„Kardinal Pell hat verstanden“, sagt dieses Missbrauchsopfer nach Treffen mit ihm

Phil Nagle vor der Presse„Kardinal Pell hat verstanden“: Das sagte ein ehemaliges Opfer sexuellen Missbrauchs nach einem Treffen mit dem australischen Kirchenmann in Rom.

Phil Nagle gehört zu der Gruppe von Opfern und Angehörigen, die aus Australien angereist sind, um die Aussagen von Kardinal Pell vor dem australischen Missbrauchskommission vor Ort mitzuverfolgen.

Wie die Zeitung „Catholic Herald“ berichtete, sagte er: „Wir haben über die Zukunft gesprochen, nicht die Vergangenheit…ich glaube, er hat verstanden.“

Nagle sagte weiter, Kardinal Pell habe darüber gesprochen, was die Kirche noch mehr tun könne, um Opfern sexuellen Missbrauchs zu helfen: „Wir sprachen über Beratung, wir sprachen über Pflege, wir sprachen darüber, wie die Zukunft aussieht für unsere Opfer und wie die Kirche dabei hilft, von Georges Ebene abwärts“, sagte er.

Nagle wurde in den 1970er Jahren in Ballarat (Bundesstaat Victoria) von einem Priester sexuell missbraucht. Zu dieser Zeit war auch George Pell als Geistlicher in seiner Heimatstadt tätig und beriet unter anderem den Bischof in Erziehungsfragen.

In den vergangenen Tagen hat Kardinal Pell erneut wiederholt deutlich bestritten, über das Ausmaß der Missbräuche damals Bescheid gewusst zu haben und ausgesagt, er sei davon ausgegangen, dass das Problem von anderen bearbeitet werde.

“Ein ehrliches und gelegentlich emotionales Treffen”

Nach dem Treffen mit der Gruppe sagte Kardinal Pell: „Ich habe die Geschichte eines jeden angehört, und ihrem Leiden gelauscht. Es war hart: ein ehrliches und gelegentlich emotionales Treffen“.

„Ich bin dazu verpflichtet, mit diesen Menschen aus Ballarat und Umgebung zusammen zu arbeiten. Ich kenne viele ihrer Familien, und ich weiß um das Gute in so vielen Menschen im katholischen Ballarat, das wurde von dem Bösen, das geschah, nicht ausradiert“.

Der Kardinal sagte, er werde sich konkret in Zusammenarbeit mit der Päpstlichen Kommission zum Schutze Minderjähriger engagieren. „Jeder Selbstmord ist einer zuviel“, so Pell wörtlich.

Außerdem schlug der 79-jährige Kardinal vor, dass Ballarat ein Zentrum werden könnte für die Arbeit mit Opfern von Missbrauch. Er unterstütze die Idee, ein Forschungszentrum einzurichten für Heilung und besseren Schutz vor Missbrauch.

Ich schulde den Menschen und der Gemeinde von Ballarat sehr viel. Das erkenne ich in tiefer Dankbarkeit an. Es wäre wunderbar, wenn unsere Stadt dafür bekannt werden würde, ein wirksames Zentrum und Beispiel für praktische Hilfe zu sein für alle, die vom Fluch des sexuellen Missbrauchs verletzt worden sind.“

20 Stunden Anhörung in vier Tagen

Das Treffen mit den Opfern fand nach der vierten und letzten Aussage Pells per Video vor der Royal Commission statt, welche den Umgang von Institutionen wie der Kirche, aber auch weltlichen Einrichtungen mit Missbrauchsfällen untersucht.

Während seiner letzten Aussage sagte Pell, er habe „keine Ahnung“ von einer Vertuschung der sexuellen Missbräuche durch die „Christian Brothers“ vor über 40 Jahren in Ballarat.

Er sagte der Kommission, dass ein Schuljunge ihn darüber informiert habe, dass ein “Christian Brother” namens Edward Dowlan Missbrauch verübt habe. Aber Kardinal Pell sagte, er sei davon ausgegangen, dass die Kongregation mit dem Fall bereits befasst wäre.

Der australische Kurienkardinal wurde von Untersuchungsrichter Peter McClellan mehrfach zur Personalie Dowlan scharf befragt.

Kardinal Pell gab zu, dass er mehr hätte unternehmen können. Doch der wiederholte, dass er dachte, dass die „Christian Brothers“ bereits von dem Fall wüssten und reagiert hätten.

In den vergangenen vier Tagen wurde der ehemalige Erzbischof von Melbourne und Sydney über 20 Stunden lang befragt.

Opfer haben um Gespräch mit Papst Franziskus gebeten

Bei einer Presse-Konferenz nach der letzten Anhörung sagte er: „Ich hoffe, dass mein Erscheinen hier einen Beitrag geleistet hat zum Heilungsprozess, und die Situation verbessern hilft. Die Leitungsebene der Kirche in Australien wird alles unternehmen um sicher zu stellen, dass es keine Wiederholung dieser schrecklichen Vergangenheit geben wird und sich darum bemühen, die Dinge besser zu machen.“

„Ich kam in Ballarat zur Welt. Ich bin sehr, sehr stolz auf meine Verbindung mit Ballarat. Ich trauere um das Leiden der Leute, die für mich meine eigenen Leute sind.“

Kardinal Pell wurde auch gefragt, ob die zum Teil massiv kritisierte Berichterstattung und die mediale Aufmerksamkeit um seine Person eine „Hexenjagd“ sei. Er antwortete: „Ich glaube, dass überlasse ich Ihnen, das zu entscheiden.“

Die Gruppe von Opfern und Angehörigen, die aus Australien nach Rom gereist sind, haben um ein Gespräch mit Papst Franziskus gebeten. Sie sagten Journalisten gegenüber, dass sie noch auf eine Antwort warten, ob ihrem Wunsch entsprochen wird, oder nicht. (CNA Deutsch)

Australien: Regierung führt Missbrauchskommission ein

Die Regierung in Canberra unter Leitung der Premierministerin Julia Gillard hat eine Kommission eingeführt, die Kindesmissbrauch bei staatlichen sowie anderen Institutionen untersuchen soll. Die australischen Bischöfe befürworten dieses Vorhaben. Dies sagte der Vorsitzende der australischen Bischofskonferenz, Erzbischof Denis Hart, an diesem Mittwoch gegenüber Radio Vatikan:

„Die Kommission soll Regierungsorganisationen, gesellschaftliche Organisationen und verschiedene Kirchen einbeziehen – darunter auch die katholische Kirche. Wir sind davon überzeugt, dass diese Kommission die Anliegen der Opfer unterstützen und die Arbeit der Kirche in diesem Bereich verbessern wird. So kann den Opfern geholfen werden und es können vor allem auch einheitliche und klare Regelungen für die Zukunft geschaffen werden. Das garantiert uns, dass wir uns zukünftig viel besser um das Wohl der Kinder kümmern können."

Die australische Kirche wolle in allen Bereichen mit der neuen Kommission zusammenarbeiten, so der Erzbischof von Melbourne:

„Wir sind überzeugt, dass dies ein Fortschritt für alle Australier ist. Die Fakten werden nicht mehr von verschiedenen Organisationen unterschiedlich bewertet werden. Und was noch wichtiger ist – wenn die Vorgehensweisen der verschiedenen Organisationen analysiert werden, haben wir eine bessere Ausgangsposition, um uns zukünftig als ganze Nation um unsere Kinder zu kümmern – und das ist unser Hauptziel."

Erzbischof Hart geht davon aus, dass die Kommission zur Aufarbeitung des Kindesmissbrauchs der katholischen Kirche auch helfen werde, ihre eigene Vorgehensweise dazu noch einmal genau zu überprüfen. Erst am Montag hatte die australische Bischofskonferenz in einem Statement bekannt gegeben, dass sie die traumatischen Erlebnisse von Kindern, die in der Obhut der Kirche gewesen seien, aufrichtig bedauere. Dies gelte auch für deren Familien. Es seien Fehler gemacht worden – für die man sich bei den Opfern und ihren Familien entschuldige. (rv)

Belgien: Chef von Missbrauchskommission zurückgetreten

Der belgische Psychiater Peter Adriaenssens ist als Präsident der unabhängigen Untersuchungskommission von Missbrauchsfällen zurückgetreten. Die Kommission wolle nun darüber entscheiden, ob sie ihre Arbeit überhaupt fortführt. Das berichten belgische Medien an diesem Montag. Der Rücktritts Adriaenssens steht im Zusammenhang mit dem Vorgehen der staatlichen Justiz am vergangenen Donnerstag. Im Zuge der Ermittlungen zu Missbrauchsfällen in der Kirche hatte die Polizei die in Brüssel versammelten Bischöfe für neun Stunden festgesetzt. Adriaenssens bezeichnete dieses Vorgehen als „eklatanten Akt des Misstrauens". Unter diesen Umständen sei eine Fortsetzung seiner Arbeit weder sinnvoll noch möglich.
Der Vorsitzende der Belgischen Bischofskonferenz, Erzbischof André-Joseph Léonard, ist auch Tage nach der Polizeiaktion der belgischen Behörden entsetzt. Gegenüber Radio Vatikan sagt er:
„Hier in Belgien scheint es so, als ob das polizeiliche Vorgehen normal gewesen sei. In einem anderen Land hätten solche Ermittlungsmaßnahmen einen großen Aufschrei ausgelöst. Doch in Belgien hat das zu keinem nennenswerten Aufsehen geführt. Nicht einmal der Aufbruch der Gräber zweier Kardinäle gilt als Schande. Sicher, wir Bischöfe respektieren die Arbeit der Justizbehörden. Wir kritisieren aber scharf, wie vorgegangen wurde."
Am Sonntag hatte der Papst den belgischen Bischöfen seine Solidarität angesichts des „verwunderlichen und beklagenswerten" Vorgehens der staatlichen Justiz bekundet. In einer Botschaft an den Brüsseler Erzbischof André-Joseph Léonard vom Sonntag bezeichnete er die Untersuchungen in der Kathedrale von Mechelen und am Sitz der zur Vollversammlung zusammengetreten Bischofskonferenz als „traurigen Moment". Zugleich stellte er klar, dass die Kirche mit aller Entschiedenheit für eine Aufklärung aller Missbrauchsvergehen eintrete. (rv)

Lesen Sie hier den Papst-Brief im Wortlaut
Dem hochgeschätzten Mitbruder
Mons. Mgr André-Joseph Léonard
Erzbischof von Mechelen-Brüssel
Vorsitzender der Belgischen Bischofskonferenz

In diesem traurigen Moment möchte ich meine besondere Nähe und Solidarität mit Ihnen, lieber Bruder im Episkopat, sowie allen Bischöfen der Kirche in Belgien bekunden für die verwunderlichen und beklagenswerten Vorgehen, wie die Ermittlungen in der Kathedrale von Mechelen und beim Sitz der Belgischen Bischofskonferenz durchgeführt wurden. An jenem Ort, wo die Bischöfe gerade ihre Vollversammlung abhielten, bei der es u.a. auch um Aspekte im Zusammenhang mit Missbrauchsfällen in der katholischen Kirche ging. Viele Male habe ich selbst unterstrichen, dass solche schweren Vorfälle von der zivilen und von der kirchlichen Ordnung behandelt werden müssen – im Respekt der gegenseitigen Besonderheiten und der Autonomie. In dem Sinne erwarte ich, dass die Gerechtigkeit ihren Lauf nimmt, in Garantie der fundamentalen Rechte der Personen und Institutionen, im Respekt gegenüber den Opfern, und in einer vorurteilsfreien Anerkennung aller, die hier zusammenarbeiten. Und unter Verzicht auf alles, was die ihnen zugewiesenen ehrenwerten Aufgaben verdunkelt.

Ich versichere mein tägliches Gebet für den Weg euerer Kirche und gerne sende ich Ihnen meinen herzlichen Apostolischen Segen.

Vatikanstadt, 27. Juni 2010

BENEDICTUS PP. XVI