Die Sommerpause im Vatikan

VatikanplatzWährend des gesamten Monats Juli wird es weder die Morgenmessen des Papstes in der Vatikankapelle Santa Marta geben noch Generalaudienzen auf dem Petersplatz. Das gab der Vatikan an diesem Samstag bekannt. Im August wird der Papst die Generalaudienzen wieder aufnehmen, die Ausnahme bildet der 13. August, wenn der Papst sich bereits auf dem Weg nach Südkorea befindet. Die Morgenmessen wird der Papst im September wieder aufnehmen. Das Angelusgebet dagegen wird weiterhin jeden Sonntag von Papst Franziskus auf dem Petersplatz gebetet werden. (rv)

Kongo: Massenvergewaltigungen dauern immer noch an

KongoVergewaltigung als Kriegswaffe – darüber sprechen derzeit in London Fachleute bei einem hochrangig besetzten Gipfel. Großbritanniens Außenminister William Hague hat dazu eingeladen, Papst Franziskus hat eine Botschaft geschickt, und über tausend Vertreter aus 117 Ländern nehmen daran teil, darunter die Hollywood-Schauspielerin Angelina Jolie. Neben den Fachleuten sind auch Überlebende, Zeugen, Ärzte und Soldaten anwesend.

Hunderttausende Frauen von Bosnien über Darfur, Ruanda, Sierra Leone und Kongo haben durch gezielte Massenvergewaltigungen unaussprechliches Leid und Stigmatisierung erlitten, während die Täter meist straffrei bleiben. Im Kongo werden stündlich immer noch 48 Frauen vergewaltigt. Die Kirche kämpft seit dem Aufkommen dieser neuartigen Kriegswaffe an der Seite der Opfer – auch der potentiellen Opfer. Wir haben mit Schwester Victoria Chiharhula gesprochen, einer Missionarin Unserer Lieben Frau von Afrika aus der Demokratischen Republik Kongo. Sie setzt sich im Ost-Kongo seit 15 Jahren für mehrfach vergewaltigte Frauen ein.

„Die Methodik, die Böswilligkeit, mit der diese Gewaltakte verübt werden, zeigen, dass hinter solchen Massenvergewaltigungen heute eine Strategie steckt. Wir haben Opfer gesehen im Alter zwischen eineinhalb und 75 Jahren. Die Männer gehen in ein Dorf rein und vergewaltigen systematisch. Nachdem sie die Frauen vergewaltigt haben, zerstören sie ihre Geschlechtsorgane. Sie schneiden sie auf, mit Säbeln, Messern, Ästen, Gewehren. In den letzten Jahren ist Säure dazugekommen. Sie verätzen damit die Geschlechtsorgane der Frauen. Dahinter steckt der Wille, ein Volk zu eliminieren, denn wenn man Frauen zerstört, zerstört man Leben.“

Im Ost-Kongo sei die Massenvergewaltigung von Frauen durch die Niederlage der Rebellenbewegung „M23″ nur leicht zurückgegangen, sagt Schwester Victoria. Rund 15 weitere Gruppen bewaffneter Kämpfer seien vergewaltigend unterwegs. Manchmal werde eine vertrieben, dann kämen die Männer zurück und ließen sich an den wehrlosen Frauen aus.

„Der Kern des Verbrechens ist die Straflosigkeit! Und wer von Straflosigkeit spricht, spricht von Korruption. Denn diese Verbrecher lässt man nur laufen, weil sie bezahlt haben.“

Das wiederum lässt sich nur durch die Verstrickungen der diversen Rebellengruppen in Geschäfte mit Bodenschätzen erklären.

„Diese Gruppen kontrollieren die Straßen und die Minen. Bei allen Kämpfen in der Region Ostkongo geht es letztlich um die Herrschaft über die Minen. Solange die Gruppen nicht entwaffnet sind, wird die sexuelle Gewalt andauern. Die erste Sache, die zu tun wäre, ist die Straflosigkeit zu bekämpfen, indem man die Regionalregierung zwingt, das Gesetz anzuwenden: Das Gesetz existiert, aber es wird nicht angewandt. Zweitens müssen die Soldaten bezahlt werden. Und drittens muss man auf lokaler Ebene ansetzen, bei Bildungsprogrammen. Auch die Kirche hat hier Verantwortung, sie muss in Seelsorgeoffensiven sicherstellen, dass die Würde jedes Menschen anerkannt wird. Tut man das nicht, riskiert man, dass diese traumatisierten Menschen in zwanzig Jahren selbst zu Folterknechten werden.“ (rv)

Bischofssynode in Rom: Die Logik des Zuhörens

Kardinal BaldisseriEs ist ein Paradigmenwechsel in der Methodik: So charakterisiert der Sekretär der Bischofssynode, Kardinal Lorenzo Baldisseri, die Vorbereitungen für die Debatten zu Ehe und Familie hier im Vatikan. Im Oktober dieses Jahres und dann wieder im Oktober des kommenden Jahres werden Versammlungen der Bischofssynode zu diesen Themen tagen. Ein Doppelereignis, wie Baldisseri vor den in Lissabon versammelten Pressesprechern der Bischofskonferenzen Europas erklärte.

Es sind nicht etwa zwei getrennte Synoden, erklärte Baldisseri, sondern „zwei Momente desselben Ereignisses“. Die erste Versammlung (eine außerordentliche) wird eine Bestandsaufnahme vornehmen und die Fragestellungen klären. Sie arbeite auf Basis der Fragebögen, welche mit dem Vorbereitungsdokument im vergangenen Oktober versandt worden waren. Auf Grundlage der Antworten sei ein Methodendokument erstellt worden, das so genannte Instrumentum Laboris.

Die zweite Versammlung im kommenden Jahr werde dann gültige Vorgehensweisen für die Pastoral erarbeiten.

Kardinal Baldisseri nannte in seiner Ansprache eine ganze Reihe von Problemen, die durch die Fragebögen rückgemeldet worden seien: Interreligiöse Familien oder Familien mit verschiedenen Konfessionen, alleinerziehende Eltern, Polygamie, Polyandrie, arrangierte Ehen oder der „Kauf“ von Bräuten, das Kastensystem, Fehlformen in der Wahrnehmung von Mann und Frau, gleichgeschlechtliche Partnerschaften und damit einhergehend die Frage von deren Adoptionsrecht, Leihmutterschaft und viele andere Punkte. Vor allem müsse für die Kirche aber die Schwächung oder gar Aufgabe des Glaubens an die Sakramentalität von Ehe und Vergebung (Sakrament der Buße) ein Anliegen sein.

Papst Franziskus wolle von der Kirche, dass sie voran gehe, so Baldisseri. Dieses Vorangehen setze voraus, dass man zuerst auf das Wort Gottes, dann aber auch auf die Sorgen und Probleme der Menschen höre. Die dadurch entstehende Logik sei eine Logik des Dienstes, nicht der Macht. Man könne nicht verschweigen, dass diese Methodik einen Paradigmenwechsel darstelle, schloss Baldisseri seinen Vortrag. Sie bringe – wie Papst Franziskus dies wolle – eine Dynamik in die Debatte, aber auch in die Institutionen der Kirche selbst hinein.

Der Vortrag von Kardinal Baldisseri wurde an diesem Samstag im Osservatore Romano veröffentlicht.

Hintergrund

Versammlungen von Bischofssynoden kennen zwei Formen: die außerordentliche, zu der nur die Vorsitzenden der Bischofskonferenzen kommen, und die ordentliche, zu der auch gewählte Mitglieder kommen. Außerdem gibt es Sonderversammlungen, die sich einzelnen – vor allem regionalen – Themen zuwenden, wie etwa der Kirche in Afrika oder zuletzt im Nahen Osten.

Die außerordentliche Bischofssynode findet in diesem Jahr vom 5. bis zum 19. Oktober im Vatikan statt. (rv)

Papst-Interview: „Ich habe kein persönliches Projekt unterm Arm, sondern führe aus, was wir Kardinäle überlegt haben“

Stefan von KempisDas war ein guter Kerl; der tat, was er konnte, so schlecht war der nicht.“ So ähnlich sollten die Menschen sich später einmal seiner erinnern, hofft Papst Franziskus. Die Zeitung „La Vanguardia“ aus dem spanischen Katalonien veröffentlichte jetzt ein langes Interview mit dem Papst, das sie am Montag in Rom mit ihm geführt hatte – einen Tag nach den Friedensgebeten für den Nahen Osten in den Vatikanischen Gärten. In dem Gespräch äußert sich Franziskus auch zum Stand der Reformen im Vatikan und warnt mit Blick auf Katalonien vor Unabhängigkeitsbestrebungen, die mehr von „Abspaltung“ als von „Emanzipation“ geprägt seien. Hier einige Auszüge aus dem Interview. „Die verfolgten Christen sind eine Sorge, die mir als Hirte sehr nahe geht. Ich weiß sehr viel über Verfolgungen, kann aber aus Vorsicht nicht darüber sprechen, um niemanden vor den Kopf zu stoßen. Aber es gibt Orte, an denen es verboten ist, eine Bibel zu besitzen oder den Katechismus zu lehren oder ein Kreuz zu tragen.“ Die Gewalt im Namen Gottes prägt den Nahen Osten… „Das ist ein Widerspruch. Gewalt im Namen Gottes passt nicht in unsere Zeit. Das ist etwas Altes. Aus historischer Perspektive muss man einräumen, dass wir Christen sie zeitweise praktiziert haben. Wenn ich an den Dreißigjährigen Krieg denke, dann war das Gewalt im Namen Gottes. Heute ist das kaum vorstellbar, nicht wahr? Wir kommen manchmal aus religiösen Gründen zu sehr ernsten, sehr schwerwiegenden Widersprüchen. Fundamentalismus, zum Beispiel. Wir drei Religionen haben jeweils unsere fundamentalistischen Gruppen, klein im Verhältnis zum ganzen Rest.“ Wie denken Sie über den Fundamentalismus? „Eine fundamentalistische Gruppe ist gewalttätig, selbst wenn sie niemanden tötet und niemanden schlägt. Die mentale Struktur des Fundamentalismus ist Gewalt im Namen Gottes.“ Der Hebel für Veränderungen Manche sehen Sie als einen Revolutionär… „Für mich besteht die große Revolution darin, zu den Wurzeln zu gehen, sie zu erkennen und zu schauen, was diese Wurzeln uns heute zu sagen haben. Es gibt keinen Widerspruch zwischen revolutionär und zu den Wurzeln gehen. Vielmehr glaube ich, dass der Hebel, um wirkliche Änderungen herbeizuführen, die Identität ist. Man kann nie einen Schritt machen im Leben, wenn man nicht von hinten losgeht, wenn man nicht weiß, woher ich komme, wie ich heiße, welchen kulturellen und religiösen Namen ich trage.“ Sie haben oft das Protokoll gebrochen, um den Menschen nahe zu sein… „Ich weiß, dass mir mal etwas passieren kann, aber das liegt in den Händen Gottes… Seien wir realistisch, in meinem Alter habe ich nicht mehr viel zu verlieren.“ Warum ist es so wichtig, dass die Kirche arm und demütig ist? „Armut und Demut sind im Zentrum des Evangeliums, und das sage ich in theologischem, nicht soziologischem Sinn. Man kann das Evangelium nicht verstehen ohne die Armut, aber man muss sie vom Pauperismus unterscheiden.“ Was kann die Kirche tun, um die wachsende Ungleichheit zwischen Reichen und Armen zu reduzieren? „Es ist bewiesen, dass wir mit der Nahrung, die übrigbleibt, die Hungernden ernähren könnten. Wenn Sie Fotos von unterernährten Kindern in verschiedenen Teilen der Welt sehen, dann schlägt man die Hände über dem Kopf zusammen, das ist nicht zu verstehen! Ich glaube, wir sind in einem Weltwirtschaftssystem, das nicht gut ist… Wir haben das Geld in den Mittelpunkt gestellt, den Geldgott. Wir sind in den Götzendienst des Geldes verfallen… Wir schließen eine ganze Generation aus, um ein Wirtschaftssystem aufrecht zu erhalten, das nicht mehr zu ertragen ist. Ein System, in das Krieg führen muss, um zu überleben… Aber weil man keinen Dritten Weltkrieg führen kann, führt man eben regionale Kriege. Und was bedeutet das? Dass Waffen produziert und verkauft werden, und dadurch sanieren sich die Gleichgewichte der … großen Weltwirtschaften.“ Die Situation in Spanien Sind Sie besorgt über den Konflikt zwischen Katalonien und Spanien? „Jede Spaltung macht mich besorgt. Es gibt Unabhängigkeit aus Emanzipation und Unabhängigkeit aus Abspaltung. Unabhängigkeiten aus Emanzipation sind z.B. die amerikanischen, sie emanzipierten sich von den europäischen Staaten. Unabhängigkeiten von Völkern aus Abspaltung, das ist eine Zergliederung… Denken wir an das frühere Jugoslawien. Natürlich gibt es Völker mit so verschiedenen Kulturen, dass man sie nicht einmal mit Klebstoff aneinanderkleben kann. Der jugoslawische Fall ist sehr klar, aber ich frage mich, ob es in anderen Fällen so klar ist, bei anderen Völkern, die bis jetzt vereint gewesen sind. Man muss Fall für Fall studieren. Schottland, Padanien, Katalonien. Es wird gerechtfertigte und nicht gerechtfertigte Fälle geben, aber die Abspaltung einer Nation, ohne dass es vorher eine zwangsweise Einheit gab, so etwas muss man mit der Pinzette anfassen und Fall für Fall studieren.“ Die Friedensgebete für den Frieden in Nahost Die Gebete für Frieden im Vatikan waren nicht leicht zu organisieren, weil es dafür keinen Präzedenzfall gab. Wie fühlten Sie sich dabei? „Ich spürte, dass das etwas war, was uns alle übersteigt. Hier im Vatikan sagten 99 Prozent, dass das nicht klappen würde, und danach wuchs dieses eine Prozent immer mehr. Ich spürte, dass wir uns da zu einer Sache gedrängt sahen, die wir so noch nicht kannten und die allmählich dann Gestalt annahm. Es war überhaupt kein politischer Akt, das spürte ich von Anfang an, sondern ein religiöser Akt: ein Fenster zur Welt hin öffnen.“ Warum haben Sie entschieden, sich ins Auge des Taifuns zu begeben, also in den Nahen Osten? „Das wirkliche Auge des Taifuns war – wegen dem Enthusiasmus, den es da gab – der Weltjugendtag von Rio im letzten Jahr! Der Beschluss, ins Heilige Land zu reisen, kam zustande, weil Präsident Peres mich einlud. Ich wusste, dass sein Mandat in diesem Frühling auslief, und sah mich darum gewissermaßen dazu gezwungen, vorher zu fahren. Seine Einladung hat den Reisetermin beschleunigt. Ich hatte das eigentlich nicht so geplant.“ Sie sagen, dass in jedem Christen ein Jude steckt… „Es wäre wohl korrekter zu sagen, dass man sein Christentum nicht wirklich leben kann, wenn man seine jüdische Wurzel nicht anerkennt. Ich spreche vom Judentum im religiösen Sinn. Meiner Meinung nach muss der interreligiöse Dialog das angehen, die jüdische Wurzel des Christentums und die christliche Blüte aus dem Judentum heraus. Ich verstehe, dass das eine Herausforderung ist, eine heiße Kartoffel, aber als Brüder können wir das tun.“ Wir urteilen Sie über Antisemitismus? „Ich wüsste nicht zu erklären, wie er zustande kommt, aber ich glaube, er hängt im Allgemeinen sehr mit der Rechten zusammen. Der Antisemitismus pflegt in den rechten Strömungen besser Fuß zu fassen als in den linken, nicht wahr? Und so geht er weiter. Wir haben sogar Leute, die den Holocaust leugnen – ein Wahnsinn!“ Eines Ihrer Vorhaben ist es, die Vatikan-Archive zum Holocaust zu öffnen. „Das wird viel Licht in die Sache bringen.“ Papst Pius XII. Macht Ihnen Sorge, was man da entdecken könnte? „Was mir bei diesem Thema Sorgen macht, ist die Figur von Pius XII.: Dem armen Pius XII. haben sie wirklich alles Mögliche vorgeworfen. Aber man muss daran erinnern, dass er früher einmal als der große Verteidiger der Juden gegolten hat, er versteckte viele in den Klöstern Roms und anderer italienischer Städte, und auch in der Sommerresidenz Castel Gandolfo. Dort, im Zimmer des Papstes, in seinem eigenen Bett, wurden 42 Babys geboren, Kinder von Juden oder anderen Verfolgten, die sich dorthin geflüchtet hatten. Ich will damit nicht sagen, dass Pius XII. keine Irrtümer begangen hätte – ich selbst begehe auch viele –, aber man muss seine Rolle im Kontext der Epoche lesen. War es zum Beispiel besser, dass er schwieg oder dass er nicht schwieg, damit nicht noch mehr Juden getötet würden? Manchmal ärgert es mich auch ein bisschen, wenn ich sehe, wie alle gegen die Kirche und Pius XII. sprechen und dabei die Großmächte ganz vergessen. Wissen Sie, dass die Großmächte ganz genau das Eisenbahnnetz der Nazis kannten, auf dem die Juden in die KZs gebracht wurden? Sie hatten Fotos davon! Aber sie warfen keine Bomben auf diese Schienen. Warum? Darüber sollten wir auch mal sprechen!“ „Ich bin kein Erleuchteter“ Sie ändern viele Dinge. Wohin führen diese Änderungen? „Ich bin kein Erleuchteter. Ich habe kein persönliches Projekt unterm Arm, sondern ich führe aus, was wir Kardinäle vor dem Konklave auf den Generalkongregationen überlegt haben, als wir jeden Tag über die Probleme der Kirche diskutierten. Da sind Überlegungen und Empfehlungen entstanden. Eine sehr konkrete war, dass der künftige Papst ein Gremium von auswärtigen Beratern brauchte, die nicht im Vatikan wohnen.“ Sie haben daraufhin den Kardinalsrat gegründet… „Das sind acht Kardinäle aus allen Kontinenten und ein Koordinator. Sie treffen sich hier alle zwei oder drei Monate. Anfang Juli haben wir wieder vier Tage Sitzung, und wir führen die Änderungen durch, um die die Kardinäle uns bitten. Es ist nicht obligatorisch, dass wir das machen, aber es wäre unvorsichtig, nicht auf die zu hören, die Ahnung haben.“ Wie denken Sie über den Rücktritt von Benedikt XVI.? „Papst Benedikt hat eine sehr große Geste getan. Er hat eine Tür geöffnet, eine Institution gegründet, die der möglichen emeritierten Päpste… Ich werde dasselbe tun wie er, nämlich den Herrn bitten, dass er mich erleuchte, wenn der Moment kommt, und dass er mir sage, was ich tun soll, und das wird er sicher tun.“ Ich werde Sie nicht fragen, wem Sie bei der WM die Daumen drücken… „Die Brasilianer haben mich gebeten, neutral zu bleiben…“ (lacht) „und ich halte mein Wort, denn Brasilien und Argentinien sind immer Antagonisten.“ Übersetzung: Stefan Kempis, Radio Vatikan (rv)

Konsistorium: Interne Kardinalsbeförderungen

Kardinal MartinoPapst Franziskus hat an diesem Donnerstag sechs Kardinäle vom Stand des Kardinaldiakons in den Stand des Kardinalpriesters erhoben. Zu den sechs gehört der Schweizer Kardinal Georges Cottier. Ebenfalls erhoben wurde der Präsident des Rates für Interreligiösen Dialog, Kardinal Jean Louis Tauran. Damit verliert Tauran aber auch die Aufgabe des Kardinalprotodiakons, also des dienstältesten Kardinaldiakons. Zu dessen Aufgaben gehört zum Beispiel das Verkünden des gewählten neuen Papstes nach einem Konklave.

Neuer Kardinalprotodiakon wird damit Renato Raffaele Martino. Da er aber bereits 81 Jahre alt ist und damit nicht mehr das Wahlrecht besitzt, fällt die Aufgabe für den Fall eines Konklaves dem nächsten in der Liste zu, es ist der frühere Präfekt der Glaubenskongregation, US-Kardinal William Joseph Levada.

Die weiteren Kardinäle sind: Julian Herranz, Javier Lozano Barragan, Attilio Nicora und Francesco Marchisano. (rv)

Vatikan: Frische Luft für Michelangelo

Sixtinische KapelleIn der Sixtinischen Kapelle haben Umbauarbeiten für eine neue Klimaanlage und neue Beleuchtung begonnen. Die Arbeiten wurden am Mittwoch vom Präsidenten des Governatorats der Vatikanstadt eröffnet. Kardinal Giuseppe Bertello segnete das Personal und die Baustelle in einer kurzen Zeremonie. Die Arbeiten sollen bis Anfang Oktober abgeschlossen sein. Ende des Monats gibt es ein internationales Symposium zur „neuen“ Sixtina. Das Governatorat hatte die Arbeiten in Auftrag gegeben, um einen steten Besucherfluss in der Kapelle gewähren zu können, ohne dass die kostbaren Fresken darunter leiden. Durch die Besucher wird eine Mischung aus Staub, Feuchtigkeit und Kohlendioxid in den Raum getragen, die den Wandmalereien schadet. Dafür war ein neues Belüftungssystem notwendig geworden. Die neue Beleuchtung soll die Kunstwerke noch besser zur Geltung bringen. Nach dem Umbauarbeiten können bis 2.000 Besucher auf einmal in der Kapelle Platz finden; vorher waren es maximal 700 Personen gewesen. Die Kosten für die Maßnahmen hielten sich in Grenzen, informiert eine Pressemeldung des Vatikan: Die beauftragten Firmen Osram und Carrier hätten die Vorrichtungen für Klimatisierung und Beleuchtung gestiftet. (rv)

Islamfachmann: Koran-Rezitation bei Friedensgebeten ist legitim

KoranEine Begebenheit am Rand der Gebete um Frieden in den Vatikanischen Gärten mit den Präsidenten Israels und Palästinas sorgt im Nachhinein für Unruhe. Am Pfingstsonntag waren die beiden Spitzenpolitiker der miteinander verfeindeten Nachbarstaaten der Einladung von Papst Franziskus gefolgt; nacheinander erhoben sich Fürbittgebete, zunächst das jüdische, dann das christliche, schließlich das muslimische. Aus der islamischen Delegation rezitierte dann ein Imam – über das Programm hinausgehend – auf Arabisch die letzten drei Verse aus der zweiten Sure des Koran. Hier die letzten Sätze in einer Übertragung ins Deutsche: „Verzeih uns (Allah), vergib uns und erbarm dich unser! Du bist unser Schutzherr. Hilf uns gegen das Volk der Ungläubigen!“

Diesen letzten Vers nun haben einige Beobachter als Angriff auf die beiden anderen Religionen gesehen, als „Unverschämtheit auf christlichem Boden“. Wie ist diese Stelle zu verstehen? Das fragte Gudrun Sailer den Islamwissenschaftler Pater Felix Körner, einen Jesuiten, der an der Päpstlichen Universität Gregoriana in Rom lehrt.

„Ein Muslim versteht den Koran immer so, wie die ersten Hörer des Korans ihn vernommen haben. Und das heißt in dem Fall: Wir müssen uns hineinversetzen in die Frühzeit des Islam, hier sind wir vielleicht noch in Mekka oder in den ersten Jahren in Medina; der Islam ist eine kleine Gruppe, die sich noch zu Recht verfolgt sieht von Polytheisten, heidnischen Gruppen, welche Mohammed und seine Anhänger loswerden wollen. Ungläubig heißt in diesem Fall Menschen, die den einen Gott nicht anerkennen. Wenn also in dieser Koranstelle von den Ungläubigen die Rede ist, gegen die wir um Gottes Hilfe bitten, dann sind hier ganz klar nicht die Juden und auch nicht die Christen gemeint, die natürlich die Einheit Gottes anerkennen!“

„Hilf uns gegen das Volk der Ungläubigen!“ Wenn wir diese Koranstelle aus unserer heutigen Perspektive als Christen – oder Juden – im Rahmen eines Treffens hören, bei dem es um Frieden geht, dann liegt es in unserem Kulturkreis nahe, das zu verstehen als Aufruf, andere zu missionieren oder gar zu besiegen. Ist das ein Missverständnis von unserer Seite?

„Dieser Vers, vielleicht spontan ausgesucht von jemandem, der dann auch auswendig den Koran vortrug, passte eigentlich sehr gut in den Gesamtzusammenhang des Friedensgebetes! Es gab immer drei Schritte bei den drei Religionen. Wir erkennen den Schöpfer an und preisen ihn, wir erkennen unsere Schuld an und bekennen sie, und wir bitten um das Geschenk des Friedens. Und all das kommt in diesen drei Koran-Versen sehr schön vor. Dir, Gott, gehört alles. Wir bereuen unsere Schuld und bitten um Vergebung. Und wir brauchen deine Hilfe, damit Frieden und Gerechtigkeit entstehen können. Das ist der Inhalt dieser drei Verse, und deshalb war das eine ganz nachvollziehbare Auswahl – vielleicht spontan getroffen, aber jedenfalls gut gewählt.“

Nun waren ja alle Elemente der Friedensgebete und der Ansprachen vorab zwischen den drei Seiten abgesprochen. Dieser eine Passus des Imam hingegen nicht, das war spontan. Denken Sie, die Rezitation wäre von der jüdischen und der christlichen Seiten gutgeheißen worden, hätte man sie vorher abgesprochen?

„Ich habe in der Gregoriana einmal eine für mich aufschlussreiche Szene erlebt. Ich hatte einen Koranexegeten, einen ganz vernünftigen, besonnenen, gemäßigten Menschen gebeten, einen Vortrag über den Koran zu halten, und er fragte mich, ob er die Koranverse, über die er spricht, auch rezitieren, nämlich melodisch vortragen also kantilieren dürfe. Ich sagte zu und merkte dann, dass im Publikum eine gewisse Unruhe entstand: Wenn der Koran auch in seiner ästhetischen Schönheit auf Arabisch vorgetragen wird, bevor er übersetzt wird, kann das bei Christen, aber genauso bei Muslimen eine gewisse Bewegtheit bis hin zur Unruhe auslösen. Es könnte also sein, dass das Problem, das man in Vorbesprechungen anmelden kann, gerade das ist, dass der Koran kantiliert, melodisch vorgetragen wird. Das hat einen besonderen Reiz, kann aber auch eben zu einer religiösen Intensität führen, die vielleicht manche Leute in einem solchen Gebetstreffen für nicht gerechtfertigt oder am Platze halten.

Wir haben uns aber klarzumachen: In den Vatikanischen Gärten kamen die Religionen nicht zusammen, um zusammen zu beten, sondern jeder hat in der eigenen Weise Gebetstexte vorgetragen. Die anderen blieben meditierend, still, hörend, aufmerksam dabei, aber sprachen nicht Gebete, die die anderen mitsprechen sollten. Insofern ist auch eine Koranrezitation bei einem solchen Treffen durchaus legitim, nachvollziehbar, verständlich und anzuerkennen!“

„Ein Koranvers, der Hochschätzung ausdrücken will“

Was unterscheidet uns Christen von Muslimen und Juden beim Gebet? Was für unterschiedliche Auffassungen vom Gebet haben wir?

„Wenn Muslime beten, vertrauen sie sich Gott an, weil er allmächtig ist. Wenn Juden beten – so könnte man es zusammenfassen -, vertrauen sie sich Gott an, weil er ihr Volk erwählt hat. Wenn wir Christen beten, dann vertrauen wir uns dem Vater an, weil er sich uns in Christus geschenkt hat. Da ist schon eine unterschiedliche Akzentuierung. Wir können aber das jeweils Andere verstehen und auch als Kontrast schätzen.“

Etwas von dem, was im Zusammenhang mit den Friedensgebeten in den Vatikanischen Gärten jetzt debattiert wird, erinnert frappierend an die Folgen der sogenannten Regensburger Rede von Papst Benedikt XVI. im September 2006. Wir erinnern uns: Der Papst brachte ein islamkritisches Zitat, das er sich inhaltlich nicht zu eigen machte und ausdrücklich als Zitat auswies. Dennoch hat es Muslime bestürzt und wütend gemacht. Sehen Sie diese Parallele auch?

„Es gibt eine gewisse Parallele insofern, als ein aus dem Zusammenhang herausgerissenes Zitat besonders leicht missverständlich ist. Und wenn man nur die Rede von den Ungläubigen herausnimmt, kann man sich leicht daran aufhängen und sagen, hier hat ein Übergriff stattgefunden. Andererseits haben wir hier eine Koranrezitation gehört von jemandem, der nicht nur zitiert, sondern rezitiert, der also sagt: Das, was ich hier vortrage, glaube ich auch. Und im selben Atemzug sagt er auch: Wir Muslime erkennen, so sagt es uns nämlich der Koran, die anderen Religionen mit ihren Prophetien an. Da war also von muslimischer Seite keineswegs die Abwertung oder Ausgrenzung gemeint oder ausgedrückt worden, sondern gesagt worden: Wir bringen hier eine religiöse Vorstellung, die euch aufgreift, aufnimmt und natürlich in gewisser koranischer Weise noch einmal richtigzustellen versucht. Aber hier war jetzt nichts Exklusives oder Zurückweisendes gemeint, sondern hier wird ein Koranvers zu Gehör gebracht, der Hochschätzung ausdrücken will und deshalb auch so aufgenommen werden kann.“

Gibt es denn umgekehrt in den Gebeten, die zu dem Anlass von jüdischer und christlicher Seite zu hören waren, Elemente, die eventuell für die beiden anderen missverständlich sein könnten?

Inspiration für ein neues Denken

„Man kann natürlich immer mit einem schiefen Ohr hören, übrigens ein Ausdruck von Goethe; also, wer mit schiefem Ohr hört, kann alles schräg verstehen. Zum Beispiel: Wir Christen beten immer im Namen Jesu, wir beten durch Christus unseren Herrn, und auch im Garten vor dem Hintergrund des Petersdoms haben wir natürlich durch Christus unsern Herrn gebetet. Jetzt kann ein Jude, jetzt kann ein Muslim – aber diese Kritik kam nicht – sagen: Wie könnt ihr hier etwas so spezifisch Christliches sagen, was wir doch von unseren Theologien her gar nicht nachvollziehen können? Nein: Wir beten so, und in einem Friedensgebet, wo man den anderen hochschätzt, schätzt man auch seine Andersheit hoch und seine Weise, zu glauben, zu beten und sich vor Gott und in Gott zu positionieren.

Wir haben auch aus dem Mund eines Rabbiners den Psalm 25 gehört. Darin heißt es, viele Christen kennen das ja auch auswendig: Lass meine Feinde nicht über mich triumphieren. Das ist ein ganz ähnlicher Vers wie der jetzt als so schwierig inkriminierte Koranvers. Wir Christen beten die Psalmen als die Gebete Jesu und ordnen sie deshalb von vornherein richtig ein. Wir wissen, dass wir von Gott Schutz brauchen und dass das Freund-Feind-Denken nicht weiter hilft, dürfen aber selbst solche Gefühle im Beten ausdrücken, damit Gott uns wandelt. Und deswegen haben wir hier kein Missverständnis, aber wenn man schräg hört, hört man etwas Missverständliches.“

Papst Franziskus hatte die beiden Präsidenten und den Patriarchen ursprünglich „in sein Haus“ zu diesem Gebetstreffen eingeladen – aber dann fand es stattdessen in den Vatikanischen Gärten statt. Warum?

„Das war sehr schön entschieden. Zum einen war es ein so schöner Frühsommerabend, wo die Vögel gerade noch ihre letzten Lieder zwitscherten. Es hatte so etwas Anregendes von Gottes Schöpfung, die ja in den Gebeten auch gepriesen wurde. Sinnvoll und schön war es auch deshalb, weil es hieß: Ihr sollt hier bei mir zusammenkommen dürfen, ohne dass wir uns jetzt unter unserem Glaubenszeichen versammeln, unter dem Kreuz, oder – das wäre noch unpassender gewesen – wir nehmen jetzt das Kreuz von der Wand, damit hier kein Ärgernis entsteht. Die Peterskuppel war im Hintergrund sehr schön zu sehen, aber die waren nicht in einem Raum versammelt, sondern unter freiem Himmel. Und dieses Versammeln unter freiem Himmel hatte noch eine sehr schöne weitere Dimension, auf die Papst Franziskus am Ende hinwies. Er sagte, die Spirale von Hass und Gewalt können wir nur mit einem Wort durchbrechen, und dieses Wort heißt Bruder. Dich als Bruder anerkennen kann ich aber nur, wenn ich zum Himmel schaue und unseren gemeinsamen Vater anerkenne.“

Inwiefern kann dieses Treffen zum Gebet um Frieden, das in dieser Form etwas unerhört Neues war, wirklich etwas bewirken? Was war richtig gut und neu daran?

„Man konnte sich so wunderbar an diesem Gebet klar machen, was Gebet überhaupt ist. Ich möchte das Inspiration nennen. Inspiration erst einmal auf einer horizontal-weltlichen Ebene. Jemand kommt da ins Schweigen, ins Zuhören, lässt sich von den Texten, auch den Klängen des anderen beschenken und empfängt so Inspiration für ein neues Denken. Aber Inspiration natürlich auch in einem wörtlicheren und geistlichen Sinn gemeint: Ich gestehe ein und habe es in den letzten Jahren gemerkt, ohne Dich, ohne Deinen Geist, Gott, kann ich keinen Frieden schaffen. Ich kann überhaupt nur zum Friedensstifter werden in Deiner Kraft, in Deinem Spiritus, und deswegen ist Inspiration Gebet in dem Sinn, als ich mich dort öffne für Deinen Geist, mit dessen Kraft ich Dich, Gott, als Vater anerkennen kann – und den Mut habe, dich nicht mehr als Feind anzuerkennen, du Mitmensch, sondern als Bruder, mit dem ich zusammen eine neue Welt schaffe.“ (rv)

Kanada: Quebec erlaubt Euthanasie

KanadaDie Bischöfe von Quebec sind gegen das neue Euthanasie-Gesetz. Künftig ist es in der größten kanadischen Provinz erlaubt, Erwachsenen auf deren Wunsch sogenannte Todesspritzen zu geben. Das sei ein falsches Zeichen, so Bischof Pierre-André Fournier, Vorsitzender der Bischofskonferenz von Quebec. Vielmehr müsse man die Palliativmedizin fördern, die eine Alternative und vor allem eine Hilfe für Patienten sei, so Fournier. In Kanada verbietet das Strafgesetzbuch eigentlich die Tötung auf Verlangen und die Beihilfe zum Suizid. Somit schafft die Provinz Quebec eine Sonderregelung. Das Gesetz wurde mit 94 Ja- und 22 Nein-Stimmen zu Beginn der Woche gutgeheißen. (rv)

USA: Jesuitenuniversität berät über Ökumene

USASpirituelle Ökumene? Ja, das ist vielen ein Begriff. Ökumene des Leidens? Wohl auch, schließlich spricht Papst Franziskus immer wieder davon. Aber rezeptive Ökumene? Das ist neu. An der von Jesuiten geleiteten Fairfield-Universität im US-Bundesstaat Connecticut beschäftigt sich diese Woche eine internationale Konferenz mit dieser rezeptiven Ökumene: eine Gelegenheit für uns, uns in dieser Hinsicht auf den neuesten Stand zu bringen. Unser Gesprächspartner ist der anglikanische Erzbischof David Moxon, Vertreter des anglikanischen Primas beim Heiligen Stuhl.

„Rezeptive Ökumene heißt ganz einfach Folgendes. Wenn du mit einem Katholiken sprichst, dann sag ihm: Du erzählst mir deinen schlimmsten Albtraum in Sachen Mission, und ich erzähl dir meinen. Es bedeutet also, ehrlich genug zu sein und nicht immer nur zu sagen, warum es so schön ist, anglikanisch bzw. katholisch zu sein, und was wir nicht alles voneinander lernen könnten, sondern zu sagen: Das hier sind meine Wunden. In dem oder dem Punkt sind wir in Schwierigkeiten. Reden wir offen darüber, lassen wir den anderen ausreden, seien wir wirklich interessiert an dem, was da alles so kommt, als Gefährten auf unserem gemeinsamen Weg.“

Moxon leitet das Anglikanische Zentrum in Rom, kommt aber eigentlich aus Neuseeland. Da hat er das schon einmal selbst ausprobiert mit der rezeptiven Ökumene.

„Der katholische Bischof von Hamilton und ich sagten uns ehrlich: Wir sind im Moment nicht imstande, uns um die Bedürfnisse der Armen in der Stadt zu kümmern. Keine Ressourcen, kein Personal, keine Stadtmission… Dann stellte sich heraus: Er hatte ein altes Exerzitienhaus, das nur noch Kosten abwarf und das er verkaufen wollte, und wir hatten viel Personal, das wir irgendwo unterbringen mussten – und da haben wir uns zusammengetan und eine gemeinsame Stadtmission gegründet. Geboren aus dem ehrlichen Eingeständnis, nicht auf der Höhe zu sein.“ (rv)

Fußball-WM in Brasilien: „Verhaltene Freude“

WM2014Demos gegen zu teure Stadienbauten, Kritik am Weltfußballverband Fifa und Unmut über Umsiedlungen und ein bisweilen radikales Durchgreifen der brasilianischen Sicherheitskräfte: „Die Brasilianer haben eigentlich alles getan, dass keiner so richtig Freude an dieser Fußballweltmeisterschaft hat“, würden eingefleischte Fußballfans da wohl salopp sagen. Verhaltene Freude Die Begeisterung über die WM 2014 in Brasilien hält sich in Grenzen – und dies mit gutem Grund, findet der Brasilien-Länderreferent des Lateinamerika-Hilfswerkes Adveniat, Klemens Paffhausen. „Es ist eine verhaltene Freude – das überrascht in der Tat, es zeigt aber auch, dass Brasilien auf einem guten demokratischen Weg ist! Das heißt, man kann sehr gut differenzieren, wo man Begeisterung zeigen kann und wo Kritik angebracht ist. Insofern kann man sehr gespannt sein, wie sich das auch emotional weiterentwickelt. Klar – wenn Brasilien eine gute Partie abgibt, wird die Freude auch überwiegen, aber ich glaube, dass sich die Proteste trotzdem noch vernehmen lassen werden.“ So planten diverse zivile Aktionsgruppen und Bündnisse derzeit für die WM friedliche Demonstrationen an den jeweiligen Spielorten, berichtet Paffhausen. Die Anliegen der Protestbewegung seien dieselben wie schon zur Zeit des Confederations Cup (eine Art Mini-WM) und des Papstbesuches in Rio de Janeiro im vergangenen Jahr. Auch im Blick auf die kommenden Präsidentschaftswahlen in Brasilien im Oktober wollten sich die Bürger Gehör verschaffen: „Im Mittelpunkt stehen immer noch die Themen Bildung, Gesundheit und Sicherheit. Wir haben auf unserer Reise Anfang April allerdings auch festgestellt, dass sich ein Großteil der Kritik an der Fifa selbst entzündet, die ja doch mit ihren eigenen Auflagen soziale Verwerfungen hervorruft. Da sind beispielsweise die ambulanten Straßenverkäufer zu nennen, die nur zwei bis drei Kilometer außerhalb der Stadien Eis und Getränke verkaufen dürfen, weil die Fifa das so vorgibt. Dann gab’s eine Gesetzesänderung: Normalerweise darf in den Stadien kein Alkohol verkauft werden, das hat man nur für die Fifa wieder geändert. Und im Moment ist ja aktuell wieder von Bestechungsvorwürfen bei der Vergabe an Katar und Russland die Rede.“ Paffhausen bezieht sich hier auf Korruptionsvorwürfe im Kontext der Vergabe der kommenden Fußballweltmeisterschaften 2018 und 2022 an Russland bzw. Katar. Brasiliens Kirche sorgt sich um soziale Fragen Brasiliens Kirche stärke der friedlichen Protestbewegung im Land den Rücken, fährt er fort. Diese sei klar zu unterscheiden von gewalttätigen Unruhestiftern wie den sog. „Black Blocks“, die sich leider teilweise unter die friedlichen Demonstranten mischten, erinnert er. Die bischöfliche Aktion Adveniat ziehe mit der Ortskirche an einem Strang, wenn es darum gehe, mit dem Fingen auf die sozialen Missstände im Land zu zeigen: „Es gibt von der Ordensleute- und der Bischofskonferenz verschiedene Aktionen, die bestimmte Missstände aufzeigen, die auch bei den Protesten eine Rolle spielen: Die Fastenkampagne hat das Thema Menschenhandel und sexueller Missbrauch von Kindern. Die Ordenskonferenz ist in einem ökumenischen Netzwerk mit anderen Aktionsgruppen verbunden, wo es auch um die Themen Gesundheit und Bildung geht. Letztlich sind die Themen, die von der Protestbewegung aufgegriffen und in den Mittelpunkt der Kritik gerückt werden, genau die Fragen, bei denen Brasiliens Kirche immer Reformbedarf angemeldet hat. Adveniat übergibt ja auch Petitionen an die brasilianische Regierung, wo es genau um solche Forderungen geht, dass man nicht nur die Spiele im Auge hat, sondern auch den sozialen Fortschritt im Land.“ Aktion gegen Menschenhandel Unter dem Motto „Jogue a favor da vida, denuncie o trafico de pessoas“ – „Spiele für das Leben und zeige Menschenhandel an“ will die brasilianische Kirche in Zusammenarbeit mit der Regierung zum Beispiel gegen Menschenhandel während der WM vorgehen. Dazu findet am Mittwoch in Brasilia eine Demonstration statt – im Rahmen einer nationalen Sensibilisierungskampagne, die gegen das Phänomen mobil machen will. Die internationalen Gäste und die brasilianische Bevölkerung soll melden, wenn sie Zwangsprostitution und Menschenhandel beobachtet. Dazu der Adveniat-Brasilienreferent: „Am Flughafen, in Restaurants und in Hotels hängen die entsprechenden Plakate, auf denen Kontaktnummern angegeben sind. Es ist aber letztlich ein internationales Problem wie beim Drogenhandel auch; das bekommt ein Land allein kaum in den Griff! Und man wird gleichwohl auch sagen müssen: Leider ist das Problem Missbrauch in Brasilien nicht nur ein Problem, was über Touristen in das Land kommt, sondern das Thema häusliche Gewalt ist in den ärmeren Schichten auch ein großes Thema, so dass Adveniat in den letzten Jahren auch verstärkt mit Partnern versucht, dort therapeutisch und bewusstseinsbildend zu wirken.“ Offiziell ist die Prostitution in Brasilien verboten, es gebe jedoch viele Frauen vor allem aus dem armen Nordosten des Landes, die „auf eigene Rechnung“ arbeiteten und im Selbstverkauf die einzige Überlebensmöglichkeit sähen, so Paffhausen gegenüber Radio Vatikan. Auch langfristig Verbesserungen? Aus den brasilianischen Großstädten sollen Prostitution, Drogenhandel, Bandenkriege und andere Auswüchse des organisierten Verbrechens zur Zeit der Fußball-WM verschwinden – so wünscht es die brasilianische Regierung. Können die ergriffenen Maßnahmen hier der brasilianischen Bevölkerung auch langfristig etwas bringen – etwa im Bereich Kriminalitätsbekämpfung? Dazu Paffhausen: „Zumindest hat man das propagandistisch so ausgegeben, dass die Mehrheit der Bevölkerung davon profitieren wird, insbesondere was Infrastrukturen angeht. Da sind allerdings berechtigte Zweifel angebracht: Die Mehrheit der Bevölkerung hat wohl kaum etwas davon, wenn Flughäfen ausgebaut werden oder so viel Geld in Stadien gepumpt wird, so dass sich als Folge auch die Eintrittspreise erhöhen und man wohl kaum mit ausverkauften Rängen rechnen wird… Und was das Thema Sicherheit angeht: Da ist vor allem in Rio de Janeiro schon einiges getan worden über die Befriedungspolizei. Es gab ja ganze Favelas, die fest in der Hand von Drogengangs waren, die sich gegenseitig bekämpft haben – etwa 40 der insgesamt 1.000 Favelas, die man in Rio zählt, sind befriedet. Allerdings zeichnet sich jetzt schon ab, dass die Drogengangs sich nur in die Peripherie zurückgezogen haben und sich im Moment neu formieren! Die letzten Auseinandersetzungen Ende April an der Copa Cabana beispielsweise sind sicher ein Zeichen dafür, dass es wieder härtere Gefechte zwischen Polizei und Drogengangs gibt…“ (rv)