Schweiz: Katholiken und Lutheraner stellen gemeinsames Dialogpapier vor

Kard_KochAn diesem Montag wurde das mit Spannung erwartete katholisch-lutherische Dialog-Dokument zum gemeinsamen Reformationsgedenken 2017 vorgestellt. Der Präsident des Päpstlichen Einheitsrates, Kardinal Kurt Koch, und der Präsident des Lutherischen Weltbundes (LWB), Bischof Munib Younan, präsentierten das Papier mit dem Titel „Vom Konflikt zur Gemeinschaft" am Mittag in Genf.

Laut Monsignor Matthias Türk vom Päpstlichen Einheitsrat schlägt das Dialogpapier für das gemeinsame Reformationsgedenken drei Hauptgedanken vor. Türk sagte im Interview mit Radio Vatikan:
„Freude über die wiedererlangte Gemeinschaft, Bitte um Vergebung für einander angetanes Unrecht und weitere Schritte auf dem ökumenischen Weg hin zu einem gemeinsamen Zeugnis der Welt von heute gegenüber."
Die „wiedergewonnene Gemeinschaft zwischen Katholiken und Lutheranern" schlage sich u.a. in dem nunmehr 50 Jahre währenden lutherisch-katholischen Dialogprozess nieder. In der Tat fällt der 500. Jahrestag der Reformation mit dem 50. Jahrestag dieses 1967 begonnenen Dialoges zusammen. Mit dem aktuellen Dialog-Dokument wolle man – ausgehend von der Theologie Luthers – eine Basis schaffen für das gemeinsame Gedenken der 500 Jahre zurückliegenden Reformation. Türk präzisiert:
„Es sollen die genuinen theologischen Anliegen Luthers aufgegriffen werden und von katholischer Seite beleuchtet werden, um zu überprüfen, inwieweit noch ein Grund für die Trennung besteht."
Der Zugang zur Reformation ist dabei ein internationaler, das Reformationsgedenken findet heute in einem ökumenischen und globalen Zeitalter statt, wie Türk unterstreicht. Deshalb habe man „mit der ganzen Welt in einen Dialog treten" müssen, „um das Anliegen der Reformation neu aufzugreifen". Türk geht auf inhaltliche Details des Dokumentes ein:

„Das Dokument hat verschiedene Kapitel entwickelt: Die Perspektiven von Luther selbst, eine historische Skizze der lutherischen Bekenntnisschriften und der katholischen Antwort darauf vom Konzil von Trient bis hin zum Zweiten Vatikanum, die Hauptthemen der Theologie Martin Luthers im Licht der lutherisch-katholischen Dialoge. Inwieweit ist es den Dialogen schon gelungen? – diese Fragestellungen der Reformation aufzugreifen und zu zeigen, wie sehr Gemeinschaft neu möglich geworden ist, da man viele Dinge als nicht mehr kirchentrennend erkannt hat."

Das Dokument entstand in drei Jahren intensiver und – wie Türk berichtet – „einmütiger" Zusammenarbeit. Am Schluss habe „eine große Übereinstimmung in den gemeinsamen Aussagen" gestanden. Hinsichtlich eines Fortschrittes in der Ökumene wurden in das Dialog-Papier große Hoffnungen gesetzt. Hat es das Kaliber einer „Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre"? Türk präzisiert, dass es sich bei dem Dialog-Papier „Vom Konflikt zur Gemeinschaft" um keine gemeinsame „Erklärung" handelt:

„Verschiedentlich ist das Dokument als gemeinsame Erklärung bezeichnet worden. Das muss man sogleich richtig stellen. Es handelt sich um ein Studiendokument der internationalen Dialogkommission. Sie legt dieses Dokument den Auftraggebern vor, also dem Lutherischen Weltbund und dem Päpstlichen Rat, als Ergebnis ihrer Arbeit. Ob es eventuell in eine Form, die dann unterschriftsreif wäre, überführt werden kann, obliegt den Kirchen und Kirchenleitungen."

Ein genauer Blick auf Luthers Theologie lohne sich, weil sich damit neue Chancen für die Ökumene eröffneten, so Türk. So geht das Dialog-Papiers sozusagen hinter die Entwicklungen der Kirchenspaltung zurück und versucht mit Blick auf die Reformation Gemeinsames zu betonen. Dazu Türk:

„Es besteht die Überlegung, dass keine kirchentrennenden Gründe zu erkennen sind, wenn man die authentischen, die ursprünglichen Anliegen Martin Luthers und seiner Theologie aufgreift. Die Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften haben sich aber in den letzten 500 Jahren, seit der Reformation, weiterentwickelt. Und es sind ja ganz neue Entwicklungen vorgefallen, oder haben das Leben der Kirchen geprägt, die nicht mehr in direktem Zusammenhang mit dem Anliegen Luthers stehen."

Langfristig habe man den Anspruch, das Verbindende „tatsächlich auch konkret in theologischen Aussagen" zum Ausdruck zu bringen, gibt Türk weiter an. Zur Eucharistie hält die Einführung zum Dokument fest, dass Lutheraner und Katholiken heute „das Geheimnis der Gegenwart Jesu Christi gemeinsam hervorheben" können, „wenn sie dies auch auf eine unterschiedliche Weise tun". Für das Reformationsjubiläum sind gemeinsame liturgische Feiern angedacht – und zwar weltweit:

„Es ist ein ganz konkreter Gottesdienst in Planung mit umfangreichen liturgischen Materialien. Die Idee, die dahinter steht, ist: Man gibt nicht nur diesen inhaltlichen Text (Anm. d. Red.: das Dialog-Dokument) auf Weltebene an die Ortskirchen und Regionen weiter. (…) Es ist ein Unterschied, ob Sie in Skandinavien oder in Afrika einen Gottesdienst feiern, von der Lebendigkeit, von der Auswahl von Gebeten und Musik. Wir erstellen liturgische Materialien, die dann von allen, im jeweiligen Kontext, verwendet werden können." (rv)

Papst an Einheitsrat: „Es braucht die volle, sichtbare Einheit“

Der ökumenische Weg muss die volle Einheit zum Ziel haben, und die Ökumene ist zugleich die Voraussetzung für eine glaubwürdige Verkündigung des Evangeliums in der Gegenwart. Darauf hat Benedikt XVI. an diesem Donnerstag vor Vertretern des päpstlichen Einheitsrates und vor dem vatikanischen Ökumene-Verantwortlichen Kardinal Kurt Koch hingewiesen. Das Ziel der Ökumene, die sichtbare Einheit, dürfe nie aus den Augen verloren werden, erinnerte der Papst:

„Es ist eine positive Realität, gemeinsam auf diesem Weg voranzuschreiten – aber unter der Bedingung, dass die Kirchen und die kirchlichen Gemeinschaften nicht unterwegs stehen bleiben und die sich widersprechenden Verschiedenheiten als etwas normales oder das Besterreichbare akzeptieren. Die gegenwärtige und wirksame Kraft Gottes in der Welt zeigt sich hingegen in der vollen Einheit des Glaubens, der Sakramente und des Amtes. Durch die sichtbare Einheit der Jünger Jesu, einer menschlich nicht erklärbaren Einheit, lässt sich das Handeln Gottes erkennen, das die Zersetzungstendenz der Welt überwindet."

Die letzte Einheit komme von Gott, führte der Papst aus. Auf sie gelte es zuzugehen, für sie gelte es zu beten, denn die Spaltung sei ein „Skandal" und widerspreche Christi Willen. Die Verkündigung des Evangeliums sei dabei das Bindeglied aller christlichen Konfessionen, ein „Imperativ", der alle Christen – „trotz der heute unvollständigen kirchlichen Gemeinschaft" – vereine. Auf der laufenden Vollversammlung des päpstlichen Einheitsrates geht es um die Bedeutung der Ökumene für die Neuevangelisierung. Schon die Konzilsväter des Zweiten Vatikanums hätten diesen Zusammenhang betont, so Benedikt XVI.. Und er führte aus:

„Die Einheit ist auf der einen Seite die Frucht des Glaubens und auf der anderen Seite ein Mittel und fast eine Bedingung dafür, auf immer glaubwürdigere Weise den Glauben denen zu verkünden, die den Erlöser noch nicht kennen oder die, obwohl sie die Verkündigung des Evangeliums gehört haben, dieses kostbare Gute fast vergessen haben."

Der Einsatz der Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften für eine erneuerte Verkündigung sei ein „Hoffnungszeichen", so der Papst. Die Ökumene dürfe die Glaubenskrise nicht ignorieren, die sich heute in weiten Teilen der Welt – darunter den Stammländern des Christentums – bemerkbar mache. Ebenso wenig könne man das große Bedürfnis nach Spiritualität, „das sich auf verschiedene Weise manifestiert", verkennen, so der Papst, der daraus einen Appell für die Christen ableitet:

„Die spirituelle Armut vieler unserer Zeitgenossen, die sie nicht mehr als Entbehrung, als Abwesenheit Gottes aus ihrem Leben empfinden, stellt eine Herausforderung für alle Christen dar. In diesem Kontext wird von uns an Christus Glaubenden verlangt, zur Essenz, zum Herzen unseres Glaubens zurückzukehren, um gemeinsam gegenüber der Welt den lebendigen Gott zu bezeugen. Einen Gott, der uns kennt und liebt, in dessen Blick wir leben, einen Gott, der die Antwort unserer Liebe im Leben eines jeden Tages erwartet."

Ökumene und Neuevangelisierung bräuchten beide die Umkehr, erinnerte er weiter. Der Papst hofft in diesem Zusammenhang, dass das Jahr des Glaubens zum ökumenischen Fortschritt beitragen kann. (rv)

Vatikan: Ökumene-Experte Fortino gestorben

Eleuterio Fortino ist tot: Der Untersekretär des Päpstlichen Einheitsrates, ein ausgewiesener Kenner der orthodoxen Kirchen, starb am Mittwoch Abend in Rom. Der Archimandrit war mehr als ein Vierteljahrhundert lang die Nummer drei im „Päpstlichen Rat für die Förderung der Einheit der Christen", der jetzt vom Schweizer Erzbischof Kurt Koch geleitet wird. (rv)