen, das wäre eine ziemlich absurde Maßnahme und finde es notwendig, auch hier die Flagge der Religionsfreiheit zu halten. Zumal die Diskussion in Deutschland zum Teil doch sehr schrille Töne hervorgebracht hat. Ich war ehrlich gesagt reichlich erschrocken, wie viele Ressentiments zum Teil gegen Religion überhaupt, aber dann auch spezifisch gegen Muslime und Juden hier an den Tag getreten sind. Das war reichlich erschreckend und zeigt, dass auch in einem Rechtsstaat wir Deutschland in einer vergleichsweise befriedeten Gesellschaft kulturkämpferische Konfliktlinien wieder aufbrechen können.

Aggressive Ignoranz
Es fehlt in großen Teilen unserer Gesellschaft Basiswissen und auch eine Basissympathie für Religionsgemeinschaften, für deren Riten und deren Selbstverständnisse, so dass dann eine aggressive Ignoranz immer wieder formuliert worden ist.

Und es gibt in Teilen der Gesellschaft eine aggressive Stimmung gegen Religionen überhaupt. Religion weckt zunehmend Unbehagen und Misstrauen, und insofern stehen jetzt auch die Religionsgemeinschaften insgesamt vor der Aufgabe, miteinander dafür zu sorgen, dass Probleme zwar angesprochen werden, dass wir aber auch ein Klima der Offenheit haben, wo religiöser Pluralismus gelebt werden kann.

So selbstverständlich, wie ich das vor einigen Jahren noch gedacht habe, ist das mittlerweile nicht mehr. Das hat diese zum Teil schrille und aggressive Debatte um Beschneidung offen gelegt."

Ressentiments und Aufklärung
Es wird aber schwierig sein, alle Religionen gegen diese Haltungen und aufklärerischen Stimmungen zusammen zu bringen. Wir selber machen ja auch ganz instinktiv Unterschiede, wenn es um Religionsfreiheit geht: Beschneidung bei Juden ist kein Problem, aber beim Islam macht uns das auf einmal Angst.

„Der Islam hat noch mal ganz besonders mit Vorbehalten und Ressentiments zu kämpfen. Es gibt viele Menschen, die dem Islam generell zuschreiben, frauenfeindlich zu sein, intolerant zu sein, undemokratisch zu sein: Das ist ein großes Problem.

Wir haben aber mittlerweile ein Klima, in dem Religion an und für sich mit Misstrauen betrachtet wird. Das gibt es viel zu tun.

Übrigens würde ich das Aufklärung nennen. Sie haben in Ihrer Frage von ‚aufklärerischer Stimmung’ gesprochen: Ich glaube, dass es darum geht, wie wir Aufklärung verstehen. Verstehen wir sie so, dass wir eine Gesellschaft wollen, in der Pluralismus gelebt werden kann? Das ist eine aufklärerische Forderung. Oder verstehen wir Aufklärung so, dass die Religionen ersetzt werden durch irgendwelche postreligiösen wissenschaftsorientierten Ideologien. Das ist ein sehr, sehr enges Verständnis von Aufklärung."

Was genau steht denn auf dem Spiel, wenn zum Beispiel Beschneidung oder eine andere konkrete Form der Religionsausübung in unserer Gesellschaft nicht mehr erlaubt würde?

„Ich glaube, dass die Konsequenzen gravierend wären. Muslime und Juden, von denen die ganz große Mehrheit auf die Beschneidung nicht verzichten würde, hätten keine Möglichkeit, hier ihre religiöse Praxis legal in Deutschland zu leben."

Kein Nachhilfeunterricht per Strafrecht
Ein Hauptargument gegen Beschneidung lautete, dass aufgeklärte Gruppen in Israel auch schon gegen Beschneidung seien und deswegen sich die Religionen mit der Gesellschaft entwickeln müssten und ihre Riten behutsam anpassen müssten. Braucht die Religionsfreiheit eine ‚Anpassung’?

„Dass Religionen sich ändern, gehört auch zur Realität. Man kann das zur Kenntnis nehmen oder auch begrüßen. Aber jetzt sozusagen mit dem Strafrecht Nachhilfeunterricht zu formulieren, das wäre eine unglaubliche Anmaßung und eine Überschätzung der Möglichkeiten, die dem Strafrecht zustehen.
Kulturkampf mit Strafrechtsdrohungen kann nur verheerende Folgen haben."

Im Vatikan wird Religionsfreiheit immer wieder als Prüfstein aller Menschenrecht dargestellt. Daran zeige sich, was Menschenrechte an sich wert sind. Ist das so? Ist Religionsfreiheit theoretisch gesprochen so essentiell für die Menschenrechte allgemein?

„Ja, unbedingt. Bei der Religionsfreiheit – mit vollem Namen „Gedanken-, Gewissens-, Religions- und Weltanschauungsfreiheit" – geht es darum, den Menschen als Träger von grundlegenden Überzeugungen zu respektieren und damit eingehend von individuellen und gemeinschaftlichen Praktiken. Hier geht es um Respekt vor der Vielfalt der identitätsstiftenden Überzeugungen von Menschen. Insofern ist die Religionsfreiheit tatsächlich ein Prüfstein für das Klima einer Gesellschaft, für Offenheit, für den Umgang miteinander, für die Menschenrechtskultur in einem Land. Ohne Religionsfreiheit sind Menschenrechte nicht zu haben."

Was braucht es im deutschsprachigen Raum noch alles für eine wirklich umfassende Verwirklichung der Religionsfreiheit?

„Generell sieht es in Sachen Religionsfreiheit ja gut aus. Das müssen wir einmal zur Kenntnis nehmen. Aber wie wir eben schon besprochen haben, erleben wir auch neue Bruchlinien, die Debatte um die Beschneidung hat mich alarmiert. Sie hat gezeigt, dass da wieder einiges an Investition zu leisten ist, vor allem in Gespräch.
Und das nicht nur interreligiös, sondern auch Gespräche mit den berühmten „religiös Unmusikalischen". Da müssen wir für Verständnis füreinander werben. Daran hat es gefehlt, da müssen wir richtig was tun."

Zur Person
Professor Heiner Bielefeldt hat in Erlangen den Lehrstuhl für Menschenrechte und Menschenrechtspolitik inne und ist außerdem UNO-Koordinator für Religionsfreiheit. (rv)

Mexiko: Vor Papstbesuch – Änderung der Verfassung zur Religionsfreiheit

Wenige Tage vor dem Besuch von Papst Benedikt hat Mexiko seine Verfassung geändert: Zum ersten Mal erkennt der Staat nun explizit ein Recht auf Religionsfreiheit an. Nach der entsprechenden Entscheidung des Abgeordnetenhauses im Dezember stimmte am Donnerstag nun auch der Senat in Mexiko-Stadt der Verfassungsänderung zu. Diese war bereits 2010 eingebracht worden und bedeutet jetzt eine wichtige Akzentverschiebung in dem Text, der Mexiko ansonsten als laizistischen Staat beschreibt. Die Freiheit des Kultes war allerdings auch bisher schon explizit anerkannt. Die Debatte über die Ausrichtung des Staates geht aber auch nach der Entscheidung im Senat weiter. Während die eine Seite von einer „historischen Entscheidung" spricht, kritisiert die andere, dass die Verfassung so kurz vor dem Papstbesuch und vor den Wahlen im Land geändert wird. Die Präsidenten- und Parlamentswahlen finden Anfang Juli statt. Auch die Bischöfe sind mit dem schließlich beschlossenen Text nicht völlig zufrieden; so brauchen Priester auch künftig eine eigene Erlaubnis für alle liturgischen Feiern, die außerhalb von anerkannten Kultorten stattfinden. Religionsunterricht an staatlichen wie privaten Schulen, darunter auch an katholischen Schulen, ist weiterhin nicht erlaubt. (rv)

Vatikan/UNO: Religionsfreiheit auch im Westen ein Thema

Jeder vierte Mensch auf der Welt wird an der freien Ausübung seiner Religion gehindert: in absoluten Zahlen sind es nach vatikanischen Angaben mehr als 2,2 Milliarden Menschen. Dabei handle es sich um einen steigenden Trend, sagte der Vertreter des Heiligen Stuhls bei den Vereinten Nationen in Genf, Erzbischof Silvano Tomasi, vor dem UN-Menschenrechtsrat. Auch hätten Terrorakte gegen Christen in Afrika, Asien und dem Nahen Osten stark zugenommen. Ihre Zahl habe sich in sieben Jahren verdreifacht. Gleichzeitig warnt der päpstliche Diplomat im Gespräch mit Radio Vatikan davor, den abnehmenden Grad der Religionsfreiheit in der westlichen Welt aus dem Blick zu verlieren.

„Die Aufmerksamkeit der Medien konzentriert sich, wo es um Religionsfreiheit geht, oft um spektakuläre Fälle in Entwicklungsländern. In solchen Situationen ist die Gewalt sichtbar, dramatisch und gut für Sensationen. Parallel dazu finden wir in den großen und reichen Ländern der Welt eine Tendenz zur Privatisierung der Religion und zur kulturellen Ablehnung, ja mitunter zur offenen Feindseligkeit gegenüber der Wahrnehmung des Rechts auf Religionsfreiheit. Dass religiöse Überzeugungen in der Öffentlichkeit etwas zu sagen haben könnten, wird in eben dieser Öffentlichkeit nur ungern akzeptiert oder rundweg abgelehnt."

Christen, so das Fazit, werden im öffentlichen Leben der säkularisierten Länder zunehmend an den Rand gedrängt. Strategien der Bewusstmachung dieses Phäonems müssen an vielen Ecken ansetzen, sagt Erzbischof Tomasi: Bei der Schulbildung und bei den Medien in erster Linie.

„Dort muss eine korrekte und ausgewogene Information geboten werden über alle Gruppen, die eine Gesellschaft bilden. Der Mangel an Information und an Bildung erleichtert die Manipulierbarkeit der Leute für unmittelbare politische Zwecke, die dann mitunter zur Verfolgung von Gruppen Andersgläubiger führen. Wir müssen aber auch für mehr soziale Gerechtigkeit sorgen. Nur indem wir Armut in den reichen Nationen verhindern und sicherstellen, dass alle sich in der Verwaltung des öffentlichen Lebens einbringen können, schaffen wir das richtige Ambiente für Religionsfreiheit." (rv)

Gemeinsam für die Religionsfreiheit

Der Vatikan und Großbritannien haben sich mit Nachdruck für den Schutz der Religionsfreiheit in der Welt ausgesprochen. Religionsfreiheit sei ein grundlegendes Menschenrecht, das in allen Ländern verwirklicht werden müsse, heißt es in der gemeinsamen Erklärung vom Mittwoch zum Abschluss zweitägiger diplomatischer Konsultationen. Gemeinsam wolle man gegen Intoleranz und religiös begründete Diskriminierung angehen, wo immer sie geschehe.
Eineinhalb Jahre nach dem Papstbesuch in Großbritannien und im 30. Jahr der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Königreich war eine hochrangige Regierungsdelegation aus London in den Vatikan gereist. Neben Gesprächen mit der Führung des Staatssekretariats und der vatikanischen Diplomaten-Akademie stand auch eine Audienz bei Papst Benedikt XVI. auf dem Programm.

Weiterhin zu viel Hunger auf der Welt

Der Heilige Stuhl und die Regierung Großbritanniens befürworteten gemeinsam eine globale, integrale und nachhaltige Entwicklung. Im Zentrum müsse stets die menschliche Person und die Würde jedes Menschen stehen, so das gemeinsame Schlusscommuniqué. Trotz etlicher Fortschritte gebe es auf der Welt weiterhin zu viel Hunger sowie ungenügenden Zugang zu Bildung und menschenwürdiger Arbeit. Hier sei eine internationale Zusammenarbeit notwendig. „Wir verpflichten uns zu einer besseren Zukunft für die ganze Menschheit". Die bevorstehende Konferenz zu nachhaltiger Entwicklung in Rio de Janeiro sowie der Uno-Prozess für Klimawandel müssten das Wohl der Menschen in den Mittelpunkt stellen, heißt es in der Erklärung. Weiter trete man gemeinsam – im Rahmen der Vereinten Nationen – für Konfliktprävention, für Abrüstung und Waffenkontrolle ein, um menschliches Leben zu schützen.
Angesichts der Veränderungen in Nordafrika und Nahost befürworteten beide Seiten „echte Reformen in Politik, Wirtschaft und Sozialordnung". So könnten Einheit und Entwicklung der Länder besser gefördert und Frieden und Stabilität gewährleistet werden. Eine besondere Rolle messen sie dabei den Christen in der Region bei, die einen wichtigen Beitrag zum interreligiösen Dialog leisten könnten.

Appell für Ende der Gewalt in Syrien

Weiter äußern Vatikan und Großbritannien in dem Communiqué die Hoffnung auf eine Wiederaufnahme der Verhandlungen zwischen Israelis und Palästinensern. Zugleich erneuern sie ihren Appell für ein sofortiges Ende der Gewalt in Syrien. Schließlich rufen sie die internationale Gemeinschaft zu einer kohärenten Strategie für Somalia auf, um zu einem Ende der Krise und zu Sicherheit für die Menschen am Horn von Afrika zu kommen.
Ausdrücklich würdigt die britische Regierung auch die Unterstützung des Papstes für den Aussöhnungsprozess in Nordirland.
Mit Blick auf die bevorstehenden Olympischen Spiele und die Paraolympics in London hoffen Vatikan wie Großbritannien auf ein Jahr, dass vom Geist der Olympischen Charta und des Olympischen Friedens bestimmt sei. (rv)

Altes und Neues Jahr aus Sicht des Päpstlichen Friedensrates

Religionsfreiheit war im zu Ende gehenden Jahr eines der konstantesten Themen. Das denkt die Untersekretärin des Päpstlichen Rates für Gerechtigkeit und Frieden, Flaminia Giovanelli. Im Gespräch mit Radio Vatikan sagte die „Nummer drei" des vatikanischen „Friedensministeriums":

„Es war ein dichtes, schweres Jahr. Wenn wir uns zurückerinnern, so hat es begonnen mit der Verletzung der Religionsfreiheit in Ägypten durch das Attentat gegen die Kopten. Papst Benedikt hatte gerade für dieses Jahr 2011 seine Botschaft zum Weltfriedenstag der Religionsfreiheit gewidmet. Wahrlich, das Thema hat eine tragende Rolle gespielt."

Politisch betrachtet, bestimmte – aus Sicht des päpstlichen Friedensrates – auf Weltebene besonders der arabische Frühling die Agenda.

„Dieser Wunsch nach politischer Teilhabe, den vor allem die jungen Menschen geäußert haben, massiv und offen – diesen Wunsch teilen auch die Jugendlichen in unseren Gesellschaften."

Weiterhin: die wirtschaftliche und soziale Krise, die uns auch im Neuen Jahr erhalten bleiben wird.

„Die Krise begann in den reichen westlichen Ländern und wirkte sich doch in erster Linie auf die Bevölkerung in den armen Staaten aus, viel schwerer, als man sich das gemeinhin vorstellt. Der Päpstliche Rat für Gerechtigkeit und Frieden hat dazu ein Dokument veröffentlicht, das mögliche Reformen des Wirtschafts- und Finanzsystems vorschlägt; ein wichtiger und gut aufgenommener Text aus unserer Sicht."

2012 wird sich das päpstliche „Friedensministerium" viel mit dem Thema Umwelt, Klimawandel und Wasser beschäftigen. Stichwort Rio plus 20: Nächstes Jahr findet eine große Konferenz zum 20. Jahrestag des Rio-Abkommens zum Schutz der Umwelt und Beginn der Nachhaltigkeitsdebatte von 1992 statt. Das sind Herausforderungen, die „energisch" anzugehen sind, findet Giovanelli.

„Ich bin aber auch sehr sensibel für das Thema ländliche Armut. Denn paradoxerweise sind es die Bauern, die am öftesten Hunger leiden. Man müsste so viel Energie wie möglich investieren, um die ländliche Welt mit den Instrumenten auszustatten, die es ihnen ermöglichen, genug Nahrungsmittel für sich selbst zu produzieren. Zu diesem Thema organisieren wir nächstes Jahr hier in Rom einen großen Kongress. Leider sehen wir heute, dass Ungleichgewicht und Ungleichheit verfestigte Merkmale unserer Zeit sind."

Neujahrswünsche für 2012 hat die päpstliche Friedensarbeiterin Flaminia Giovanelli natürlich auch:

„Dass man nicht den Mut verliert! Besonders die Jugendlichen. Wie der Heilige Vater in seiner Enzyklika „Caritas in veritate" erklärte, muss man aus dieser Krise eine Chance machen. Die Chance auf ein authentischeres Leben, damit der Menschheit aufgeht, dass es ohne Gott und ohne Jesus Christus keine wahre Entwicklung gibt."
(rv 31.12.2011 gs)