Papstansprache: Synodalität für das 3. Jahrtausend

Papst Franziskus„Die Schönheit und die Notwendigkeit des gemeinsamen Gehens“: Arbeitsübersetzung der Papstrede vom 17. Oktober, Festakt zum 50-jährigen Bestehen der Bischofssynode.

(…) Von Anfang meines Dienstes als Bischof von Rom an hatte ich vor, die Synode aufzuwerten, die ja ein kostbares Erbe der letzten konziliaren Versammlung ist. Für den seligen Paul VI. sollte die Bischofssynode das Selbstverständnis des ökumenischen Konzils aufgreifen und dessen Geist und Methode reflektieren. Derselbe Papst hat dargelegt, dass der Organismus der Synode „im Laufe der Zeit noch verbessert werden kann“ (Motu proprio Apostolica sollicitudo,15 settembre 1965). Das griff zwanzig Jahre später der heilige Johannes Paul II. auf, als er bestätigte, dass „dieses Instrument vielleicht noch verbessert werden kann. Vielleicht kann sich die kollegiale pastorale Verantwortung noch voller in der Synode ausdrücken“ (Schlussansprache, 6. Bischofssynode 1983). Schließlich hat Papst Benedikt XVI. 2006 einige Änderungen der Synodenordnung approbiert, auch im Licht der Vorschriften des Kodex des Kirchenrechtes und der Kirchenrechts der Ostkirchen, die in der Zwischenzeit promulgiert worden waren.

Auf dieser Straße müssen wir weiter gehen. Die Welt, in der wir leben und die in all ihrer Widersprüchlichkeit zu lieben und der zu dienen wir berufen sind, erfordert von der Kirche eine Steigerung der Synergien in allen Bereichen ihrer Sendung. Es ist dieser Weg der Synodalität, welcher der Weg ist, den Gott von der Kirche im dritten Jahrtausend erwartet.

Das was Gott von uns bittet ist in gewisser Weise schon im Wort „Synode“ enthalten. Gemeinsam gehen – Laien, Hirten, der Bischof von Rom – ist eine Idee, die sich leicht in Worte fassen lässt, aber nicht so leicht umzusetzen ist.

Unfehlbarkeit im Glauben

Nachdem es betont hat, dass das Volk Gottes aus allen Getauften gebildet gerufen ist, „ein geistlicher Bau und ein heiliges Priestertum“ zu sein (Lumen Gentium 10), verkündet das Zweite Vatikanische Konzil: „Die Gesamtheit der Gläubigen, welche die Salbung von dem Heiligen haben (vgl. 1 Joh 2,20.27), kann im Glauben nicht irren. Und diese ihre besondere Eigenschaft macht sie durch den übernatürlichen Glaubenssinn des ganzen Volkes dann kund, wenn sie von den Bischöfen bis zu den letzten gläubigen Laien ihre allgemeine Übereinstimmung in Sachen des Glaubens und der Sitten äußert.“ (Lumen Gentium 12). Das ist die berühmte „Unfehlbarkeit im Glauben“.

In meinem apostolischen Schreiben Evangelii Gaudium habe ich das noch einmal unterstrichen: „Das Volk Gottes ist heilig in Entsprechung zu dieser Salbung, die es „in credendo“ unfehlbar macht“ (EG 119) und ich habe hinzu gefügt: „Jeder Getaufte ist, unabhängig von seiner Funktion in der Kirche und dem Bildungsniveau seines Glaubens, aktiver Träger der Evangelisierung, und es wäre unangemessen, an einen Evangelisierungsplan zu denken, der von qualifizierten Mitarbeitern umgesetzt würde, wobei der Rest des gläubigen Volkes nur Empfänger ihres Handelns wäre“ (EG 120). Der sensus fidei verhindert, dass wir zwischen der Ecclesia docens und der Ecclesia discens, weil auch die Herde ihr eigenes „Gespür“ für die neuen Wege hat, die der Herr seiner Kirche enthüllt.

Es war diese Überzeugung, die mich geleitet hat, als ich gewünscht habe, dass das Volk Gottes in der Vorbereitung für die doppelte Synodenversammlung zur Familie konsultiert werde, wie es normalerweise mit allen „Lineamenta“ [Vorbereitungsdokumenten] geschieht und geschah. Sicherlich, eine Befragung dieser Art reicht auf keinen Fall aus, um auf den sensus fidei zu hören. Aber wie wäre es möglich, über die Familie zu sprechen ohne Familien zu Rate zu ziehen, ohne auf ihre Freuden und Hoffnungen zu hören, ihr Leiden und ihre Ängste? (vgl Gaudium et Spes, 1) Durch die Antworten auf die zwei Fragebögen, welche an die Ortskirchen verschickt wurden, haben wir die Möglichkeit gehabt, wenigstens auf einige von ihren Fragen zu hören, die sie ganz direkt betreffen und über die sie so viel zu sagen haben.

Eine Kirche des Hörens

Eine synodale Kirche ist eine Kirche des Hörens, im Bewusstsein, dass auf etwas Hören mehr ist als bloßes Hören. Es ist ein wechselseitiges Hören bei dem jeder etwas zu lernen hat. Das gläubige Gottesvolk, das Kollegium der Bischöfe, der Bischof von Rom: der eine hört auf den anderen, und gemeinsam hören sie auf den Heiligen Geist, den Geist der Wahrheit (Joh 14,17), um das zu erkennen, was Er seinen Kirchen sagt (Apg 2,7).

Die Bischofssynode ist der Punkt, an dem diese Dynamik des Hörens auf allen Ebenen des Lebens der Kirche zusammen laufen. Der synodale Weg beginnt hörend auf das Volk, dass an der prophetischen Sendung Christi teilhat (LG 13); nach einem guten Prinzip der Kirche des ersten Jahrtausends: „Quod omnes tangit ab omnibus tractari debet“ [Was alle angeht muss von allen besprochen werden]. Der Weg der Synode geht weiter im Hören auf die Hirten. Über die Synodenväter handeln die Bischöfe als echte Wahrer, Vermittler und Zeugen des Glaubens der Ganzen Kirche, den sie unterscheiden können müssen von den vielen Strömungen der öffentlichen Meinung. Am Vorabend der Synode im vergangenen Jahr habe ich das folgendermaßen betont: „Vom Heiligen Geist erbitten wir für die Synodenväter vor allem die Gabe des Hörens: des Hörens auf Gott, so dass wir mit Ihm den Schrei des Volkes hören; des Hörens auf das Volk, so dass wir dort den Willen wahrnehmen, zu dem Gott uns ruft“ (Petersplatz, 4. Okt 2014).

Schließlich gipfelt der synodale Weg im Hören auf den Bischof von Rom, der gerufen ist als „Hirte und Lehrer aller Christen“ zu sprechen (1. Vat. Konzil, Pastor Aeternus; CIC 749 §1): nicht bei seinen persönlichen Überzeugungen beginnend, sondern als oberster Zeuge des fides totius Ecclesiae ist er Garant des Gehorsams und der Übereinstimmung der Kirche mit dem Willen Gottes, dem Evangelium Christi und der Tradition der Kirche (Ansprache Abschluss der Synode 2014, 18. Oktober).

Mit dem Papst, unter dem Papst

Die Tatsache, dass die Synode immer cum Petro et sub Petro handelt, also nicht nur mit dem Papst, sondern auch unter dem Papst, ist keine Beschränkung ihrer Freiheit, sondern eine Garantie der Einheit. Tatsächlich ist der Papst dank dem Willen des Herrn „das immerwährende, sichtbare Prinzip und Fundament für die Einheit der Vielheit von Bischöfen und Gläubigen“ (LG 23, vgl. 1. Vat. Konzil Pastor Aeternus). Damit verbindet sich das Konzept der „hierarchischen Communio“, welche vom Zweiten Vatikanischen Konzil angewandt wurde: die Bischöfe sind verbunden mit dem Bischof von Rom durch das Band der bischöflichen Gemeinschaft (cum Petro) und sind zur gleichen Zeit hierarchisch ihm als Haupt des Kollegiums untergeordnet (sub Petro) (LG 22, Christus Dominus, 4).

Kirche und Synode sind Synonyme

Die Synodalität als konstitutives Element der Kirche bietet uns einen angemesseneren Interpretationsrahmen für das Verständnis des hierarchischen Dienstes. Wenn wir verstehen, dass wie der heilige Johannes Chrysostomos sagt „Kirche und Synode Synonyme sind“ (Explicatio in Ps 149) – weil die Kirche nichts anderes ist als das „gemeinsame Gehen der Herde Gottes auf den Wegen der Geschichte zur Begegnung mit Christus dem Herrn – dann verstehen wir auch, dass in ihrem Inneren niemand über die anderen „erhoben“ ist. Im Gegenteil, in der Kirche ist es notwendig, dass sich jemand „erniedrigt“ um sich in den Dienst an den Geschwistern auf dem Weg zu stellen.

Jesus hat die Kirche gegründet und an ihre Spitze das Kolleg der Apostel gesetzt, in dem der Apostel Petrus der „Fels“ ist (Mt 16,18); er soll seine Brüder im Glauben stärken (Lk 22,32). Aber in dieser Kirche befindet sich der Gipfel wie bei einer umgekehrten Pyramide unterhalb der Basis. Deswegen heißen diejenigen, die Autorität ausüben, „Diener“: weil sie im Ursprungssinn des Wortes die Kleinsten von allen sind. Dem Volk Gottes dienend wird ein jeder Bischof, für den ihm anvertrauten Teil der Herde, vicarius Christi (LG 27), Stellvertreter dieses Jesus, der sich beim letzten Abendmahl niedergekniet hat, um die Füße der Apostel zu waschen (Joh 13,1-15). In gleicher Sichtweise ist der Nachfolger Petri selbst nichts anderes als der Diener der Diener Gottes.

Vergessen wir das nie! Für die Jünger Jesu, gestern, heute und immer, ist die einzige Autorität die Autorität des Dienstes, die einzige Macht die Macht des Kreuzes, getreu den Worten des Meisters: „Ihr wisst, dass die Herrscher ihre Völker unterdrücken und die Mächtigen ihre Macht über die Menschen missbrauchen. Bei euch soll es nicht so sein, sondern wer bei euch groß sein will, der soll euer Diener sein, und wer bei euch der Erste sein will, soll euer Sklave sein.“ (Mt 20,25.27) Unter euch soll es nicht so sein: in diesem Ausdruck kommen wir zum Kern des Dienstes der Kirche – „bei euch soll es nicht so sein“ – und wir erhalten die notwendige Einsicht um den hierarchischen Dienst zu verstehen.

In einer synodalen Kirche ist die Bischofssynode nur der sichtbarste Ausdruck der Dynamik einer Gemeinschaft, die alle kirchlichen Entscheidungen anregt.

Die erste Ebene der Ausübung der Synodalität geschieht in den Ortskirchen. Nachdem es die noble Institution der Bischofssynode wieder eingeführt hat, in der Priester und Laien gerufen sind gemeinsam mit dem Bischof für die gesamte kirchliche Gemeinschaft zusammen zu arbeiten (CIC 460-468) widmet das Kirchenrecht viel Aufmerksamkeit denjenigen Institutionen, die allgemein „Organe der Gemeinschaft“ in den Ortskirchen genannt werden: dem Priesterrat, dem Beraterkolleg, dem Domkapitel und dem Pastoralrat (CIC 495-514). Nur in dem Maß in dem diese Organismen mit der „Basis“ verbunden bleiben und von den Menschen ausgehen, von den Problemen des Alltag, kann von dort aus eine synodale Kirche ausgehen: diese Instrumente, die manchmal mühselig vorangehen, müssen geschätzt werden als Gelegenheiten des Hörens und Teilens.

Wir sind auf halbem Weg

Die zweite Ebene ist die der Kirchenprovinzen und kirchlichen Regionen, der Partikular-Konzilien und auf besondere Weise die der Bischofskonferenzen (CIC 431-459). Wir müssen darüber nachdenken, um die Zwischeninstanzen der Kollegialität durch diese Organismen noch besser zu machen, vielleicht durch eine Aktualisierung von einigen Aspekten der antiken Kirchenordnung. Der Wunsch des Konzils, dass diese Organismen zum Wachsen des Geistes der bischöflichen Kollegialität beitragen können, ist noch nicht voll erfüllt. Wir sind auf halbem Weg, auf einem Teil des Weges. Wie ich bereits gesagt habe, ist es in einer synodalen Kirche „nicht angebracht, dass der Papst die örtlichen Bischöfe in der Bewertung aller Problemkreise ersetzt, die in ihren Gebieten auftauchen. In diesem Sinn spüre ich die Notwendigkeit, in einer heilsamen „Dezentralisierung“ voranzuschreiten“ (EG 16).

Die letzte Ebene ist die der universalen Kirche. Hier wird die Bischofssynode, welche das gesamte katholische Episkopat repräsentiert, zum Ausdruck der bischöflichen Kollegialität in einer ganz und gar synodalen Kirche (Christus Dominus 5, CIC 342-348). Zwei verschiedene Begriffe: „bischöfliche Kollegialität“ und „eine ganz und gar synodale Kirche“. Das drückt eine affektive Kollegialität aus, die in einigen Umständen zu einer „effektiven“ werden kann, welche die Bischöfe unter sich und mit dem Papst im Dienst am Volk Gottes verbindet (Johannes Paul II., Partores Gregis, 8).

Bekehrung des Papsttums

Gleichzeitig bestehe ich auf der Notwendigkeit, über eine „Bekehrung des Papsttums“ nachzudenken (EG 32); gerne wiederhole ich die Worte meines Vorgängers Papst Johannes Paul II.: „Als Bischof von Rom weiß ich sehr wohl, und habe das in der vorliegenden Enzyklika erneut bestätigt, daß die volle und sichtbare Gemeinschaft aller Gemeinschaften, in denen kraft der Treue Gottes sein Geist wohnt, der brennende Wunsch Christi ist. Ich bin überzeugt, diesbezüglich eine besondere Verantwortung zu haben, vor allem wenn ich die ökumenische Sehnsucht der meisten christlichen Gemeinschaften feststelle und die an mich gerichtete Bitte vernehme, eine Form der Primatsausübung zu finden, die zwar keineswegs auf das Wesentliche ihrer Sendung verzichtet, sich aber einer neuen Situation öffnet“ (Ut unum sint, 95).

Unser Blick weitet sich auch auf die ganze Menschheit. Eine synodale Kirche erhobenes Banner unter den Völkern (Jes 11,12) in einer Welt, die – obwohl sie zu Beteiligung, Solidarität und Transparenz in der öffentlichen Verwaltung einlädt – oft das Schicksal ganzer Völker in die gierigen Hände einer beschränkten Gruppe Mächtiger gibt. Als Kirche, die gemeinsam mit den Menschen unterwegs ist, die an den Mühen der Geschichte Anteil hat, pflegen wir den Traum dass die Wiederentdeckung der unverletzlichen Würde der Völker und der Dienstcharakter der Autorität auch den Gesellschaften helfen kann, um sich auf Gerechtigkeit und Geschwisterlichkeit zu stützen, um eine bessere und würdigere Welt für die Menschheit zu bauen und für die Generationen, die nach uns kommen (EG 186-192, Laudato Si’ 156-162).

Übersetzt ist der inhaltliche Teil der Rede, die Gruß- und Dankworte zu Beginn fehlen. (rv)

Synode: Nein zur Gender-Theorie

Kardinal Rodriguez MaradiagaDie Synode schnappt nach Luft: An diesem Sonntag haben die Väter, nach einer Woche intensiver Beratungen, mal Pause. Ab Montag wird dann, vornehmlich in Arbeitsgruppen, über den zweiten Teil des Synoden-Grundlagendokuments gesprochen. Im Ringen um einen Neuansatz bei der Ehe- und Familienpastoral geht die ordentliche Bischofssynode im Dreischritt vor: „Sehen“, hieß es letzte Woche, da ging’s um die Wahrnehmung der Wirklichkeit von Ehe und Familie. „Urteilen“ ist ab diesem Montag dran, und „Handeln“ heißt es dann ab nächster Woche.

In den ersten Berichten der Arbeitsgruppen, die am Freitag publik wurden, findet sich mehrfach eine scharfe Verurteilung der ‚Gender’-Lehre. Da werde der Begriff ‚Geschlecht’ willkürlich durch das neutralere Wort ‚Gender’ ersetzt, um den biologischen Unterschied zwischen Mann und Frau zu verwischen – mit allen Folgen, die das für das traditionelle Eheverständnis hat. Der honduranische Kardinal Oscar Andrés Rodriguez Maradiaga sagte im Interview mit Radio Vatikan:

„Das ist wirklich eine Ideologie, und sie ist gar nicht so neu! Im 19. Jahrhundert, als Marx gegen den Kapitalismus kämpfte, setzte sich Engels schon gegen die Familie ein. Dann machte sich Freud daran, den Vater zu eliminieren, und zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts wollten außerdem einige radikal-feministische Bewegungen die Mutter und die Mutterschaft beseitigen, als wäre das etwas, von dem Frauen sich befreien müssten. Jetzt also die ‚Gender’-Theorie, die praktisch die Familie zu eliminieren versucht.“

Der Salesianer-Kardinal, der einer der engsten Berater von Papst Franziskus ist, scheut sich nicht, die ‚Gender’-Theorie als Ideologie zu bezeichnen und sie in eine Reihe mit den großen Ideologien des zwanzigsten Jahrhunderts zu stellen. „Sie ist eine weitere Ideologie, allerdings noch gefährlicher – denn wenn man die Familie zerstört, zerstört man auch die Gesellschaft. Und dadurch würde man zu einem derartigen Individualismus gelangen, dass ein Zusammenleben von Menschen kaum noch möglich wäre!“

Nun gibt es auf dieser Synode durchaus auch Stimmen, die die ‚Gender’-Theorie nicht so scharf attackieren und denen es auch Unbehagen bereitet, wenn der Individualismus allzu schwarz gemalt wird. Aus der Betonung der Individualität des Menschen ergäben sich doch durchaus positive Zeichen der Zeit, gab am Freitag etwa die deutsche Sprachgruppe in ihrem Bericht zu bedenken. Doch einer Feststellung würde wohl jeder Synodenvater in Rom zustimmen: Ehe und Familie stehen unter Druck, weltweit. Was tun? Der brasilianische Kardinal Odilo Scherer aus Sao Paolo hat da einen Vorschlag:

„Eine Idee, die bei uns ziemlich stark ist, wäre die von Verbänden, die sich für die Familie einsetzen. Die einzelnen Familien müssten sich zusammenschließen, Gruppen und Verbände bilden, damit die Familien im öffentlichen und politischen Diskurs besser vertreten sind. Schließlich ist die Familie ja ein politisches Subjekt – nicht nur das Individuum, sondern auch die Familie. Familienverbände müssten sich um die Interessen der Familie kümmern, um die entsprechenden Themen und Bedürfnisse. Dann würde der Staat auch aufmerksamer für Familienbelange sein, und die Familie hätte ein ganz anderes Standing, um ihre Rolle für die Menschen und die Gesellschaft zu spielen.“ (rv)

Ende der ersten Synodenwoche: „Da ist Bewegung drin“

Bischofssynode 2015Wie läuft's bei der Synode? Das fragten wir Pater Bernd Hagenkord SJ, der die Debatten aus der Nähe verfolgt.

RV: Was ist neu, überraschend im Vergleich zur Synode im letzten Jahr?

„Die Stimmung ist besser. Es ist schwer, das genau festzumachen, aber es gibt weniger offene Konflikte außerhalb der Aula, weniger Kontroverse, und innerhalb des Saales versuchen alle, konstruktiv und positiv an Positionen zu arbeiten. Natürlich gibt es Auseinandersetzungen, es wäre nach all den Monaten von öffentlicher Debatte auch verwunderlich wenn nicht, aber die Mitglieder der Synode sind sich offensichtlich bewusst, dass es keine weitere Synode zum Thema gibt: Das hier ist es, und der Einsatz ist dementsprechend. Da ist richtig Bewegung drin.“

RV: Zur Methode Bergoglio: Arbeitsgruppen sind diesmal besonders wichtig – aber sie reden laut Erzabt Schröder („ein paar Tage im Blindflug“) nebeneinander her, ohne direkte Vernetzung mit den Ergebnissen der anderen. Ist das nicht ein Schwachpunkt?

„Nein, das ist normal. Die Alternative wäre ja, alles in der Großgruppe zu machen, dann könnte keiner auf den anderen reagieren, alles liefe auf vorbereitete Statements hinaus, und keiner würde auf das eingehen können, was vorher gesagt wurde. Rein mathematisch bedeutet die kleine Gruppe, dass viele Mitglieder nicht dabei sind. Das ist kein Schwachpunkt, das ist eine Stärke, weil es Dialog und Zusammenarbeit bedeutet.“

RV: Gibt es eine Diskrepanz zwischen der Außenwirkung der Synode und dem, was die Synodenväter tatsächlich hinter verschlossenen Türen sagen und tun?

„Ja und nein, wie immer. Es ist naturgemäß schwer, die Geschichte der Synode zu berichten, wenn man selber nicht drin sitzt, wie es bei den Journalisten der Fall ist. Die würden natürlich gerne mehr wissen, aber der Papst möchte Vertraulichkeit. Auf der anderen Seite ist das alles natürlich schon lange debattiert, so dass die Themen nicht wirklich neu sind.

Es kommt wie immer darauf an, wohin man schaut. Die Berichterstattung ist im Allgemeinen sehr gut, wenn man die einseitigen Medien vermeidet, die nur auf Krawall aus sind oder die nicht berichten, sondern beeinflussen wollen. Immer wieder wird ja gesagt, dass es zwei Synoden gäbe, die wirkliche und die in den Medien. Diese These teile ich nicht, sie sind schon miteinander verbunden und sind zwei Seiten oder zwei Dimensionen.“

RV: In welche Richtung entwickelt sich die Synode?

„Da müsste ich raten. Also rate ich einmal, dass am Ende ein Dokument stehen wird, dass mit großer Einmütigkeit verabschiedet wird. Ich würde raten, dass es in der zweiten und besonders auch der dritten Woche mehr Konflikte inhaltlicher Art geben wird, als in der ersten. Denn dann kommen ja die Themen auf die Tagesordnung, die auch bislang schon eifrig debattiert wurden.

Aber ich nehme auch wahr, dass immer mehr Synodalen in Kaffeepausen und dergleichen sagen, es werde noch viel mehr Zeit brauchen als die drei Wochen, die wir hier in der Synode verbringen. In einer gewissen Hinsicht beginnt dann die Arbeit erst.“ (rv)

Relator Kardinal Schönborn überrascht von Familienerzählungen

Kardinal SchönbornDie „neue Methode“ bei der Synode, die auch kleine Sprachgruppen betrifft, ist positiv. Das sagt im Gespräch mit Radio Vatikan der Wiener Kardinal Christoph Schönborn. Damit sei der direkte Austausch der Synodenteilnehmer besser möglich. Früher habe es nur Wortmeldungen von Bischöfen geben, oft ohne Zusammenhalt, nun komme es zu richtigen Diskussionen, zu einem Dialog, so Kardinal Schönborn.

„Hier gehen wir nach den drei Teilen des Arbeitspapiers vor: eine Woche gibt es den ersten Teil, in der zweiten Woche folgt der zweite Teil und in der dritten Woche der dritte Teil. Wir haben eine ganze Woche Zeit, um über den ersten Teil des Grundlagenpapieres zu arbeiten und die meiste Zeit verbringen wir in den Sprachgruppen. Das heißt eine viel intensivere Beteiligung der Teilnehmer der Synode und eine viel stärkere Konzentration auf das jeweilige Thema, damit verbunden ist aber auch eine viel effizientere, effektivere Arbeitsweise und somit auch zufriedenere Teilnehmer. Das Gefühl der Frustration, dass ich bei früheren Synoden erlebt habe, scheint mir hier überhaupt nicht vorhanden zu sein. Es herrscht eine intensive Arbeit, des Zusammenarbeitens und des Miteinander Gehens – und das ist ein ganz enormer Fortschritt.“

Außergewöhnlich waren für den Kardinal, der zugleich Moderator der deutschen Sprachguppe „Germanicus“ ist, die privaten Erzählungen der Bischöfe. In einigen Gruppen haben die Bischöfe über ihren eigenen Familienerfahrungen gesprochen.

„Und da gibt es alles, was zum Thema dieser Synode passt, natürlich auf der persönlichen Erfahrungsebene. Da gibt es die wunderbare Erfahrung des Glaubens, der Eltern, der Großeltern, in denen man aufwachsen konnte. Da gibt es aber auch Erfahrungen von Flucht, von Migration, von Scheidungen, von schmerzlichen Konflikten in der Familie. Da gibt es die Erfahrung der sogenannten ,extendet familiy´, der erweiterten Familie, der inneren Familie. Da gibt es die Erfahrungen des Glaubensweges innerhalb einer Familie, die vielleicht von weniger Glauben zu mehr Glauben gewachsen ist. Alles das wird viel lebendiger, wenn es nicht die Theorie unserer Familie ist, sondern unsere eigenen Erfahrungen sind. Wir sprechen hier nicht abstrakt, wir sprechen von dem, was wir selber erleben und was uns begegnet.“

Die deutsche Sprachgruppe selbst sei eine sehr homogene Sprachgruppe, so der österreichische Kardinal. Diese Homogenität – also auch die ähnlichen Meinungen und Übereinstimmungen der vor allem aus Deutschland und Österreich kommenden Teilnehmern (manche aus Ungarn, Türkei etc.) sei ein Mangel an Vielseitigkeit, der vielleicht in anderen Sprachgruppen gegeben sei. Kardinal Schönborn stellte im Gespräch mit Radio Vatikan klar, dass in „seiner“ Gruppe, auch wenn es die Medien so annehmen, nicht gestritten wurde.

„Man hat von medialer Seite erwartet, wenn man die Namen der fünf Kardinäle liest – ‚da müssen die Fetzen geflogen sein, da muss also heftig gestritten worden sein – wurde nicht. Vielleicht liegt das auch daran, dass der erste Teil des Synodendokuments der Blick auf die Realität ist, in der wir leben und da besteht sicher sehr viel Einmütigkeit.“

Mehr Widerstand sei wohl im zweiten Teil, also in der nächsten Woche zu erwarten. Denn da gehe es um die Lehre und die pastorale Anwendung, doch diese Spannung sei wohl auch notwendig für den Fortschritt. (rv)

Ehe, Familie – was für ein (sprachliches) Durcheinander

Kardinal ErdöEiner der Herren, die an diesem Dienstag das Vorbereitungsdokument für die Synode vorstellten, war der ungarische Kardinal Peter Erdö, Generalrelator der zurückliegenden Bischofssynode. Er nahm vor den Journalisten das sprachliche Durcheinander aufs Korn, das in westlichen Gesellschaften gemeinhin beim Thema Ehe und Familie herrscht. Erstes Beispiel: Trennung und Scheidung. „Von Trennung spricht man eher in Ländern, wo die Scheidung erst vor relativ kurzer Zeit in das bürgerliche Gesetzbuch aufgenommen wurde. Woanders denkt man gar nicht mehr an Trennung, sondern schreitet bei einer Ehekrise sofort zur Scheidung. Man redet ja viel über die Würde der einzelnen Menschen, aber die Übersetzung dieser Wahrheit in eine Behördensprache führt manchmal zu widersprüchlichen Situationen.“

Zweites Beispiel: die wachsende Unklarheit des Ehebegriffs in Zeiten des Kampfrufes „Ehe für alle“. „Da zeigen sich Tendenzen, die den Begriff von Ehe, Familie und Elternschaft erweitern möchten. Dabei entleeren sie diese Begriffe aber ihres Sinns. Diese Verwirrung ist nicht hilfreich, um den spezifischen Charakter solcher sozialer Beziehungen zu definieren… Wie Papst Franziskus einmal gesagt hat: ‚Das Entfernen der Unterscheidung ist das Problem, nicht die Lösung!’“

Kardinal Erdö ging auch auf die komplizierten Fragen der kirchlichen Annullierung von Ehen ein. Es gebe einen wachsenden Konsens, dass Annullierungen schneller zu erreichen sein müssten. „Oft hat man von der Bedeutung des persönlichen Glaubens der zwei Ehepartner für die Gültigkeit ihrer kirchlichen Ehe gesprochen. In den Antworten (aus den Bistümern) zu diesem Punkt zeigt sich aber eine große Bandbreite von Ansätzen. Lehramt und kirchliche Gesetzgebung betonen, dass es unter Getauften keine gültige Ehe geben kann, die nicht gleichzeitig Sakrament ist: Trennt man eine gültige Ehe zweier Christen also vom sakramentalen Charakter der Ehe, dann wirft das große Schwierigkeiten in der Theorie auf. Denn dass eine Ehe ein Sakrament ist, ist ja nicht die Konsequenz aus dem ausdrücklich erklärten Willen der beiden Partner, sondern ergibt sich schon daraus, dass die beiden im Moment der Eheschließung nach dem Willen des Schöpfers Christus und die Kirche repräsentieren.“ (rv)

Kurienkardinal: „Recht und Barmherzigkeit gehören zusammen“

 Kardinal CoccopalmerioIm Recht gibt es Fälle, auf die Gesetze nicht anwendbar sind. Das sagt Kardinal Francesco Coccopalmerio, Leiter des Vatikanischen Justizministeriums, im Interview mit Radio Vatikan. Der Verantwortliche für die Gesetzestexte war gefragt worden, wie das große Thema des Pontifikates, die Barmherzigkeit, mit der Frage nach Recht und Gerechtigkeit zusammen passe. Dass die Barmherzigkeit im Gegensatz zum Recht gesehen oder interpretiert werde, sei falsch, so der Präsident des Päpstlichen Rates für die Gesetzestexte. „Recht und Spiritualität gehören zusammen".

In einer Morgenpredigt vor einiger Zeit hatte der Papst gesagt, wo es keine Barmherzigkeit gibt, gebe es auch keine Gerechtigkeit. „Gerechtigkeit üben ist im Grunde genommen ein Handeln aus Liebe," so Coccopalmerio. „Es bedeutet, auf andere zu antworten. Wir haben andere Menschen vor uns, die etwas brauchen. Ihnen zu begegnen und auf sie einzugehen, das ist Gerechtigkeit." Man könne nicht die Liebe von der Gerechtigkeit trennen oder die Gerechtigkeit von der Liebe.

Barmherzigkeit gegenüber dem Sünder

Barmherzig mit dem Sünder zu sein bedeute aber nicht, die Sünde zu akzeptieren, erläutert Coccopalmerio. Das sei auch Jesus schon vorgeworfen worden, stimme aber nicht. „Im Gegenteil, schauen wir auf die Ehebrecherin im Evangelium oder die Sünderin die Jesus die Füße wäscht, da sagt Jesus ihnen, nicht mehr zu sündigen. Aber der Blick Jesu geht nicht sofort auf die Sünde und die Verurteilung, sondern auf den Menschen." Das Sprechen von der Barmherzigkeit höhle das Verständnis von Fehler und Sünde nicht aus, „wir müssen sagen, dass es keine Rechtfertigung dessen gibt, was negativ ist. Es geht nur darum, einen Menschen anzunehmen, der unser Verständnis braucht."

Recht und Gesetz nicht immer anwendbar: Jurist muss auf Ausnahmefälle Rücksicht nehmen

Recht und Gesetz würden Verhalten vorschreiben, könnten aber auf keinen Fall alle möglichen Fälle berücksichtigen. Sie seien Ausdruck der Liebe, aber notwendigerweise generalisiert. „Manchmal muss man vom Recht absehen, weil der Mensch vor uns etwas braucht, was das Gesetz nicht vorausgesehen konnte." Ein wirklicher Jurist sei nicht jemand, der in jedem Fall das tue, was das Recht vorschreibe, sondern derjenige, der wisse, dass es Fälle außerhalb der Norm gebe, in denen das Gesetz keine Gültigkeit habe. „Er muss dann einen Sprung außerhalb des Gesetzes machen und sich fragen, was in diesem Augenblick das ist, was er für diese konkrete Person tun muss. Ein solcher Jurist ist einer, der das Recht weise anwendet."

Bischofssynode zu Ehe und Familie muss auf Barmherzigkeit basieren

Die Frage nach Recht und Barmherzigkeit stellt sich besonders dringlich mit Blick auf den Synodalen Prozess zu Ehe und Familie, den Papst Franziskus eingeleitet hatte, eine Versammlung der Bischofssynode hat sich im vergangenen Oktober bereits damit befasst. Die Synode sei aber nicht dazu zusammengetreten, um die Lehre der Kirche zum Thema Familie auf abstrakte Weise zu formulieren, so Kardinal Coccopalmerio. „Bei der Synode geht es um etwas anderes. Es geht darum, auf konkrete Bedürfnisse und konkrete Fragen zu antworten, die aus der Kirche und der Welt gestellt werden. Die Synode muss konkret werden, sie muss im Licht der Lehre solche Antworten geben. Der Papst hat als eines seiner Prinzipien des seelsorgerischen Leitens niemanden auszuschließen. Auch wenn jemand nicht so lebt, wie es unsere Lehre oder die Moral der Kirche vorsieht, muss die Synode diese Familien erreichen. Wir müssen uns fragen, was wir tun können, wie wir wirklich alle erreichen können. Ich denke, dass die Synode das bereits begonnen hat, dass es im Augenblick fortgesetzt wird und dass sie das sicherlich auch bei der Versammlung im Oktober tun wird." (rv)

Bilanzinterview 2014: „Kultur der Begegnung“ und Kurienreform

Pater LombardiDer Begriff, der das Papstjahr 2014 wahrscheinlich am besten charakterisiert, ist der der „Kultur der Begegnung“. In allen Begegnungen, bei allen Reisen, bei der Synode wie auch bei der Reform der Kurie könne man sehen, wie wichtig Papst Franziskus diese Kultur sei. Das sagt im Bilanzinterview mit Radio Vatikan der Pressesprecher des Papstes, Pater Federico Lombardi. „Der Papst hat eine Haltung und eine Weise, anderen Menschen zu begegnen, in der er sich selber ganz einbringt und den anderen dazu bringt, dasselbe zu tun“, so der Jesuitenpater. „So kann man sich wirklich tief begegnen, und so können auch Wege und Initiativen beginnen, sie sonst vielleicht blockiert waren oder sind, und das in einer Beziehung, die nicht nur formal oder oberflächlich ist.“

Lombardi nennt die ökumenischen Begegnungen und Gebete, die Bewegung zwischen den USA und Kuba, die Reisen nach Korea und ins Heilige Land, aber auch den genuinen Auftrag der Kirche, den Glauben zu verkünden: Überall sei diese Art des Papstes sichtbar geworden. Es sei allerdings nicht ganz einfach, einige wenige Worte oder Themen zu finden, um das Jahr zusammen zu fassen, so Lombardi weiter. Da gäbe es vieles zu nennen. Aber:

„Zu den wichtigsten Dimensionen des Pontifikates in diesem Jahr gehört sicherlich der interreligiöse Dialog; in der Türkei hat er das realisiert, wie auch zum Beispiel bei der Reise nach Albanien und beianderen Gelegenheiten. Mir scheint, dass dem Papst die Situation vor allem des Islam in der modernen Welt bewusst ist und dass er konstruktive Beziehungen sucht, vor allem durch Dialog, wo er möglich ist. Dazu gehört auch das Verurteilen des Missbrauchs des Glaubens durch die Gewalt.“
Bischofssynode: Nachdenken über das wirklich Wichtige

Zu den wichtigen und vielleicht unterschätzten Ereignissen des Jahres gehörten die selig bzw. heilig gesprochenen Päpste des 20. Jahrhunderts, Johannes XXIII., Johannes Paul II. und Paul VI. Hier habe sich vor allem die Aktualität des Zweiten Vatikanischen Konzils gezeigt. Medial sichtbarer dagegen sei die Bischofssynode gewesen und das Thema Familie, das dort behandelt wurde.

„Das ist eine mutige Aufgabe, denn der Papst hat hier Themen auf den Tisch gelegt, die schwierig und delikat sind. Aber es ist notwendig, dass darüber gesprochen wird. Wir wünschen dem Papst von ganzem Herzen, dass es ihm gelingt, die Kirche in Richtung eines Nachdenkens über die wirklich wichtigen Dinge zu bringen, wenn es um die Familie geht – ohne sich von anderen Themen, die vielleicht wichtig sind, aber nur am Rande, ablenken zu lassen. Diese können polemisch werden, ohne die wirklich wichtigen Punkte zu betreffen, nämlich wie wir als Christen diesen wichtigsten Teil des Lebens leben.“

Natürlich habe der Papst auch sein wichtigstes Anliegen 2014 fortgeführt, in ganz verschiedenen Ereignissen, Ansprachen und Begegnungen: Die Aufmerksamkeit für die Armen und die leidenden Menschen. Hier habe es einen besonderen Fokus gegeben. „Nehmen wir zum Beispiel die Friedensbotschaft des Papstes für das kommende Jahr gegen die neuen Formen der Sklaverei: Zu diesem Thema gibt es viele Initiativen des Vatikan, der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften, der Ordensgemeinschaften, gegen den Menschenhandel und gegen andere Formen der Gewalt und der Sklaverei heute. Ich würde sagen, dass dem Papst hier eine Mobilisierung der Kirche gelungen ist und darüber hinaus eine Mobilisierung anderer Menschen guten Willens, genau zu diesem Thema.“
Reformen beginnen im Herzen

Ein weiteres Anliegen, das ihm bereits bei seiner Wahl mitgegeben wurde, sei ebenfalls weitergeführt worden: die Reform der römischen Kurie. Besonders durch die Ansprache beim Weihnachtsempfang mit ihrer Aufzählung der „fünfzehn Krankheiten“ sei die zentrale Bedeutung dieser Reform noch einmal betont worden, so Lombardi. Der Papst wolle eine „Kirche im Aufbruch“, und dazu solle die Kurie eine Hilfe sein. „Mir scheint es hier besonders wichtig, zu betonen, dass für den Papst das Herz jeder Reform im Inneren liegt: Die Reformen beginnen sozusagen im Herzen. ‚Reform’ ist ein ständiges Thema des christlichen Lebens und darf nicht nur oberflächlich blieben, bloß organisatorisch.“ Natürlich dürfe man dabei aber die Wichtigkeit der Strukturreform nicht unterschätzen, die sei auch 2014 weiter gegangen. Es brauche allerdings noch Zeit für die Reflexion und für weitere Beratungen.

Was ist es, was für den Papstsprecher das vergangene Jahr am besten beschreibt? Es ist die vom Papst immer wieder beschworene Kultur der Begegnung. „Hinter dem Begriff der ‚Kultur der Begegnung’, den ich zu Beginn selber unterschätzt habe, findet sich das auf den anderen Zugehen, und das in vielen Dimensionen: der religiösen, der geistlichen, aber auch der ökumenischen und politischen. Es ist eine der Charakteristiken dieses Pontifikates.“ (rv)

Synode: „Großherzig, in wahrer Freiheit und in demütiger Kreativität“

VatikanplatzMit einem feierlichen Pontifikalamt im Petersdom ist am Sonntag die Sonderversammlung der Bischofssynode eröffnet worden. Zwei Wochen lang debattieren die Synodenteilnehmer über die „Pastoralen Herausforderungen im Hinblick auf die Familie im Kontext der Evangelisierung“.

Im Petersdom konzelebrierten die Synodenteilnehmer: Das sind die Vorsitzenden der Bischofskonferenzen, die Patriarchen und einige Kurienkardinäle. Außerdem dabei eine ganze Reihe von Ehepaaren und anderen Experten, die vom Papst zur Synode eingeladen worden waren.

In seiner Predigt forderte der Papst zu Großherzigkeit und demütiger Kreativität auf. Mit Blick auf das Sonntagsevangelium von den Arbeitern im Weinberg sagte er, die Bischöfe dürften nicht den Fehler machen, den Weinberg als ihr Eigentum zu betrachten und ihre eigenen Vorstellungen durchzusetzen. Gott habe einen eigenen Traum mit seinem Volk, der nicht durch die Habgier und Herrschsucht der Hirten durchkreuzt werden dürfe. Die schlechten Hirten legten den Menschen unerträgliche Lasten auf, die selber noch nicht mal mit einem Finger bewegen könnten.

„Die Synodenversammlungen sind nicht dazu da, schöne und originelle Ideen zu diskutieren oder zu sehen, wer intelligenter ist… Sie sind dazu da, den Weinberg des Herrn besser zu pflegen und zu hüten, an seinem Traum, seinem Plan der Liebe für sein Volk mitzuarbeiten. In diesem Fall verlangt der Herr von uns, uns um die Familie zu kümmern, die von Anfang an ein wesentlicher Bestandteil seines Liebesplans für die Menschheit war.“

Auch für die Bischöfe könne es die Versuchung geben, aus Gier, die in uns Menschen immer vorhanden ist, den Weinberg „an sich zu reißen“.

„Der Traum Gottes kollidiert stets mit der Heuchelei einiger seiner Diener. Wir können den Traum Gottes „vereiteln“, wenn wir uns nicht vom Heiligen Geist leiten lassen. Der Geist schenkt uns die Weisheit, die über die Lehre das Wissen hinausgeht, um großherzig in wahrer Freiheit und demütiger Kreativität zu arbeiten.“

Franziskus rief zur Einheit unter den Bischöfen auf:

„Liebe Mitbrüder in der Synode, um den Weinberg gut zu pflegen und zu hüten, ist es nötig, dass unsere Herzen und unsere Gedanken in der Gemeinschaft mit Jesus Christus bewahrt sind durch den »Frieden Gottes, der alles Verstehen übersteigt« (Phil 4,7). So wird unser Denken und Planen mit dem Traum Gottes übereinstimmen: sich ein heiliges Volk heranzubilden, das ihm gehört und die Früchte des Reiches Gottes bringt (vgl. Mt 21,43).“ (rv)

Synode: Jeden Tag eine Zusammenfassung

Kardinal BaldisseriDer Vatikan hat die Teilnehmer der bevorstehenden Bischofssynode gebeten, ihre Redebeiträge schon im voraus einzuschicken. Das sagt der Sekretär der Synode, Kardinal Lorenzo Baldisseri, in einem Interview mit der Internetseite korazym.org. Die Synodenväter sollten ihre Texte bei den Sitzungen der Synode nicht vorlesen, sondern „in vier Minuten zusammenfassen und auch ergänzen“. Anders als bei bisherigen Bischofssynoden würden die Beiträge der Synodenteilnehmer danach nicht veröffentlicht; stattdessen gebe es jeden Tag ein Journalisten-Briefing. Kardinal Baldisseri wörtlich: „Und dann wird es einen Text des Vatikanischen Pressesaals geben, als Zusammenfassung der Arbeiten des Tages.“ Dass diesmal Synodentexte anders als früher nicht veröffentlicht würden, hänge auch mit dem ausserordentlichen Charakter der bevorstehenden Bischofssynode zusammen. „Am Ende wird es ein Synodendokument – keine Propositiones (Vorschläge) – geben, das alle geleistete Arbeit resümiert. Darüber wird abgestimmt, und wenn es angenommen ist, wird es dem Heiligen Vater überreicht, der darüber entscheiden wird, ob es veröffentlicht wird oder nicht.“ Außerdem werde die Synode auch diesmal eine „Botschaft an das Volk Gottes“ formulieren. Nach der folgenden Bischofssynode von 2015 werde es dann ein Schlussdokument geben, so Kardinal Baldisseri.

Die bevorstehenden Bischofssynoden vom Oktober 2014 und 2015 beschäftigen sich im Vatikan mit der kirchlichen Lehre zu Ehe und Familie. Die erste Synode in diesem Herbst – eine außerordentliche – soll vor allem über den Jetzt-Stand beraten; auf der zweiten Synode im Oktober 2015 sollen dann auch Beschlüsse fallen. (rv

Papst informiert sich bei Bischofssynode

Kardinal ErdöDer ordentliche Rat der Bischofssynode hat den ersten Entwurf des Vorbereitungspapiers für die kommende außerordentliche Versammlung der Weltbischofssynode zum Thema Ehe- und Familienpastoral besprochen. Am ersten Sitzungstag der zweitägigen Beratungen am Dienstag und Mittwoch habe auch der Papst teilgenommen, heißt es in einer Erklärung des Gremiums von diesem Freitag. Außerdem sei die neue Methodik präsentiert worden, die bei der Tagung der Synode zur Anwendung kommen soll. Worum es sich handelt, geht aus der Mitteilung nicht hervor.

An den Beratungen nahmen unter anderem Kardinal Peter Erdö in seiner Funktion als Generalrelator der Familiensynode sowie die Kardinäle André Vingt-Trois (Paris), Raymundo Damasceno Assis (Aparecida) und Luis Antonio Tagle (Manila) teil. Der Generalsekretär der Synode, Kardinal Lorenzo Baldisseri, habe dem Papst für die Erhebung des Untersekretärs der Bischofssynode in den Bischofsstand gedankt: Damit werde die Kollegialität der Synode weiter verstärkt, so Baldisseri laut der Presseerklärung. Fabio Fabene war vom Papst nur zwei Monate nach seiner Ernennung zum Untersekretär der Bischofssynode in den Bischofsstand erhoben worden.

Die Außerordentliche Synode findet vom 5.-19. Oktober 2014 zum Thema „Herausforderungen der Familie im Kontext der Evangelisierung“ im Vatikan statt. Fortgesetzt werden die Beratungen ein Jahr später auf einer ordentlichen Synode zum selben Thema, die mit der Verabschiedung eines Dokumentes abgeschlossen werden wird. (rv)