Neue Missbrauchs-Vorwürfe gegen Kardinal McCarrick

WASHINGTON -Ein Mann aus Virginia hat Anzeige gegen Kardinal Theodore McCarrick erstattet mit dem Vorwurf, ab dem Alter von 11 Jahren sexuell immer wieder von dem Priester und späteren Bischof missbraucht worden zu sein. McCarrick war zu dieser Zeit Priester in New York.

Die „New York Times“ berichtete am 19. Juli über die Behauptung des Mannes, denen zufolge McCarrick 1969 begann, ihn sexuell zu missbrauchen, als der Priester 39 Jahre alt und der nur als „James“ benannte Mann 11 Jahre alt war. McCarrick soll ein Freund der Familie des mutmaßlichen Opfers gewesen sein.

Wie die Zeitung weiter berichtet, gibt der Mann an, fast zwei Jahrzehnte lang von McCarrick sexuell missbraucht worden zu sein. Der fortwährende Missbrauch habe dazu beigetragen, dass er jahrelang Probleme mit Alkohol- und Drogensucht hatte, so das mutmaßliche Opfer. Als er dem eigenen Vater einige Jahre nach Beginn des Missbrauchs davon erzählte, glaubte ihm dieser nicht, so der Bericht der „Times“.

McCarrick beendete im Jahr 1969 eine vierjährige Amtszeit als Präsident der Katholischen Universität von Puerto Rico und wurde stellvertretender Sekretär für Bildung in der Erzdiözese von New York. 1977 wurde er Weihbischof von New York und später Bischof von Metuchen, Erzbischof von Newark und schließlich Erzbischof von Washington.

Strafrechtliche Verjährungsvorschriften könnten verhindern, dass sich McCarrick strafrechtlich verantworten muss für die mutmaßlichen Verbrechen. Kirchenrechtlich kann die Glaubenskongregation in Ausnahmen Verjährungsfristen aussetzen.

Joseph Zwilling, Sprecher der Erzdiözese von New York, erklärte gegenüber CNA am Donnerstag (Ortszeit), dass die Erzdiözese von diesen Behauptungen erst erfuhr, als der Artikel der „New York Times“ veröffentlicht wurde.

Die Erzdiözese habe in der Angelegenheit nicht von den Strafverfolgungsbehörden gehört, oder von dem angeblichen Opfer oder dessen Anwalt, sagte Zwilling und fügte hinzu, dass er hoffe, dass das Opfer oder sein Anwalt die Erzdiözese direkt oder über das unabhängige Versöhnungs- und Entschädigungsprogramm der Erzdiözese kontaktieren werde.

(Letzteres ist eine unabhängig geführte Einrichtung, die dazu bestimmt ist, Opfern sexuellen Missbrauchs in der Erzdiözese von New York zu helfen.)

Eine Quelle aus dem Umfeld von Kardinal McCarrick sagte CNA, dass er keine offizielle Mitteilung über die Anschuldigung erhalten habe und daher „nicht in der Lage sei“ zu antworten. Die Quelle sagte weiter, dass der Kardinal sich verpflichtet habe, sich an juristische Maßgaben zu halten.

Am 20. Juni gab die Erzdiözese New York bekannt, dass sie eine Untersuchung einer anderen Behauptung abgeschlossen habe, McCarrick habe einen männlichen Teenager sexuell missbraucht und die Behauptung für „glaubwürdig und begründet“ befunden, wie CNA Deutsch berichtete.

Der Vatikan wurde über diesen Vorwurf informiert. Dem heute 88 Jahre alten Kardinal ist das öffentliche Ausüben des Priesteramtes verboten – so die Weisung von Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin im Auftrag des Papstes.

Neben den oben genannten Vorwürfen haben mehrere Medienberichte in den vergangenen Tagen über zahlreiche weitere Vorfälle berichtet, denen zufolge der sich als „Onkel Ted“ bezeichnende McCarrick seine wachsende Macht systematisch dazu missbraucht haben soll, junge Männer – vor allem Priesteranwärter – sexuell auszunutzen.

Wie und warum der Mann dennoch über Jahrzehnte eine klerikale Karriere hinlegen konnte, ist nun Gegenstand einer weiteren Debatte der Kirche in den USA. Manche Beobachter schreiben bereits von einem #MeToo-Moment für die Katholische Kirche im Land.

Übersetzt und redigiert aus dem englischen Original von AC Wimmer. (CNA Deutsch)

USA/Chile: Erzbischof Scicluna trifft Missbrauchsopfer Cruz

Das Gespräch des päpstlichen Sonderermittlers, Erzbischof Charles Scicluna, mit dem chilenischen Missbrauchsopfer Juan Carlos Cruz hat am letzten Samstag in New York stattgefunden. Laut dem katholischen Medienzentrum kath.ch (und KNA) hat Cruz ein positives Fazit gezogen.

„Das war eine gute Erfahrung, und ich verlasse diesen Ort sehr hoffnungsvoll“,

sagte Cruz gegenüber der Presse. Weiter bemerkte er:

„Ich hatte das erste Mal das Gefühl, das mir zugehört wurde“.

Die Befragung sei für den Sonderermittler Scicluna eine sehr intensive und detailreiche sowie teilweise Augen öffnende Befragung gewesen. Dem Bericht nach habe die Befragung Scicluna sehr mitgenommen und er habe sogar geweint, schilderte Cruz. Scicluna wird in der kommenden Woche nach Chile reisen, um dort weitere Zeugen zu befragen.

Der Fall Barros

Proteste gegen Bischof Barros hatten den Papstbesuch im Januar in Chile überschattet. Barros wird vorgeworfen, er habe in den 1980er Jahren als Priester etliche Fälle von sexuellem Missbrauch an Jungen durch seinen inzwischen vom Heiligen Stuhl verurteilten Mitbruder Fernando Karadima mit angesehen zu haben, ohne dagegen einzuschreiten.

Papst Franziskus hatte nach seinem Besuch in Chile, den Präsidenten des Prüfungskollegiums der Glaubenskongregation in schwerwiegenden Delikten („delicta graviora”), Erzbischof Scicluna als Sonderermittler zur Klärung der Vertuschungsvorwürfe gegen den chilenischen Bischof Juan Barros (Osorno) mit dem Fall beauftragt.

Der Papst hatte rechtzeitig Kenntnis

Bereits vor drei Jahren hatte Cruz einen Brief an den Vatikan geschickt und die Missstände angeprangert. In diesem inzwischen bekannt geworden Brief, wird Bischof Barros schwer beschuldigt. Erschwerend kommt hinzu, dass besagter Brief bereits drei Wochen vor der Amtseinführung von Barros in sein Bischofsamt in Osorno dem Vatikan und somit dem Papst vorlag. Franziskus also von den Missbrauchsfällen rechtzeitig vor der Ernennung wusste.

Bei der Amtseinführung von Barros war es im Jahr 2015 zu massiven Protesten Hunderter Demonstranten gekommen. Barros habe den sexuellen Missbrauch von Karadima vertuscht, lautete der Vorwurf. Franziskus hatte im Januar in Chile noch behauptet:

„Es gibt keine Beweise für eine Vertuschung durch Bischofs Barros im Fall Karadima“.

Wenig später entschuldigte sich Franziskus für seine Wortwahl und beauftragte Erzbischof Scicluna mit der Klärung der Vorwürfe. (vh)

Kardinal Dolan: Neue Minderheit in der Kirche

Kardinal DolanKardinal Timothy Dolan von New York nennt die Bemühungen der Bischofssynode um Inklusion „sehr erfrischend“. Auf seinem Blog schreibt er: „Die Kirche, unsere geistliche Mutter, nimmt alle auf, besonders die, die sich ausgeschlossen fühlen können“. Als Beispiele nennt Dolan unter anderem Homosexuelle, Geschiedene oder Flüchtlinge.

Allerdings gebe es aus seiner Sicht mittlerweile „eine neue Minderheit in der Welt und sogar in der Kirche“, fährt der Kardinal fort. Er denke da an „die, die alles tun, um Tugend und Treue zu bewahren“, etwa Ehepaare, die „trotz aller Schwierigkeiten“ an der Unauflöslichekeit der Ehe festhielten, kinderreiche Familien oder Homosexuelle, die „keusch leben“ wollten. „Diese wunderbaren Menschen haben heute oft das Gefühl, in unserer Kultur und manchmal sogar in unserer Kirche nur eine Minderheit zu sein.“

Dolan wörtlich: „Wer unterstützt diese Menschen? Das Fernsehen? Die Zeitungen? Das Kino? Vergessen Sie’s! Sie schauen auf die Kirche, sie schauen auf uns, um Zuspruch und Unterstützung zu erfahren, ein Gefühl der Inklusion. Wir können sie nicht fallen lassen!“ (rv)

Bürgermeistertagung im Vatikan: „Es ist höchste Zeit“

Vatikanplatz60 Bürgermeister aus aller Welt tagten an diesem Dienstag im Vatikan. Es ging darum, gemeinsame Strategien gegen den Klimawandel und seine sozialen Folgen zu entwickeln. Städte sind die Umweltsünder schlechthin sind: Ein Großteil der Treibhausgase wird von den Metropolen der Welt ausgestoßen – deshalb der innovative Ansatz, zu dem Gedankenaustausch im Vatikan Bürgermeister einzuladen und nicht die üblichen Fachleute oder Minister. Papst Franziskus wollte die Stadt-Verantwortlichen im Anschluss in Privataudienz empfangen.

Mexiko-City, New York, Paris. Die Teilnehmer der eintägigen Konferenz in Rom kommen aus allen Erdteilen und haben doch ein gemeinsames Ziel: den Klimawandel und seine sozialen Folgen stoppen. Dafür sollen am Ende der Tagung verbindliche Vereinbarungen getroffen werden. Wenige Wochen nach Veröffentlichung der Umwelt-Enzyklika von Papst Franziskus setzt der Vatikan mit der Einladung von rund 60 Bürgermeistern aus aller Welt ein wichtiges Zeichen – insbesondere vor dem Weltklimagipfel im Dezember in Paris. Das findet auch der Teilnehmer aus Berlin, Staatssekretär in der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt, Christian Gaebler:

Gaebler: „Ich glaube es ist ganz wichtig, dass die katholische Kirche mit ihrem Oberhaupt sich an die Seite derjenigen stellt, die für die Menschen, für die Umwelt etwas tun wollen. Das heißt den Städten kommt eine besondere Verantwortung zu. Und mit Blick auf den Klimagipfel im Dezember in Paris ist es wichtig, Druck zu machen für konkrete Vereinbarungen. Und wenn die katholische Kirche mit Papst Franziskus an der Spitze sich da mit einbringt, ist das sehr gut und wichtig.“

In seiner Umweltenzyklika "Laudato si" hat der Papst betont, dass der Klimawandel nur bekämpft werden kann, wenn dabei auch Armut und Ausbeutung bedacht werden. Laut Vatikan sind die Bürgermeister hier die Schlüsselfiguren, haben Einfluss sowohl auf Klimastrategien als auch auf die sozialen Strukturen. Nicht nur die Landbevölkerungen der dritten Welt, auch die Städte bekommen den Klimawandel immer deutlicher zu spüren, so in Form von schweren Unwetter oder extremer Hitze.

Gaebler: „Das ist natürlich für Städte ein besondere Problem, weil dann Wasserknappheit herrscht, weil in den Städten die Schattenspender geringer sind. Weil die Menschen dann darauf angewiesen sind, dass bestimmte Sachen bereitgestellt werden müssen. Das können wir uns in Industrieländern eher noch leisten mit viel finanziellem Aufwand. Die Entwicklungsländer haben es schwerer. Und die leiden natürlich noch mehr unter den Naturkatastrophen. Aber wie gesagt, in der ganzen Welt sind das Probleme, die wir gemeinsam anpacken müssen, denn nur global kann man dagegen angehen.“

Nicht alle Städte, deren Bürgermeister im Vatikan zusammenkommen, sind in punkto Klima auf dem gleichen Stand. Vorreiter sind die Mitglieder des sogenannten C40-Netzwerks, dem einige Bürgermeister auf der Konferenz angehören. Das Netzwerk zählt insgesamt 70 Millionenstädte weltweit und entwickelt Anpassungsstrategien für den Klimaschutz. Die meisten der Städte sind aus den reicheren Industrieländern, etwa Nordamerika, England oder Kanada. Auch Berlin gehört dazu. Die deutsche Hauptstadt plant, bis zum Jahr 2050 klimaneutral zu sein. Die Energieversorgung, Gebäude und der Verkehr sollen so angepasst werden, dass der CO2-Ausstoß in dieser Frist um bis zu 85 Prozent gesenkt wird. Bei der Konferenz will Berlin mit gutem Beispiel für die Schwellen- und Entwicklungsländer vorangehen, meint Christian Gaebler.

Gaebler: „Es gibt einen Austausch auf verschiedenen Ebenen und es gibt Lösungen, die auch anderswo anwendbar sind. Man muss sie den örtlichen Gegebenheiten anpassen. Das betrifft Verkehrsprobleme, aber auch das ganze Abfallthema. Da sind wir in den Industrieländern deutlich weiter, dass man Abfall zum Beispiel auch für Heizen nutzt und damit die Energieprobleme wieder reduziert. Da kann man den Schwellenländern sehr viel Beispiele geben und verhindern, dass sie die gleichen Fehler machen, wie sie an anderer Stelle schon einmal gemacht worden sind. Insofern ist das wirklich ein Lernen voneinander, eine Unterstützung, ohne dass da jetzt immer Geld fließen muss, aber mehr ein Know-How-Transfer und ein Best-Practice-Austausch.“

Papst Franziskus wird zu den Bürgermeistern sprechen und dabei wahrscheinlich seinen Forderungen aus der Umwelt-Enzyklika Laudato si Nachdruck verleihen. Am Ende sollen gleich zwei Erklärungen unterzeichnet werden. Die Hoffnung der Teilnehmer ist, dass sie über die Konferenz hinaus Gehör finden und nicht nur die Städte, sondern vor dem Weltklimagipfel in Paris ganze Nationen auf den Plan rufen.

Gaebler: „Ich kann mich da nur Papst Franziskus anschließen, der sagt: Es ist höchste Zeit, es ist eigentlich schon fast zu spät, wir müssen jetzt agieren, und im Dezember müssen klare Ergebnisse auf den Tisch. Da kann man sich nicht rausreden und sagen „Wir gucken mal“. Es wird seit 10 Jahren diskutiert über konkrete Maßnahmen gegen den Klimawandel. In Paris muss jetzt tatsächlich ein Ergebnis erzielt werden, was dann dem Klimawandel auch wirksam entgegenwirkt.“ (rv)

Vatikan fordert „mehr Einsatz“ der UNO für Nahost und Ukraine

UNO-FahneDie Krisenherde im Nahen Osten und in der Ukraine zeigen, dass die UNO „frischen Wind“ braucht. Das betonte der vatikanische Kardinalstaatssekretär, Pietro Parolin, vor der UNO. Er sprach am Montag in New York bei der 69. Generalversammlung der Vereinten Nationen. In seinem Redebeitrag unterstrich der für die vatikanische Diplomatie zuständige Kardinal, dass der Schutz der Menschen Vorrang vor jedweden Interessen habe. Angesichts der blutigen Verfolgung der Christen im Irak und Syrien müssten „jegliche Mittel zu ihrem Schutz“ angewandt werden.

„Es ist sowohl berechtigt als auch nötig, jegliche Aggressionen zu stoppen! Dies soll aber durch eine multilaterale Koalition sowie durch einen nicht unverhältnismäßigen Einsatz von Waffen geschehen. Der Heilige Stuhl hofft, dass die internationale Staatengemeinschaft ihre Verantwortung wahrnimmt und alles Mögliche unternimmt, um Angriffe auf Minderheiten zu stoppen. Dies scheint uns wichtig, damit keine weiteren und schlimmeren Ungerechtigkeiten mehr stattfinden.“

Kardinal Parolin fügte an, dass der bisherige Umgang der internationalen Staatengemeinschaft mit den Krisenherden Syrien und Irak „nicht gut gewesen“ sei. Die Rüge des Kardinals galt wohl in erster Linie dem blockierten UNO-Sicherheitsrat: Statt einer einheitlichen Stimme, um den Opfern zu helfen, sei es nur zu Blockaden gekommen.

„Vor zehn Jahren hat ein UNO-Weltgipfel beteuert, dass die gesamte internationale Staatengemeinschaft unbedingt in einem Geist der Solidarität gegen jegliche kriminelle Handlungen wie Genozid, ethnische Säuberungen und religiös motivierte Verfolgungen vorgehen sollte!“

Würden sich alle Mitgliedstaaten der UNO – beziehungsweise des Sicherheitsrates – auf diesen Grundsatz besinnen, so gäbe es in der Tat „frischen Wind in den Vereinten Nationen“, meinte Parolin. Der Vatikan unterstützt eine Reform der UNO; Papst Franziskus wird womöglich im nächsten Jahr vor der Vollversammlung in New York sprechen. (rv)

Konsistorium: Heilisprechungsprozess für Anna Schäffer abgeschlossen

Während der Sitzung des Konsistoriums am 18. Februar wird Papst Benedikt XVI. in Anwesenheit der versammelten Kardinäle die Dekrete über sieben Heiligsprechungen verlesen lassen. Das gab der Vatikan an diesem Freitag bekannt. Darunter wird auch die selige Anna Schäffer sein, eine gebürtige Bayerin, die 1925 gestorben ist. Papst Johannes Paul II. hatte sie 1999 selig gesprochen. Die genauen Termine für die einzelnen Heiligsprechungen sind noch nicht bekannt.
Nach dem Konsistorium wird traditionsgemäß die Gelegenheit bestehen, den neuen Kardinälen zu gratulieren. Dazu wird neu-Kardinal Rainer Maria Woelki ab 16.30 Uhr in der Audienzhalle Paul VI. sein, gemeinsam mit den neuen Kardinälen von New York, Hong Kong, Utrecht und Prag. (rv)

USA: Dammbruch in der Gesundheitsverordnung

Als Dammbruch sieht die neue Gesundheitsverordnung der Regierung der Vorsitzende der US-amerikanischen Bischofskonferenz: „Wenn die Regierung eine Freiheit mit Füßen tritt, die so fundamental ist für das Leben unserer Nation, dann schaudert einen beim Gedanken, was uns alles noch so bevorsteht". Das schreibt der New Yorker Erzbischof Timothy Dolan in einem Aufsatz im „Wall Street Journal" über die neue Richtlinie der Obama-Administration, nach der US-Arbeitgeber auch Verhütung, Abtreibung und Sterilisation in ihre Gesundheitsfürsorge mit einschließen müssen. Laut Dolan ist das Gesetz, das auch für Einrichtungen in kirchlicher Trägerschaft wie Schulen oder Krankenhäuser gilt, ein schwerwiegender Angriff auf die Religionsfreiheit und eine „Erosion unserer wichtigsten Freiheit". Das Gesetz sieht immerhin eine Ausnahmeregelung für religiöse Arbeitgeber vor. Diese ist nach Erzbischof Dolans Worten jedoch „so eng, dass sogar Jesus und seine Jünger dafür nicht in Betracht gekommen wären". (rv)

USA: „Angriff auf Gewissensfreiheit“

Es ist eine klare Entscheidung gegen die Religions- und Gewissensfreiheit in den Vereinigten Staaten. So kommentieren die US-Bischöfe den jüngsten Beschluss der Regierung Obama. Fast alle Arbeitgeber und –Nehmer müssen ab nächstem Jahr Krankenversicherungen akzeptieren, die auch Sterilisierung, Verhütung und Abtreibung abdecken, so die Anweisung des Präsidenten. „Obama sagt uns praktisch, wir haben ein Jahr Zeit, uns damit abzufinden, dass wir unseren Gewissen Gewalt antun müssen", meint dazu Erzbischof Timothy Dolan von New York.

„Ich fürchte, die Regierung ist auf der falschen Seite der Verfassung. Fast alle Amerikaner, auch solche mit ethischen oder religiösen Einwänden, müssen künftig über ihre Steuern für Sterilisierung und Verhütung bezahlen, inklusive solcher Mittel, die abtreibende Wirkung haben. Die Obama-Regierung erlaubt bloß einige wenige Ausnahmen für Arbeitgeber, zum Beispiel für Kirchen. Aber das gilt nicht für Steuerzahler. Und das ist eine echte Wende. Noch nie zuvor hat die US-Regierung Individuen und Organisationen dazu gezwungen, Produkte zu kaufen, die sie mit ihrem Gewissen nicht verantworten können. Das sollte nicht geschehen in einem Land, in dem die freie Ausübung der Religion das erste der in der Verfassung garantierten Rechte ist."

Die Regierung sollte die Bürger nicht dazu zwingen, sich so zu verhalten, als sei Schwangerschaft eine Krankheit, die um jeden Preis zu verhindern sei, sagte Dolan, der im Februar vom Papst zum Kardinal erhoben wird. Noch hätten sich die US-amerikanischen Bischöfe aber nicht mit der Verordnung abgefunden. Dolan kündigte konzertierten Widerstand an.

„Die katholischen Bischöfe verpflichten sich dazu, mit allen Amerikanern zusammenzuarbeiten, um das Gesetz zu reformieren und diese ungerechte Regelung zu ändern. Wir werden fortfahren, alle Implikationen dieser schwerwiegenden Entscheidung zu untersuchen."

Viele Katholiken „tief enttäuscht"

Bei der letzten Präsidentschaftswahl 2008 waren die Bischöfe skeptisch bezüglich Obama, die Mehrheit der US-amerikanischen Katholiken aber wählte ihn. Gerade prominente katholische Obama-Wähler mussten sich viel Kritik aus konservativen Kreisen gefallen lassen. Diese Katholiken fühlen sich nun von Obama verraten. Deshalb hat der Präsident nach Einschätzung von Beobachtern mit seiner jüngsten Entscheidung zahlreiche katholische Stimmen für seine Wiederwahl im Herbst verloren. So zeigte sich der Präsident der US-amerikanischen Caritas, der Priester Larry Snyder, „tief enttäuscht" darüber, dass die Regierung die Einwände der religiösen Institutionen nicht berücksichtigt hat. Schwester Carol Keehan, die der „Catholic Health Association" vorsteht, erklärte, das Weiße Haus habe eine Gelegenheit versäumt, die Gewissensfreiheit zu schützen.

Auch Papst Benedikt hatte letzte Woche vor US-Bischöfen deutlich zu verstehen gegeben, dass er die Religionsfreiheit in den Vereinigten Staaten in Gefahr sehe. Der moralische Konsens in der amerikanischen Gesellschaft erodiere derzeit deutlich; „machtvolle kulturelle Strömungen" und ein „radikaler Säkularismus" zeigten sich „immer feindlicher gegenüber dem Christentum an sich". Dem müssten sich die Bischöfe entgegenstemmen:

„Mit ihrer langen Tradition des Respekts für das richtige Verhältnis zwischen Glauben und Vernunft spielt die Kirche eine wichtige Rolle, wenn es gilt, kulturellen Trends entgegenzutreten, die auf der Basis eines extremen Individualismus für einen Freiheitsbegriff fern jeder moralischen Wahrheit eintreten. Unsere Tradition spricht nicht aus blindem Glauben heraus, sondern aus einer rationalen Perspektive: Dabei verbinden wir unseren Einsatz für den Aufbau einer wahrhaft menschlichen Gesellschaft mit der letztlichen Gewißheit, dass dem Kosmos eine innere Logik innewohnt, die für menschliches Nachdenken zugänglich ist."

Papst: Der Kirche nicht den Mund verbieten

Das Zeugnis der Kirche sei „von Natur aus öffentlich": „Sie versucht zu überzeugen, indem sie rationale Argumente auf dem öffentlichen Platz vorträgt." Die „legitime Trennung" von Kirche und Staat dürfe nicht „dahin gedreht werden, dass die Kirche zu bestimmten Themen den Mund zu halten habe". Katholiken dürfe nicht das Recht verweigert werden, sich auf die Gewissensfreiheit zu berufen, um nicht an „in sich bösen Praktiken mitwirken" zu müssen. US-Medien bezogen diesen Satz auf Vorkommnisse an staatlichen Krankenhäusern: Dort haben sich in den letzten Jahren immer wieder katholische Mitarbeiter geweigert, an Abtreibungen mitzuwirken, und sich dazu auf die Gewissensfreiheit berufen. (rv)