Großbritannien: Nein zu Bischöfinnen

Die Abstimmung der Generalsynode der „Church of England" ist denkbar knapp ausgegangen, und das trotz des beachtlichen Einsatzes, den der bisherige und der neue Primas – vergeblich – gezeigt hatten: Die anglikanische Generalsynode in London hat am Dienstagabend die Zulassung von Frauen zum Bischofsamt abgelehnt, im dritten von drei Gremien fehlten letztlich ganze sechs Stimmen. Damit bleibt der von Spaltungstendenzen geplagten Kirchengemeinschaft eine ihrer wichtigsten Streitfragen auf Jahre erhalten. Und der designierte neue Primas und Hoffnungsträger Justin Welby ist in seiner Autorität beschädigt, noch bevor er sein Amt angetreten hat.

Es war die erwartete kraftvolle Rede, mit der Welby, über Jahre erfolgreicher Finanzmanager im Ölgeschäft, vor der Synode für die Zulassung von Bischöfinnen warb. Es sei Zeit, diese Aufgabe zu vollenden, forderte der Bischof von Durham die Delegierten auf. Seit ihrer Zulassung zum Priesteramt vor 20 Jahren hätten Frauen in allen Bereichen der Kirche mit viel Energie gewirkt. Die anglikanische Kirche müsse nun zeigen, dass sie Vielfalt ohne Spaltung verwirklichen könne.

Und der scheidende Amtsinhaber Rowan Williams, der wohl mehr als jeder andere unter dem Dauerstreit gelitten hatte, sprang ihm in einem seiner letzten großen Auftritte als Primas zur Seite: Es sei „Zeit, die Seite umzublättern" und nach vorne zu blicken. Ein Nein, so Williams, würde zudem ein negatives Signal an die Gesellschaft senden. Das ist nun geschehen – obwohl die Mehrheit für Bischöfinnen eigentlich erdrückend ausfiel: 44 zu 3 bei den Bischöfen, 148 zu 45 bei den Geistlichen – aber eben nur 132 zu 74 bei den Laien, womit die Zweidrittelmehrheit knapp verfehlt worden ist. Der Bischof von Norwich, Right Reverend Graham Jones ist einer der Befürworter des Bischofsamtes für Frauen. Im BBC-Interview verlieh er seiner Enttäuschung über das Abstimmungsergebnis Ausdruck:

„Es ist natürlich sehr enttäuschend, dass die Wahl so knapp verloren gegangen ist, aber es ist zu bedenken, dass die Generalsynode an sich mit überwältigender Mehrheit für die Bischofsweihe von Frauen gestimmt hat. Allerdings hat die Church of England in der Tat eine sehr hohe Hürde gesetzt, denn man braucht, um eine Abstimmung zu gewinnen, die Zweidrittelmehrheit in allen drei Häusern. Natürlich ist das ein Zeichen dafür, dass wir so viele Menschen wie möglich mit uns bringen wollen und das ist auch eine große Herausforderung für alle, die dagegen gestimmt haben aber sich gleichzeitig mit dem Gedanken tragen, in welcher Weise man vorgehen könnte, um Frauen doch zu Bischöfen zu machen. Es ist eine große Verantwortung für sie und alle Bischöfe in Führungspositionen, das so bald als möglich wahr werden zu lassen."

Schon als man sich Anfang der 90er Jahre in der englischen Mutterkirche sowie in mehreren Nationalkirchen zur Freigabe des Frauenpriestertums entschloss, führte das die anglikanische Gemeinschaft an den Rand der Spaltung. Auch damals hatte der Beschluss in der englischen Generalsynode eine hauchdünne Mehrheit: Hätten nur drei Delegierte der Laien anders votiert, wäre er gescheitert. Bischof Jones gibt sich aber nicht geschlagen:

„Ich erkenne an, dass viele Frauen sehr enttäuscht sein müssen, aber was ich betonen möchte, ist, dass die Bischöfe selbst mit überwältigender Mehrheit für die Weihe von Frauen zu Bischöfen gestimmt haben, auch der Klerus wählte mit einer großen Mehrheit dafür, nur im Haus der Laien ist die Wahl sehr knapp dagegen entschieden worden. Ich denke, das ist ein Zeichen dafür, dass es einen Willen von vielen Teilnehmern der Generalsynode gibt, eine Formulierung zu finden, mit der man sich einigen kann, und ich hoffe, es wird nicht allzu viele Jahre dauern, bevor das passiert."

Auch diesmal, 20 Jahre später, war das „Haus der Laien" also das Zünglein an der Waage. Nur sind die Verästelungen all der Bedingungen, Kompromisse, Zusatzvereinbarungen und Hintertüren, die die Weihe von Bischöfinnen möglich machen sollten, noch unübersichtlicher geworden. Traditionalistische Pfarreien, die eine Pfarrerin oder Bischöfin ablehnen, sollten Anspruch auf Seelsorge durch einen männlichen Pfarrer oder Bischof haben. Frauen hätten damit nur eine „Weihe zweiter Klasse" erhalten, meinten Kritiker. Zoe Ham von der Traditionalisten-Vereinigung Church Society sieht das Ergebnis hingegen positiv::

„Ich bin froh, dass der Vorschlag in seiner heutigen Form abgelehnt worden ist denn ich denke, dass es nicht in ausreichender Weise die Vorstellungen derjenigen einbezogen hat, die nach dem biblischen Vorbild davon ausgehen, dass Mann und Frau unterschiedliche Rollen in der Kirche spielen sollten. Ich hätte mir eine größere Klarheit für diejenigen erwartet, die eine andere Meinung vertreten und denen es nicht möglich wäre, eine Frau als Bischöfin zu akzeptieren. Es wäre eine klare Alternative für diese Leute nötig gewesen."

Schon im Vorfeld der Abstimmung gingen die Wogen hoch; Gegner wie Befürworter unterzeichneten Memoranden, gaben Interviews, beschworen die Kircheneinheit oder die Gefahr innerer Spaltung. Das Scheitern des Projekts am Dienstagabend dürfte der Startschuss für eine neue Welle der Diskussionen sein. Währenddessen durfte sich, sehr weit weg, Ellinah Wamukoya über einen großen Tag freuen: Die 61-Jährige wurde zur ersten anglikanischen Bischöfin Afrikas geweiht. Sie leitet künftig eine Diözese im konservativen Königreich Swasiland. (rv)

Italien: Statue von Papst Johannes Paul II. überarbeitet

Die überarbeitete Statue von Papst Johannes Paul II. ist vor dem römischen Hauptbahnhof „Termini" enthüllt worden. Die von dem italienischen Künstler Oliviero Rainaldi entworfene fünf Meter hohe Bronzestatue hat nun ein menschlicheres Aussehen als die im Mai vergangenen Jahres enthüllte erste Version. Diese war vor allem kritisiert worden, weil der Kopf des Papstes in unnatürlichem Winkel auf einem ziemlich eckig geratenen Umhang saß. Bei der überarbeiteten Statue fällt der Umhang, der symbolisch als Schutzmantel für Bedürftige stehen soll, nun sanfter herab. Der Kopf sitzt außerdem weiter vorn und entspricht so eher den menschlichen Proportionen. Rainaldi zeigte sich in der italienischen Tageszeitung „La Repubblica" zufrieden. „Letztendlich haben wir es geschafft", sagte er. (rv)

Kard. Vegliò: „Reiche Länder könnten Piraterie stoppen“

Der Heilige Stuhl fordert einen neuen Ansatz des Westens im Kampf gegen die Piraterie vor allem am Horn von Afrika und im Indischen Ozean. Waffen und Patrouillen alleine reichten nicht aus, sagte uns Kardinal Antonio Maria Vegliò vom Päpstlichen Migrantenrat am Rand eines Kongresses über Seefahrer-Seelsorge im Vatikan.

„Was uns am meisten besorgt, ist das Leben der Seeleute und ihrer Familie, das von Piraten in Gefahr gebracht oder langfristig mit sehr starkem Druck und großer Angst belastet wird. In letzter Zeit beobachten wir vor allem ein Anwachsen der Gewalt beim Umgang mit Geiseln, und die Zeiten der Geiselnahme werden länger, die Verhandlungsposition von Geiselnehmern immer stärker. 2009 waren Geiseln, Schiffe und Ladung durchschnittlich 45 Tage in der Hand von Piraten: Heute sind wir bei 180 Tagen!"

Vegliò fordert die großen Schiffstransportunternehmen auf, die Besatzungen besser darauf vorzubereiten, „was ihnen in diesen gefährlichen Gewässern alles passieren kann" und was sie tun können, um sich und ihre Familien zu schützen. Der Kardinal sieht große Mängel bei der Betreuung der Angehörigen von Seeleuten.

„Keiner denkt an die psychologische und moralische Hilfe, die diese Menschen brauchen; zu oft werden die Angehörigen über das Wohlergehen der Besatzung im Dunkeln gelassen, vor allem aus Sicherheitsgründen. Es fehlen Aussteigemöglichkeiten und Umschulungsangebote für Seeleute, die nach einem Schock wegen eines Piraterie-Erlebnisses nicht mehr auf einem Schiff arbeiten können. Der bloße Rückgriff auf Waffen, um die Schiffe und die Besatzung zu verteidigen, kann keine erschöpfende Antwort auf das Phänomen der Piraterie sein – auch weil die Piraten skrupellos sind, die haben ja nichts zu verlieren!"

Kardinal Vegliò fordert darum ein Umdenken in westlichen Regierungszentralen:

„In Weltgegenden wie Somalia, wo Menschen verhungern, könnten die reichen Staaten sicher einen entscheidenden Dialog in Gang bringen: Wenn sie sich verpflichten, den Hunger zu bekämpfen und der Bevölkerung eine Lebenschance zu erschließen, dann zeigen sie ihr einen anderen Weg zum Überleben, eine Alternative zum Verbrechen. Für diesen Ansatz gibt es erfolgreiche Modelle: Auf unserem Kongress im Vatikan tritt ein Anwalt auf, der oft mit somalischen Piraten verhandelt hat. Es ist ihm gelungen, Dutzende von Schiffen und ihrer Besatzung wieder aus der Hand der Piraten zu befreien." (rv)

Hintergrund: Benedikts Jesus-Bücher

Das erste Mal spricht Joseph Ratzinger 2002 in einem Interview mit Radio Vatikan von seinem Projekt, ein Buch über Jesus zu schreiben. Er ist damals 75 Jahre alt, Kardinal, Chef der römischen Glaubenskongregation. Und rechnet damit, in fünf Jahren in Ruhestand zu gehen. Dafür will er sich nicht zuviel vornehmen:

„Was mir aber besonders am Herzen läge, wäre, noch ein Buch über Jesus Christus zu schreiben. Wenn mir das geschenkt würde, wäre das sozusagen der Wunsch, den ich vor allem trage. Und damit verbindet sich auch der Wunsch, dass ich genügend Zeit und Freiheit finde, um das zustande zu bringen."

Joseph Ratzinger ist – so wird er es selbst später einmal formulieren – zu seinem Jesusbuch „lange innerlich unterwegs gewesen". Ihm steht ein „Bild Jesu Christi" vor Augen, „wie er als Mensch auf Erden lebte, aber – ganz Mensch – doch zugleich Gott zu den Menschen trug, mit dem er als Sohn eins war. So wurde durch den Menschen Jesus Gott und von Gott her das Bild des rechten Menschen sichtbar." Seit den fünfziger Jahren allerdings habe es eine Reihe von Jesus-„Rekonstruktionen" gegeben, durch die der „Riss zwischen dem historischen Jesus und dem Christus des Glaubens" immer tiefer wurde: „Beides brach zusehends auseinander."

„Christus wird auf Jesus reduziert, auf einen beispielhaften Menschen, über den dann wieder die Ideen sehr unterschiedlich sind, und die Gottesfrage weitgehend beiseite geschoben. Es bleiben menschliche Vorbilder; bis zu Gott reicht es sozusagen gar nicht hin. So dass heute die Frage geworden ist: Gibt es doch mehr? Ist dieser Jesus mehr als irgendeines der Vorbilder, die es irgendwann mal gegeben hat? Und erreichen wir in ihm sozusagen wirklich Gott? Nur, wenn wir auf diese Fragen antworten, können wir die Herausforderung bestehen, die in der Gegenwart liegt."

Im April 2005 wird Ratzinger zum Papst gewählt: Benedikt XVI. Sein Jesusbuch ist da schon weitgehend fertig geschrieben – das erste zumindest. Denn das Projekt wächst an, mindestens drei Bände wird er brauchen. Im März 2007 veröffentlicht der Papst seinen ersten Band: Jesus von Nazareth – von der Taufe im Jordan bis zur Verklärung. Er wartet nicht, bis er alles fertig geschrieben hat: „Da ich nicht weiß, wie lange mir noch Zeit und Kraft geschenkt sein werden", wie er formuliert. Der Autorenname ist ein doppelter: Joseph Ratzinger – Benedikt XVI.

„Das gab es noch nie in der Geschichte, dass ein Papst ein wissenschaftliches Jesusbuch schreibt." So reagiert damals, zusammen mit vielen anderen, der Bochumer Neutestamentler Thomas Söding. „Hier zeigt sich ein ganz neuer Stil des Papsttums: Der Stellvertreter Christi auf Erden formuliert kein Dogma, sondern sagt „Das ist meine Beobachtung als Theologe, lest das kritisch und diskutiert darüber!" Das halte ich für revolutionär."

„Gewiss brauche ich nicht eigens zu sagen, dass dieses Buch in keiner Weise ein lehramtlicher Akt ist, sondern einzig Ausdruck meines persönlichen Suchens nach dem Angesicht des Herrn", so Ratzinger-Benedikt im Vorwort des ersten Bandes. „Es steht daher jedem frei, mir zu widersprechen. Ich bitte die Leserinnen und Leser nur um jenen Vorschuss an Sympathie, ohne den es kein Verstehen gibt."

„Das Buch ist für alle interessant. Und mit seiner klaren und sehr gut verständlichen Sprache kann man es auch ohne Vorkenntnisse lesen… Was er jetzt braucht, sind viele intelligente und kritische Leser, die nicht vor Ehrfurcht in die Knie gehen, sondern das offene Gesprächsangebot ernst nehmen… Der Papst will ja auch gerade nicht sagen "Hier ist der Weisheit letzter Schluss und ab jetzt wird keine Jesusforschung mehr getrieben." Im Gegenteil! Die Leser sollen ja diskutieren, wieso dieser Jesus einerseits so fasziniert und andererseits so irritiert."

Das erste Jesusbuch wird ein Bestseller. „Faszinierend", urteilt der Jesuitenkardinal Martini, „bewunderswert, dass der Papst sich das als Nicht-Exeget zutraut." Der Theologe auf dem Stuhl des Petrus versucht, die historisch-kritische Bibelauslegung ernstzunehmen, aber auch die sogenannte „Kanonische Exegese" zu ihrem Recht kommen zu lassen. Sein Argument: Der Jesus, von dem die Evangelien erzählen, ist der Jesus des Glaubens. Man kann also, wenn man nach diesem Jesus fragt, den Glauben nicht einfach außer acht lassen. Auch der Wiener Kardinal Christoph Schönborn, der den Band der internationalen Presse vorstellt, sagt das so: „Jesus von Nazareth ist zuallererst das Werk eines Glaubenden."

„Und das ist das Wichtigste an diesem Buch. Es ist das Zeugnis eines Glaubenden an Jesus. Dass dieser Glaubende auch ein großer Theologe ist,…. das spielt natürlich alles mit hinein in dieses Buch, aber es ist zuerst das ganz persönliche Hinschauen des Christen Ratzinger auf seinen Herrn, auf Jesus."

Es ist vor allem ein jüdischer Rabbiner, mit dem der Papst – überraschend genug – in einen inneren Dialog über Gott tritt und darüber, wer Jesus war. Jesus war selbst die Thora, so entwickelt es Benedikt XVI.; und wenn man fragt, was Jesus eigentlich gebracht habe, dann sei die Antwort „ganz einfach: Gott. Er hat Gott gebracht… Nun kennen wir sein Antlitz, nun können wir ihn anrufen." Heimliche Achse des ersten Jesusbuches: die Bergpredigt. In den Seligpreisungen der Armen, der Sanftmütigen usw. erkennt Ratzinger-Benedikt ein verhülltes Selbstporträt Jesu.

„Er ist der Gewaltlose, der Friedensstifter, der Arme usw.! Wenn man also von der Biografie Christi her sozusagen die Bergpredigt liest, dann sieht man, dass es gar nicht so sehr auf die Einzelheiten ankommt (jeder kann nur einen Teil verwirklichen) – das Prinzip darin ist eben dieses: Christus nahezukommen und in seinem Leben die Gemeinschaft mit Christus neu auszudrücken und sich davon in seinem Leben führen und bestimmen zu lassen."

Vier Jahre später veröffentlicht Papst Benedikt den zweiten Teil der Jesus-Trilogie: „Vom Einzug in Jerusalem bis zur Auferstehung". Darin kann er schon auf eine lebhafte Debatte zu seinem ersten Band zurückblicken: „Dankbar nehme ich auch zur Kenntnis, dass die Diskussion über Methode und Hermeneutik der Exegese, über Exegese als historische und zugleich als auch theologische Disziplin trotz mancher Sperren neuen Schritten gegenüber an Lebhaftigkeit zunimmt." Der Papst präzisiert noch mal, „dass ich kein „Leben Jesu" schreiben wollte" und auch keine „Christologie von oben". „Gestalt und Botschaft Jesu" wolle er zeichnen: „Ein wenig übertreibend könnte man sagen, ich wollte den realen Jesus finden, von dem aus so etwas wie eine „Christologie von unten" überhaupt möglich wird."

„Der Papst geht nun der Frage nach, was Jesus Christus für uns bedeutet – was sein Tod und seine Auferstehung bedeuten und welches nun die große Verheißung für uns ist: dass Jesus Christus der Erlöser, der Retter ist." Das sagt der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch. „Das Buch hat den großen Vorteil, dass es in deutscher Sprache konzipiert ist und wir damit die Originalsprache des Heiligen Vaters selber haben. Und er ist der, der den Leser einlädt, mitzugehen, durch die Art und Weise, wie er Fragen stellt und sie beantwortet und wie er den Leser mit einbezieht in seine ganzen Überlegungen, die ihm auf diese Weise folgen können. Man spürt, woraus Papst Benedikt lebt, was Jesu für ihn bedeutet, und dieses Feuer wird weitergegeben."

Auch das zweite Jesusbuch: ein Bestseller. Auch wenn man sich an den bücherschreibenden Papst mittlerweile etwas mehr gewöhnt hat. Besonders aufmerksam wird zur Kenntnis genommen, dass Ratzinger-Benedikt deutlich die These zurückweist, die Juden seien schuld am Tode Jesu. Thomas Söding:

„Der Papst lässt sich hier erfreulich intensiv auf die Debatten der historisch-kritischen Exegese ein und arbeitet heraus, dass es zu einem guten Teil bibelwissenschaftliche Gründe sind, dass wir mittlerweile sagen: Es waren natürlich nicht die Juden – es waren die Hohenpriester, und es waren in gewisser Weise wir alle. Das wird beim Papst glasklar und ist natürlich sehr hilfreich für das christlich-jüdische Gespräch."

Über die Auferstehung Jesu schreibt der Papst: „Jesus ist nicht in ein normales Menschenleben dieser Welt zurückgekehrt wie Lazarus und die anderen von Jesus auferweckten Toten. Er ist in ein anderes, neues Leben hinausgetreten – in die Weite Gottes…" Der Autor betont in direktem Widerspruch etwa zum evangelischen Theologen Gerd Lüdemann, „dass die Auferstehung für die Jünger so real war wie das Kreuz". „Keine wiederbelebte Leiche, sondern ein von Gott her neu und für immer Lebender." Das Jesus-Projekt Benedikts ist alles auf einmal: Bekenntnis des Glaubens, theologische Detailarbeit, Einladung zum Gespräch. Noch einmal Kardinal Schönborn:

„Er hat sich auch als Professor, wo ich ihn erlebt habe, immer sehr debattenfreudig gezeigt, er hat ein ganz großes Vertrauen in die Kraft der Argumente. Darum lässt er sich auch gründlich ein auf die historische Kritik an Jesus, stimmt das überhaupt, was man in der Bibel über ihn erzählt, ist das nicht Pfaffenlug und Kirchenschwindel, muss man das nicht alles enthüllen, wie das gewisse Autoren mit großen finanziellen Erfolg machen – da stellt er sich ganz ungeniert der strengen strikten Argumentation. Und diese Argumentation ist für ihn auch möglich, und er vertraut darauf, dass die Argumente nachvollziehbar sind. Das ersetzt nicht den Glauben, aber es zeigt zumindest eines für ihn, so ganz nebulös ist das Bild dieser Jesus nicht, wie es in den Evangelien steht – das ist sehr glaubwürdig." (rv)

Papst: Gesundheit darf nicht zur Ware werden

Das Krankenhaus ist sowohl Ort des Leidens als auch Ort, an dem die christliche Nächstenliebe deutlich wird. Das betonte Papst Benedikt XVI. an diesem Samstagvormittag. Er sprach vor den Teilnehmern der 27. Internationalen Konferenz des Päpstlichen Rates für die Pastoral im Krankendienst. Die dreitägige Konferenz, die an diesem Samstag im Vatikan zu Ende ging, hatte zum Thema „Das Krankenhaus als Ort der Neuevangelisierung" und sah die Teilnahme von etwa 600 Ärzten, Krankenpflegern, Juristen und anderen Berufsgruppen aus der ganzen Welt, die im Gesundheitswesen tätig sind. In seiner Ansprache an die Mitarbeiter im Krankendienst sagte der Papst:

„Die Kirche wendet sich stets mit dem gleichen Geist brüderlicher Anteilnahme an diejenigen, die mit der Erfahrung des Schmerzens leben. Dabei ist sie vom Geist desjenigen beseelt, der mit der Macht der Liebe dem Geheimnis des Leidens seinen Sinn und seine Würde zurück gegeben hat. Eure Berufung ist eine einzigartige, für die es Studium, Sensibilität und Erfahrung braucht. Dennoch, von denjenigen, die in der Welt des Leidens arbeiten und diese Tätigkeit als „menschliche und spirituelle Mission" ansehen wollen, braucht es eine weitere Fähigkeit, die jenseits der akademischen Titel liegt. Es handelt sich um die „christliche Wissenschaft vom Leiden", die vom Konzil ausdrücklich als „die einzige Wahrheit, die in der Lage ist, auf das Geheimnis des Leidens zu antworten", bezeichnet wurde."

Die Konzilsväter, so der Papst weiter, hätten klar ausgedrückt, dass die Kirche nicht in der Lage sei, körperliche Gesundheit und Freiheit vom Leiden zu verschaffen. Dennoch, so der Konzilstext, habe sie etwas tiefer Gehendes und Wertvolleres zu bieten, denn Christus habe das Leid nicht abschaffen wollen, vielmehr habe er es selbst auf sich genommen. Dies sei ausreichend, um seinen Wert zu erkennen. Die Mitarbeiter im Gesundheitswesen rief Papst Benedikt auf, qualifizierte Experten in der Disziplin der christlichen Wissenschaft vom Leiden zu werden:

„Wenn heute einerseits aufgrund des technischen Fortschritts die Möglichkeiten steigen, einen Kranken physisch zu heilen, scheint andererseits die Fähigkeit zu schwinden, sich um die leidende Person ,zu kümmern´ und sie in ihrer Ganzheit und Einzigartigkeit zu erfassen. Es scheinen sich also die ethischen Horizonte der Medizinwissenschaft zu trüben, die riskiert zu vergessen, dass es ihre Berufung ist, jedem Menschen und dem ganzen Menschen zu dienen, in den verschiedenen Phasen seiner Existenz. Es ist zu hoffen, dass die Sprache der „christlichen Wissenschaft des Leidens", zu der Mitleid, Solidarität, Nachempfinden, Selbstverneinung, Uneigennützigkeit und das Geschenk seiner selbst gehören – zum universalen Wortschatz derjenigen wird, die im Bereich der Gesundheitsfürsorge arbeiten."

Auch in Zeiten der Krise, so der Papst, die dem Schutz der Gesundheit Mittel entziehe, sei dies ein Auftrag zur Neuevangelisierung. Gerade in diesem Kontext sei es unabdingbar, dass Krankenhäuser und ähnliche Einrichtungen sich auf ihre Rolle besönnen, um zu verhindern, dass Gesundheit – statt ein Allgemeingut zu sein – eine einfache „Ware" werde, die den Gesetzen des Marktes unterworfen und somit nur noch wenigen zugänglich sei. (rv)

„Vorhof der Völker“ in Portugal zum Wert des Lebens

Die Vatikan-Initiative „Vorhof der Völker" macht Station in Portugal: in den Städten Guimarães und Braga, die 2012 EU-Hauptstädte der Kultur bzw. der Jugend sind. Bei den Debatten sucht die Vatikan-Stiftung, die dem Päpstlichen Kulturrat zugeordnet ist, das Gespräch mit Nichtglaubenden, diesmal zum Thema Leben. Papst Benedikt XVI. hat dem Leiter seines Kulturrats, Kardinal Gianfranco Ravasi, eine Botschaft mit nach Portugal gegeben. Darin nennt er es „ausgesprochen wichtig, den Wert des menschlichen Lebens angesichts einer um sich greifenden Kultur des Todes zu bekräftigen". Für einen Glaubenden sei das Leben „ein Geschenk Gottes, über das der Mensch nicht einfach selbst verfügen kann". „Wir sind kein zufälliges Produkt der Evolution", so der Papst wörtlich, „sondern jeder von uns ist Frucht eines Gedankens Gottes".

Wert des Lebens
„Aber warum diese Berufung auf Gott, um den Wert des Lebens zu betonen?" fragt Benedikt dann in der Botschaft. Und er antwortet „mit einer menschlichen Erfahrung". Wenn ein geliebter Mensch sterbe, dann sei das für den, der zurückbleibe, „das absurdeste Ereignis, das man sich nur vorstellen kann", weil der Geliebte doch verdient hätte, weiter zu leben. „Doch jemandem, der nicht liebt, erscheint derselbe Tod derselben Person als ein natürliches, logisches, keineswegs absurdes Ereignis." Benedikt wörtlich: „Wer von ihnen hat recht? Der, der liebt, oder der, der nicht liebt?"

Gott liebt jede Person
Die Haltung des Liebenden sei die richtige, „wenn jede Person von einer unbegrenzten Macht geliebt wird" – und genau hier liege „das Motiv, warum es korrekt ist, sich auf Gott zu berufen". Denn Gott liebe jede Person, „und darum verdient jede Person es, zu leben". Wörtlich schreibt der Papst: „Der Wert des Lebens wird völlig evident, wenn es Gott gibt. Darum wäre es gut, wenn auch Nichtglaubende so lebten, „als ob es Gott gäbe", denn wenn sie nicht ihr Leben auf der Grundlage dieser Hypothese gestalten, funktioniert die Welt nicht." (rv)

Mexiko: Kardinal Robles Ortega ist neuer Leiter der Bischofskonferenz

Neuer Präsident der Bischofskonferenz des Landes ist Kardinal José Francisco Robles Ortega, Erzbischof von Guadalajara. Das entschied die 94. Vollversammlung der mexikanischen Bischöfe am Mittwoch. Zum Vizepräsidenten wurde der Bischof von Zamora, Javier Navarro Rodríguez, gewählt, zum neuen Generalsekretär der Weihbischof von Puebla, Eugenio Lira Rugarcía. Die Amtszeit geht bis 2015. (rv)

Papst an Einheitsrat: „Es braucht die volle, sichtbare Einheit“

Der ökumenische Weg muss die volle Einheit zum Ziel haben, und die Ökumene ist zugleich die Voraussetzung für eine glaubwürdige Verkündigung des Evangeliums in der Gegenwart. Darauf hat Benedikt XVI. an diesem Donnerstag vor Vertretern des päpstlichen Einheitsrates und vor dem vatikanischen Ökumene-Verantwortlichen Kardinal Kurt Koch hingewiesen. Das Ziel der Ökumene, die sichtbare Einheit, dürfe nie aus den Augen verloren werden, erinnerte der Papst:

„Es ist eine positive Realität, gemeinsam auf diesem Weg voranzuschreiten – aber unter der Bedingung, dass die Kirchen und die kirchlichen Gemeinschaften nicht unterwegs stehen bleiben und die sich widersprechenden Verschiedenheiten als etwas normales oder das Besterreichbare akzeptieren. Die gegenwärtige und wirksame Kraft Gottes in der Welt zeigt sich hingegen in der vollen Einheit des Glaubens, der Sakramente und des Amtes. Durch die sichtbare Einheit der Jünger Jesu, einer menschlich nicht erklärbaren Einheit, lässt sich das Handeln Gottes erkennen, das die Zersetzungstendenz der Welt überwindet."

Die letzte Einheit komme von Gott, führte der Papst aus. Auf sie gelte es zuzugehen, für sie gelte es zu beten, denn die Spaltung sei ein „Skandal" und widerspreche Christi Willen. Die Verkündigung des Evangeliums sei dabei das Bindeglied aller christlichen Konfessionen, ein „Imperativ", der alle Christen – „trotz der heute unvollständigen kirchlichen Gemeinschaft" – vereine. Auf der laufenden Vollversammlung des päpstlichen Einheitsrates geht es um die Bedeutung der Ökumene für die Neuevangelisierung. Schon die Konzilsväter des Zweiten Vatikanums hätten diesen Zusammenhang betont, so Benedikt XVI.. Und er führte aus:

„Die Einheit ist auf der einen Seite die Frucht des Glaubens und auf der anderen Seite ein Mittel und fast eine Bedingung dafür, auf immer glaubwürdigere Weise den Glauben denen zu verkünden, die den Erlöser noch nicht kennen oder die, obwohl sie die Verkündigung des Evangeliums gehört haben, dieses kostbare Gute fast vergessen haben."

Der Einsatz der Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften für eine erneuerte Verkündigung sei ein „Hoffnungszeichen", so der Papst. Die Ökumene dürfe die Glaubenskrise nicht ignorieren, die sich heute in weiten Teilen der Welt – darunter den Stammländern des Christentums – bemerkbar mache. Ebenso wenig könne man das große Bedürfnis nach Spiritualität, „das sich auf verschiedene Weise manifestiert", verkennen, so der Papst, der daraus einen Appell für die Christen ableitet:

„Die spirituelle Armut vieler unserer Zeitgenossen, die sie nicht mehr als Entbehrung, als Abwesenheit Gottes aus ihrem Leben empfinden, stellt eine Herausforderung für alle Christen dar. In diesem Kontext wird von uns an Christus Glaubenden verlangt, zur Essenz, zum Herzen unseres Glaubens zurückzukehren, um gemeinsam gegenüber der Welt den lebendigen Gott zu bezeugen. Einen Gott, der uns kennt und liebt, in dessen Blick wir leben, einen Gott, der die Antwort unserer Liebe im Leben eines jeden Tages erwartet."

Ökumene und Neuevangelisierung bräuchten beide die Umkehr, erinnerte er weiter. Der Papst hofft in diesem Zusammenhang, dass das Jahr des Glaubens zum ökumenischen Fortschritt beitragen kann. (rv)

Australien: Regierung führt Missbrauchskommission ein

Die Regierung in Canberra unter Leitung der Premierministerin Julia Gillard hat eine Kommission eingeführt, die Kindesmissbrauch bei staatlichen sowie anderen Institutionen untersuchen soll. Die australischen Bischöfe befürworten dieses Vorhaben. Dies sagte der Vorsitzende der australischen Bischofskonferenz, Erzbischof Denis Hart, an diesem Mittwoch gegenüber Radio Vatikan:

„Die Kommission soll Regierungsorganisationen, gesellschaftliche Organisationen und verschiedene Kirchen einbeziehen – darunter auch die katholische Kirche. Wir sind davon überzeugt, dass diese Kommission die Anliegen der Opfer unterstützen und die Arbeit der Kirche in diesem Bereich verbessern wird. So kann den Opfern geholfen werden und es können vor allem auch einheitliche und klare Regelungen für die Zukunft geschaffen werden. Das garantiert uns, dass wir uns zukünftig viel besser um das Wohl der Kinder kümmern können."

Die australische Kirche wolle in allen Bereichen mit der neuen Kommission zusammenarbeiten, so der Erzbischof von Melbourne:

„Wir sind überzeugt, dass dies ein Fortschritt für alle Australier ist. Die Fakten werden nicht mehr von verschiedenen Organisationen unterschiedlich bewertet werden. Und was noch wichtiger ist – wenn die Vorgehensweisen der verschiedenen Organisationen analysiert werden, haben wir eine bessere Ausgangsposition, um uns zukünftig als ganze Nation um unsere Kinder zu kümmern – und das ist unser Hauptziel."

Erzbischof Hart geht davon aus, dass die Kommission zur Aufarbeitung des Kindesmissbrauchs der katholischen Kirche auch helfen werde, ihre eigene Vorgehensweise dazu noch einmal genau zu überprüfen. Erst am Montag hatte die australische Bischofskonferenz in einem Statement bekannt gegeben, dass sie die traumatischen Erlebnisse von Kindern, die in der Obhut der Kirche gewesen seien, aufrichtig bedauere. Dies gelte auch für deren Familien. Es seien Fehler gemacht worden – für die man sich bei den Opfern und ihren Familien entschuldige. (rv)

Vatikan: Neuer Protokollchef im Staatssekretariat

Der neue Protokollchef des Päpstlichen Staatssekretariats kommt aus Kanada. Es ist der 50-jährige Vatikandiplomat José Avelino Bettencourt. Seine Ernennung durch den Papst wurde an diesem Mittwoch bekannt gegeben. Bettencourt ist Kirchenrechtler und arbeitete bisher in der Zweiten Sektion des Staatssekretariats. Als Mann fürs Protokoll tritt er an die Stelle des Nigerianers Fortunatus Nwachukwu, der neuer Nuntius in Nicaragua wird. Der Protokollchef ist in der vatikanischen Zentralbehörde für den Kontakt zu den beim Heiligen Stuhl akkreditierten Botschaften sowie für die Planung von Papstaudienzen für Staatsgäste zuständig. (rv)