Synode: „Grundlagendokument ist sehr kompliziert“

Bischofssynode 2015Halbzeit bei der vatikanischen Bischofssynode zu Ehe und Familie: An diesem Mittwoch stellten die 13 Arbeitsgruppen der Synode den Stand ihrer Beratungen vor. Er dreht sich um den zweiten der drei Teile des Synoden-Grundlagendokuments, also des sogenannten „Instrumentum Laboris. Die Berichte der Arbeitsgruppen machen eines klar: Fast alle Teilnehmer der Bischofssynode finden das Grundlagendokument zu kompliziert und sperrig.

Für den britischen Kardinal Vincent Nichols von Westminster liegt das daran, dass sich das „Instrumentum Laboris“ aus zwei Quellen speist. Das sagte Nichols am Mittwochmittag vor der Presse. „Es ist zum Teil das Schlussdokument der außerordentlichen Bischofssynode (vom letzten Jahr), das seine eigene Logik, seinen eigenen Gedankenfluss hatte. Und da hineingearbeitet hat man Dinge, die sich aus den Konsultationen in der Zeit zwischen den beiden Synoden ergeben haben. Diese Kombination von zwei Quellen hat die meisten Arbeitsgruppen heute dazu gebracht, zu sagen: Das Instrumentum Laboris braucht, vor allem in diesem zweiten Teil, eine Neustrukturierung, und es braucht ein viel stärkeres theologisches Grundthema, das diesem ganzen zweiten Teil unterliegen sollte.“

Für dieses theologische Grundthema haben die Synodenvätern in den Arbeitsgruppen ein paar „kreative Vorschläge“ gefunden, findet Nichols. Überhaupt lässt der Londoner Kardinal auf die gestiegene Bedeutung der Arbeitsgruppen bei dieser Synode nichts kommen. „Eine Ähnlichkeit zu früheren Synoden besteht darin, dass es auch diesmal harte Arbeit ist, die uns sehr müde macht. Nach meiner Zählung haben wir über 200 Wortbeiträge gehört! Neu ist aber dieses Zusammenspiel von Arbeitsgruppen und Plenarsitzungen; das gibt der Synode nach meinem Eindruck mehr Energie und mehr Kreativität. Meine Arbeitsgruppe führt von der Zusammenarbeit immer mehr zur Wertschätzung, ja Freundschaft der einzelnen Mitglieder.“

„Unterschiedliche Sensibilitäten, große Freiheit“

Viele Synodenväter weisen den von manchen Medien genährten Eindruck, auf der Synode prallten gegensätzliche Meinungen frontal aufeinander, zurück. „Die Diskussion der Synode war bisher ausgesprochen brüderlich, sehr agil auch – und, wie ich glaube, mit einer großen Freiheit“, sagte der kolumbianische Kardinal Ruben Salazar Gomez am Mittwoch vor der Presse. „Man hat verschiedene Positionen vorstellen können, dabei konnte man feststellen, dass es in diesem Themenbereich unterschiedliche Sensibilitäten gibt – aber grundlegend ist der feste Wille zu spüren, der Welt zu zeigen, wie schön die Lehre der Kirche zu Ehe und Familie ist, und dass wir in ihr eine Quelle haben, von der aus wir uns der Problematik von Ehe und Familie nähern können.“

„In Afrika gibt es Polygamie, in Europa simultane Polygamie“

Was der lateinamerikanische Kardinal – der derzeit auch den kontinentalen Bischofsverband CELAM leitet – mit „unterschiedlichen Sensibilitäten“ auf der Synode meinte, das erklärte vor der Presse ganz konkret der afrikanische Kardinal Philippe Ouédraogo aus Ouagadougou. „Die Unterschiede sind zahlreich! In Europa ist man sehr besorgt über die Herausforderung der wiederverheirateten Geschiedenen, ihre Zulassung zur Eucharistie und zur Beichte. Aber nehmen Sie mehrheitlich islamische Länder, wo es zu religiös gemischten Ehen kommt; nehmen Sie Afrika mit – um ein Beispiel zu nennen – dem Phänomen der Polygamie. Auch in Europa wird Polygamie gelebt; bei uns ist es die simultane Polygamie… Wir stehen also sicher vor einer Herausforderung, die Europa in dieser Form nicht kennt! … Darum danke ich dem Herrn wirklich für diese Synode, die eine Chance bedeutet – nicht nur für die Kirche, sondern für die ganze Welt.“ (rv)

Kardinal Müller: „Ich erwarte Klarheit von der Synode“

Kardinal MüllerEhe und Familie sind heute durch den „Laizismus, der die Religionsfreiheit beseitigt“, gefährdet. Das sagte der Präfekt der vatikanischen Glaubenskongregation, der deutsche Kurienkardinal Gerhard Ludwig Müller, bei einer Buchpräsentation in Rom. Vorgestellt wurde ein Werk des ehemaligen italienischen Senatspräsidenten Marcello Pera, der über Menschenrechte und Christentum geschrieben hat. Im Anschluss sagte Kardinal Müller unseren Kollegen der italienischen Abteilung von Radio Vatikan:

„Der Heilige Vater betont ständig die Bedeutung der Familie und der Ehe. Es handelt sich ja um die Zelle der Gesellschaft, aber auch der Kirche. Jede Familie ist eine sogenannte ,Hauskirche´. Ich erwarte deshalb von der Synode, dass sie in dieser Hinsicht mehr Klarheit schaffen wird, bezüglich der Bedeutung der Ehe als Sakrament und an sich die sakrale Bedeutung der Ehe.“

Bei der Synode, die am Sonntag mit einem Gottesdienst im Petersdom feierlich eröffnet wird, sollen auch „klare Worte“ zur Bedeutung von Ehe und Familie gesprochen werden, so Kardinal Müller.

„Die Ehe ist nicht nur eine ideale oder menschliche Vorstellung, sie ist vor allem ein Geschenk Gottes. Ich erwarte deshalb von den Synodenvätern Diskussionen, die nicht minderwertig sein werden, sondern die sich auf eine tiefe Kenntnis der Lehre Jesu, des Alten und Neuen Testaments und auf die wahre Bedeutung der Offenbarung von Seiten des Lehramtes stützen.“

Eine Gefahr sieht Kardinal Müller in der Vorstellung, dass dem Staat mehr Bedeutung zugemessen werde als dem Gewissen eines jeden einzelnen. Eine wichtige Rolle spielten diesbezüglich die Medien, so Kardinal Müller. Das sehe man bei der Debatte um die sogenannte Gender-Theorie.

„Es gibt Medien, die uns diese Gender-Ideologie unbedingt aufzwingen wollen. Und dabei geht es um etwas, das die komplette Zerstörung der menschlichen Grundlagen vorsieht. Das hat schreckliche Konsequenzen für unsere Kinder, Jugendlichen und auch für die Ehepaare. Deshalb müssen wir die Würde der Menschen verteidigen, die vom Schöpfergott her kommt, der uns all seine Güte schenkt und alle Voraussetzungen, damit wir nicht nur die natürliche Glückseligkeit erreichen, sondern auch die übernatürliche Freude. Und die ist das ewige Leben.“

Zur der Buchpräsentation war auch der emeritierte Kardinalvikar Roms Camillo Ruini anwesend. Er verwies auf den Unterschied zwischen Menschenrechten – also jene Rechte für alle – und den eigenen Wünschen. Viele verwechselten die „eigene Wunschliste“ mit dem Recht, an das Allgemeinwohl zu denken, so Ruini. (rv)

Kardinal Pell: Einfach nur hingehen

Kardinal PellDie katholische Lehre zu Ehe und Familie wird sich nicht ändern: Das sagt der australische Kurienkardinal George Pell. Der Leiter des vatikanischen Wirtschaftssekretariats gehört im synodalen Weg, den Papst Franziskus der Kirche verordnet hat, zu den Kräften, die auf das zu Bewahrende hinweisen. Im Gespräch mit Radio Vatikan sagte Kardinal Pell:

„Die Familie ist sehr anpassungsfähig, aber gleichzeitig steht sie, wie vieles andere im Westen, unter Druck. Immer mehr Menschen verzichten auf eine Heirat, die Zahl der Abtreibungen und der Scheidungen steigt. Das ist zwar nicht die ganze Geschichte, es gibt immer noch Abermillionen von wunderbaren Familien, doch wie auch immer man misst, ist die Lage doch etwas schlechter als früher.“

Die Säkularisierung der westlichen Gesellschaften sorge dafür, dass das christliche Bild von Ehe und Familie oft nicht mehr durchdringe und nicht mehr richtig verstanden werde.

„Das macht es viel schwerer. Weltliche Kräfte, die gegen das Leben gerichtet sind, haben oft Geld und gehen professionell vor, sodass sie ihre Botschaft sehr kompetent und attraktiv erscheinen lassen können. Finanziell gesehen werden wir von denen sicher aus dem Spiel geworfen. Aber wir werden ja alle beeinflusst von der Welt, in der wir leben, vor allem junge Leute.“

Wie kann die Kirche also ihre – manchmal sperrig, ja unattraktiv wirkende – Lehre zu Ehe und Familie den Menschen von heute nahebringen? Auf diese Frage sagt Pell: „Nun, ich hoffe, Sie gehen davon aus, dass die Kirche nicht nur aus dem Klerus besteht! Es gibt ja ganz viele Arten von Katholiken, natürlich auch Papst, Bischöfe und Priester, aber vor allem, was das Thema Familie betrifft, geht es vor allem um das Zeugnis von verheirateten Menschen, von Ehepaaren, Eltern und ihren Kindern!“

Zwar hätten Eltern heute „mehr Mitbewerber als je zuvor“, nämlich Medien, vor allem soziale Medien. „Aber der Einfluss der Eltern ist doch immer noch der wichtigste. Heute reicht es allerdings nicht mehr, einfach nur Eltern zu sein, sie müssen vor allem die Herausforderungen begreifen, vor denen heutzutage ihre Kinder stehen. Die Gefahr bei uns allen ist, dass wir der nächsten Generation das geben, wovon wir damals dachten, dass wir es bräuchten. Aber oft braucht die nächste Generation etwas ganz anderes. Meine Generation zum Beispiel war etwas zugeknöpft, wir brauchten mehr Entspannung. Aber das ist nicht mehr der Fall in der Generation unserer Kinder und Enkel, die brauchen etwas, an das sie sich halten können, sie müssen auch den Nutzen von Disziplin und Selbstdisziplin begreifen.“

Wie bringt man es also in die nächste Generation hinein, das christliche Bild von Ehe und Familie? „Indem wir auch tun, was wir predigen! Indem wir auch die Wichtigkeit des Glaubens erklären. Oft reden wir nur undeutlich über Glauben, Gebet, Umkehr; viele junge Leute, denen nie jemand etwas vom Sakrament der Beichte erklärt hat, wissen nicht, wohin sie dann gehen sollen mit der Last ihrer Sünden, und in die Kirche gehen sie dann auch nicht mehr. Das Geheimnis für eine religiöse Blüte liegt in den Evangelien und in der katholischen Tradition, wir müssen einfach nur hingehen“ (rv)

Kardinal Müller: „Dem Papst dienen, sich nicht des Papstes bedienen“

Kardinal Gerhard Ludwig MüllerDer Papst darf nicht für eigene Ziele vereinnahmt werden, es ist unter anderem die Aufgabe der Glaubenskongregation, genau für einen solchen Schutz zu sorgen. Das sagt im Interview mit Radio Vatikan der Präfekt der Kongregation, Kardinal Gerhard Ludwig Müller. Ganz aktuell wird das in der gegenwärtig von Papst Franziskus angestoßenen Debatte zu Ehe und Familie, die in zwei Bischofssynoden münden wird. Die Kongregation stehe für die Wahrheit des Glaubens und dafür, dass es keine Engführung auf ein Thema oder eine einzige Antwort gebe, so Müller. In den Medien werde ganz bewusst ein Gegensatz zwischen ihm und dem Papst konstruiert, beklagte er, dabei sei es auch die Aufgabe seiner Kongregation, dafür zu sorgen, dass der Papst nicht vereinnahmt werde, „dass wir dem Papst und der Kirche dienen und nicht uns des Papstes bedienen.“

Eine deutliche Meinung vertritt der kürzlich zum Kardinal erhobene Müller auch inhaltlich zur Debatte um Ehe und Familie. Kardinal Müller unterscheidet die verschiedenen Stimmen in dieser Debatte. So sei die Glaubenskongregation – in der er als primus inter pares, als Erster unter Gleichen agiere – am Lehramt des Papstes beteiligt, während andere nur jeweils ihre eigene Meinung verträten, und sei es als Kardinal. Genauso sei auch der Fragebogen für die Debatte nützlich, aber „kein Dogma“. Man sei auch in diesem Punkt dem Wort Jesu verpflichtet.

Seit Juli 2012 leitet der geborene Mainzer Müller die Kongregation für die Glaubenslehre, die Öffentlichkeit kennt ihn als Mann der klaren Worte. Die Aufgabe der Kongregation sei es, den Glauben zu schützen, hier „dürfe man nicht schweigen und sich in die Bequemlichkeit zurück lehnen,“ begründet er seine Debattenbeiträge. Mit der öffentlichen Meinung zu kokettieren, dieser Versuchung gelte es zu widerstehen.

Aufarbeitung der Missbrauchsfälle
Die theologischen Debatten um Ehe und Familie sind aber nicht das einzige, mit dem sich die Kongregation derzeit beschäftigt, als Dauerthema bleibt seiner Institution die kirchenrechtliche Aufarbeitung der Missbrauchsfälle durch Kleriker. Es sei eine Frage der Gerechtigkeit der Opfer gegenüber, „wer sich in schwerer Weise an Leib und Leben eines Jugendlichen schuldig gemacht hat, der kann nicht mehr im priesterlichen Dienst weiter wirken.“ Es sei auch ein Zeichen für die Opfer, dass die Kirche sich vom schlimmen Treiben ihrer Diener „klar und unmissverständlich und ohne jede Zweideutigkeit“ distanziert. „Das schulden wir der Gerechtigkeit dem Opfer gegenüber“, so Müller. Ausdrücklich betont er, dass nicht gegen das Recht Barmherzigkeit mit den Tätern geübt werde, sondern dass es um das Recht für die Opfer gehe.

Lesen Sie hier das gesamte Interview:

Herr Kardinal, der Papst will eine Debatte. Er will sie in zwei Synoden hineinführen zu Ehe und Familie. Wie sehen Sie die Rolle der Glaubenskongregation in dieser anstehenden Debatte?

Die Glaubenskongregation vertritt in diesem Punkt, aber natürlich in allen Fragen der katholischen Lehre eben die Glaubenswahrheit. Es ist glaube ich wichtig für die öffentliche Wahrnehmung, die Engführung zu überwinden jetzt nur auf ein Thema, als ob das jetzt die Lösung von Allem wäre. Es geht wesentlich darum, die kirchliche Lehre von ehe und Familie wieder ganz Zentral ins katholische Glaubensbewusstsein hineinzuführen, denn nur wenn wir vom Gelingen der Ehe und Familie sprechen und uns dafür auch einsetzten, können wir etwas Positives bewirken.

In der öffentlichen Meinung werden sie ja häufig wahrgenommen oder dargestellt als der Bremser oder der Neinsager wenn es um die Initiatives des Papstes geht. Trifft Sie das persönlich?

Natürlich ist das jetzt eine Propaganda, die ganz gezielt gemacht wird mir einen Gegensatz zu konstruieren, was der Präfekt der Glaubenskongregation oder der Kongregation insgesamt, er ist nur der Primas inter pares, zu tun hat. Das ist ganz klar eben auch durch die Statuten festgelegt. Allerdings gehört auch dazu, dass wir dafür Sorge tragen, dass der Papst nicht vereinnahmt wird für bestimmte Ziele. Es ist ja gerade interessant, dass jetzt zurzeit sich so viele Gruppierungen auf den Papst berufen, die ja vorher das Papsttum ja fast abgelehnt haben. Insofern geht es darum bei uns jedenfalls, dass wir dem Papst und der Kirche dienen und uns nicht des Papstes bedienen.

Die von mir eben angesprochene Debatte, die der Papst ja angestoßen hat, daran beteiligen Sie sich ja auch. Es gibt Kreise vor allem in italienischen Medien, „Il Foglio“, eine Zeitung fährt ja geradezu sagen wir es einmal, eine Kampagne gegen Kardinal Kasper so seit einigen Tagen. Was ist ihre Beteiligung an der Debatte? Was fordern Sie in der anstehenden Debatte, die ja weit über die Kongregationen im Vatikan hinausgeht?

Ich bin daran nicht beteiligt als Privattheologe, sondern eben in dieser Funktion, die Glaubenskongregation ist ja die einzige der römischen Kongregationen, die eben am Lehramt des Papstes unmittelbar Anteil hat, während andere, die sich hier melden, auch wenn sie im Kardinalsrang sind, einfach nur für sich selber persönlich sprechen und nicht eine offizielle Aussage treffen können.

Gehen wir noch einmal Schritt weiter. Es sind ja nicht nur Kardinäle, die sich beteiligen sondern es gibt ja noch einen Fragebogen, der hat ja sehr viele Erwartungenshaltung generiert. Jetzt einmal positiv gefragt: Was kann das denn in der internationalen Einbindung und Anregungen der Debatte, was kann das denn Positives beitragen?

Ja positiv kann das, glaube ich, sehr viel beitragen, dass die Katholiken sich wieder mit dem eigenen Glauben beschäftigen und nicht einfach punktuell dieses oder andere ausnehmen aus der Liturgie, aus der Lehre der Kirche. Wir müssen den Zusammenhang sehen von Verkündigung und Seelsorge der Lehre der Kirche aber auch Diakonia. Kann ich mich auswählen, bin ich sehr sozial engagiert oder mache ich bei der Kirche bei den karitativen Werken mit, aber die Anbetung Gottes oder die Feier der Sakramente, das interessiert mich nicht so persönlich. Aber der Fragebogen als solcher ist ja kein Dogma, der ist eben so viel wert und bedeutet so viel, wie eben auch die Qualität der Fragen und die Zusammenhänge gegeben ist oder auch nicht geben ist.

Sie sind ein Mann der klaren Worte, das haben wir eben gehört. Ich denke das geht auch in ihrer Geschichte weit zurück. Ist das jetzt auch die Rolle der Glaubenskongregation so zu sprechen oder das eher Gerhard Ludwig Müller der spricht?

Die Glaubenskongregation hat einen klaren Auftrag den katholischen Glauben zu fördern, aber auch zu schützen. Aber das ist kein anderer Auftrag, als der Papst selbst empfangen hat von Jesus Christus und hier dürfen wir glaube ich nicht schweigen uns in der Bequemlichkeit zurücklehnen und einfach mit der öffentlichen Meinung zu kokettieren. Das ist ja schöne, wenn man den Wind dann im Rücken hat und dann vielleicht groß aufgeblasen wird. Aber ich glaube dieser Versuchung muss jeder Bischof und jeder Priester widerstehen, ob man sie hören will oder nicht.

Eine Frage, ein bisschen anderes Thema betrifft, möchte ich noch stellen und zwar ist die Glaubenskongregation ja auch zuständig unter anderem für die Aufarbeitung, die juristische Aufarbeitung der Missbrauchsfälle. Im Selbstverständnis und im Arbeitsaufwand was für eine Rolle spielt das hier im Haus bei ihnen?

Ich glaube wir sind nicht zuständig für die Gesamtaufarbeitung beziehungsweise die pastorale Betreuung der Opfer angeht, sondern hier geht es um ein kanonistisches Verfahren, auch nicht dann bürgerliches Rechtsverfahren, wie das auf jeden Staatsbürger zutrifft, ob er Priester ist oder nicht, sondern es geht hier um die Frage im Falle, dass ein Kleriker, Priester oder Diakon oder Bischof sich eines solch schweren Verbrechens schuldig gemacht hat. Wie weit er noch im pastoralen Dienst verwendbar ist. Deshalb müssen wir auch entsprechend schweren Fällen auch eine schwere Strafe aussprechen, der Gerechtigkeit Willen. Wer sich in schwerster Weise am Leib und Leben eines Jugendlichen schuldig gemacht hat, der kann nicht mehr im priesterlichen Dienst weiter wirken. Und es ist auch unser Zeichen für die Opfer, dass die Kirche sich von dem schlimmen treiben eines ihrer Diener klar und unmissverständlich und ohne jede Zweideutigkeit distanziert. Das schulden wir einfach auch der Gerechtigkeit den Opfern gegenüber. Es ist also nicht dafür da jetzt die Straftäter irgendwie zu schützen und denen jetzt Barmherzigkeit zu zusprechen wider alles Recht, sondern hier geht es zuerst um die Gerechtigkeit für die Opfer.  (rv)

Päpstlicher Familienrat: „Ehe und Familie bestimmen unsere Zukunft“

Vincenzo PagliaBei der Ehe und Familie geht es um die Zukunft der gesamten Menschheit – daran erinnert der Präsident des päpstlichen Familienrates, Bischof Vincenzo Paglia, im Interview mit Radio Vatikan. In Frankreich wird an diesem Sonntag wieder gegen die geplante Einführung der gleichgeschlechtlichen Ehe demonstriert, dabei sind viele verschiedene gesellschaftliche Gruppen und auch Politiker beteiligt. Die Kirche begleitet die Proteste unterstützend. Paglia lobt in diesem Kontext das Vorgehen der französischen Bischöfe:

„Mir scheint das Verhalten der französischen Bischofskonferenz sehr intelligent: Sie macht klar, dass Ehe und Familie als Realität nicht jemandem ,gehören‘, sondern dass es da um die menschliche Wirklichkeit geht. Die Bischöfe sind nicht die Hauptinitiatoren der Kundgebung, sie unterstützen die Sache wie viele andere auch. Das scheint mir sehr klug zu sein, und es ist auch der Grund, warum sich die Kirche dafür interessieren muss: weil es eben keine Frage irgendeiner Gruppe ist, sondern es um das Erbe der Menschheit geht. Wenn die Kraft der Ehe und der Familie entwertet wird, betrifft das ganz zentral die Zukunft der Menschheit!“

Zur Großdemonstration gegen die geplante Einführung gleichgeschlechtlicher Ehen versammeln sich an diesem Sonntag in Paris Zehntausende Franzosen. Die Veranstalter erwarten Medienberichten zufolge bis zu einer halben Million Menschen. Darunter werden auch einzelne Kirchenvertreter sein. Organisator der Protestaktionen ist das unabhängige Bündnis „Manifpourtous“.

Sollte die gleichgeschlechtliche Ehe tatsächlich flächendeckend eingeführt werden, könnte dies eine ernste Gefahr für die Gesellschaft sein, so Monsignor Paglia. Der Schritt zur Polygamie, zum Beispiel, sei damit nicht mehr weit entfernt, meint er. Und er malt ein entsprechendes Szenario aus:

„Alles wird dann möglich. Wenn das ,Ich‘ und die Befriedigung aller seiner Bedürfnisse der Maßstab sind, ist klar, dass alles passieren kann: die Zerstörung der Zivilisation. Und an diesem Punkt befinden wir uns heute. Die letzten ,nein‘, die noch mehr oder weniger gelten, sind in der Tat die Polygamie und der Inzest. Doch wie lange noch?“ (rv)