Synode: Nein zur Gender-Theorie

Kardinal Rodriguez MaradiagaDie Synode schnappt nach Luft: An diesem Sonntag haben die Väter, nach einer Woche intensiver Beratungen, mal Pause. Ab Montag wird dann, vornehmlich in Arbeitsgruppen, über den zweiten Teil des Synoden-Grundlagendokuments gesprochen. Im Ringen um einen Neuansatz bei der Ehe- und Familienpastoral geht die ordentliche Bischofssynode im Dreischritt vor: „Sehen“, hieß es letzte Woche, da ging’s um die Wahrnehmung der Wirklichkeit von Ehe und Familie. „Urteilen“ ist ab diesem Montag dran, und „Handeln“ heißt es dann ab nächster Woche.

In den ersten Berichten der Arbeitsgruppen, die am Freitag publik wurden, findet sich mehrfach eine scharfe Verurteilung der ‚Gender’-Lehre. Da werde der Begriff ‚Geschlecht’ willkürlich durch das neutralere Wort ‚Gender’ ersetzt, um den biologischen Unterschied zwischen Mann und Frau zu verwischen – mit allen Folgen, die das für das traditionelle Eheverständnis hat. Der honduranische Kardinal Oscar Andrés Rodriguez Maradiaga sagte im Interview mit Radio Vatikan:

„Das ist wirklich eine Ideologie, und sie ist gar nicht so neu! Im 19. Jahrhundert, als Marx gegen den Kapitalismus kämpfte, setzte sich Engels schon gegen die Familie ein. Dann machte sich Freud daran, den Vater zu eliminieren, und zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts wollten außerdem einige radikal-feministische Bewegungen die Mutter und die Mutterschaft beseitigen, als wäre das etwas, von dem Frauen sich befreien müssten. Jetzt also die ‚Gender’-Theorie, die praktisch die Familie zu eliminieren versucht.“

Der Salesianer-Kardinal, der einer der engsten Berater von Papst Franziskus ist, scheut sich nicht, die ‚Gender’-Theorie als Ideologie zu bezeichnen und sie in eine Reihe mit den großen Ideologien des zwanzigsten Jahrhunderts zu stellen. „Sie ist eine weitere Ideologie, allerdings noch gefährlicher – denn wenn man die Familie zerstört, zerstört man auch die Gesellschaft. Und dadurch würde man zu einem derartigen Individualismus gelangen, dass ein Zusammenleben von Menschen kaum noch möglich wäre!“

Nun gibt es auf dieser Synode durchaus auch Stimmen, die die ‚Gender’-Theorie nicht so scharf attackieren und denen es auch Unbehagen bereitet, wenn der Individualismus allzu schwarz gemalt wird. Aus der Betonung der Individualität des Menschen ergäben sich doch durchaus positive Zeichen der Zeit, gab am Freitag etwa die deutsche Sprachgruppe in ihrem Bericht zu bedenken. Doch einer Feststellung würde wohl jeder Synodenvater in Rom zustimmen: Ehe und Familie stehen unter Druck, weltweit. Was tun? Der brasilianische Kardinal Odilo Scherer aus Sao Paolo hat da einen Vorschlag:

„Eine Idee, die bei uns ziemlich stark ist, wäre die von Verbänden, die sich für die Familie einsetzen. Die einzelnen Familien müssten sich zusammenschließen, Gruppen und Verbände bilden, damit die Familien im öffentlichen und politischen Diskurs besser vertreten sind. Schließlich ist die Familie ja ein politisches Subjekt – nicht nur das Individuum, sondern auch die Familie. Familienverbände müssten sich um die Interessen der Familie kümmern, um die entsprechenden Themen und Bedürfnisse. Dann würde der Staat auch aufmerksamer für Familienbelange sein, und die Familie hätte ein ganz anderes Standing, um ihre Rolle für die Menschen und die Gesellschaft zu spielen.“ (rv)

Ende der ersten Synodenwoche: „Da ist Bewegung drin“

Bischofssynode 2015Wie läuft's bei der Synode? Das fragten wir Pater Bernd Hagenkord SJ, der die Debatten aus der Nähe verfolgt.

RV: Was ist neu, überraschend im Vergleich zur Synode im letzten Jahr?

„Die Stimmung ist besser. Es ist schwer, das genau festzumachen, aber es gibt weniger offene Konflikte außerhalb der Aula, weniger Kontroverse, und innerhalb des Saales versuchen alle, konstruktiv und positiv an Positionen zu arbeiten. Natürlich gibt es Auseinandersetzungen, es wäre nach all den Monaten von öffentlicher Debatte auch verwunderlich wenn nicht, aber die Mitglieder der Synode sind sich offensichtlich bewusst, dass es keine weitere Synode zum Thema gibt: Das hier ist es, und der Einsatz ist dementsprechend. Da ist richtig Bewegung drin.“

RV: Zur Methode Bergoglio: Arbeitsgruppen sind diesmal besonders wichtig – aber sie reden laut Erzabt Schröder („ein paar Tage im Blindflug“) nebeneinander her, ohne direkte Vernetzung mit den Ergebnissen der anderen. Ist das nicht ein Schwachpunkt?

„Nein, das ist normal. Die Alternative wäre ja, alles in der Großgruppe zu machen, dann könnte keiner auf den anderen reagieren, alles liefe auf vorbereitete Statements hinaus, und keiner würde auf das eingehen können, was vorher gesagt wurde. Rein mathematisch bedeutet die kleine Gruppe, dass viele Mitglieder nicht dabei sind. Das ist kein Schwachpunkt, das ist eine Stärke, weil es Dialog und Zusammenarbeit bedeutet.“

RV: Gibt es eine Diskrepanz zwischen der Außenwirkung der Synode und dem, was die Synodenväter tatsächlich hinter verschlossenen Türen sagen und tun?

„Ja und nein, wie immer. Es ist naturgemäß schwer, die Geschichte der Synode zu berichten, wenn man selber nicht drin sitzt, wie es bei den Journalisten der Fall ist. Die würden natürlich gerne mehr wissen, aber der Papst möchte Vertraulichkeit. Auf der anderen Seite ist das alles natürlich schon lange debattiert, so dass die Themen nicht wirklich neu sind.

Es kommt wie immer darauf an, wohin man schaut. Die Berichterstattung ist im Allgemeinen sehr gut, wenn man die einseitigen Medien vermeidet, die nur auf Krawall aus sind oder die nicht berichten, sondern beeinflussen wollen. Immer wieder wird ja gesagt, dass es zwei Synoden gäbe, die wirkliche und die in den Medien. Diese These teile ich nicht, sie sind schon miteinander verbunden und sind zwei Seiten oder zwei Dimensionen.“

RV: In welche Richtung entwickelt sich die Synode?

„Da müsste ich raten. Also rate ich einmal, dass am Ende ein Dokument stehen wird, dass mit großer Einmütigkeit verabschiedet wird. Ich würde raten, dass es in der zweiten und besonders auch der dritten Woche mehr Konflikte inhaltlicher Art geben wird, als in der ersten. Denn dann kommen ja die Themen auf die Tagesordnung, die auch bislang schon eifrig debattiert wurden.

Aber ich nehme auch wahr, dass immer mehr Synodalen in Kaffeepausen und dergleichen sagen, es werde noch viel mehr Zeit brauchen als die drei Wochen, die wir hier in der Synode verbringen. In einer gewissen Hinsicht beginnt dann die Arbeit erst.“ (rv)