Erste Papstrede in der Zentralafrikanischen Republik

Zentralafrikanische RepublikVolltext der Papstansprache bei der Begegnung mit Vertretern von Staat und Gesellschaft sowie dem Diplomatischen Corps in der Zentralafrikanischen Republik, Präsidentenpalast Bangui am 29. November 2015.

Frau Präsidentin ad interim,
sehr geehrte Vertreter des öffentlichen Lebens,
verehrte Mitglieder des Diplomatischen Corps,
verehrte Repräsentanten der internationalen Organisationen,
liebe Mitbrüder im Bischofsamt,
meine Damen und Herren,

in der Freude, hier bei Ihnen zu sein, möchte ich zu allererst meine besondere Wertschätzung für den herzlichen Empfang zum Ausdruck bringen, der mir bereitet wurde, und Frau Präsidentin ad interim für ihre freundlichen Worte danken, mit denen sie mich willkommen geheißen hat. Von diesem Ort aus, der in gewisser Weise das Haus aller Zentralafrikaner ist, freue ich mich, über Sie und die anderen hier anwesenden Verantwortungsträger des Landes allen Ihren Mitbürgern meine Sympathie und meine spirituelle Nähe zu bekunden. Ebenfalls möchte ich die Mitglieder des Diplomatischen Corps sowie die Repräsentanten der internationalen Organisationen begrüßen, deren Arbeit an das Ideal der Solidarität und der Zusammenarbeit erinnert, das unter den Völkern und den Nationen gepflegt werden muss.

Während die Zentralafrikanische Republik trotz der Schwierigkeiten schrittweise der Normalisierung ihres gesellschaftspolitischen Lebens entgegengeht, betrete ich – nach meinem Vorgänger Johannes Paul II. – zum ersten Mal diesen Boden. Ich komme als Pilger des Friedens und als Apostel der Hoffnung. Das ist der Grund, warum ich freudig die Anstrengungen würdige, die von den verschiedenen nationalen und internationalen Verantwortungsträgern – angefangen mit Frau Interimspräsidentin – unternommen wurden, um das Land in dieses Stadium zu führen. Es ist mein brennendster Wunsch, dass die verschiedenen nationalen Konsultationen, die in einigen Wochen abgehalten werden, dem Land erlauben, gelassen eine neue Etappe seiner Geschichte zu beginnen.

Um den Horizont abzustecken – das Motto der Zentralafrikanischen Republik, das die Hoffnung der Pioniere und den Traum der Gründerväter wiedergibt, lautet: »Einheit – Würde – Arbeit«. Diese Trilogie bringt heute noch mehr als damals die Bestrebungen jedes Zentralafrikaners zum Ausdruck und ist folglich ein sicherer Kompass für die Verantwortungsträger, die beauftragt sind, das Geschick des Landes zu leiten. Einheit, Würde, Arbeit! Drei sinnträchtige Worte, deren jedes ebenso eine Baustelle wie ein nie abgeschlossenes Programm darstellt, eine Aufgabe, die unaufhörlich von neuem in Angriff genommen werden muss.

Erstens: die Einheit. Sie ist bekanntlich ein Grundwert für die Harmonie der Völker. Sie muss von der Basis der wunderbaren Vielfalt der Umwelt her gelebt und aufgebaut werden. Dabei muss man die Versuchung der Angst vor dem anderen vermeiden, der Angst vor dem, was uns nicht vertraut ist, vor dem, was nicht Teil unserer Ethnie, unserer politischen Option oder unseres religiösen Bekenntnisses ist. Die Einheit verlangt ganz im Gegenteil, eine Synthese der Reichtümer zu schaffen und zu fördern, die jeder in sich trägt. Die Einheit in der Verschiedenheit – das ist eine ständige Herausforderung, die zur Kreativität, zur Großherzigkeit, zur Selbstlosigkeit und zur Achtung des anderen aufruft.

Zweitens: die Würde. Dieser moralische Wert ist zu Recht ein Synonym für Rechtschaffenheit, Loyalität, Gnade und Ehre, durch die sich die Männer und Frauen auszeichnen, die sich ihrer Rechte wie ihrer Pflichten bewusst sind, und durch die sie zu gegenseitiger Achtung geführt werden. Jeder Mensch besitzt eine Würde. Ich habe mit Interesse vernommen, dass Zentralafrika das Land des „Zo kwe zo“ ist, das Land, wo jeder Mensch als Person gilt. Es muss also alles getan werden, um den Status und die Würde der menschlichen Person zu schützen. Und wer die Mittel zu einem angenehmen Leben besitzt, soll nicht um seine Privilegien besorgt sein, sondern versuchen, den Armen zu helfen, dass auch sie Bedingungen erlangen, die ihrer Menschenwürde entsprechen, besonders durch die Entwicklung ihres menschlichen, kulturellen, wirtschaftlichen und sozialen Potenzials. Folglich müssen der Zugang zu Bildungs- und Gesundheitswesen, der Kampf gegen die Unterernährung und das Ringen, um jedem eine annehmbare Wohnung zu garantieren, in einer um die Menschenwürde besorgten Entwicklung an erster Stelle stehen. Die Würde der menschlichen Person bedeutet also letztlich, für die Würde der Mitmenschen zu arbeiten.

Und schließlich: die Arbeit. Durch die Arbeit können Sie das Leben Ihrer Familien verbessern. Der heilige Paulus sagt: »Nicht die Kinder sollen für die Eltern sparen, sondern die Eltern für die Kinder« (2 Kor 12,14). Die Anstrengung der Eltern drückt ihre Liebe zu den Kleinen aus. Und außerdem können Sie, die Zentralafrikaner, dieses wunderbare Land verbessern, indem Sie Ihre zahlreichen Ressourcen sinnvoll nutzen. Ihr Land befindet sich in einer Region, die aufgrund ihrer außerordentlich reichen biologischen Vielfalt als die eine der beiden Lungen der Menschheit angesehen wird. In diesem Zusammenhang möchte ich mit dem Verweis auf die Enzyklika Laudato si’ jeden Einzelnen – Bürger, Verantwortungsträger des Landes, internationale Geschäftspartner und multinationale Gesellschaften – auf die große Verantwortung aufmerksam machen, die sie bei der Nutzung der Umweltressourcen und bei der Entscheidung und Planung der Entwicklung tragen, eine Verantwortung, die in der einen oder anderen Weise ihre Auswirkungen auf den gesamten Planeten hat. Die Arbeit zum Aufbau einer florierenden Gesellschaft muss ein solidarisches Werk sein. Diese Wahrheit hat die Weisheit Ihres Volkes seit langem begriffen und durch das Sprichwort ausgedrückt: »Die Ameisen sind klein, da sie aber zahlreich sind, bringen sie ihre Beute ins Nest.«

Zweifellos muss die grundlegende Bedeutung, die dem Verhalten und der Leitung der öffentlichen Verantwortungsträger zukommt, nicht eigens hervorgehoben werden. Sie müssen die Ersten sein, welche die Werte der Einheit, der Würde und der Arbeit konsequent in ihrem Leben verkörpern, und so Vorbilder ihrer Mitbürger sein.

Die Geschichte der Evangelisierung dieses Landes und seine gesellschaftspolitische Geschichte bestätigen das Engagement der Kirche im Sinn dieser Werte der Einheit, der Würde und der Arbeit. Indem ich der Pioniere der Evangelisierung in der Zentralafrikanischen Republik gedenke, lobe ich meine Mitbrüder im Bischofsamt, die gegenwärtig diese Aufgabe haben. Gemeinsam mit ihnen bekräftige ich erneut die Bereitschaft dieser Teilkirche, immer mehr zur Förderung des Gemeinwohls beizutragen, besonders durch die Bemühung um Frieden und Versöhnung. Ich bezweifle daher nicht, dass die derzeitigen und die künftigen zentralafrikanischen Verantwortungsträger sich unablässig darum bemühen werden, der Kirche die günstigen Bedingungen für die Durchführung ihrer spirituellen Mission zu garantieren. Diese wird sogar immer mehr zur Entwicklung eines »jeden Menschen und [des] ganzen Menschen« (Populorum progressio, 14) beitragen können – um die glückliche Formulierung meines Vorgängers, des seligen Paul VI., zu übernehmen, der vor bald fünfzig Jahren der erste Papst der Moderne war, der nach Afrika kam, um es zu Beginn einer neuen Epoche im Guten zu ermutigen und zu stärken.

Meinerseits möchte ich jetzt die Anstrengung würdigen, welche die internationale Gemeinschaft unternommen hat, die hier durch das Diplomatische Corps und die Mitglieder der verschiedenen Missionen internationaler Organisationen vertreten ist. Ich ermutige sie nachdrücklich, auf dem Weg der Solidarität immer weiter voranzugehen, und wünsche, dass ihr Engagement, vereint mit dem Handeln der zentralafrikanischen Verantwortungsträger, dem Land hilft, weitere Fortschritte zu machen, besonders in der Versöhnung, der Entwaffnung, der Erhaltung des Friedens, im Gesundheitswesen und in der Kultur einer gesunden Verwaltung auf allen Ebenen.

Zum Abschluss möchte ich noch einmal meine Freude darüber ausdrücken, dieses wunderschöne Land im Herzen Afrikas zu besuchen, das ein zutiefst religiöses Volk beherbergt, welches mit einem so reichen natürlichen und kulturellen Erbe ausgestattet ist. Ich sehe darin ein von den Wohltaten Gottes erfülltes Land! Möge das zentralafrikanische Volk, ebenso wie seine Führungspersönlichkeiten und alle seine Partner, diese Wohltaten gebührend zu schätzen wissen, indem es unablässig für die Einheit, die Menschenwürde und den auf Gerechtigkeit gegründeten Frieden arbeitet! Gott segne Sie alle! Danke. (rv)

Papst Franziskus öffnet Heilige Pforte in Bangui

Papst FranziskusDie erste „Heilige Pforte“ des unmittelbar bevorstehenden „Heiligen Jahres der Barmherzigkeit“ hat Papst Franziskus an diesem Sonntag geöffnet – an einem Ort der äußersten Peripherie aus europäischer Warte: in Bangui, der Hauptstadt der Zentralafrikanischen Republik. „Möge Bangui die spirituelle Hauptstadt der Welt werden!", rief Franziskus in einer kleinen Ansprache aus, die er sich vorab zurechtgelegt hatte. „Das Heilige Jahr der Barmherzigkeit beginnt (hier) frühzeitig in einem Land, das unter Krieg, Hass, Mangel an Verständigung, Mangel an Frieden leidet. In diesem leidenden Land sind auch (geistlich) alle Länder anwesend, die das Kreuz des Krieges erlebt haben. Möge Bangui die spirituelle Hauptstadt des Gebets um die Barmherzigkeit des Vaters werden! Wir alle bitten: Frieden, Barmherzigkeit, Versöhnung, Verzeihung, Liebe! Für Bangui, die ganze Zentralafrikanische Republik und die ganze Welt, alle Länder, die unter Krieg leiden, erbitten wir Frieden. Bitten wir alle zusammen um Frieden und Vergebung! Und mit diesem Gebet beginnen wir nun das Heilige Jahr hier, in dieser geistlichen Hauptstadt der Welt, heute."

„Öffnet die Pforten der Gerechtigkeit – ich werde eintreten und dem Herrn danken" – diese alttestamentliche Formel bildete den Auftakt der Zeremonie zur Öffnung der Pforte. Franziskus drückte mit beiden Händen die Flügel des hölzernen Tores der Kathedrale aus den 1930er Jahren auf. Auf der Schwelle verharrte er für einen Augenblick stehend im Gebet, danach trat er als erster in die Kathedrale ein.

In seiner Predigt an diesem Ersten Adventsonntag lud Franziskus die Katholiken der Zentralafrikanischen Republik dazu ein, „Handwerker“ des Friedens zu sein. Er rief sie zu Gemeinschaftsgeist auf und dazu, Böses mit Gutem zu vergelten. Eindringlich rief der Papst dazu auf, anstelle handfester mörderischer Waffen jene der Gerechtigkeit, der Liebe und der Barmherzigkeit zu benutzen.

„Christen müssen standhalten gegen das Böse“

Franziskus feierte die Messe mit Priestern, Ordensleuten und engagierten katholischen Laien. Friede sei „nicht vor allem eine Frage der finanziellen Mittel“, sagte der Papst ihnen in der Kathedrale. Er erinnerte die Katholiken an das Gebot der „Feindesliebe, die gegen die Versuchung zur Rache und die Spirale endloser Vergeltungsmaßnahmen wappnet“. Jesus habe Wert darauf gelegt, auf diesem Aspekt christlichen Verhaltens zu beharren. Die Worte des Papstes fallen in eine Situation großer Spannungen zwischen Christen und Muslimen: Am Morgen seines Eintreffens in Bangui wurden dort in der Nähe des berüchtigten muslimischen PK5-Viertels zwei junge Christen ermordet, und ihre Familien kündigten umgehend blutige Rache an.

„Auch wenn die Kräfte des Bösen sich entfesseln, müssen die Christen sich mit erhobenem Haupt zur Stelle melden, bereit, in diesem Kampf standzuhalten, in dem Gott das letzte Wort hat. Und dieses Wort wird ein Wort der Liebe sein!“, bekräftigte Franziskus. An alle, die „zu Unrecht die Waffen dieser Welt gebrauchen“, richtete der Papst den Appell, diese „Instrumente des Todes“ abzulegen und sich mit den „echten Garanten des Friedens“ zu bewaffnen: Gerechtigkeit, Liebe und Barmherzigkeit.

Franziskus gestand ein, dass „der Abstand, der uns von dem so anspruchsvollen christlichen Zeugnis trennt, zuweilen groß ist“. Und er erinnerte die Priester, Ordensleute und engagierten Laien an ihre Vorbildfunktion: Sie müssten „Handwerker der Vergebung, Spezialisten der Versöhnung und Experten der Barmherzigkeit sein“.

Friedenskuss für den Imam

Beim Moment des Friedensgrusses in der Kathedrale umarmte der Papst auch einen evangelischen Pastor und einen Imam, die in seiner Nähe standen. Bereits auf dem Weg zur Kathedrale hatte Franziskus einen kurzen Stopp an einem Kinderkrankenhaus der Hauptstadt eingelegt. Dabei schenkte er den jungen Patienten Medikamente, die ihm das römische Kinderkrankenhaus Bambin Gesu mitgegeben hatte. (rv)

Erster Gedanke an die Zentralafrikanische Republik

Zentralafrikanische RepublikEs ist noch nicht klar, ob Papst Franziskus am Sonntag in die Zentralafrikanische Republik fahren wird, doch das Land inklusive UN-Friedensmission ist vorbereitet. Trotz der vielen Konflikte auf dem Kontinent wie nun in der Zentralafrikanischen Republik hat bereits der emeritierte Papst Benedikt XVI. den Kontinent als die „spirituelle Lunge“ der Menschheit bezeichnet. In diesem Zentrum der „spirituellen Lunge“ wird Papst Franziskus voraussichtlich am Sonntag die erste Heilige Pforte für das Jahr der Barmherzigkeit öffnen. Das Zeichen und die Bedeutung ist für Franziskus´ Pressesprecher, Federico Lombardi, klar. Es war auch das erste Land, an das er für diese Eröffnung dachte, wie er im Gespräch mit Radio Vatikan verriet.

„Der Papst suchte natürlich die Möglichkeit mit denen sein zu dürfen, die seine Anwesenheit mehr brauchen, die ärmer sind und leiden: dann dachte er an die Zentralafrikanische Republik und dachte daran, dort auch die Heilige Pforte der Barmherzigkeit zu öffnen, er macht damit eine kleine Ausnahme und einen kleinen Fortschritt, aber der sehr wichtig ist: wenn er will, dass alle Menschen die Gnade und die Liebe Gottes spüren, und dass auch die es spüren, die so sehr leiden, wie in letzter Zeit die Zentralafrikanische Republik, dann muss er ins Herzen von Afrika gehen, weil die Zentralafrikanische Republik ist auch geografisch das Zentrum Afrikas, und er gibt zu verstehen, dass dieser Kontinent Ermutigung und Hoffnung braucht, um die Liebe Gottes als Ermutigung zu fühlen, und um einen Weg zur Entwicklung zu finden, in der Liebe und Würde in Einklang gebracht werden kann.“

Um für die Sicherheit des Papstes und der Pilger zu sorgen, haben die Vereinten Nationen dem Land 3.000 Blauhelme zur Verfügung gestellt. Der katholische Erzbischof von Bangui, Dieudonné Nzapalainga erwartet sich von Papst Franziskus eine Botschaft der Versöhnung und der Barmherzigkeit. Seit Monaten wird die Zentralafrikanische Republik von blutigen Auseinandersetzungen auch religiöser Natur erschüttert. (rv)

Papst im Slum: Kritik an „Wohlstandswelt“

Franzsikus200Einen Slum mitten im Herzen der Millionenstadt Nairobi hat Papst Franziskus am Freitag besucht. Am Morgen seines dritten und letzten Reisetags in Kenia fuhr er im offenen Papamobil durch die Barackenstadt, in der mehr als 100.000 Menschen aus vielen Regionen Kenias und aus dem afrikanischen Ausland wohnen. Der Slum heißt Kangemi, er hat sich zwischen Wohnvierteln gebildet; kurz vor dem Papstbesuch installierte die Stadtverwaltung endlich Straßenbeleuchtung, ein erster greifbarer Erfolg der Visite.

Franziskus grüßte viele Einwohner und auch seine Mitbrüder aus dem Jesuitenorden, die in dem Slum die Pfarrei St. Joseph leiten; angeschlossen sind eine Krankenstation, ein Zentrum für Mütter in Schwierigkeiten und eine Ausbildungsstation für technische Berufe. Schon bei seiner Visite in Lateinamerika im Sommer diesen Jahres hatte der Papst, der Favelas aus seiner Zeit als Erzbischof von Buenos Aires gut kennt, ein vergleichbares Elendsviertel besucht.

In seiner Ansprache versicherte der Papst den Bewohnern der Hütten und Baracken von Kangemi, er wisse genau „um die Schwierigkeiten, die ihr Tag für Tag durchmacht“, und um „die Ungerechtigkeiten, die ihr erleidet“. Ihre Freuden und Ängste seien ihm „nicht gleichgültig“. Genauso würdigte er aber auch, was er „die Weisheit der Armenviertel“ nannte: „eine Weisheit, die aus dem zähen Widerstand des Echten hervorsprießt, aus den Werten des Evangeliums, welche die durch den zügellosen Konsum eingeschlummerte Wohlstandswelt zu vergessen haben scheint“.

Wörtlich sagte Franziskus: „Ihr seid fähig, Bande der Zugehörigkeit und des Zusammenlebens zu knüpfen, die das Gedränge in eine Gemeinschaftserfahrung verwandeln, wo die Wände des Ichs durchbrochen und die Schranken des Egoismus überwunden werden.“ Die „Kultur der Armenviertel“ leiste mit „dieser besonderen Weisheit“ einen wichtigen „Beitrag für die Zeit, in der wir leben“. Als Beispiel für diese „andere Art von Kultur“ mit ihren „Werten, die nicht an der Börse gehandelt werden“, nannte er das Sprichwort: „Wo zehn essen, da essen auch zwölf!“

„Gott hat die Erde dem ganzen Menschengeschlecht geschenkt“

Beredt rügte der Papst dann die „abscheuliche Ungerechtigkeit der städtischen Ausgrenzung“: „Es sind die Wunden, die Minderheiten verursachen, welche Macht und Reichtum konzentrieren und egoistisch verschwenden, während wachsende Mehrheiten sich in verwahrloste, verseuchte, ausgesonderte Randzonen flüchten müssen! Das verschärft sich, wenn wir die ungerechte Verteilung des Bodens sehen…, die in vielen Fällen dazu führt, dass ganze Familien überhöhte Mieten zahlen für Behausungen in ungeeignetem baulichen Zustand. Ich weiß auch um das schwerwiegende Problem des Hamsterkaufs von Ländereien durch gesichtslose „private Entwickler“, die sogar versuchen, sich den Pausenhof der Schulen ihrer Kinder anzueignen.“ Das alles passiere, „weil man vergisst, dass Gott die Erde dem ganzen Menschengeschlecht geschenkt hat“, so Franziskus mit einem Zitat des hl. Johannes Paul II.

„In diesem Sinn stellt der mangelnde Zugang zu Infrastrukturen und den wichtigsten Serviceleistungen ein schwerwiegendes Problem dar. Ich meine damit Toiletten, Abwasserkanäle, Abflüsse, Müllabfuhr, Elektrizität, Wege, aber auch Schulen, Krankenhäuser, Erholungs- und Sportzentren und Kunstwerkstätten.“ Vor allem der Zugang zu Trinkwasser sei eigentlich ein fundamentales Menschenrecht, das keinem verweigert werden dürfe, fuhr der Papst fort. „Diese Welt lädt eine schwere soziale Schuld gegenüber den Armen auf sich, die keinen Zugang zum Trinkwasser haben, denn das bedeutet, ihnen das Recht auf Leben zu verweigern, das in ihrer unveräußerlichen Würde verankert ist. Einer Familie unter irgendeinem bürokratischen Vorwand das Wasser zu verweigern, ist eine große Ungerechtigkeit, vor allem, wenn aus dieser Not ein Nutzen gezogen wird.“

Noch schlimmer werde das Gewebe aus „Gleichgültigkeit und Feindseligkeit, unter dem die Armenviertel leiden“, durch Gewalt und organisierte Kriminalität. All diese „Wirklichkeiten“ seien „keine zufällige Kombination von Einzelproblemen“, diagnostizierte der Papst. „Sie sind vielmehr die Folge neuer Formen von Kolonialismus… Tatsächlich fehlt es nicht an Druck, damit (die armen Länder) politische Maßnahmen der Aussonderung ergreifen wie die zur Geburtenbeschränkung – eine Art Wegwerfpolitik.“

Der Papst warb für eine Trendwende: „Weder Ausmerzung, noch Paternalismus, noch Gleichgültigkeit, noch bloße Zügelung. Wir brauchen Städte, die integriert und für alle da sind.“ Alle Menschen hätten das Recht auf Land, Wohnung und Arbeit: „Das ist keine Philanthropie, es ist eine Verpflichtung aller!“
„Ich möchte alle Christen, besonders die Hirten, aufrufen, den missionarischen Schwung zu erneuern, gegenüber so vielen Ungerechtigkeiten die Initiative zu ergreifen, in die Probleme der Nächsten einzugreifen, sie in ihrem Ringen zu begleiten, die Früchte ihrer Gemeinschaftsarbeit zu schützen und gemeinsam jeden kleinen und großen Sieg zu feiern. Ich weiß, dass sie schon viel tun, aber ich bitte sie, sich daran zu erinnern, dass es nicht eine zusätzliche Aufgabe, sondern jedes Mal die wichtigste Aufgabe ist, denn die Armen sind die ersten Adressaten des Evangeliums.“ Letzteres war übrigens ein Zitat aus einer Rede von Benedikt XVI. an brasilianische Bischöfe.

Nach seinem Besuch in Kangemi fuhr der Papst weiter zu einem Treffen mit Jugendlichen im Kasarani-Stadion von Nairobi. Daran soll sich dann ein Treffen mit den Bischöfen des Landes anschließen. Am Nachmittag steht der Weiterflug in das Nachbarland Uganda auf dem Programm, zweite Station auf der Afrikareise des Papstes. (rv)

Papst in Nairobi: „Dialog ist kein Luxus!“

KeniaPapst Franziskus hat in Kenias Hauptstadt Nairobi die Religionen aufgerufen, gemeinsam gegen Extremismus und Terror vorzugehen. Bei einem Treffen mit Kirchen- und Religionsvertretern sagte er am Donnerstagmorgen, „allzu häufig“ würden junge Leute „im Namen der Religion zu Extremisten gemacht, um Zwietracht und Angst zu säen und um das Gefüge unserer Gesellschaften zu zerstören“.

Wörtlich sagte Franziskus: „Wie wichtig ist es, dass wir als Propheten des Friedens, als Friedenstifter erkannt werden, welche die anderen einladen, in Frieden, Eintracht und gegenseitiger Achtung zu leben! Möge der Allmächtige die Herzen derer anrühren, die diese Gewalt verüben, und unseren Familien und Gemeinschaften seinen Frieden gewähren!“

Ausdrücklich verurteilte der Papst die Terroranschläge, die Kenia in den letzten Jahren erlebt hat, darunter den blutigen Angriff von Shabab-Milizen aus Somalia auf das Westgate-Einkaufszentrum in Nairobi vom September 2013. Gott sei „ein Gott des Friedens“, so Franziskus. Umso wichtiger sei „das Zusammenwirken der religiösen Leader und ihrer Gemeinschaften“ für das „Gemeinwohl“. „Die Welt erwartet zu Recht, dass in der Bewältigung der vielen Probleme, die die Menschheitsfamilie bewegen, die Gläubigen mit den Menschen guten Willens zusammenarbeiten.“

„Der ökumenische und interreligiöse Dialog ist kein Luxus“, betonte der Papst. „Er ist nicht etwas Zusätzliches oder Optionales, sondern er ist wesentlich, etwas, das unsere durch Konflikte und Spaltungen verletzte Welt immer dringender braucht.“ (rv)

Vatileaks 2: Prozess hat begonnen

Vatileaks II.Alle fünf Angeklagten im sogenannten Vatileaks 2-Fall waren an diesem Dienstag bei der Eröffnung des Prozesses im Vatikan anwesend. Es handelt sich um dasselbe Gericht, das vor drei Jahren den damaligen Kammerdiener von Papst Benedikt XVI., Paolo Gabriele, wegen Dokumentendiebstahls verurteilt hatte. Erstmals werden jetzt auch Journalisten angeklagt, die die Vatikan-internen Dokumente veröffentlicht haben. Es handelt sich um die beiden Italiener Gianluigi Nuzzi und Emiliano Fittipaldi.

Auch die drei ehemaligen Vatikan-Mitarbeiter der Wirtschaftsprüfungskommission Cosea, Monsignore Lucio Vallejo Balda, Francesca Immacolata Chaouqui und Nicola Maio saßen im Gerichtssaal. Chaouqui protestierte vor Prozessbeginn, weil sie nicht ihre „persönliche Anwältin“ mitnehmen durfte. Auch der Journalist Nuzzi verwies vor Prozessbeginn darauf, dass er einen Pflichtverteidiger vom Vatikan erhalten habe. Der Vatikan erläuterte, dass nur jene Anwälte zugelassen werden, „die an der Römischen Rota akkreditiert sind“. Insgesamt rund 1.000 Seiten betragen die Anklage-Unterlagen. Darin werden die Gespräche und Verhöre der Angeklagten aufgeführt.

Der Auftakt zum Prozess dauerte etwas länger als eine Stunde. Zwei Anträge von Angeklagten wurden abgewiesen: Monsignore Vallejo Balda bat um Prozessverschiebung, da er seinen Pflichtverteidiger erst seit Montag kennt. Der zweite abgewiesene Antrag kam vom Journalisten Fittipaldi, der um Prozessaufhebung für sich selber nachsuchte. Am kommenden Samstag um 12.30 Uhr sollen die Beweise beim zweiten Teil des Prozesses vorgelegt werden, für Montag, 30. November, ist der nächste Gerichtstermin angesetzt. Gegenüber Journalisten im Gerichtssaal sagte Vallejo Balda, dass er mit einem „schnellen Verfahren“ rechne.

Alle fünf werden von der vatikanischen Untersuchungsbehörde beschuldigt, unrechtmäßig interne Dokumente in der Öffentlichkeit verbreitet zu haben. Sie riskieren zwischen vier und acht Jahre Gefängnis.

Proteste gegen die Anschuldigungen kommen derweil von Presse-Verbänden und von der OSZE, der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa. Der Verband der im Vatikan akkreditierten Journalisten hat sich ebenfalls gegen die Anklage Nuzzis und Fittipaldis ausgesprochen. (rv)

Vatileaks 2: Prozess gegen fünf Angeklagte

Vatileaks II.Die vatikanische Justiz wird den Prozess zum sogenannten Vatileaks 2 gegen fünf Angeklagte führen. Das teilte der vatikanische Pressesaal am Samstag mit. Der Prozess soll am kommenden Dienstag im Vatikan beginnen. Die fünf Personen werden angeklagt, gegen den Artikel 116 bis des vatikanischen Strafgesetz verstoßen zu haben. Der Artikel verbietet die Verbreitung von Vatikan-internen, nicht für die Öffentlichkeit bestimmten Dokumenten.

Bei den fünf Angeklagten handelt es sich zunächst um die beiden italienischen Journalisten Gianluigi Nuzzi und Emiliano Fittipaldi, die vor kurzem jeweils Bücher mit illegal beschafften Vatikan-Dokumenten veröffentlicht haben. Falls sie für schuldig befunden werden, könnten sie vier bis acht Jahre Gefängnisstrafen bekommen. Der dritte Angeklagte ist der spanische Monsignore Vallejo Balda. Er sitzt als einziger im vatikanischen Gefängnis der Gendarmerie in Untersuchungshaft. Vallejo Balda wird zusammen mit der Italienerin Francesca Immacolata Chaouqui beschuldigt, die Papiere an die beiden Journalisten weitergereicht zu haben. Chaouqui, die vierte Angeklagte, ist wegen Schwangerschaft und ihrer Zusammenarbeit mit dem vatikanischen Untersuchungsrichter nicht in Haft. Die fünfte beschuldigte Person heißt Nicola Maio. Er ist ein ehemaliger Mitarbeiter der Wirtschaftsprüfungskommission Cosea, zu der auch Monsignore Vallejo Balda und Chaouqui gehörten. (rv)

Kardinal Marx: Konstruktive und kritische Impulse vom Papst

Kardinal MarxGespräche auf Augenhöhe mit dem Papst, aber auch kritische Anmerkungen an die Kirche in Deutschland: Wenn die Bischöfe heute nach ihrem Ad Limina Besuch zurück in ihre Bistümer kommen, dann nehmen sie eine ganze Reihe von Impulsen und Anregungen mit. Davon ist Kardinal Reinhard Marx überzeugt, im Gespräch mit Radio Vatikan berichtete er vom Ablauf der Besuche.

Die Begegnung mit dem Papst sei aber für alle das absolute Highlight gewesen, so Marx, und zwar nicht nur weil es der Papst sei, sondern vor allem wie er die Gespräche geführt habe. „In welcher Atmosphäre es stattgefunden hat, mit welchem Wohlwollen, in welcher Brüderlichkeit, aber auch mit welchem Freimut. Das war glaube ich sehr beeindruckend für die Bischöfe, dass ein solches Gespräch stattgefunden hat.“ Besonders mit dem Papst, aber nicht nur mit ihm, seien es Begegnungen auf Augenhöhe gewesen.

Und dabei kamen auch kritische Dinge auf den Tisch, gerade auch in der Schlussansprache nennt Papst Franziskus kritische Punkte der deutschen Kirche. Das sei etwas, „was Aufgabe des Papstes ist, auch grundsätzliche Punkte und auch auf kritische Punkte hinzuweisen. Warum sollten wir zusammen kommen, wenn wir uns nur gegenseitig loben und nicht auch mal aus der Sicht des einen und des Anderen kritische Punkte nennen?“ Natürlich habe es auch Begegnungen in Dikasterien gebeben, wo heftig diskutiert wurde, wo es Einzelthemen gibt, die nicht einfach zu lösen sind, etwa mit Blick auf die Liturgie oder andere Fragen. Auch in der Schlussansprache fallen starke Worte, etwa das von der „Erosion des Glaubens“ in Deutschland. „Das ist ja etwas, was die gesamte Kirche im Westen betrifft, ich würde sogar sagen weltweit. Der Papst spricht hier etwas an, was uns seit Jahren beschäftigt. Er weist uns darauf hin, sagt uns, dass wir das nicht vergessen sollen, wenn auch die Antwort darauf nicht so ganz einfach ist. Es geht eben darum, wie wir in einer säkularen Welt und einer offenen Gesellschaft das Evangelium heute verkünden ohne die traditionellen Stützen, die es über Jahrhunderte auch in Deutschland gegeben hat.“

Eine weitere Anmerkung des Papstes bezog sich auf den katholischen Charakter der vielen sozial-karitativen Einrichtungen, auch das etwas, was ein längerfristiges Thema der Bischöfe ist, so Kardinal Marx. „Wie oft haben wir in der Bischofskonferenz unsere vielfältigen Institutionen diskutiert, all das, was wir haben: Wie können wir das immer wieder vom Glauben her prägen? Das ist das, was uns seit vielen Jahren umtreibt. Deswegen empfinde ich diesen konstruktiv kritischen Impuls als angebracht.“

Es sei nun die Aufgabe der Bischöfe, zu sehen, welche Impulse aus den Gesprächen in den einzelnen Dikasterien, mit dem Papst und aus der Papstansprache zu ziehen seien. „Ich denke wir werden sowohl die Gespräche in den Dikasterien, die Gespräche, die die einzelnen Gruppen mit dem Papst hatten, wie auch die Schlussansprache sehr genau auswerten. Das ist jetzt unsere Aufgabe, das jetzt nicht einfach hinzunehmen, sondern zu schauen, was an Impulsen gegeben ist. Das ist für uns selbstverständlich, dass wir uns damit intensiv beschäftigen werden.“ (rv)

Papstrede an deutsche Bischöfe: „Pastorale Neuausrichtung“

Papst FranziskusEin Ad Limina-Besuch ist eine „Erneuerung des Bandes mit der universalen Kirche“. Das gab Papst Franziskus den 64 im Vatikan versammelten Bischöfen aus Deutschland mit auf den Weg. An diesem Freitag endete mit einer Papstaudienz der etwa alle fünf Jahre anstehende Besuch der Ortsbischöfe im Vatikan. Papst Franziskus ließ wie immer zu solchen Anlässen den Text der vorbereiteten Rede übergeben und hielt sie nicht wörtlich, um sich stattdessen direkt mit den Bischöfen auszutauschen.

Das erste Thema in der offiziellen Rede des Papstes: die „große Unterstützung, die die Kirche in Deutschland durch ihre vielen Hilfsorganisationen für die Menschen in aller Welt leistet.“ Im Augenblick seien es besonders die christlichen Kirchen, die einen enormen Einsatz für Flüchtlinge leisteten, sei es vor Ort in Europa, sei es um die Lebenssituation in den Ursprungsländern wieder erträglich zu machen.

Dann ging der Papst auf die besonderen Herausforderungen in Deutschland selber ein, zum Beispiel in den vielen professionell geführten sozial-karitativen Einrichtungen. „Es ist darauf zu achten, dass in diesen Einrichtungen das katholische Profil gewahrt bleibt“, so der Papst. Er beklagte den Rückgang des Kirchenbesuchs und des Sakramentenempfangs, und er sprach von einer „Erosion des katholischen Glaubens in Deutschland“.

Dagegen gelte es, zunächst die „lähmende Resignation zu überwinden“: Die „gute alte Zeit“ sei vorbei. Stattdessen könne zum Beispiel das Beispiel der Ehrenamtlichen angesichts einer zunehmenden Institutionalisierung der Kirche ein Zeichen sein, es würden immer mehr Institutionen für immer weniger Gläubige geschaffen. „Es handelt sich um eine Art neuer Pelagianismus, der dazu führt, unser Vertrauen auf die Verwaltung zu setzen, auf den perfekten Apparat. Eine übertriebene Zentralisierung kompliziert aber das Leben der Kirche und ihre missionarische Dynamik, anstatt ihr zu helfen“, griff der Papst Gedanken aus seinem Schreiben Evangelii Gaudium auf.

Das Gebot der Stunde sei die „pastorale Neuausrichtung“. Der Papst betonte einmal mehr die missionarische Seelsorge und die „ständige Haltung des Aufbruchs“, auch das Gedanken aus Evangelii Gaudium, angewandt auf die deutsche Situation. Die Rahmenbedingungen seien nicht günstig, die Weltlichkeit verforme die Seelen und ersticke das Bewusstsein für die Wirklichkeit, und solcherart beeinflusste Menschen seien schwer zu erreichen. Aber Gott sei der immer zuerst Handelnde, ermutigte der Papst.

Er rief die versammelten deutschen Bischöfe dazu auf, ihren Dienst der dynamischen Verkündigung gewissenhaft wahrzunehmen. Hier nannte der Papst ausdrücklich die „kirchliche Tragweite der Sendung“ der theologischen Fakultäten. „Die Treue zur Kirche und zum Lehramt widerspricht nicht der akademischen Freiheit, sie erfordert jedoch eine Haltung der Dienstbereitschaft gegenüber den Gaben Gottes“, so der Papst wörtlich. Die Präsenz katholischer Fakultäten an staatlichen Einrichtungen sei eine Chance, den Dialog mit der Gesellschaft zu führen. Papst Franziskus nannte außerdem ausdrücklich die Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt, er wünsche sich einen „entsprechenden Einsatz der gesamten Bischofskonferenz“.

Zuletzt sprach der Papst noch über das Gemeindeleben, „die Gemeinschaft, in der der Glaube am meisten erfahrbar und gelebt wird“. Besonders die Beichte und die Eucharistie lagen ihm dabei am Herzen. Das Heilige Jahr sei eine Gelegenheit, das Sakrament der Buße neu zu entdecken; er wünsche, dass dieses Sakrament auch in den Pastoralplänen mehr Berücksichtigung findet. Ferner dürfe der Einsatz der Laien nicht zum Ersatz für den priesterlichen Dienst werden, fügte der Papst an.

Abschließend drückte er seine Hoffnung aus, dass die Begegnungen in Rom dazu dienen, dass die Teilkirchen ihre „Mitarbeit an der Sendung der universalen Kirche“ leisten. (rv)

Parolin: Legitim, den Aggressor zu stoppen

Kardinal Pietro ParolinSchüsse und Explosionen gibt es auch fünf Tage nach den schrecklichen Attentate in Paris weiter. In den frühen Morgenstunden an diesem Mittwoch wurden nach einem Polizeieinsatz mindestens fünf Verdächtige im Pariser Vorort St. Denis verhaftet. Sie würden nun vernommen, teilte die Staatsanwaltschaft mit. Während der Razzia hatte sich eine Frau in die Luft gesprengt. Einer Augenzeugin zufolge dauerte der Schusswechsel über eine Stunde; nach Angaben französischer Medien gab es mindestens einen weiteren Toten.

Kardinal Parolin: Legitim, Aggressor zu stoppen

Geschockt reagieren etliche Kardinäle auf die Nachrichten aus der französischen Hauptstadt. Die Attentate seien „absolut zu verurteilen“, sagt im Gespräch mit Radio Vatikan der vatikanische Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin.

„Der Heilige Stuhl betont, wie es ja auch schon Papst Franziskus mehrmals getan hat, dass es legitim ist, einen ungerechten Aggressor zu stoppen. Wie jedoch die internationale Staatengemeinschaft am besten vorgehen sollte, das muss gemeinsam geklärt werden. Ein Staat hat aber das Recht, seineBürger zu v erteidigen. Andererseits muss ein Staat auch dafür einstehen, dass ein Klima des Vertrauens und des Dialogs entsteht. Das sind Lösungsansätze, die man sicher nicht in kurzer Zeit erfüllen kann, doch sie sind wichtig für eine künftige Welt in Frieden.“

Niemand könne heute ausschließen, dass weitere Anschläge in Europa oder spezifisch im Vatikan verübt werden könnten, so Parolin weiter. Sicherheit werde im Vatikan großgeschrieben, aber dies bedeute nicht, Panik zu schüren. Das gelte auch für die Papstreise nächste Woche in die afrikanischen Länder Kenia, Uganda und vor allem Zentralafrikanische Republik, so Parolin. „Die drei Etappen sind fix. Die letzte – also Zentralafrikanische Republik – werden wir kurzfristig vor Ort noch abklären“, sagt der Kardinalstaatssekretär.

Kardinal Müller: Vorurteile überwinden

Für den Präfekten der Glaubenskongregation, Kardinal Gerhard Ludwig Müller, handelt es sich bei den Anschlägen in Paris um einen „Moment, der alle sehr bedrückt“. Auf Facebook sagte er wörtlich:

„Manchmal wird dann gesagt, das ist ein religiöser Hintergrund für Gewalt, aber in Wirklichkeit ist ja Religion die Verbindung zu Gott – zu Gott, der uns Menschen erschaffen hat, der uns liebt, der uns zu Brüdern und Schwestern macht. Er ist der Gott des Lebens und der Liebe und der Wahrheit, und er ist absolut dagegen, dass wir Menschen uns gegenseitig umbringen und uns sogar noch auf seinen Namen berufen.“

In einer solchen Lage sei es wichtig, dass alle zusammenstünden, „dass wir alle Feindschaften gegeneinander, alle Vorurteile überwinden“, so Kardinal Müller weiter. „Dass wir verstehen: Wir sind Brüder und Schwestern vor Gott. Auch die Unterschiede im Glauben müssen dazu führen, dass wir uns wechselseitig noch mehr verstehen lernen, wechselseitig helfen, dass wir aber als Christen auch besonders diesen Weg der Zuneigung, der Solidarität und der Liebe miteinander gehen. Dazu möchte ich alle einladen, dass wir uns darauf besinnen, dass Jesus Christus gekommen ist zu uns Menschen. Er ist der Sohn Gottes, er hat unser menschliches Leben geteilt; er hat auch so viel erlitten, ja am Ende hat man ihn sogar ans Kreuz geschlagen als einen Verbrecher, als einen Aufrührer gekreuzigt; aber er ist von den Toten auferstanden und hat uns Menschen Hoffnung gegeben, und daraus leben wir in unserem christlichen Glauben. Das ist der Weg, den wir gehen: der Weg der Liebe und der Verständigung, der Überwindung des Leidens und nicht des Zufügens von Leid anderen Menschen gegenüber.“

Kardinal Marx: Gegen Gewaltspirale

Mit Blick auf Paris warnt der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, vor einer Gewaltspirale. Gewalt werde nicht durch Gewalt überwunden, sagte Marx in Freising, bevor er zum Ad Limina-Besuch nach Rom reiste. Dies bedeute nicht, dass man sich nicht verteidigen dürfe, doch die Gewalt der Verteidigung werde nie die Erlösung bringen. Rettung gebe es nur durch die Kraft der Liebe. Marx äußerte sich in einer Predigt zur Jugendkorbinianswallfahrt im Freisinger Mariendom am Wochenende. (rv)