Jesuitenpater Spadaro: Morgenmessen sind Pontifikats-Herzstück

JesuitenDie tägliche Morgenmesse im Gästehaus Casa Santa Marta ist für viele Menschen ein wichtiger Moment des Tages: Jetzt ist von dem italienischen Verleger Rizzoli ein Buch mit den Radio-Vatikan-Berichten zur Morgenmesse (von März 2014 bis Juni 2015) veröffentlicht worden. Das Buch mit dem Titel „Das Glück lernt man jeden Tag“ folgt auf die erfolgreiche Veröffentlichung des Werkes „Die Wahrheit ist eine Begegnung“, die die Predigten des ersten Pontifikats-Jahres zusammenfasste. Antonio Spadaro, Direktor der katholischen Zeitschrift „Civiltà Cattolica“ und Kurator der Ausgabe, betont dass es sich bei den Morgenpredigten um das „Herzstück des Pontifikats“ und eine „orale Glaubenslehre“ handelt, die direkt und einfach gehalten ist, so dass sie die Menschen miteinbezieht.

„Seine Wörter sind nicht nur Erklärungen aus dem Evangelium, die an eine abstrakte Welt gebunden sind, intellektuell und formal. Seine Wörter berühren die Herzen, die Menschen, und sie fühlen sich eingebunden.“

Franziskus benutze eine poetische und populistische Sprache zugleich, betont der Jesuitenpater Spadaro. Es sei nicht nur eine Sprache, die Vernunft und Glauben bezeuge, sondern sie kommuniziere den Glauben und kontextualisiere sie mit dem Leben von heute.

„Es hat mich wirklich berührt – ich erwähne das auch in der Einleitung (des Buches) – wie der Philosoph Giovanni Reale den ersten Teil der Morgenmessen wie einen philosophischen Text betrachtet: In dem Sinn, dass es den traditionellen Sinn der Beziehung mit den Gedanken umdreht. Das heißt, dass das Denken ‚Logos‘ nicht eine abstrakte Rationalität ist, sondern dass das Evangelium zeitgenössisch wird, für denjenigen, der zuhört.“

Diese Morgenmessen seien oft der direkte „Zugang zu Papst Franziskus und zu seiner Vorstellung der Kirche, so der Jesuitenpater. Besonders oft seien die Begrifflichkeiten Barmherzigkeit und Vergebung in dem letzten Jahr von Papst Franziskus erwähnt worden und diese würden im weiteren Sinn auch eine Einleitung für das Heilige Jahr der Barmherzigkeit sein und sollten die Gläubigen „miteinbeziehen“, so Spadaro. (rv)

Parolin: „Wenn, dann bald“

Bischofssynode 2015Am Anfang war das Konsistorium, am Ende wird wohl eine „Apostolische Exhortation“ stehen – oder? Keiner weiß, wie es nach der zweiten und letzten Bischofssynode zum Thema Ehe und Familie jetzt weitergeht im synodalen Prozess. Der Papst ist am Zug – und hat sich noch nicht in die Karten schauen lassen. Was jetzt?, fragten wir am Mittwochabend Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin.

„Die Synode hat in dem Moment, als sie ihre Schlusserklärung dem Papst übergab, ihm auch vorgeschlagen, sie doch in ein päpstliches Dokument zu überführen. So war das doch mit allen Synoden: Die Synodenväter bieten dem Papst eine Reihe von Reflexionen, von Schlussfolgerungen an, und dann macht sie sich der Papst durch ein Dokument zu eigen. Ich glaube, dass das auch diesmal so sein wird. Der Papst ist es, der entscheiden muss, was zu tun ist. Er hat schon eine Entscheidung getroffen, nämlich die, den Schlussbericht der Synode, der an ihn gerichtet war, zu veröffentlichen. Er wollte, dass der Bericht bekannt und verbreitet würde.“

Das hört sich ganz nach „the same procedure as every year“ an: nach einer „Postsynodalen Exhortation“ des Papstes also, die nächstes Jahr herauskommen dürfte. Das letzte, lehramtliche Wort zum Thema Ehe- und Familienpastoral, aufbauend auf dem Ratschluss der Synode, aber keineswegs an sie gebunden. Wie lange wird das denn dauern, bis dieser Text veröffentlicht wird? Parolin: „Ich weiß es nicht. Zunächst mal muss man abwarten, was genau der Papst tun will. Ich glaube allerdings nicht, dass es sehr lange bis zum Dokument dauern wird; solche Sachen muss man relativ schnell machen, sonst verlieren sie etwas an Kraft, an Eindruck. Also: Wenn der Papst sich dafür entscheidet, dann wird er das in relativ kurzer Zeit abfassen!“ (rv)

Personalkarussell in Italiens Kirche dreht sich

Kardinal RomeoNeue Erzbischöfe für Palermo und Bologna: Der Papst hat an diesem Dienstag wichtige Ernennungen für die italienische Kirche vorgenommen. Zum neuen Erzbischof von Palermo ernannte Franziskus den bisherigen Pfarrer Corrado Lorefice; er wird Nachfolger von Kardinal Paolo Romeo. Ins Erzbistum Bologna schickt der Papst seinen bisherigen römischen Weihbischof Matteo Maria Zuppi; er folgt im Amt des Erzbischofs Kardinal Carlo Caffarra.

Der neue Erzbischof von Palermo ist für seinen Einsatz gegen die Mafia bekannt. Er war in der Berufungspastoral der sizilianischen Kirche ein Mitarbeiter des seligen Don Pino Puglisi, der 1993 von einem Mafia-Kommando ermordet wurde. Daran erinnert Lorefice einem ersten Brief an sein neues Erzbistum: Er wolle „weiter für eine Kultur der Rechtsstaatlichkeit“ eintreten, und zwar „zusammen mit den Leitern der Behörden und den militärischen Verantwortlichen“.

Bolognas neuer Erzbischof Zuppi kommt aus Rom, wo er seit 2012 Weihbischof ist; er ist der Sohn eines bekannten „Osservatore Romano“-Journalisten und war geistlicher Begleiter der Basisgemeinschaft „Sant’ Egidio“, auch bekannt als die „UNO von Trastevere“. Mit Bologna übernimmt Zuppi ein Erzbistum, an dessen Spitze in den letzten Jahrzehnten immer Repräsentanten des eher konservativen Teils der italienischen Kirche standen, zuletzt der 78-jährige Kardinal Carlo Caffarra.

Eine weitere Ernennung von Papst Franziskus an diesem Dienstag betrifft den Vatikan: Der bisherige Generalvikar des Erzbistums Modena, Giacomo Morandi, wird Untersekretär der Glaubenskongregation. Der 50-Jährige ist Bibel-, Patristik- und Evangelisierungs-Experte.

(rv)

Papst fordert mehr Sorgfalt bei Vatikan-Personalpolitik

Kardinal Pietro ParolinPapst Franziskus hat in einem Brief an Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin die Kurie zu mehr Sorgfalt in der Personalpolitik aufgefordert. „Auch wenn die Kurienreform eine Übergangszeit ist, bedeutet das nicht, dass bestimmte Gesetze nicht gelten“, so der Papst wörtlich in dem Schreiben. Es gelte, insbesondere die Regulierungen für das Laienpersonal zu befolgen, um eine geordnete Arbeit der römischen Kurie und Institutionen und die auch wirtschaftlich gerechte Behandlung der Mitarbeiter sicherzustellen. Die Anstellung und Verlegung von Personal habe ausschließlich gemäß der zu vergebenden Stellen zu geschehen, mit der Erlaubnis des Staatssekretariats und unter Beachtung der vorgesehenen Abläufe und entsprechenden Gehaltsmaßstäbe.

Franziskus erinnerte daran, dass sowohl die Apostolische Konstitution „Pastor Bonus“ als auch die Allgemeine Regelung der römischen Kurie nach wie vor gälten. Sofern diese mit den eigenen Verordnungen vereinbar seien, gälten diese Regeln auch für das Governatorat des Vatikanstaats und die Institutionen des Heiligen Stuhls, auch wenn diese in Pastor Bonus nicht direkt erwähnt seien, mit Ausnahme des Instituts für die religiösen Werke.

Die Leiter der Dikasterien, der Büros und Einrichtungen der römischen Kurie, der Kommissionen und Ausschüsse der damit verbundenen Institutionen sowie des Governatorats, sollten darüber in Kenntnis gesetzt werden, so Franziskus. Der Papst forderte den Kardinalstaatssekretär dazu auf, darauf zu achten, dass die genannten Regeln eingehalten würden. (rv)

Kardinal Pell: „Keiner kann Benedikt das Wasser reichen“

Kardinal PellKeine Kommunion für wiederverheiratete Geschiedene: dies werde nach Meinung des australischen Kurienkardinals George Pell „ganz klar“ in dem Abschlussdokument der Bischofssynode festgehalten. 24 Stunden nach der Abschlussmesse zur Ehe- und Familiensynode beginnen schon die ersten Interpretationen zu dem Papier in und außerhalb des Vatikans zu kursieren. Bei einer Buchpräsentation am Montagabend im Campo Santo Teutonico fragten wir Kardinal Pell, was er denn von der deutschen Sprachgruppe bei der Synode hielt:

„Ich hielt sie intellektuell gesehen für nicht so herausragend wie es eigentlich die Bischöfe und vor allem deutschen Theologen in der Zeit des Zweiten Vatikanischen Konzils waren. Das ist ein großer Verlust für die Kirche. Ich würde sagen, unter den Mitgliedern dieser Sprachgruppe ist keiner, der Papst Benedikt XVI. oder Hans Urs von Balthasar oder Karl Rahner das Wasser reichen kann.“

Er selber sei sehr zufrieden mit dem Abschlussdokument der Synode. Es sei positiv, dass bei allen 94 Paragraphen die Zweidrittelmehrheit erreicht wurde. An Pells Lesart sieht man, wie offen der Text für Interpretationen ist. Im Gespräch mit Radio Vatikan geht er auch auf sein Verhältnis zu Kardinal Marx ein. Pell hatte in einem Interview der französischen Zeitung Le Figaro kritisiert, dass es eine Kluft zwischen Kasper-Anhängern und Benedikt-Befürwortern gebe.

„Ich bin sehr gut mit Kardinal Reinhard Marx befreundet. Wir arbeiten ja in einigen Kommissionen zusammen. Über viele Dinge haben wir absolute Meinungsverschiedenheiten, aber ich bin sehr glücklich darüber, von ihm gehört zu haben, dass es keine Kontraste zwischen den Anhängern von Kardinal Walter Kasper und jenen von Papst Benedikt gegeben habe. Ich bin froh darüber, dass es diesen Gegensatz anscheinend doch nicht gab.“

Der ehemalige Erzbischof von Sydney und Mitglied des Beratergremiums K9-Rat sprach im Campo Santo Teutonico im Vatikan bei der Buchvorstellung des US-Theologen George Weigel. Das Buch ist auf Deutsch erschienen unter dem Titel: „Die Erneuerung der Kirche. Tiefgreifende Reform im 21. Jahrhundert.“ (rv)

Papst besuchte gestürzten Kardinal im Spital

Kardinal EtchegarayAm Sonntagabend hat Papst Franziskus privat den französischen emeritierten Kurienkardinal Roger Etchegaray im Krankenhaus besucht. Der langjährige Vatikanzuständiger für Gerechtigkeit und Frieden hält sich derzeit in Behandlung in der Gemelli-Klinik in Rom auf. Während der Abschlussmesse zur Synode am Sonntag habe der 93-jährige Kleriker das Gleichgewicht verloren und sich eine Fraktur am linken Oberschenkelknochen zugezogen. Papst Franziskus sei, laut Vatikannote, eine viertel Stunde bei dem Kardinal geblieben und habe ihn gesegnet. Etchegaray sei in einem guten Zustand, müsse jedoch operiert werden, so die Vatikannote.

Der Kardinal sei bereits 2009 mit einem Sturz während der Christmette in die Geschichte eingegangen: Er war von einer Italienerin umgeworfen worden, die auf Papst Benedikt XVI. zugerannt war. Dabei hatte Etchegaray sich einen Oberschenkelhalsbruch zugezogen. (rv)

Übersetzung: Synodentext zu Wiederverheirateten

Bischofssynode 2015Hier lesen Sie zur Vertiefung einen Auszug aus dem Schlussdokument der Bischofssynode, das am Samstagabend veröffentlicht wurde, in einer nichtoffiziellen Arbeitsübersetzung.

Unterscheidung und Integration

84. Die Getauften, die geschieden sind und standesamtlich wiedergeheiratet haben, müssen mehr in die christlichen Gemeinden integriert werden – in der je möglichen Art und Weise, unter Vermeidung jeden Anlasses zum Skandal. Die Logik der Integration ist der Schlüssel ihrer seelsorglichen Begleitung, damit sie nicht nur wissen, dass sie zum Leib Christi – d.h. der Kirche – gehören, sondern das auch auf freudige und fruchtbare Weise erleben. Sie sind Getaufte, sind Brüder und Schwestern, der Heilige Geist schüttet über sie zum Wohle aller Gaben und Charismen aus. Ihre Teilnahme kann sich in verschiedenen kirchlichen Diensten ausdrücken; es gilt daher zu unterscheiden, welche der verschiedenen Formen des Ausschlusses, die derzeit in liturgischem, pastoralem, schulischem und institutionellem Bereich bestehen, überwunden werden können. Sie sollen sich nicht nur nicht exkommuniziert fühlen, sondern können als lebendige Glieder der Kirche leben und reifen und die Kirche dabei als eine Mutter wahrnehmen, die sie immer aufnimmt, sich voller Zuneigung um sie kümmert und sie ermuntert auf dem Weg des Lebens und des Evangeliums. Diese Integration ist auch für die Sorge und die christliche Erziehung ihrer Kinder nötig, sie müssen an erster Stelle stehen. Für die christliche Gemeinschaft bedeutet das Sich-Kümmern um diese Menschen keine Schwächung des eigenen Glaubens und des Zeugnisses für die Unauflöslichkeit der Ehe – im Gegenteil, die Kirche drückt gerade dadurch ihre Nächstenliebe aus.

85. Der heilige Johannes Paul II. hat einen umfassenden Kriterienkatalog zusammengestellt, der die Grundlage für die Einschätzung solcher Situationen bleibt: „Die Hirten mögen beherzigen, dass sie um der Liebe willen zur Wahrheit verpflichtet sind, die verschiedenen Situationen gut zu unterscheiden. Es ist ein Unterschied, ob jemand trotz aufrichtigen Bemühens, die frühere Ehe zu retten, völlig zu Unrecht verlassen wurde oder ob jemand eine kirchlich gültige Ehe durch eigene schwere Schuld zerstört hat. Wieder andere sind eine neue Verbindung eingegangen im Hinblick auf die Erziehung der Kinder und haben manchmal die subjektive Gewissensüberzeugung, dass die frühere, unheilbar zerstörte Ehe niemals gültig war“ (Familiaris Consortio, Nr. 84).

So ist es Aufgabe der Priester, die betroffenen Menschen auf dem Weg der Unterscheidung zu begleiten, gemäß der Lehre der Kirche und den Vorgaben des Bischofs. In diesem Prozess wird es hilfreich sein, eine Gewissenserforschung mittels Momenten der Reflexion und der Buße vorzunehmen. Die wiederverheirateten Geschiedenen sollten sich fragen, wie sie mit ihren Kindern umgegangen sind, als die eheliche Gemeinschaft in die Krise geriet; ob es Versuche der Versöhnung gab; wie die Situation des verlassenen Partners ist; wie sich die neue Partnerschaft auf die weitere Familie und die Gemeinschaft der Gläubigen auswirkt; welches Beispiel den Jüngeren gegeben wird, die sich auf die Ehe vorbereiten sollen. Eine ehrliche Besinnung kann das Vertrauen in die Barmherzigkeit Gottes stärken, die niemandem verweigert wird.

Überdies kann man nicht in Abrede stellen, dass unter einigen Umständen aufgrund verschiedener Einflüsse„die Schuldfähigkeit und die Verantwortung für eine Handlung gemindert oder aufgehoben sein können“. Infolgedessen kann das Urteil über eine objektive Situation nicht zu einem Urteil über die „subjektive Schuldfähigkeit“ führen (Päpstlicher Rat für die Interpretation der Gesetzestexte, Erklärung vom 24. Juni 2000, 2a). In bestimmten Umständen stoßen die Menschen auf große Schwierigkeiten, sich anders zu verhalten. Deshalb ist es – auch wenn man die allgemeine Norm aufrecht erhält – nötig zu erkennen, dass die Verantwortung bezüglich bestimmter Handlungen oder Entscheidungen nicht in allen Fällen dieselbe ist. Die pastorale Unterscheidung muss sich auch unter Einbeziehung des recht gebildeten Gewissens der Menschen dieser Situationen annehmen. Auch die Folgen der begangenen Akte sind nicht notwendigerweise in allen Fällen dieselben.

86. Der Weg des Begleitens und der Unterscheidung führt diese Gläubigen zur Gewissensentscheidung über ihre Lage vor Gott. Das Gespräch mit dem Priester, im Forum Internum, trägt zur Herausbildung eines gerechten Urteils bei über das, was die Möglichkeit einer volleren Teilnahme am Leben der Kirche ermöglicht, und über die Schritte, die dazu beitragen und sie reifen lassen können. Da es im Gesetz selbst keine Gradualität gibt (s. FC, Nr. 34), kann diese Unterscheidung niemals von den Erfordernissen der Wahrheit und der Nächstenliebe des Evangeliums absehen, wie die Kirche sie vorgibt. Damit dies geschehe, sollen die nötigen Bedingungen der Demut, Vertraulichkeit, Liebe zur Kirche und ihrer Lehre garantiert werden, in der aufrichtigen Suche nach dem Willen Gottes und im Wunsch, zu einer vollkommeneren Antwort auf dieselbe zu gelangen. (rv)

Kardinal Schönborn: „Diese Synode ist zukunftsweisend“

Kardinal SchönbornDas Abschlussdokument der Bischofssynode über Ehe und Familie ist fertig. Wie Vatikansprecher Federico Lombardi am Samstag mitteilte, wurde der Text am Vormittag vor den Mitgliedern der Bischofssynode verlesen. Er umfasse 94 Punkte und sei von den zehn Mitgliedern des Redaktionsteams einstimmig verabschiedet worden, so Lombardi. Dieses habe zuvor „einige“ der insgesamt 248 Änderungswünsche eingefügt, die nach der Vorstellung des Entwurfs am Freitag eingereicht worden seien. Lombardi stellte die Veröffentlichung des Dokuments für Samstagabend in Aussicht. Zum Inhalt des Papiers äußerte sich bei der Pressekonferenz am Samstagnachmittag der Wiener Kardinal Christoph Schönborn. Er erinnerte daran, dass das Abschlussdokument keinen Beschlusscharakter habe, sondern lediglich eine Empfehlung an den Papst darstelle. Schönborn betonte auch, dass in dem Dokument Aussagen zu den besonders kontroversen Themen wie dem Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen und Homosexuellen eher allgemein gehalten werden. Die Synodenväter hätten vor allem definiert, was Familien seien: „Das ist ein Mann, eine Frau und ihr gemeinsames Leben, das offen ist für das Leben. Wenn sich zwei finden, dann entstehen zwei Schwiegermütter, also zwei Familien sind dann miteinbezogen, sagt der Papst. Diese Definition schließt Patchwork-Familien nicht aus, aber der Kern bleibt immer die Verbindung zwischen Mann und Frau, die das Leben weiterreicht.“

Neue Arbeitsmethode gewürdigt

Schönborn würdigte vor allem die neue Arbeitsmethode bei der Synode. Sie sei zukunftsweisend, weil mehr miteinander gesprochen werde. Das sei deshalb der eigentliche Erfolg dieses Treffens gewesen, fügte er an. Ebenfalls eine Besonderheit seien die Umfragen bei den Gläubigen im Vorfeld sowie die Konsistorien gewesen, was die „neue Gesprächskultur“ bei Synoden bestätige. Deshalb sei es falsch zu behaupten, die Synode werde nur einen Kompromiss hervorbringen. „Nein, die Hauptbotschaft dieser Synode ist das behandelte Thema. Denn die Kirche mit ihren 1,2 Milliarden Gläubigen hat zwei Jahre lang über die positiven und schwierigen Seiten der Familien gesprochen. Die Kirche sagt ein großes Ja, das ist das Fazit dieser Synode. Die Familie ist kein Modell der Vergangenheit, sondern eine fundamentale Realität unserer Gesellschaft. Der verstorbene atheistische Journalist, Frank Schirrmacher hatte vor ein paar Jahren ein Buch geschrieben mit dem Titel ,Minimum‘ und darin sagt er ein formidables Ja für die Familie, denn sie ist eine Stütze zu jeder Zeit. Dem schließe ich mich an. Das gilt sogar für Patchwork-Familien!“

Homosexualität kommt nicht vor

Die beiden Synoden hätten „eine ganze Bibliothek zum Thema Familie hervorgebracht“, so Schönborn weiter. Zu den „heiklen Themen“ fügte er an, dass sie in das Abschlussdokument nicht näher eingehen. „Es wird nichts zur Homosexualität darin stehen, weil wir auf die Familien eingehen und auf Homosexualität wird darin nur soweit eingegangen, dass wir auf homosexuelle Familienmitglieder eingehen. Es gibt ja verschiedene kulturelle und politische Unterschiede und es gibt Regionen auf der Welt, wo dieses Thema sehr gefährlich ist. Doch die Kirche muss darüber sprechen und das haben wir getan. Es gab einige Synodenväter, die sagten, dass diese Frage bei ihnen kein Thema sei. Aber aus einer synodalen Sicht müssen auch sie darüber sprechen. Umgekehrt galt es für Themen, die bei uns in Europa nicht zentral sind.“ Zu Homosexualität gelte weiterhin der Katechismus der Katholischen Kirche: Jeder Mensch muss berücksichtigt werden und seine Würde muss gewahrt werden, betonte Schönborn. „Das Lehramt ist klar und muss diesbezüglich nicht neu erfunden werden“, fügte er an.

Unterscheidungsvermögen bei Wiederverheirateten Geschiedenen

Bei der Frage nach den wiederverheirateten Geschiedenen solle man das Stichwort „Unterscheidungsvermögen“ in den Vordergrund nehmen, so Schönborn. „Es gibt kein weiß und schwarz, man muss jede Situation unterscheiden und dieses Anliegen finden wir auch bei Johannes Paul II. in ,Familiaris consortio‘.“ Auf den Zugang zu den Sakramenten für wiederverheiratete Geschiedene gehe das Abschlussdokument nicht direkt ein, sondern gebe die fundamentalen Kriterien, wie man damit umgehen soll und das heißt vor allen Dingen, wie man solche Paare seelsorgerlich begleiten soll. „Bei der Sakramentenfrage für wiederverheiratete Geschiedene geht es nicht um Ja oder Nein. Das ist eine falsche Frage, denn die Situation ist immer sehr unterschiedlich. Auch der Schweizer Kurienkardinal Georges Cottier sagte einmal in einem Interview, dass man nicht von wiederverheirateten Geschiedenen sprechen soll, weil es da Unterschiede gibt. Das Abschlussdokument spricht von ,nichtregulären Ehen‘. Übrigens auch die Politik muss sich ändern: es kann nicht sein, dass verheiratete Paare gegenüber nicht-verheirateten Paaren sogar fiskalpolitisch benachteiligt sind.“

Ausgleich zwischen Orts- und Weltkirche

Zum Stichwort „Dezentralisierung“ sagte der Wiener Erzbischof: „Es braucht einen Ausgleich zwischen Ortskirche und Universalkirche. Das ist ein altes Anliegen. Es geht nicht darum, die Kirchen zu nationalisieren. Die Verbindung zum Papst ist ausschlaggebend. Es wäre tragisch, wenn es eine österreichische Kirche oder sonst eine nationale katholische Kirche gäbe. Es ist schön, zusammenzuarbeiten, aber man muss natürlich die kulturellen Unterschiede beachten, damit ist Dezentralisierung gemeint.“ (rv)

Das Schlussdokument der Synode – Unterscheidung der Geister

Bischofssynode 2015Noch einmal sind 248 Änderungsvorschläge eingearbeitet worden, am Samstag war er fertig, der Abschlusstext der Bischofssynode. Er wurde in der Versammlung per Abstimmung angenommen. Alle Abschnitte bekamen eine Zweidrittelmehrheit. Danach: die Übergabe an den Papst, der mit diesem Text den letzten Schritt des synodalen Prozesses zum Thema Familie gehen wird. Eine Zusammenfassung von P. Bernd Hagenkord:

Der Sakramentenzugang für wiederverheiratete Geschiedene kommt direkt nicht vor. Auch die mit dem Namen von Kardinal Walter Kasper verbundene Idee einer „via poenitentialis“ zurück zu den Sakramenten, die im Vorfeld so heftig debattiert wurde, taucht im Abschlussdokument nicht auf. Überhaupt sind die 94 Paragrafen des Abschlusstextes der Bischofssynode nicht das, was sich die meisten erwartet haben. An diesem Samstag wurde der Text den Synodenteilnehmern vorgelesen – und für alle Nichtitaliener auch simultan übersetzt. Danach stimmten die Synodenväter über ihn ab. Knapp 50 Seiten sind es geworden, 94 Paragrafen, drei große Teile mit je vier Kapiteln.

Aber neben den außerhalb der Synode am meisten diskutierten Themen sind auch andere Dinge nicht im Text. So spricht das Dokument nicht von einem „objektiven Stand der Sünde“, wenn es um wiederverheiratete Geschiedene geht, und vermeidet eine rigoristische Sprache oder die Perspektive des Richters.

Der erste Satz des ersten Kapitels nimmt seinen Anfang bei der Schöpfung Gottes und spricht über das Staunen über diese Schöpfung. Die Synode verankert ihr Denken in einer theologischen Vision, beginnend mit dem Handeln Gottes.

Die Redaktion hat die drei Schritte beibehalten, die bereits in der vergangenen Bischofssynode im Oktober 2014 das Arbeiten strukturiert haben: Sehen, Urteilen, Handeln. Daraus waren im Arbeitsdokument drei Textteile und in der Synode drei Arbeitsteile geworden. Das findet sich nun auch im Abschlusstext wieder.

Diese drei großen Teile haben jeweils ein eigenes Vorwort bekommen, wie auch der Text insgesamt. Diese Texte geben dem ganzen Duktus eine mehr positive Richtung: Die Kirche sieht nicht nur Probleme überall, sondern hat etwas positiv beizutragen, sie bekennt ihren Glauben. Insgesamt ist das Dokument neu geordnet und systematisiert, viel besser als vorher, wie viele Synodenteilnehmer bemerkten. Es gibt klarere Zuordnungen und eine erkennbare innere Logik.

Ein Thema sticht heraus, und hier hatte es auch im Vorfeld den meisten Redebedarf gegeben: die Frage des Gewissens (vor allem in den Punkten 84 ff. entwickelt). Das Gespräch mit dem Beichtvater, die Einbeziehung der Umstände und inneren Verfassung. Klargestellt wird die Tatsache, dass aus allgemeinen Regeln nicht einfach konkrete Handlungsanweisungen folgen können, und dazu der Wunsch, zu einer volleren Teilhabe am Leben der Kirche zu kommen.

Die Pastoral und auch die Entscheidungen müssen der Wirklichkeit entsprechen, um die sie sich kümmern. Zuerst taucht dieser Gedanke bei den Flüchtlingen auf, dann aber immer wieder, unter anderem im Kapitel zur kirchlichen Lehre zur Unauflöslichkeit (51). Was zuerst selbstverständlich klingt, war in seiner Formulierung nicht unumstritten. Der Katechismus (zitiert wird § 1735) sieht vor, dass moralische Normen kein Deduzieren von korrekten Antworten in allen Fällen erlaubten. Die Frage bleibt, wie dann die Normen gelten. Oder noch genereller: Wie gelten dann die Gebote? Nur in Anwendung oder auch als solche, so dass sich die Wirklichkeit dem beugen müsste? Es sind abstrakte Fragen, die im Hintergrund dieser harmlos daher kommenden Überlegungen erscheinen. Und in diesem Licht wird man den Text lesen müssen, in diesem Licht wird Papst Franziskus ihn auch entgegengenommen haben, weiter bearbeiten und eventuell zu einem eigenen Schreiben umformulieren.

Die Teile im Einzelnen

Teil 1: Blick auf die Wirklichkeit der Familien – ohne Idealisierungen

Teil 1 beginnt mit dem realistischen Blick auf Familien heute. „Paare und das Eheleben sind keine abstrakten Wirklichkeiten, sie bleiben unvollkommen und verletzlich“ – deutlich setzt sich der Text gleich zu Beginn von Idealisierungen ab. Sozio-kulturelle Bedingungen werden erwogen, Stützen wie auch Herausforderungen und Gefährdungen. Es geht um Flucht und Vertreibung. Es geht um Einstellungen zum Menschsein, individuelle und politische, zur Frage des Individualismus. Es geht um Politik und die Frage, ob Ideologien dem gesellschaftlichen Leben übergestülpt werden sollen. Insgesamt sei die Vorstellung von Familie kulturübergreifend prägend und werde als selbstverständlich verstanden. Trotzdem gebe es Konflikte und Spannungen, über die man sprechen müsse.

Ein Kapitel befasst sich mit den wirtschaftlichen Fragen und mit Armut und Ausschluss, mit Umweltfragen, mit der „Kultur des Wegwerfens“, mit modernen Phänomenen wie der Mobilität und mit Sozialpolitik. Stark ist der Paragraf zu Migranten, Flüchtlingen und Verfolgten (23 f.).

Die Katechesen des Papstes in diesem Jahr aufgreifend, spricht das Papier über die einzelnen Teile und Rollen in der Familie, über die Kinder, die Frau, den Mann, die Jugend. Gewalt gegen Frauen kommt dort vor, sexualisierte Gewalt gegen Kinder, aber auch die gegenseitige Unterstützung. Auch die Großeltern, ältere Menschen und Menschen mit Behinderung werden angesprochen und gewürdigt. Zum Schluss wird auf die pastoralen Herausforderungen eingegangen, hier ist auch das erste Mal von der „Dynamik der Barmherzigkeit“ die Rede (34).

Dieser erste Teil gibt einen allgemeinen Überblick über die Wirklichkeit von Familie in der Welt, wie sie in den vergangenen drei Wochen in der Synodenaula zusammengetragen wurde. Deutlich wird in den Formulierungen, dass man sich nicht auf die negativen Aspekte beschränken wollte, so schwierig sie in den einzelnen Weltgegenden auch wahrgenommen werden.

2. Teil: Die Berufung der Familie – Unterscheidung der Geister

Teil 2, der theologische Teil, stellt die Formulierung „Berufung der Familie“ an den Anfang und stellt sie damit anderen „Berufungen“ gleich. Normalerweise benutzt die Kirche dieses Wort nur für Priester und Ordensleute, hier erfolgt also eine deutliche Aufwertung. Diese Berufung der Familie – so der Text – empfängt ihre kirchliche Form durch die sakramentale Verbindung, welche die eheliche Beziehung als unauflöslich heiligt. Gegenseitige Hingabe und Offenheit für Kinder sind Zeichen der Gnade des Heiligen Geistes, lebendiges Zeichen für die Einheit Christi mit der Kirche, heißt es weiter (36).

Der Text betont die Zugehörigkeit zu den anderen Sakramenten: Man könne die Ehe nicht losgelöst betrachten, es gebe eine „göttliche Pädagogik“, Gott handle im Leben der Christen und führe zur Integration in seine Gemeinschaft (37). Der Teil schaut auf die Bibel als Quelle, auf die Lehren der Päpste von Paul VI. bis Franziskus und des Zweiten Vatikanums, und er fasst die Lehre der Kirche zu Sakramentalität, Zugehörigkeit zur Schöpfung, Offenheit für das Leben und Unauflöslichkeit zusammen. Dieses sakramentale Band zu brechen, sei gegen den Willen Gottes, so glaubt die Kirche. Gleich hier wird aber auch auf die „Komplexität der verschiedenen Situationen“ hingewiesen, welche eine „Unterscheidung“, also eine reflektierende Anwendung auf die einzelnen und unterschiedlichen Wirklichkeiten nötig mache (51). Hier erscheint – sowohl im Gedanken der Begleitung von Ehen in Schwierigkeiten als auch bei der Vorbereitung auf die Ehe – der Wegcharakter der Pastoral der Kirche (53 f).

3. Teil: Die missionarische Familie

Teil 3 verbindet das Sprechen von der Familie mit dem Sprechen von Dienst und „Mission“, also dem Auftrag der Kirche. Gemäß dem Leitprinzip dieses Teils – Handeln – geht es um praktische Bereiche. Nicht die Norm, sondern die Verkündigung der Gnade Gottes stehe im Vordergrund (56). Zunächst geht es um die Vorbereitung auf die Ehe, dann um die Feier und die weitere Begleitung; auch hier dominiert der Wegcharakter der Pastoral. Es geht um verantwortete Elternschaft, um Adoption, Schul- und Erziehungsfragen.

Kapitel 3 behandelt dann die „komplexen Situationen“ (69-86). Dieses Thema nimmt den breitesten Raum im Dokument ein. Prägend ist der „Weg“, der in pastoralen Situationen eingeschlagen wird; der Text denkt dynamisch, nicht in Festlegungen, es geht um das Gehen auf dem Weg zur „vollen Sakramentalität“, um einen „Weg des Wachsens“, etc. (69, 71). Der Text spricht vor allem von den konkreten Umständen, wie sie etwa von verschiedenen Kulturen geprägt werden.

Darauf müsse eine „differenzierte Pastoral“ antworten, es könne nicht eine einzige Antwort auf verschiedene Umstände geben (73). Auf dem Weg brauche es Begleitung, die wiederum von Barmherzigkeit geprägt sein müsse. Es gehe ums Zuhören und Versöhnung, aber auch um Gerechtigkeit im Fall einer gescheiterten Ehe, vor allem für die Kinder.

Im Abschnitt mit dem Titel „Unterscheidung und Integration“ (84-86, oben schon einmal angedeutet) geht der Text dann darauf ein, wie das geschehen kann: „Die Logik der Integration ist der Schlüssel für ihre pastorale Begleitung“, sagt er über die wiederverheirateten Geschiedenen. So gelte es darüber nachzudenken, wie praktizierte Formen des Ausschlusses in Pastoral, Liturgie, Erziehung oder auch in Beteiligung in den Institutionen überwunden werden können. Auf die Zulassung zu den Sakramenten geht der Text nicht ein. Er sagt aber, dass alle Beteiligten „verpflichtet sind, die Situation gut zu unterscheiden“, d.h. die Realität im Blick des Glaubens gut in den Blick zu nehmen. Diese Unterscheidung solle „nach der Lehre der Kirche und unter der Anleitung des Bischofs“ geschehen.

An einer Stelle wird es recht kompliziert: „Man kann nicht übersehen, dass es Situationen gibt, in denen Anrechenbarkeit einer Tat und Verantwortung für sie durch verschiedene Bedingungen vermindert, ja sogar aufgehoben“ sind (siehe Katechismus § 1735). Ein Urteil über eine objektive Situation muss deswegen nicht in den konkreten Umständen zu denselben Ergebnissen führen. „Die pastorale Unterscheidung, das recht gebildete Gewissen der Menschen einbeziehend, muss sich dieser Situationen annehmen. Auch die Konsequenzen der Handlungen sind nicht immer in allen Fällen dieselben.“

Wie soll das geschehen? „Im Gespräch mit dem Priester, im Forum Internum, geschieht das Bilden des rechten Urteils über das, was einer volleren Teilhabe am Leben der Kirche entgegensteht, und über die Schritte, welche diese wachsen lassen.“ Das nehme nichts weg von dem, was die Wahrheit und die Nächstenliebe des Evangeliums geböten.

Abschließend geht es um die Spiritualität der Familie, aufbauend auf der Trias „Entschuldigung, Danke, Bitte“, die Papst Franziskus immer wieder ins Zentrum des familiären Verhaltens setzt (87). Familien sollen Handelnde in der Pastoral der Kirche sein, nicht nur als Objekt der Pastoral behandelt werden. So wird die Familie das, was Papst Franziskus von der ganzen Kirche will: missionarisch.

Ein Gebet schließt das Dokument ab. (rv)

Kardinal Korec r.i.p.

Kardinal KorecEine der großen Gestalten des Kardinalskollegiums ist tot: Kardinal Ján Chryzostom Korec starb an diesem Samstagmittag. Er war 91 Jahre alt geworden.

Korec war Jesuit, emeritierter Bischof von Nitra in Slowenien und während des kommunistischen Regimes in der Tschecheslowakei eine der führenden Persönlichkeiten der katholischen Kirche im Untergrund. Sein Einsatz für Freiheit und Demokratie inspirierte viele Dissidenten verschiedenster Couleur. Schon mit 27 Jahren wurde Korec 1951 heimlich zum Bischof geweiht. Neun Jahre lang arbeitete er in einer Fabrik und wirkte gleichzeitig als Untergrundbischof und –priester; als seine Tarnung 1960 aufflog, wurde er wegen Verrats zu zwölf Jahren Haft verurteilt. Ein Schicksal, das er mit vielen anderen Priestern teilte: Etwa 200 Priester und sechs Bischöfe begegneten ihm hinter Gittern.

„Die Nacht der Barbaren“

Während des Prager Frühlings 1968 kam der Schwerkranke auf freien Fuß und konnte zum ersten Mal öffentlich die Messe feiern. Im Jahr darauf wurde er vom Regime rehabilitiert und durfte zu einer Begegnung mit Papst Paul VI. nach Rom reisen. Dabei erhielt er – 18 Jahre nach der Bischofsweihe – seine Bischofsinsignien, die er allerdings erst nach der Wende 1989 in der Öffentlichkeit tragen konnte.

Nach der Freilassung arbeitete Korec in Bratislava zunächst als Straßenkehrer, später als Arbeiter in einer Chemiefabrik. 1974 wurde er erneut zu einer Haftstrafe verurteilt, diesmal zu vier Jahren. Wegen seiner Krankheit kam er aber auf freien Fuß und konnte weiter in der Fabrik arbeiten. Etwa 120 Priester hat Ján Chryzostom Korec während des kommunistischen Regimes heimlich geweiht.

Nach der Wende wurde Korec 1990 Bischof von Nitra, ein Jahr später Kardinal und zeitweise auch Vorsitzender der Slowakischen Bischofskonferenz. Er ist Autor zahlreicher Bücher, darunter das in viele Sprachen übersetzte „Die Nacht der Barbaren – Als Geheimbischof in der Kirche des Schweigens 1950–1970“. 2014 würdigte ihm die slowakische Post zu seinem 90. Geburtstag mit einem Sonderstempel.

Mit Korec’ Tod sinkt die Zahl der Kardinäle auf 218. 118 von ihnen wären nach heutigem Stand zur Teilnahme an einem Konklave berechtigt. (rv)