Bürgermeistertagung im Vatikan: „Klares Signal des Miteinander“

„Ich finde es toll, dass der Papst sich so klar positioniert hat, was die Flüchtlingsfrage angeht. Klarer kann man sich gar nicht positionieren.“ Freiburgs Bürgermeister Dieter Salomon ist einer der 70 Bürgermeister, die von der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften zum Tagung ‚Europa – Flüchtlinge sind unsere Brüder und Schwestern’ eingeladen wurden und die sich noch an diesem Samstag im Vatikan beraten.

Insgesamt sind 21 Bürgermeister aus Deutschland da. Selbstverständlich sei eine so klare Positionierung vielleicht für den Papst, in Deutschland sei das aber schon schwieriger, weil „wir in Deutschland ja gerade erleben, dass bei aller Hilfsbereitschaft viele Ängste herrschen. In Freiburg ist ja vor einigen Wochen eine junge Frau vergewaltigt sowie ermordet worden und vor einer Woche hat sich heraus gestellt, dass der mutmaßliche Tatverdächtige ein junger, unbegleiteter Flüchtling aus Afghanistan ist. Bundesweit sind die Wellen hoch geschlagen.“ In der Stadt könne man das ganz gut differenzieren, berichtet Salomon gegenüber Radio Vatikan. Einerseits das Entsetzen über den brutalen Mord, andererseits die Bestürzung, dass ein junger Flüchtling als Täter gefasst wurde, „weil in Freiburg ja eine große Hilfsbereitschaft herrscht“.

„In Deutschland ist es, seit es die AfD in den Parlamenten gibt und seitdem viele Menschen Angst vor Unbekanntem und Fremden haben, Wasser auf den Mühlen derjenigen, die immer schon gewusst haben, dass es nicht gut funktioniert. Da mit rationalen Argumenten durchzudringen, ist schwierig. Ich finde die Idee, 70 Bürgermeister aus ganz Europa einzuladen und bei denen, die sich ja vor Ort um die Menschen kümmern müssen, nachzufragen, was die Probleme eigentlich sind und ob es funktioniert oder nicht, richtig gut.“

Eine richtig gute Idee

„Das faszinierende ist eben, dass hier ganz unterschiedliche Persönlichkeiten in der Flüchtlingspolitik auf lokaler Ebene zusammen kommen.“ Thomas Hunsteger-Petermann ist Oberbürgermeister von Hamm und nimmt ebenfalls an der Veranstaltung im Vatikan teil. Die Herausforderungen seien sehr unterschiedlich, betont er. „Wenn ich die Kollegen von Lesbos höre, oder den Kollegen aus Salzburg, der in wenigen Wochen über 300.000 Flüchtlinge in Richtung deutsche Grenze hat durchschleusen müssen, dann sind da schon die Anforderungen sehr unterschiedlich. Wir sind jetzt in einem Stadium, wo wir den zweiten Schritt gehen müssen und da ist es schon sehr hilfreich, wenn wir von der Kirche, die sich in den einzelnen Ländern auf lokalere Ebene ja durchaus auch differenziert positioniert hat, ein klares Signal des Miteinander bekommen.“

Und Dieter Salomon ergänzt „Man merkt aus den Gesprächen hier, dass viele nationale Regierungen das Problem eigentlich ignorieren, nach dem Motto ‚solange die es unten gewuppt kriegen, brauchen wir ja nix tun’. Und das funktioniert nicht mehr.“ Im vergangenen Jahr etwa, als etwa eine Million Menschen nach Deutschland kamen, hätten die Kommunen sehr unbürokratisch und sehr menschlich geholfen. „Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben Mitgefühl und haben gemerkt, dass man jetzt nicht einfach nach Vorschrift handeln kann. Die haben immer gefragt ‚dürfen wir?’ und wir haben immer gesagt ‚macht!’. Dann wurde es sehr unbürokratisch und sehr flexibel.“

Das Jahr 2015: Parteiübergreifende Zusammenarbeit

„Wir haben uns 2015 in einer Situation befunden, die ich überhaupt noch nie erlebt habe, und ich bin jetzt 18 Jahre Oberbürgermeister“, fügt sein Kollege aus Hamm an. „Das war eine Situation, die einerseits von viel Freiheit geprägt war, man bekam eigentlich von den Parteien für jeden Vorschlag Unterstützung. Auf der anderen Seite hatten wir Situationen, wo wir pro Woche 150 oder noch mehr Flüchtlinge zugewiesen bekommen haben, da muss man erst einmal die Erstversorgung hinbekommen. Ich glaube, wir haben das gut geschafft, aber ich glaube auch, dass es nur geklappt hat, weil es einen gesamtgesellschaftlichen Konsens gegeben hat, wo auch Gruppen und Parteien miteinander gearbeitet haben, die sich traditionell noch nicht einmal gegrüßt hätten.“

Dieser Konsens würde durch eine Tagung, wie die im Vatikan, unter den kommunal Verantwortlichen gefördert, sagt Dieter Salomon. Vielfach müsse man erst noch begründen, warum man Menschen helfen wolle, dabei sei das doch mindestens für Christen logisch. „Da muss man als Voraussetzung anerkennen, dass andere Menschen Menschen sind. Und wenn alle Menschen gleich sind, dann muss man anderen Menschen, die der Hilfe bedürfen, einfach helfen. Das ist ganz banal, so banal, dass man sich manchmal überlegt, was eigentlich in Köpfen von Menschen vorgeht, die Angst haben und anderen nicht helfen wollen, sich abschotten wollen. Manche in Deutschland tun das ja auch noch mit der Begründung, sie wollten das ‚christliche Abendland’ verteidigen, das ist aus Sicht der christlichen Lehre der reine Hohn.“

Wider die Ghettoisierung

Auch Bürgermeister aus Ländern, deren nationale Regierungen der Aufnahme von Flüchtlingen eher skeptisch gegenüber stünden, setzen sich sehr für Integration und Willkommen ein, berichtete etwa Marcel Philipp, Bürgermeister von Aachen. Hier ist eine Spannung zwischen nationaler und kommunaler Ebene zu beobachten. „In Köln hat sich durch den Zuzug von Geflüchteten in den letzten Jahren weder die Sicherheitslage geändert noch durch die Silvesternacht die Willkommenskultur“: So beurteilte Henriette Reker, Oberbürgermeisterin von Köln, die Situation in ihrer Stadt. Laut Nachrichtenagentur KNA warnte sie in ihrem Beitrag bei der Vatikankonferenz vor einer Ghettoisierung von Geflüchteten. Ausgrenzung, Neid und Missgunst könnten am besten verhindert werden, wenn man sich kennenlerne und den Alltag teile, so Reker. „Ich bin zuversichtlich, dass die Integration gelingen wird, auch und gerade mit Hilfe der Religionsgemeinschaften.“

Dieter Salomon wirbt für eine „aufgeklärte Öffentlichkeit“, die sich dann auch mit den Problemen auseinander setzen könne, etwa den Vorfällen von Köln in der Silvesternacht, den Übergriffen in Diskotheken in seiner Stadt Freiburg oder auch dem brutalen Mord. Flüchtlinge und Migranten seien Menschen, nicht besser oder schlechter als andere Menschen auch, das müsse man realisieren. Die Polizeistatistik sage, dass Migranten und Flüchtlinge nicht krimineller seien, als Deutsch auch.

Eine klare Positionierung

Was bringt so ein Treffen von Bürgermeistern im Vatikan? „Das erste ist, dass man sieht, dass man nicht alleine steht“, sagt Hamms Oberbürgermeister Hunsteger-Petermann. „Das ist eine lokale Vernetzung der Bürgermeister untereinander.“ Aber auch von außen, vom Einladenden also vom Vatikan, käme ein wichtiger Impuls, „eine klare Positionierung der Kirche in dieser Frage.“

„Was hilft, ist einfach mitzubekommen, was andere machen“, ergänzt Dieter Salomon. „Es hilft, gespiegelt zu bekommen, wie weit wir sind oder ob wir andere Sachen machen. Wir haben jetzt so viel zu tun gehabt, halbes Leid ist da auch geteiltes Leid, das hat viel mit solidarischem Austausch untereinander zu tun. Und das tut einfach auch gut.“ (rv)

Bürgermeistertagung im Vatikan: „Es ist höchste Zeit“

Vatikanplatz60 Bürgermeister aus aller Welt tagten an diesem Dienstag im Vatikan. Es ging darum, gemeinsame Strategien gegen den Klimawandel und seine sozialen Folgen zu entwickeln. Städte sind die Umweltsünder schlechthin sind: Ein Großteil der Treibhausgase wird von den Metropolen der Welt ausgestoßen – deshalb der innovative Ansatz, zu dem Gedankenaustausch im Vatikan Bürgermeister einzuladen und nicht die üblichen Fachleute oder Minister. Papst Franziskus wollte die Stadt-Verantwortlichen im Anschluss in Privataudienz empfangen.

Mexiko-City, New York, Paris. Die Teilnehmer der eintägigen Konferenz in Rom kommen aus allen Erdteilen und haben doch ein gemeinsames Ziel: den Klimawandel und seine sozialen Folgen stoppen. Dafür sollen am Ende der Tagung verbindliche Vereinbarungen getroffen werden. Wenige Wochen nach Veröffentlichung der Umwelt-Enzyklika von Papst Franziskus setzt der Vatikan mit der Einladung von rund 60 Bürgermeistern aus aller Welt ein wichtiges Zeichen – insbesondere vor dem Weltklimagipfel im Dezember in Paris. Das findet auch der Teilnehmer aus Berlin, Staatssekretär in der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt, Christian Gaebler:

Gaebler: „Ich glaube es ist ganz wichtig, dass die katholische Kirche mit ihrem Oberhaupt sich an die Seite derjenigen stellt, die für die Menschen, für die Umwelt etwas tun wollen. Das heißt den Städten kommt eine besondere Verantwortung zu. Und mit Blick auf den Klimagipfel im Dezember in Paris ist es wichtig, Druck zu machen für konkrete Vereinbarungen. Und wenn die katholische Kirche mit Papst Franziskus an der Spitze sich da mit einbringt, ist das sehr gut und wichtig.“

In seiner Umweltenzyklika "Laudato si" hat der Papst betont, dass der Klimawandel nur bekämpft werden kann, wenn dabei auch Armut und Ausbeutung bedacht werden. Laut Vatikan sind die Bürgermeister hier die Schlüsselfiguren, haben Einfluss sowohl auf Klimastrategien als auch auf die sozialen Strukturen. Nicht nur die Landbevölkerungen der dritten Welt, auch die Städte bekommen den Klimawandel immer deutlicher zu spüren, so in Form von schweren Unwetter oder extremer Hitze.

Gaebler: „Das ist natürlich für Städte ein besondere Problem, weil dann Wasserknappheit herrscht, weil in den Städten die Schattenspender geringer sind. Weil die Menschen dann darauf angewiesen sind, dass bestimmte Sachen bereitgestellt werden müssen. Das können wir uns in Industrieländern eher noch leisten mit viel finanziellem Aufwand. Die Entwicklungsländer haben es schwerer. Und die leiden natürlich noch mehr unter den Naturkatastrophen. Aber wie gesagt, in der ganzen Welt sind das Probleme, die wir gemeinsam anpacken müssen, denn nur global kann man dagegen angehen.“

Nicht alle Städte, deren Bürgermeister im Vatikan zusammenkommen, sind in punkto Klima auf dem gleichen Stand. Vorreiter sind die Mitglieder des sogenannten C40-Netzwerks, dem einige Bürgermeister auf der Konferenz angehören. Das Netzwerk zählt insgesamt 70 Millionenstädte weltweit und entwickelt Anpassungsstrategien für den Klimaschutz. Die meisten der Städte sind aus den reicheren Industrieländern, etwa Nordamerika, England oder Kanada. Auch Berlin gehört dazu. Die deutsche Hauptstadt plant, bis zum Jahr 2050 klimaneutral zu sein. Die Energieversorgung, Gebäude und der Verkehr sollen so angepasst werden, dass der CO2-Ausstoß in dieser Frist um bis zu 85 Prozent gesenkt wird. Bei der Konferenz will Berlin mit gutem Beispiel für die Schwellen- und Entwicklungsländer vorangehen, meint Christian Gaebler.

Gaebler: „Es gibt einen Austausch auf verschiedenen Ebenen und es gibt Lösungen, die auch anderswo anwendbar sind. Man muss sie den örtlichen Gegebenheiten anpassen. Das betrifft Verkehrsprobleme, aber auch das ganze Abfallthema. Da sind wir in den Industrieländern deutlich weiter, dass man Abfall zum Beispiel auch für Heizen nutzt und damit die Energieprobleme wieder reduziert. Da kann man den Schwellenländern sehr viel Beispiele geben und verhindern, dass sie die gleichen Fehler machen, wie sie an anderer Stelle schon einmal gemacht worden sind. Insofern ist das wirklich ein Lernen voneinander, eine Unterstützung, ohne dass da jetzt immer Geld fließen muss, aber mehr ein Know-How-Transfer und ein Best-Practice-Austausch.“

Papst Franziskus wird zu den Bürgermeistern sprechen und dabei wahrscheinlich seinen Forderungen aus der Umwelt-Enzyklika Laudato si Nachdruck verleihen. Am Ende sollen gleich zwei Erklärungen unterzeichnet werden. Die Hoffnung der Teilnehmer ist, dass sie über die Konferenz hinaus Gehör finden und nicht nur die Städte, sondern vor dem Weltklimagipfel in Paris ganze Nationen auf den Plan rufen.

Gaebler: „Ich kann mich da nur Papst Franziskus anschließen, der sagt: Es ist höchste Zeit, es ist eigentlich schon fast zu spät, wir müssen jetzt agieren, und im Dezember müssen klare Ergebnisse auf den Tisch. Da kann man sich nicht rausreden und sagen „Wir gucken mal“. Es wird seit 10 Jahren diskutiert über konkrete Maßnahmen gegen den Klimawandel. In Paris muss jetzt tatsächlich ein Ergebnis erzielt werden, was dann dem Klimawandel auch wirksam entgegenwirkt.“ (rv)