Synode: Abstrakte Glaubenslehre vs. Seelsorge

 Kardinal CoccopalmerioDer Präsident des Päpstlichen Rates für die Gesetzestexte, Kardinal Francesco Coccopalmerio, sieht in der Diversität der einzelnen 13 Sprachgruppen vor allem eine „Bereicherung“. Die Sprachgruppen werden in den kommenden Tagen die Basistexte zu neuen Fassungen formulieren. Die Gruppen seien im Allgemeinen von dem „freundschaftlichen und geschwisterlichen Umgang“ der Bischöfe geprägt: „Ich würde sagen, es gibt vor allem sehr viel Geschwisterlichkeit, vor allem in den Sprachgruppen (circoli minores), jetzt wo man sich besser kennt, spricht man freier. Das hat eine große Bedeutung, denn der Papst hat dies hervorgehoben. Die anderen Meinungen werden mehr geschätzt, auch wenn sie sich unterscheiden. Das scheint mir sehr positiv.“

Er wünsche sich einen weiteren Verlauf der Synode in einem friedlichen und geschwisterlichen Ambiente. Die Glaubenslehre selbst solle nicht verändert werden, denn sie sei für den Menschen. Man solle vielmehr den Menschen in seinem Leiden betrachten, und dann in der Glaubenslehre die richtigen Ansatzpunkte dafür suchen und nicht in einer umgekehrten Reihenfolge. Denn die Glaubenslehre „sei für das Gute der Menschen“ und das Pastorale sei „das Gute der Menschen“.

„Man kann sagen, dass wir eine abstrakte Glaubenslehre dem Pastoralen gegenüberstellen, aber nicht die Glaubenslehre dem Pastoralen. Die Lehre muss nämlich, in ihrem innersten Kern, konkrete Probleme beleuchten und lösen.“

Mit der Vereinfachung des Verfahren der Ehe- Annullierung für Katholiken habe Papst Franziskus bereits eine erste Antwort, auf den ersten Teil der Synode gegeben, so der kirchliche Rechtsexperte. Dadurch seien die Ehenichtigkeitserklärungen zwar schneller möglich, aber das Ziel sei es in dem Eheannullierungsprozess die Wahrheit, die Realität herauszufinden. „Das ist ein fundamentales Postulat. Die Geschwindigkeit, aber, soll die Wahrhaftigkeit der Untersuchung und des Beschlusses nicht belasten“, betont Kardinal Coccopalmerio. (rv)

Kurienkardinal: „Recht und Barmherzigkeit gehören zusammen“

 Kardinal CoccopalmerioIm Recht gibt es Fälle, auf die Gesetze nicht anwendbar sind. Das sagt Kardinal Francesco Coccopalmerio, Leiter des Vatikanischen Justizministeriums, im Interview mit Radio Vatikan. Der Verantwortliche für die Gesetzestexte war gefragt worden, wie das große Thema des Pontifikates, die Barmherzigkeit, mit der Frage nach Recht und Gerechtigkeit zusammen passe. Dass die Barmherzigkeit im Gegensatz zum Recht gesehen oder interpretiert werde, sei falsch, so der Präsident des Päpstlichen Rates für die Gesetzestexte. „Recht und Spiritualität gehören zusammen".

In einer Morgenpredigt vor einiger Zeit hatte der Papst gesagt, wo es keine Barmherzigkeit gibt, gebe es auch keine Gerechtigkeit. „Gerechtigkeit üben ist im Grunde genommen ein Handeln aus Liebe," so Coccopalmerio. „Es bedeutet, auf andere zu antworten. Wir haben andere Menschen vor uns, die etwas brauchen. Ihnen zu begegnen und auf sie einzugehen, das ist Gerechtigkeit." Man könne nicht die Liebe von der Gerechtigkeit trennen oder die Gerechtigkeit von der Liebe.

Barmherzigkeit gegenüber dem Sünder

Barmherzig mit dem Sünder zu sein bedeute aber nicht, die Sünde zu akzeptieren, erläutert Coccopalmerio. Das sei auch Jesus schon vorgeworfen worden, stimme aber nicht. „Im Gegenteil, schauen wir auf die Ehebrecherin im Evangelium oder die Sünderin die Jesus die Füße wäscht, da sagt Jesus ihnen, nicht mehr zu sündigen. Aber der Blick Jesu geht nicht sofort auf die Sünde und die Verurteilung, sondern auf den Menschen." Das Sprechen von der Barmherzigkeit höhle das Verständnis von Fehler und Sünde nicht aus, „wir müssen sagen, dass es keine Rechtfertigung dessen gibt, was negativ ist. Es geht nur darum, einen Menschen anzunehmen, der unser Verständnis braucht."

Recht und Gesetz nicht immer anwendbar: Jurist muss auf Ausnahmefälle Rücksicht nehmen

Recht und Gesetz würden Verhalten vorschreiben, könnten aber auf keinen Fall alle möglichen Fälle berücksichtigen. Sie seien Ausdruck der Liebe, aber notwendigerweise generalisiert. „Manchmal muss man vom Recht absehen, weil der Mensch vor uns etwas braucht, was das Gesetz nicht vorausgesehen konnte." Ein wirklicher Jurist sei nicht jemand, der in jedem Fall das tue, was das Recht vorschreibe, sondern derjenige, der wisse, dass es Fälle außerhalb der Norm gebe, in denen das Gesetz keine Gültigkeit habe. „Er muss dann einen Sprung außerhalb des Gesetzes machen und sich fragen, was in diesem Augenblick das ist, was er für diese konkrete Person tun muss. Ein solcher Jurist ist einer, der das Recht weise anwendet."

Bischofssynode zu Ehe und Familie muss auf Barmherzigkeit basieren

Die Frage nach Recht und Barmherzigkeit stellt sich besonders dringlich mit Blick auf den Synodalen Prozess zu Ehe und Familie, den Papst Franziskus eingeleitet hatte, eine Versammlung der Bischofssynode hat sich im vergangenen Oktober bereits damit befasst. Die Synode sei aber nicht dazu zusammengetreten, um die Lehre der Kirche zum Thema Familie auf abstrakte Weise zu formulieren, so Kardinal Coccopalmerio. „Bei der Synode geht es um etwas anderes. Es geht darum, auf konkrete Bedürfnisse und konkrete Fragen zu antworten, die aus der Kirche und der Welt gestellt werden. Die Synode muss konkret werden, sie muss im Licht der Lehre solche Antworten geben. Der Papst hat als eines seiner Prinzipien des seelsorgerischen Leitens niemanden auszuschließen. Auch wenn jemand nicht so lebt, wie es unsere Lehre oder die Moral der Kirche vorsieht, muss die Synode diese Familien erreichen. Wir müssen uns fragen, was wir tun können, wie wir wirklich alle erreichen können. Ich denke, dass die Synode das bereits begonnen hat, dass es im Augenblick fortgesetzt wird und dass sie das sicherlich auch bei der Versammlung im Oktober tun wird." (rv)

Papst: Gespräche mit führenden Vatikan-Kardinäle

 Kardinal CoccopalmerioPapst Franziskus setzt am Donnerstag seine Gespräche mit führenden Vatikan-Kardinälen fort. Zunächst empfing er seinen „Justizminister" Kardinal Francesco Coccopalmerio, den Präsidenten des Päpstlichen Rates für die Interpretation von Gesetzestexten. Für den Nachmittag stehe eine Unterredung mit dem früheren Präfekten der Ordenskongregation, dem slowenischen Kardinal Franc Rodé, auf dem Papstprogramm, teilte das vatikanische Presseamt mit. Mit dessen Nachfolger, dem brasilianischen Kardinal Joao Braz de Aviz, war der Papst bereits Ende März, zehn Tage nach seiner Wahl zusammengetroffen. Franziskus, der am 13. März ins Papstamt gewählt wurde, verschafft sich derzeit in Einzelgesprächen mit Kardinälen und weiteren vatikanischen Persönlichkeiten einen Überblick über die Arbeit und die Aufgaben der römischen Kurie und Kirchenleitung. (rv)

Kardinal Coccopalmerio: „Kurie darf kein Klotz am Bein sein“

 Kardinal Coccopalmerio„Die Kurie darf kein Klotz am Bein des Papstes sein, sondern soll ihm dabei helfen, seine Arbeit zu tun." Mit diesen Worten fasst der Kirchenrechtler Kardinal Francesco Coccopalmerio den Sinn der geplanten Kurienreform zusammen. Der Papst hatte am 13. April ein achtköpfiges Kardinalsgremium mit einer Reform des Verwaltungsapparates der römisch-katholischen Kirche beauftragt und empfing an diesem Montagmorgen ein Mitglied dieser Kommission, den Erzbischof von Sydney, Georg Pell. Coccopalmerio ist Präsident des Päpstlichen Rates für die Gesetzestexte und hat bereits im Vorkonklave Vorschläge zu einer Kurienreform gemacht. Im Interview mit der italienischen Tageszeitung „Corriere della Sera" von diesem Montag erklärt er, wie die Reform aussehen könnte, über die Anfang Oktober zum ersten Mal offiziell beraten werden soll.

Im Zuge der Umstrukturierungen könnte eine neue Figur in der römischen Kurie auftauchen, so Kardinal Coccoplamerio im Interview mit dem Corriere: ein „Moderator Curiae Romanae", der in der Arbeit der Kurie einen reibungslosen Ablauf garantieren soll. Coccopalmerio hatte bereits in seiner Zeit als Weihbischof in Mailand eine solche Stelle im Erzbistum geschaffen und stellt sich jetzt etwas Ähnliches für Rom vor: Ein möglicher „Kurienmoderator" dürfte sich keineswegs „zwischen den Papst und die Dikasterien stellen", präzisiert er, auch würde er eng mit dem Kardinalstaatssekretär zusammenarbeiten: „Der Moderator ist es, der die Kurie funktionieren lässt. Wenn ein Dikasterium eine besondere Aufgabe hat, muss er sich zum Beispiel fragen, welche Mittel es braucht, ob es genug qualifiziertes Personal hat usw., und er muss in Folge alle diesbezüglichen Schritte organisieren."

Coccopalmerio grenzt die Figur eines solchen Mittelsmannes klar vom Kardinalstaatssekretär ab: „Das sind verschiedene Rollen. Das Staatssekretariat hilft dem Papst direkter, der Staatssekretär ist eine nach außen gerichtete Figur und kümmert sich an der Seite des Papstes um die Probleme der universellen Kirche. Die Aufgabe des Moderators ist dagegen auf die römische Kurie begrenzt, damit diese besser funktioniert."

Unter einer besseren Funktionsweise der Kurie versteht Coccopalmerio in erster Linie mehr Effizienz bei Unterstützung des Papstes und insbesondere einen ständigen und häufigen Kontakt zwischen Papst und Dikasterien, zum Beispiel in Form eines Treffens der Leiter der Dikasterien mit Franziskus „einmal im Monat". Coccopalmerio: „Der Papst muss wissen, was jeder tut und sein Urteil dazu abgegeben: ,das ist in Ordnung, das nicht, man könnte das verbessern, das hinzufügen‘. Denn in dem Moment, wo er sagt, ,das ist in Ordnung‘, handelt der Papst ja durch die Kompetenz der jeweils von ihm bestimmten Personen."

Das vom Papst ins Leben gerufene achtköpfige Beratungsgremium für die Kurienreform, deren Mitglieder aus allen Erdteilen kommen, könnte laut Kardinal Coccopalmerio auch zu einer ständigen Einrichtung werden. Denkbar sei auch, so der Kardinal weiter, ein ständiges Beratergremium aus zwei, drei Kardinälen im Vatikan einzurichten, das den Papst in anderen Fragen berät.

Im Mittelpunkt der Kurienreform soll eine Überarbeitung der Kurienverfassung „Pastor Bonus" aus dem Jahr 1988 stehen. Mit Einsetzung der Kommission hat Franziskus auf Vorschläge der Generalkongregationen vor dem vergangenen Konklave reagiert; dort war die Kurienreform ein virulentes Thema. Mitglieder der Kommission sind neben dem Koordinator der Gruppe, Oscar Andres Rodriguez Maradiaga, der US-Kardinal Sean Patrick O’Malley, Kardinal Giuseppe Bertello, Präsident des Governatorats, der emeritierte Erzbischof von Santiago de Chile, Kardinal Francisco Javier Errazuriz Ossa, der Erzbischof von Bombay, Oswald Gracias, der Münchner Erzbischof Reinhard Marx, der Erzbischof von Kinshasa, Laurent Monsengwo Pasinya, und der Erzbischof von Sydney, Georg Pell. (rv)

Tagung zum Kirchenrecht: „Eheprozesse strenger führen!“

Kirchliche Verfahren über eine Nichtigkeit von Ehen müssen künftig strenger geführt werden. Das fordert der vatikanische Justizminister, Kardinal Francesco Coccopalmerio. Die Kirche müsse besser aufpassen, dass diese Prozesse nicht missbraucht werden von Paaren, die eine Nichtigkeit ihrer Ehe nur vortäuschten.

„Ein Missbrauch liegt dann vor, wenn jemand genau weiß, dass seine Ehe gültig eingegangen ist, aber sich gleichzeitig trotzdem bei der Kirche um eine Nichtigkeitserklärung bemüht. Hier müssen wir an die Korrektheit nicht nur der zwei betroffenen Eheleute appellieren, sondern auch an die der Anwälte. Sie dürfen sich keinesfalls nur von wirtschaftlichen Interessen leiten lassen!"

Das katholische Kirchenrecht sieht in bestimmten Fällen vor, dass eine kirchliche Ehe für nichtig erklärt werden kann. Hierbei handelt es sich nicht um eine Scheidung, sondern um die offizielle Feststellung, dass eine solche Ehe im katholischen Sinne nie bestanden hat. Mögliche Gründe für eine Nichtigkeitserklärung sind Formfehler oder etwa die Vortäuschung eines Kinderwunsches durch einen der Brautleute.

„Wir brauchen eine sorgfältigere Vorbereitung der Brautleute: Dieser Moment vor der Heirat ist derjenige, in dem eine Ehe aufgebaut wird – im Bewußtsein der Partner, in ihrer Zustimmung. Und darum muss es schon bei Jugendlichen in der Katechese eine Erziehung zur Ehe und speziell zu ihrer Unauflöslichkeit geben. Die jungen Leute müssen schon dafür sensibilisiert sein – nicht erst, wenn sie heiraten wollen, sondern schon früher. Je mehr die Substanz der Ehe, darunter ihre Unauflöslichkeit, wirklich verstanden wird, umso mehr werden die Ehenichtigkeits-Verfahren auf ein Minimum zurückgehen."

Die beiden zuständigen vatikanischen Gerichtshöfe seien der Aufforderung von Papst Benedikt XVI., nicht einseitig nur nach Gesichtspunkten der Barmherzigkeit zu entscheiden, schon nachgekommen, so Coccopalmerio, den Papst Benedikt unlängst zum Kardinal erhoben hat. Diesem römischen Vorbild müssten nun auch die anderen Beteiligten folgen.

„Es stimmt schon, dass wir in einer gewissermaßen vergifteten Atmosphäre leben, in der die Ehe nur noch als eine Art Vertrag gesehen wird – als könnte man seinen Partner, an den man sich für das ganze Leben gebunden hat, irgendwann wieder loswerden, wie etwas, das überflüssig geworden ist. Es ist furchtbar, wenn die Ehe mit solcher Leichtigkeit, Oberflächlichkeit, mangelndem Respekt für die Person angegangen wird, aber leider ist das die Atmosphäre, in der wir leben."

Kardinal Coccopalmerio ist Präsident des Päpstlichen Rates für die Interpretation von Gesetzestexten. Er äußerte sich anlässlich einer Kirchenrechtstagung an der päpstlichen Opus-Dei-Universität Santa Croce in Rom. Die am Donnerstag eröffnete zweitägige Konferenz befasst sich mit einer möglichen Reform der Kriterien, nach denen eine Eheschließung aus katholischer Sicht ungültig ist. (rv)