Kardinal Dolan: Neue Minderheit in der Kirche

Kardinal DolanKardinal Timothy Dolan von New York nennt die Bemühungen der Bischofssynode um Inklusion „sehr erfrischend“. Auf seinem Blog schreibt er: „Die Kirche, unsere geistliche Mutter, nimmt alle auf, besonders die, die sich ausgeschlossen fühlen können“. Als Beispiele nennt Dolan unter anderem Homosexuelle, Geschiedene oder Flüchtlinge.

Allerdings gebe es aus seiner Sicht mittlerweile „eine neue Minderheit in der Welt und sogar in der Kirche“, fährt der Kardinal fort. Er denke da an „die, die alles tun, um Tugend und Treue zu bewahren“, etwa Ehepaare, die „trotz aller Schwierigkeiten“ an der Unauflöslichekeit der Ehe festhielten, kinderreiche Familien oder Homosexuelle, die „keusch leben“ wollten. „Diese wunderbaren Menschen haben heute oft das Gefühl, in unserer Kultur und manchmal sogar in unserer Kirche nur eine Minderheit zu sein.“

Dolan wörtlich: „Wer unterstützt diese Menschen? Das Fernsehen? Die Zeitungen? Das Kino? Vergessen Sie’s! Sie schauen auf die Kirche, sie schauen auf uns, um Zuspruch und Unterstützung zu erfahren, ein Gefühl der Inklusion. Wir können sie nicht fallen lassen!“ (rv)

Synode: „Grundlagendokument ist sehr kompliziert“

Bischofssynode 2015Halbzeit bei der vatikanischen Bischofssynode zu Ehe und Familie: An diesem Mittwoch stellten die 13 Arbeitsgruppen der Synode den Stand ihrer Beratungen vor. Er dreht sich um den zweiten der drei Teile des Synoden-Grundlagendokuments, also des sogenannten „Instrumentum Laboris. Die Berichte der Arbeitsgruppen machen eines klar: Fast alle Teilnehmer der Bischofssynode finden das Grundlagendokument zu kompliziert und sperrig.

Für den britischen Kardinal Vincent Nichols von Westminster liegt das daran, dass sich das „Instrumentum Laboris“ aus zwei Quellen speist. Das sagte Nichols am Mittwochmittag vor der Presse. „Es ist zum Teil das Schlussdokument der außerordentlichen Bischofssynode (vom letzten Jahr), das seine eigene Logik, seinen eigenen Gedankenfluss hatte. Und da hineingearbeitet hat man Dinge, die sich aus den Konsultationen in der Zeit zwischen den beiden Synoden ergeben haben. Diese Kombination von zwei Quellen hat die meisten Arbeitsgruppen heute dazu gebracht, zu sagen: Das Instrumentum Laboris braucht, vor allem in diesem zweiten Teil, eine Neustrukturierung, und es braucht ein viel stärkeres theologisches Grundthema, das diesem ganzen zweiten Teil unterliegen sollte.“

Für dieses theologische Grundthema haben die Synodenvätern in den Arbeitsgruppen ein paar „kreative Vorschläge“ gefunden, findet Nichols. Überhaupt lässt der Londoner Kardinal auf die gestiegene Bedeutung der Arbeitsgruppen bei dieser Synode nichts kommen. „Eine Ähnlichkeit zu früheren Synoden besteht darin, dass es auch diesmal harte Arbeit ist, die uns sehr müde macht. Nach meiner Zählung haben wir über 200 Wortbeiträge gehört! Neu ist aber dieses Zusammenspiel von Arbeitsgruppen und Plenarsitzungen; das gibt der Synode nach meinem Eindruck mehr Energie und mehr Kreativität. Meine Arbeitsgruppe führt von der Zusammenarbeit immer mehr zur Wertschätzung, ja Freundschaft der einzelnen Mitglieder.“

„Unterschiedliche Sensibilitäten, große Freiheit“

Viele Synodenväter weisen den von manchen Medien genährten Eindruck, auf der Synode prallten gegensätzliche Meinungen frontal aufeinander, zurück. „Die Diskussion der Synode war bisher ausgesprochen brüderlich, sehr agil auch – und, wie ich glaube, mit einer großen Freiheit“, sagte der kolumbianische Kardinal Ruben Salazar Gomez am Mittwoch vor der Presse. „Man hat verschiedene Positionen vorstellen können, dabei konnte man feststellen, dass es in diesem Themenbereich unterschiedliche Sensibilitäten gibt – aber grundlegend ist der feste Wille zu spüren, der Welt zu zeigen, wie schön die Lehre der Kirche zu Ehe und Familie ist, und dass wir in ihr eine Quelle haben, von der aus wir uns der Problematik von Ehe und Familie nähern können.“

„In Afrika gibt es Polygamie, in Europa simultane Polygamie“

Was der lateinamerikanische Kardinal – der derzeit auch den kontinentalen Bischofsverband CELAM leitet – mit „unterschiedlichen Sensibilitäten“ auf der Synode meinte, das erklärte vor der Presse ganz konkret der afrikanische Kardinal Philippe Ouédraogo aus Ouagadougou. „Die Unterschiede sind zahlreich! In Europa ist man sehr besorgt über die Herausforderung der wiederverheirateten Geschiedenen, ihre Zulassung zur Eucharistie und zur Beichte. Aber nehmen Sie mehrheitlich islamische Länder, wo es zu religiös gemischten Ehen kommt; nehmen Sie Afrika mit – um ein Beispiel zu nennen – dem Phänomen der Polygamie. Auch in Europa wird Polygamie gelebt; bei uns ist es die simultane Polygamie… Wir stehen also sicher vor einer Herausforderung, die Europa in dieser Form nicht kennt! … Darum danke ich dem Herrn wirklich für diese Synode, die eine Chance bedeutet – nicht nur für die Kirche, sondern für die ganze Welt.“ (rv)

Synode: Kritischer Brief an den Papst war „privat“

Pater Lombardi PressekonferenzEin kritischer Brief an den Papst aus der Hand von 13 Synoden-Kardinälen sorgt für Unruhe. Vatikansprecher Pater Federico Lombardo bestätigte am Dienstag die Existenz des Briefes. Der australische Kurienkardinal Pell habe klargestellt, der Brief sei „privat“ und nicht zur Veröffentlichung gedacht gewesen, erklärte Lombardi. In dem Schreiben kritisierten die 13 Kardinäle, unter ihnen Pell, die neue Vorgangsweise der Synode. Der Synoden-Generalsekretär und Papst Franziskus selbst hätten sich indirekt auf diesen Brief bezogen, als sie am vergangenen Dienstagmorgen unerwartet das Wort in der Synodenaula ergriffen, so Lombardi. Franziskus hatte den Brief am Montag, dem ersten Arbeitstag der Synode, erhalten.

Das Medium, das diesen Text mitsamt den Unterschriften nach mehreren Tagen veröffentlichte, habe „einen Akt der Störung begangen, der von den Unterzeichnern nicht beabsichtigt war, zumindest von einigen der wichtigsten“, sagte Lombardi weiter. Es überrasche nicht, dass zur Methode der Synode Anmerkungen gemacht würden. Aber wenn sie einmal angenommen wurde, bemüht man sich, sie so gut wie möglich umzusetzen. Und das ist der Fall.“ „Mindestens vier“ der genannten Kardinäle hätten abgestritten, den Brief unterschrieben zu haben: Scola, Vingt-Trois, Piacenza und Erdö. Die Namen der übrigen involvierten Kardinäle nannte Lombardi nicht.

Überdies habe Kardinal Wilfried Fox Napier aus Südafrika um eine Klarstellung gebeten, fuhr Lombardi fort. In einem Interview mit „Crux“ habe Napier keineswegs erklärt, er zweifle das Recht des Papstes an, die zehn von ihm gewählten Relatoren der Synode zu ernennen. Er habe in dem Interview das genaue Gegenteil gesagt, ließ Napier durch Lombardi klarstellen.

Zuvor hatte bereits der australische Kurienkardinal George Pell die Existenz des Briefes bestätigt. Mehrere Kardinäle hätten in dem „privaten“ Schreiben dem Papst ihre Sorgen zur laufenden Bischofssynode vorgetragen, eine Veröffentlichung sei nicht beabsichtigt gewesen. Der Text, den die italienische Zeitschrift Espresso am Montag ins Internet gestellt hatte, entspreche nicht gänzlich dem tatsächlichen Brief an den Papst, so Pell. Auch was die Liste der unterzeichnenden Kardinäle betreffe, gebe es „Irrtümer“. Mehrere Kardinäle hatten am Rand der Synode bekräftigt, sie hätten diesen Brief nicht unterschrieben.

Kardinal Pell betont, dass es in der Bischofssynode zum Thema Ehe- und Familienpastoral in den meisten Punkten einen starken Konsens unter den Teilnehmern gebe. Allerdings spreche sich eine Minderheit der Synodenväter für eine Änderung der Regeln zum Kommunionempfang aus. Pell sieht aber „keine Möglichkeit, an dieser Lehre etwas zu ändern“. Außerdem spricht der Kardinal von einer Sorge bei vielen Synodenvätern, was die Zusammenstellung des Redaktionskomitees für das Synoden-Schlussdokument betreffe. Diese Sorge gelte auch dem Prozess, wie das Dokument den Synodenvätern am Samstag nächster Woche präsentiert und zur Abstimmung gestellt werden solle.

Papst Franziskus hatte am Dienstag letzter Woche in einer kurzen Rede vor der Synode einige Punkte angesprochen, auf die sich auch der Brief der Kardinäle bezieht. Dabei hatte Franziskus betont, die Synode dürfe sich nicht thematisch auf ein Thema wie etwa den möglichen Kommunionempfang für wiederverheiratete Geschiedene engführen lassen. An der kirchlichen Lehre zu Ehe und Familie werde nicht gerüttelt, sagte er weiter. Zum Redaktionskomitee des Schlussdokuments betonte der Papst, er habe dessen Mitglieder ernannt. (rv)

Vatikan-Kommission für Kinderschutz tagte: Bischöfe helfen

Kardinal O´MalleyBischöfe und Priester brauchen mehr Unterstützung bei der Einsetzung von Kinder- und Jugendschutzeinrichtung. Das war eines der Resultate der zweiten Vollversammlung der Päpstlichen Kinderschutzkommission, die am Wochenende im Vatikan tagte. An diesem Montag stellte die Kommission ihre Resultate in einer Medienmitteilung vor. Das nächste Treffen findet im Februar 2016 statt.

Papst Franziskus, der diese Kommission gründen ließ, liegt das Thema sehr zu Herzen, deshalb habe die Plenarversammlung mit der Frühmesse von Papst Franziskus in der Kapelle Santa Marta begonnen, so die Note der Kinderschutzkommission. Die Kommission wird vom US-amerikanischen Kardinal Sean O´Malley geleitet. Gemäß dem Kommuniqué haben die Teilnehmer der Versammlung die Richtlinien für den Schutz von Minderjährigen und Unterstützungsmaßnahmen für die Opfer erörtert. Die Mitglieder der Kinderschutzkommission hätten in den vergangenen Monaten an Tagungen und Konferenzen verschiedener Bischofskonferenzen teilgenommen, um auf ihre Arbeit aufmerksam zu machen. Die Tagungen fanden in Irland, Großbritannien, Frankreich, Neuseeland, Pazifische Inseln und auf den Philippinen statt, so die Medienmitteilung. Im kommenden Monat werden Mitglieder der Päpstlichen Kinderschutzkommission alle Bischöfe Zentralamerikas treffen, um Richtlinien mit ihnen zu erarbeiten. (rv)

Aus der Synodenaula: Handeln der Kirche verstehen

Bischofssynode 2015Neue Woche, neue Gespräche in der Synodenaula: für uns dabei ist unser Redaktionsleiter P. Bernd Hagenkord mit seinen neusten Eindrücken:

Der Ablauf kann einen schon verwirren: Bevor die Synodalen an diesem Montag in die Arbeitsgruppen gehen, um über den zweiten Teil des Arbeitsdokumentes zu sprechen [„Unterscheidung der Geister“], war am Samstag bereits Zeit für die Plenums-Beiträge zum dritten Teil [„Die Sendung der Familie heute“]. Dieser Teil ist der längste und enthält auch die eher strittigen Themen, wie etwa die Frage nach wiederverheirateten Geschiedenen – dazu gab es absehbar die meisten Rede-Anmeldungen. Also wurde ein Teil vorgezogen, der Rest wird, wie geplant, ab Mittwoch sprechen. Am Samstag – eine Woche nach den ersten Beiträgen – geht es dann dazu in die Kleingruppen.

Thematisch waren die Beiträge weit gestreut. Den breitesten Raum nahmen Fragen zu Ehevorbereitung und -begleitung ein, ausgeweitet auf Familienvorbereitung und -begleitung. Weitere Themen kreisten um interreligiöse Ehen, Jugendpastoral, Gewissensbildung und um Inkulturation.

Auch zu den eher umstrittenen Themen des dritten Teil wurde gesprochen, zur Frage, wie eine offene und willkommen heißende Kirche praktisch aussehen könne. Gerade zum Sakramentenzugang für wiederverheiratete Geschiedene gab es alle Positionen: „geht gar nicht und kann auch nicht“ bis hin zu „wir müssen da was tun“. Warum dürfe zum Beispiel ein laisierter und verheirateter Priester zur Kommunion gehen?, fragte ein Synodaler. Das Handeln der Kirche sei oft nicht verstehbar.

Spannend war die Feststellung eines Synodenvaters, dass die alten Rezepte nicht mehr gelten, etwa die Trennung von Sünder und Sünde: die Sünde verurteilen und den Sünder annehmen wirkt heute nicht mehr, Sexualität zum Beispiel sei zu sehr Teil der Persönlichkeit, als dass man das abspalten könne. Auch das öffentliche Eintreten für die Wahrheit bei gleichzeitiger privater Barmherzigkeit im Beichtstuhl gehe nicht mehr, auch öffentlich brauche man Zeichen der Barmherzigkeit, etwas was nicht zuletzt Papst Franziskus zeige.

Hier und in anderen Beiträgen zeigt sich, dass die neue Sprache, die immer wieder Thema ist, mehr ist als „nur“ Sprache. Es geht um eine Haltung, die dahinter steht, um die Frage, wie heute und morgen Kirche aussehen kann. Gerade am Samstag Abend gab es dazu einige beeindruckende Beiträge.

Debatten zu all diesen Themen gab es noch keine, jedenfalls nicht in der Aula, das wird erst in den Kleingruppen ab Samstag stattfinden, aber mit den ersten Sitzungen ist jetzt thematisch bereits der dritte Themenbereich genannt. In den Köpfen steckte er eh schon drin, jetzt ist er auch ausgesprochen. Das kann der Synode nur gut tun. (rv)

Synode: Nein zur Gender-Theorie

Kardinal Rodriguez MaradiagaDie Synode schnappt nach Luft: An diesem Sonntag haben die Väter, nach einer Woche intensiver Beratungen, mal Pause. Ab Montag wird dann, vornehmlich in Arbeitsgruppen, über den zweiten Teil des Synoden-Grundlagendokuments gesprochen. Im Ringen um einen Neuansatz bei der Ehe- und Familienpastoral geht die ordentliche Bischofssynode im Dreischritt vor: „Sehen“, hieß es letzte Woche, da ging’s um die Wahrnehmung der Wirklichkeit von Ehe und Familie. „Urteilen“ ist ab diesem Montag dran, und „Handeln“ heißt es dann ab nächster Woche.

In den ersten Berichten der Arbeitsgruppen, die am Freitag publik wurden, findet sich mehrfach eine scharfe Verurteilung der ‚Gender’-Lehre. Da werde der Begriff ‚Geschlecht’ willkürlich durch das neutralere Wort ‚Gender’ ersetzt, um den biologischen Unterschied zwischen Mann und Frau zu verwischen – mit allen Folgen, die das für das traditionelle Eheverständnis hat. Der honduranische Kardinal Oscar Andrés Rodriguez Maradiaga sagte im Interview mit Radio Vatikan:

„Das ist wirklich eine Ideologie, und sie ist gar nicht so neu! Im 19. Jahrhundert, als Marx gegen den Kapitalismus kämpfte, setzte sich Engels schon gegen die Familie ein. Dann machte sich Freud daran, den Vater zu eliminieren, und zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts wollten außerdem einige radikal-feministische Bewegungen die Mutter und die Mutterschaft beseitigen, als wäre das etwas, von dem Frauen sich befreien müssten. Jetzt also die ‚Gender’-Theorie, die praktisch die Familie zu eliminieren versucht.“

Der Salesianer-Kardinal, der einer der engsten Berater von Papst Franziskus ist, scheut sich nicht, die ‚Gender’-Theorie als Ideologie zu bezeichnen und sie in eine Reihe mit den großen Ideologien des zwanzigsten Jahrhunderts zu stellen. „Sie ist eine weitere Ideologie, allerdings noch gefährlicher – denn wenn man die Familie zerstört, zerstört man auch die Gesellschaft. Und dadurch würde man zu einem derartigen Individualismus gelangen, dass ein Zusammenleben von Menschen kaum noch möglich wäre!“

Nun gibt es auf dieser Synode durchaus auch Stimmen, die die ‚Gender’-Theorie nicht so scharf attackieren und denen es auch Unbehagen bereitet, wenn der Individualismus allzu schwarz gemalt wird. Aus der Betonung der Individualität des Menschen ergäben sich doch durchaus positive Zeichen der Zeit, gab am Freitag etwa die deutsche Sprachgruppe in ihrem Bericht zu bedenken. Doch einer Feststellung würde wohl jeder Synodenvater in Rom zustimmen: Ehe und Familie stehen unter Druck, weltweit. Was tun? Der brasilianische Kardinal Odilo Scherer aus Sao Paolo hat da einen Vorschlag:

„Eine Idee, die bei uns ziemlich stark ist, wäre die von Verbänden, die sich für die Familie einsetzen. Die einzelnen Familien müssten sich zusammenschließen, Gruppen und Verbände bilden, damit die Familien im öffentlichen und politischen Diskurs besser vertreten sind. Schließlich ist die Familie ja ein politisches Subjekt – nicht nur das Individuum, sondern auch die Familie. Familienverbände müssten sich um die Interessen der Familie kümmern, um die entsprechenden Themen und Bedürfnisse. Dann würde der Staat auch aufmerksamer für Familienbelange sein, und die Familie hätte ein ganz anderes Standing, um ihre Rolle für die Menschen und die Gesellschaft zu spielen.“ (rv)

Ende der ersten Synodenwoche: „Da ist Bewegung drin“

Bischofssynode 2015Wie läuft's bei der Synode? Das fragten wir Pater Bernd Hagenkord SJ, der die Debatten aus der Nähe verfolgt.

RV: Was ist neu, überraschend im Vergleich zur Synode im letzten Jahr?

„Die Stimmung ist besser. Es ist schwer, das genau festzumachen, aber es gibt weniger offene Konflikte außerhalb der Aula, weniger Kontroverse, und innerhalb des Saales versuchen alle, konstruktiv und positiv an Positionen zu arbeiten. Natürlich gibt es Auseinandersetzungen, es wäre nach all den Monaten von öffentlicher Debatte auch verwunderlich wenn nicht, aber die Mitglieder der Synode sind sich offensichtlich bewusst, dass es keine weitere Synode zum Thema gibt: Das hier ist es, und der Einsatz ist dementsprechend. Da ist richtig Bewegung drin.“

RV: Zur Methode Bergoglio: Arbeitsgruppen sind diesmal besonders wichtig – aber sie reden laut Erzabt Schröder („ein paar Tage im Blindflug“) nebeneinander her, ohne direkte Vernetzung mit den Ergebnissen der anderen. Ist das nicht ein Schwachpunkt?

„Nein, das ist normal. Die Alternative wäre ja, alles in der Großgruppe zu machen, dann könnte keiner auf den anderen reagieren, alles liefe auf vorbereitete Statements hinaus, und keiner würde auf das eingehen können, was vorher gesagt wurde. Rein mathematisch bedeutet die kleine Gruppe, dass viele Mitglieder nicht dabei sind. Das ist kein Schwachpunkt, das ist eine Stärke, weil es Dialog und Zusammenarbeit bedeutet.“

RV: Gibt es eine Diskrepanz zwischen der Außenwirkung der Synode und dem, was die Synodenväter tatsächlich hinter verschlossenen Türen sagen und tun?

„Ja und nein, wie immer. Es ist naturgemäß schwer, die Geschichte der Synode zu berichten, wenn man selber nicht drin sitzt, wie es bei den Journalisten der Fall ist. Die würden natürlich gerne mehr wissen, aber der Papst möchte Vertraulichkeit. Auf der anderen Seite ist das alles natürlich schon lange debattiert, so dass die Themen nicht wirklich neu sind.

Es kommt wie immer darauf an, wohin man schaut. Die Berichterstattung ist im Allgemeinen sehr gut, wenn man die einseitigen Medien vermeidet, die nur auf Krawall aus sind oder die nicht berichten, sondern beeinflussen wollen. Immer wieder wird ja gesagt, dass es zwei Synoden gäbe, die wirkliche und die in den Medien. Diese These teile ich nicht, sie sind schon miteinander verbunden und sind zwei Seiten oder zwei Dimensionen.“

RV: In welche Richtung entwickelt sich die Synode?

„Da müsste ich raten. Also rate ich einmal, dass am Ende ein Dokument stehen wird, dass mit großer Einmütigkeit verabschiedet wird. Ich würde raten, dass es in der zweiten und besonders auch der dritten Woche mehr Konflikte inhaltlicher Art geben wird, als in der ersten. Denn dann kommen ja die Themen auf die Tagesordnung, die auch bislang schon eifrig debattiert wurden.

Aber ich nehme auch wahr, dass immer mehr Synodalen in Kaffeepausen und dergleichen sagen, es werde noch viel mehr Zeit brauchen als die drei Wochen, die wir hier in der Synode verbringen. In einer gewissen Hinsicht beginnt dann die Arbeit erst.“ (rv)

Bischöfe: „Gnade bedeutet keine Abkehr von der Lehre“

Kardinal GraciasEs sind die zwei Denkschulen, die bei der katholischen Kirche in Bezug auf Ehe und Familie zusammenkommen. Die französischen Sprachgruppen haben am Samstag beim Pressebriefing im Vatikan hervorgehoben, dass sich kirchliche Lehre und die Barmherzigkeit bei den Beratungen gegenüberstanden. Die Bischöfe hätten sich zudem gefragt, was die Kirche in den letzten 50 Jahren unabhängig von „äußeren, feindlichen Kräften“ falsch gemacht habe. Wo lägen die Schwächen der Kirche selbst?

Die englischsprachigen Bischöfe wiederum betonten bei ihren Beratungen zum zweiten Teil des Synodenpapiers „Instrumtentum Laboris“, dass die Gnade mit Menschen mit sozialen Problemen nicht zwangsläufig eine Abkehr von der kirchlichen Lehre bedeuten müsse. Denn viele Menschen seien schlicht machtlos gegenüber den Schicksalen, die ihnen widerführen. Dennoch habe auch die Gnade bestimmte Regeln. Die Familie sei eine Schule für Ehrlichkeit und Gerechtigkeit. Die Familie sei aber auch Grundlage für organisierte Kriminalität und Diktaturen, denn hier herrsche eine Clan-Struktur und ein hoher Sinn für Loyalität. Umso mehr seien christliche Familien dazu aufgerufen, nach jenen zu schauen, die litten. „Ein Kind, das leidet, ist unser Kind“, so der Sprecher der englischen Sprachgruppen in dem Briefing.

Er betonte zugleich, dass es eine Verbindung gebe zwischen der Krise der kirchlichen Berufungen und der Krise der katholischen Ehe. Die Ehevorbereitung gelte es besser zu gestalten und man solle dabei stärker als bislang Bezug auf die Heilige Schrift nehmen.

Am Samstag sprach auch ein indisches Ehepaar zu den Bischöfen. Es war ein interreligiöses Paar, die Frau römisch-katholisch, der Ehemann Hindu. Kardinal Oswald Gracias, Erzbischof von Mumbay, sprach sich wie viele Bischöfe für ein positiveres Familienbild aus, wo nicht nur die Probleme, sondern vor allem die Tiefe, Schönheit und Spiritualität der örtlichen Kirchen und ihren Familien hervorgehoben werde. Auch ältere Menschen verdienten eine Wertschätzung, da sie von der Gesellschaft aus ökonomischer Sicht oft als nutzlos angesehen würden. Dabei sorgten sie sich um die Enkel und deren spirituelle Entwicklung.

Auf die schwierige Lage der Christen in Indien angesprochen, übte sich der Kardinal in Zuversicht. Leiden und Martyrium gehörten auch zum Christentum dazu, doch die christliche Minderheit existiere nunmehr seit 2.000 Jahren in Indien. „Es ist eben erst Freitag, aber wir hoffen auf den Sonntag“, sagte der Kardinal. Was die Fluchtbewegungen vieler Menschen und auch Christen angehe, betonte Gracias, dass es wichtig sei, den Menschen in ihren Herkunftsländern Bedingungen zu schaffen, dass sie blieben. So ehrbar die Einladung von Franziskus sei, Flüchtlinge aufzunehmen. Es sei auch wichtig, dass die Weltgemeinschaft sich um die Heimatländer der Flüchtlinge kümmere. (rv)

Synode: Abstrakte Glaubenslehre vs. Seelsorge

 Kardinal CoccopalmerioDer Präsident des Päpstlichen Rates für die Gesetzestexte, Kardinal Francesco Coccopalmerio, sieht in der Diversität der einzelnen 13 Sprachgruppen vor allem eine „Bereicherung“. Die Sprachgruppen werden in den kommenden Tagen die Basistexte zu neuen Fassungen formulieren. Die Gruppen seien im Allgemeinen von dem „freundschaftlichen und geschwisterlichen Umgang“ der Bischöfe geprägt: „Ich würde sagen, es gibt vor allem sehr viel Geschwisterlichkeit, vor allem in den Sprachgruppen (circoli minores), jetzt wo man sich besser kennt, spricht man freier. Das hat eine große Bedeutung, denn der Papst hat dies hervorgehoben. Die anderen Meinungen werden mehr geschätzt, auch wenn sie sich unterscheiden. Das scheint mir sehr positiv.“

Er wünsche sich einen weiteren Verlauf der Synode in einem friedlichen und geschwisterlichen Ambiente. Die Glaubenslehre selbst solle nicht verändert werden, denn sie sei für den Menschen. Man solle vielmehr den Menschen in seinem Leiden betrachten, und dann in der Glaubenslehre die richtigen Ansatzpunkte dafür suchen und nicht in einer umgekehrten Reihenfolge. Denn die Glaubenslehre „sei für das Gute der Menschen“ und das Pastorale sei „das Gute der Menschen“.

„Man kann sagen, dass wir eine abstrakte Glaubenslehre dem Pastoralen gegenüberstellen, aber nicht die Glaubenslehre dem Pastoralen. Die Lehre muss nämlich, in ihrem innersten Kern, konkrete Probleme beleuchten und lösen.“

Mit der Vereinfachung des Verfahren der Ehe- Annullierung für Katholiken habe Papst Franziskus bereits eine erste Antwort, auf den ersten Teil der Synode gegeben, so der kirchliche Rechtsexperte. Dadurch seien die Ehenichtigkeitserklärungen zwar schneller möglich, aber das Ziel sei es in dem Eheannullierungsprozess die Wahrheit, die Realität herauszufinden. „Das ist ein fundamentales Postulat. Die Geschwindigkeit, aber, soll die Wahrhaftigkeit der Untersuchung und des Beschlusses nicht belasten“, betont Kardinal Coccopalmerio. (rv)

Synode: Ergebnis oder nicht Ergebnis, das ist hier die Frage

Kardinal TagleNach dem Friedensappell von Papst Franziskus von diesem Freitag in der Synodenaula folgten die dreizehn Ansprachen und Präsentationen der einzelnen Sprachgruppen, die eine Überarbeitung des ersten Teiles des „Instrumentum laboris“ (Arbeitspapiers für die Ordentliche Bischofssynode über Ehe und Familie) präsentierten. Weniger Krise und mehr Hoffnung – so die erste Kurzzusammenfassung der aktuellen Entwicklungen. Die bisherigen Texte haben vor allem die Schönheit der Familie und nicht ihre Schwierigkeiten hervorgehoben. Eine genaue Zusammenfassung der Texte in den unterschiedlichen Sprachen finden Sie auf unserer Internetseite.

Am Freitagmittag war das Thema in dem Pressebriefing sowie die beliebteste Frage der Journalisten, welche Ergebnisse die Synode nun mit sich bringen werde. Journalisten fragten auch nach Veränderungen und konkrete Ergebnissen. Ein weiteres Mal wurde der Ablauf und Verlauf der Synode klargestellt und vor allem betont, wie erfolgreich die „circoli minores“ (Sprachgruppen) bisher verlaufen sind. Kardinal Luis Antonio Tagle, Präsident von Caritas Internationalis, der zum sechsten Mal an einer Synode teilnimmt, ist diesmal überzeugt, dass die Botschaft aus der Synode auch andere Religionsgemeinschaften und Lebensbereiche erreichen werde, denn die Familie sei ein universales Anliegen, ein seelsorgerliches Anliegen, so Kardinal Tagle. Die Lehre sei da, es gehe aber darum, wie sie lebendig gemacht werden solle.

„Es ist nicht nur die katholische Kirche, die sich um die Familie sorgt. Es ist eine universale Sorge von Gläubigen, Nichtgläubigen, Menschen mit und ohne Religionen. Die großen Erwartungen gibt es nicht nur für die Glaubenslehre, sondern es geht um die Unterstützung, die diese große christliche Gemeinschaft geben kann, als menschliche Institution, die die Gesellschaft fördert."

Der Erzbischof von Mardid, Carlos Osoro Sierra, betonte im Zuge der Pressekonferenz, dass die Familie der Kern der Gesellschaft sei und jeden einzelnen von uns formen würde, so wie auch ihn selbst. Er verneinte vehement, dass das Dokument nur nach den Westen ausgerichtet sei. Genau aus diesem Grund gebe es die Sprachgruppen, die eine globale Sichtweise darstellen sollten. (rv)