Jugend-Vorsynode: „Wir fordern keine revolutionären Umstürze

Viele Kirchenverantwortliche im Vatikan sind wohl erleichtert darüber, dass die Jugendlichen, die an der Vorsynode in Rom teilnahmen, „keine revolutionären Umstürze“ in der Kirche fordern. Mit diesen Worten bilanziert Alina Oehler, eine der Teilnehmerinnen aus dem deutschen Sprachraum, die Arbeit der Vorsynode.

Persönlich freut sich die 27-jährige Theologin und Journalistin darüber, dass das Anliegen nach mehr Sichtbarkeit für Frauen in der katholischen Kirche ein universell geteiltes Thema war und im Dokument breiten Niederschlag fand. Und: das Interesse an der „Alten Messe“ unter jungen Leuten sei hoch.

Gudrun Sailer traf sich mit Alina Oehler zum Bilanzinterview in einem römischen Straßencafé.

Vatican News: Eine Vorsynode der Jugendlichen im Vatikan hat noch nie stattgefunden. Was kann das, was Sie da gemacht haben, mitsamt dem Text, den Sie dem Papst übergeben haben, für die Kirche bewirken?

Alina Oehler: „Ich hoffe natürlich, dass das geschieht, was in den letzten Tagen geschehen ist: dass die Hierarchie der Kirche uns aufmerksam zuhört und ernst nimmt, was Jugendliche sich von dieser Kirche wünschen und erhoffen. Denn die gute Nachricht für viele in der Hierarchie ist, dass wir keine revolutionären Umstürze gefordert haben, sondern in der Einleitung des Dokuments wird schon deutlich, dass wir diese Kirche lieben und in dieser Kirche Gott erfahren und dass wir sie nicht verändern wollen im Sinn: die Lehre muss komplett neu werden. Deswegen ermutige ich die Hierarchie der Kirche, sich das Dokument anzuschauen, weil wir nicht die revolutionäre Generation sind, die alles ändern möchte, wovor viele, glaube ich, Angst hatten.“

Vatican News: Was hat Ihnen im Dokument gefehlt?

Alina Oehler: „Ich finde, es ist eigentlich viel darin für die wenigen Tage und die vielen Hintergründe, aus denen die Jugendlichen kamen. Für mich persönlich wurde im Gespräch mit anderen deutlich, dass die Anliegen der asiatischen Jugendlichen zu wenig berücksichtig wurden. Ich als Deutsche kann das inhaltlich schlecht beurteilen, aber der Eindruck kam vermehrt. In der Hinsicht hätte das Dokument, meine ich, noch wachsen können, dass einfach die Lebensrealitäten der Jugendlichen außerhalb von Europa noch stärker Einfluss genommen hätten.“

Vatican News: Ihr persönliches Ziel war es, die Anliegen junger Frauen nach mehr Sichtbarkeit in der Kirche zu bestärken, in den Debatten wie auch im Dokument. Ist das aus Ihrer Sicht gelungen?

Alina Oehler: „Ich bin sehr glücklich damit, wie die Rolle der Frau in diesem Dokument auftaucht. An vier unterschiedlichen Stellen im Dokument ist davon die Rede, jeweils nicht in einem Halbsatz, sondern als ganzer Absatz. Für mich ist das sehr erfreulich und auch überraschend gewesen, dass es so breiten Raum einnimmt. Weil natürlich für mich persönlich war es ein wichtiges Anliegen – aber zu sehen, dass es über die Kontinente und über die verschiedenen Hintergründe hinweg ein gemeinsames Anliegen ist, von Afrikanern, von Asiaten, von Europäern, von Amerikanern, das finde ich ein sehr starkes Zeichen, und ich finde da ist es auch nicht zu viel gesagt, vielleicht das Wirken des Heiligen Geistes an der Stelle zu vermuten. Und ich hoffe, dass es so wahrgenommen wird.“

Vatican News: Sie sind in Ihrer journalistischen Arbeit auch als Befürworterin der christlichen Tradition in Erscheinung getreten. Welchen Stellenwert hatte die Debatte um christliche, katholische Tradition, bei der Jugendvorsynode? Gab es daran überhaupt ein Interesse?

Alina Oehler: „Ja, da gab es ein großes Interesse. Vor allem beim Thema Liturgie wurde das sehr deutlich. Das Thema außerordentliche Form des römischen Ritus kam häufig in den Diskussionen vor, das hat mich persönlich überrascht, über Ländergrenzen hinweg. Es hat im Dokument mit dieser konkreten Formulierung keinen Einzug gefunden, ich kann es nicht einschätzen wieso, weil ich nicht im Redaktionsteam am Ende war, vielleicht war die konkrete Nennung des Terminus zu wenig. Aber das Interesse der Jugend an traditionellen Formen von Liturgie hat Einzug ins Dokument genommen. Und auch das ist eine Realität, der man sich stellen muss.“ (Vatican News – gs)

Das Team von Vatican News deutsch

Die bisherige Redaktion von Radio Vatikan deutsch bleibt und ist auch Teil der neuen sechssprachigen Redaktion von Vatican News. Es handelt sich um sechs Redakteurinnen und Redakteure aus dem deutschsprachigen Raum. Regelmäßig ist auch eine Praktikantin oder Praktikant dabei.

Der bisherige Leiter des deutschsprachigen Dienstes von Radio Vatikan, Jesuitenpater Bernd Hagenkord (ord), war seit 2009 für die Abteilung zuständig. Bei Vatican News ist er für alle sechs Sprachen als publizistischer Leiter zuständig.

Die Leitung der deutschsprachigen Abteilung von Vatican News hat der deutsche Journalist Stefan von Kempis (sk). Im Jahre 1989 machte er bei Radio Vatikan ein Praktikum. Von 1995 bis 1998 arbeitete er dort als Redakteur. Seit Oktober 2001 war er zweiter Redaktionsleiter. Er ist verantwortlich für Nachrichten bzw. Aktuelles.

Die aus Österreich stammende Journalistin Gudrun Sailer (gs) war seit 2003 bei Radio Vatikan. Bei herausragenden Vatikan-Ereignissen wie den Papstwahlen von 2005 und 2013 wirkte sie als TV-Gastkommentatorin. Sie ist auch Gründungsmitglied des Vereins der Frauen im Vatikan D.VA.

Die Stimme aus der Schweiz ist Mario Galgano (mg). Der ehemalige Sprecher der Schweizer Bischofskonferenz war seit 2006 als Redakteur bei Radio Vatikan tätig. Derzeit kümmert er sich auch um die Social Media von Vatican News sowie um die Videos.

Die deutsche Journalistin Anne Preckel (pr) war als Redakteurin beim öffentlich-rechtlichen Fernsehen (RAI) in Rom beschäftigt, bevor sie 2009 zu Radio Vatikan wechselte. Sie moderiert auch weiterhin wie die anderen Redakteurinnen und Redakteure die Nachrichtensendungen sowie Beiträge für das Nachrichtenportal.

Die aus Bayern stammende Christine Seuss (cs) gehört seit 2010 zum Team. Wie alle anderen in der deutschsprachigen Redaktion wechselt sie zwischen Moderation, Reportage und weiteren journalistischen Tätigkeiten ihre tägliche Arbeit.

Weitere Mitglieder und Helfer in der Redaktion sind Aldo Parmeggiani, der jeweils interessante Interviews mit Berühmtheiten und besonderen Menschen führt, Gerhard Girardi, der für die Online-Dienste wie den Newsletter zuständig ist, und Jennifer Stahl, die für die Sekretariatsarbeit verantwortlich ist. (vatican news)

Das Team von Vatican News deutsch

Die bisherige Redaktion von Radio Vatikan deutsch bleibt und ist auch Teil der neuen sechssprachigen Redaktion von Vatican News. Es handelt sich um sechs Redakteurinnen und Redakteure aus dem deutschsprachigen Raum. Regelmäßig ist auch eine Praktikantin oder Praktikant dabei.

Der bisherige Leiter des deutschsprachigen Dienstes von Radio Vatikan, Jesuitenpater Bernd Hagenkord, war seit 2009 für die Abteilung zuständig. Bei Vatican News ist er für alle sechs Sprachen als publizistischer Leiter zuständig.

Die Leitung der deutschsprachigen Abteilung von Vatican News hat der deutsche Journalist Stefan von Kempis. Im Jahre 1989 machte er bei Radio Vatikan ein Praktikum. Von 1995 bis 1998 arbeitete er dort als Redakteur. Seit Oktober 2001 war er zweiter Redaktionsleiter. Er ist verantwortlich für Nachrichten bzw. Aktuelles.

Die aus Österreich stammende Journalistin Gudrun Sailer war seit 2003 bei Radio Vatikan. Bei herausragenden Vatikan-Ereignissen wie den Papstwahlen von 2005 und 2013 wirkte sie als TV-Gastkommentatorin. Sie ist auch Gründungsmitglied des Vereins der Frauen im Vatikan D.VA.

Die Stimme aus der Schweiz ist Mario Galgano. Der ehemalige Sprecher der Schweizer Bischofskonferenz war seit 2006 als Redakteur bei Radio Vatikan tätig. Derzeit kümmert er sich auch um die Social Media von Vatican News sowie um die Videos.

Die deutsche Journalistin Anne Preckel war seit 2009 bei Radio Vatikan. Sie moderiert auch weiterhin wie die anderen Redakteurinnen und Redakteure die Nachrichtensendungen sowie Beiträge für das Nachrichtenportal.

Die aus Bayern stammende Christine Seuss gehört seit 2010 zum Team. Wie alle anderen in der deutschsprachigen Redaktion wechselt sie zwischen Moderation, Reportage und weiteren journalistischen Tätigkeiten ihre tägliche Arbeit.

Weitere Mitglieder und Helfer in der Redaktion sind Aldo Parmeggiani, der jeweils interessante Interviews mit Berühmtheiten und besonderen Menschen führt, Gerhard Girardi, der für die Online-Dienste wie den Newsletter zuständig ist, und Jennifer Stahl, die für die Sekretariatsarbeit verantwortlich ist. (vatican News)

Jesuiten-Zeitschrift „Civiltà Cattolica“ expandiert nach Lateinamerika

Das publizistische Flaggschiff des Jesuitenordens „Civiltà Cattolica“ kommt ab sofort auch in einer lateinamerikanischen Ausgabe heraus. Die Ausgabe Nummer eins der spanischsprachigen „Civiltà Cattolica“ erschien am selben Tag wie die Nummer 4.000 der italienischsprachigen: Papst Franziskus nahm beide am Donnerstag im Rahmen eines kleinen Festaktes im Vatikan entgegen, am Abend dann wurde die lateinamerikanische Ausgabe an der Botschaft Spaniens beim Heiligen Stuhl dem größeren Publikum vorgestellt. Für sie zeichnet neben dem Chefredakteur Antonio Spadaro der argentinische Jesuit Diego Fares zuständig. Fares, der Papst Franziskus seit 40 Jahren kennt, wechselte vor zwei Jahren nach Rom. Als Verleger der lateinamerikanischen Ausgabe tritt das Haus Herder in Erscheinung. Einzelheiten von Gudrun Sailer.

„Civiltà Cattolica“ ist eine der ältesten Zeitschriften der Welt: Papst Pius IX. rief sie 1850 ins Leben. Alle Beiträge stammen grundsätzlich von Jesuiten, die verstreut über die ganze Welt leben, während die Redakteure, Skriptoren genannt, in einer eigenen Gemeinschaft in Rom in der Nähe der Spanischen Treppe wohnen, „und bei aller Verschiedenheit, wir leben immer noch“, scherzte Chefredakteur Spadaro bei der Präsentation. Papst Franziskus habe diese Linie – ausschließlich Jesuiten als Autoren – am Donnerstag ausdrücklich bestätigt, diese gemeinsame Zugehörigkeit zur Gesellschaft Jesu garantiere einen gemeinsamen Horizont. Die Jesuiten sind der größte Männerorden der katholischen Kirche, die Ausbildung der Angehörigen ist sehr gründlich und dauert mindestens zehn Jahre.

„Civiltà Cattolica“ versteht sich als „Brückenzeitschrift und nicht als „Tresorzeitschrift“, sagte Spadaro. So geht das anspruchsvolle Blatt inhaltlich weit über das Themenfeld Theologie hinaus, „wir bewegen uns frei in den verschiedenen Feldern des Wissens, es geht um Kunst genauso wie um Wirtschaft oder Politik. Die Zeitschrift präsentiert eine Sicht auf die Welt, die christlich ist, aber zugleich auf einer Wellenlänge mit der aktuellen Situation der Kirche“, erklärt Spadaro. „Papst Franziskus würde das polyedrisch nennen“ fügt sein Mitbruder Diego Fares hinzu. Er ortet eine „spirituelle Übereinstimmung“ zwischen dem Papst und der Jesuitenzeitschrift.

„Papst Franziskus interessiert sich dafür, an die Grenzen zu gehen, zu allen zu sprechen, der Dialog mit anderen Wirklichkeiten – das war immer angelegt in der Kirche, aber vielleicht sieht man es heute mit Franziskus besser. Und dieses Zugehen auf das Andere ist ganz ähnlich in der Zeitschrift.“

Die Texte und die Armen

Pater Fares, der Philosoph, dessen Bücher Papst Franziskus persönlich zur Lektüre empfahl, hat bereits in Argentinien vieles für Arme und Benachteiligte getan. Zusammen mit einer großen Gruppe Laien wirkte er in einem Zentrum für Obdachlose, darüber hinaus begleitete er Sterbende im Hospiz Casa de la Bondad. In Rom kümmert sich Pater Fares um Flüchtlinge, „keine großen Dinge, Kaffeekochen und auf Ämter begleiten“, erzählt er uns mit einem Lächeln. Und, ja, so etwas hilft gerade beim Schreiben für eine Kulturzeitschrift: „Texte werden anschaulicher und konkreter. Es wäre ziemlich anstrengend, zu schreiben ohne Kontakt mit den Armen!“

Sinn der lateinamerikanischen Ausgabe der „Civiltà Cattolica“ ist es nicht, italienische Inhalte in andere Sprachen zu übersetzen, betont Pater Spadaro. „Im Gegenteil, unsere Zeitschrift versammelt ja schon immer Beiträge von Jesuiten-Autoren aus aller Welt in den wichtigsten Sprachen (auch auf Deutsch). Nun geht es darum, diesen kulturellen Reichtum, der die italienische Ausgabe auszeichnet, auch in die anderen Sprachen gewissermaßen zurückzutragen.“

Eine weitere Besonderheit der „Civiltà Cattolica“ ist, dass jede dort veröffentlichte Zeile im vatikanischen Staatssekretariat gelesen wird, ehe sie in Druck geht. Die Zeitschrift sei nicht das offizielle Sprachrohr des Heiligen Stuhles, präzisierte Spadaro, „doch sie erscheint in Abstimmung mit den Päpsten“. Pius IX. bis einschließlich Johannes XXIII. hätten die Artikel persönlich geprüft. Auch Franziskus lese – als Jesuit – wieder viele der Texte vor der Veröffentlichung.

„Papst Franziskus kennt „Civiltà Cattolica“ sehr gut, sogar besser als ich, als Direktor…! Für uns ist das ein Stimulus, ihn nicht nur als religiöses Oberhaupt zu beobachten, sondern auch als moralische Größe der Welt. Wir erleben momentan ja eine schwierige Zeit, in der das Schlüsselwort „Mauer“ zu sein scheint. Das Schlüsselwort von Franziskus ist „Brücke“. Und da wollen wir ihm folgen.“

Die Jesuitenzeitschrift und ihr Dienst am Heiligen Stuhl

Heißt das auch, die prominente Jesuitenzeitschrift kann Dinge in größerer Offenheit schreiben, als der Papst sie klugerweise sagen könnte? Ganz so direkt würde Pater Spadaro das nicht ausdrücken.

„Der Papst hat die Zeitschrift als einmalig bezeichnet: sie leistet einen Dienst für den Heiligen Stuhl, hat aber keinen offiziellen Charakter. Sie ist aber eine gewichtige Stimme, zertifiziert, gewissermaßen, veröffentlicht Inhalte, die allgemein mit der Meinung des Heiligen Stuhles übereinstimmen. Die Inhalte sind approbiert, sie können gewissermaßen auf dieses Gütesiegel verweisen. Und dieser Akt des Gegenlesens bringt einen kulturellen Austausch hervor. Eine wirkliche Debatte über die Inhalte. Das ist nichts Technisches oder Mechanisches, es wird nicht verlangt, diesen oder jenen Satz zu ändern. Es ist viel tiefer, es braucht Zeit, jedes Mal eine lange Besprechung, die ich persönlich hochinteressant und bereichernd finde.“

Die neue lateinamerikanische Ausgabe der „Civiltà Cattolica“ wird monatlich erscheinen und dabei jeweils Artikel aus der italienischen Zeitschrift auswählen, die alle zwei Wochen herauskommt. Die spanischsprachige Fassung hingegen wird pro Ausgabe elf eigene Buchbesprechungen bieten, die wiederum getreulich im Staatssekretariat gegengelesen werden.

Die gedruckte Startauflage der lateinamerikanischen Fassung der „Civiltà Cattolica“ liegt nach Angaben des Verlegers Raimund Herder bei 1.000 Exemplaren, allerdings erhofft er sich mehr Interesse an neuen Verbreitungsformen. „Uns schwebt vor, dass wir innerhalb eines Jahres etliche Tausend Abonnements insbesondere der elektronischen Ausgabe haben werden.“ Einen Bedarf an einer solchen Zeitschrift sieht Raimund Herder klar gegeben: „Im spanischen Sprachraum gibt es viele Zeitschriften, auch sehr gute. Aber eine Zeitschrift dieses Niveaus haben wir zumindest in unseren Recherchen nicht gefunden.“ (rv)

Buchtipp: Keine Kirche ohne Frauen

Keine Kirche ohne Frauen„Papst Franziskus: Keine Kirche ohne Frauen“ heißt das Werk, das die Radio Vatikan-Redakteurin Gudrun Sailer soeben mit dem Verlag Katholisches Bibelwerk vorgelegt hat. Darin finden sich gesammelt alle Aussagen von Papst Franziskus zu und über Frauen, versehen mit einer längeren Hinführung der Herausgeberin. Wir sprachen mit Gudrun Sailer über ihr Buch und wollten zunächst wissen, was sie am meisten überrascht hat bei dem, was der seit drei Jahren amtierende Papst über Frauen sagt.

„Überrascht hat mich, wie vielfältig und breitgestreut diese Papst-Aussagen waren. Er spricht von einem Mehr an Einfluss, das Frauen bei Entscheidungsprozessen in der Kirche genießen sollten, erklärt aber auch, warum es beim Nein zu katholischen Priesterinnen bleiben wird, er pocht auf die unersetzliche Rolle der Frau in der Familie und fordert im selben Atemzug gleichen Lohn für gleiche Arbeit in der Arbeitswelt; er wünscht sich eine eigene Theologie der Frau, auch eine bessere Wahrnehmung und Einbindung der Arbeit von Theologinnen in das ganze Gebäude der Theologie. Sehr schön, oft poetisch ist, was er über Maria sagt und über einzelne Frauen der Bibel. Die alte Prophetin Hanna zum Beispiel nennt der Papst ohne Umschweife „die erste Verkünderin Jesu“. Da wird wirklich eine große Bandbreite erkennbar. Und auch eine große Wertschätzung für das, was Frauen sind und was sie einbringen.“

RV: Gibt es einen Schlüsselsatz, der die Position von Papst Franziskus zusammenfasst?

„Die Kirche ist weiblich“, vielleicht. Es heißt nicht „der Kirche“, sondern „die Kirche“, und das sagt doch etwas aus, was wir noch nicht recht erkannt haben. Das hat Franziskus mehrfach so und ähnlich gesagt. Und hier wird noch etwas klar: der Papst zeigt in der Frage der Frau in der Kirche viel Offenheit, und zugleich hat er keinen fertigen Marschplan in der Schublade.“

RV: Und wie kann es dann aus Sicht von Papst Franziskus gelingen, den Frauen den ihnen zustehenden Platz in der Kirche einzuräumen?

„Er hat das Feld geöffnet und bittet um Vorschläge. Und das passt als Vorgangsweise gut zu Franziskus. Er berät sich auf breiter Basis, dann entscheidet er. Es sind also jetzt die Katholikinnen selbst aufgerufen, sich einzubringen. Das geht nur zusammen mit den Gemeinden und den Bischöfen, einzelne Bischofskonferenzen – die deutsche und die österreichische zumal – sind da schon weiter als andere. Denn letztlich wird die Frage lokal gespielt, in den Ortskirchen. Aber es ist unerlässlich, dass der Papst die rechten Impulse gibt. Und die gibt er, das ist mir klargeworden, als ich alle seine Reden, Katechesen und Interviews durchgegangen bin auf der Suche nach den Frauen-Zitaten.“

RV: Wie weit oben steht das Thema Frau und Kirche auf seiner Agenda?

„Nicht ganz oben, meinem Eindruck nach, aber es ist unverkennbar, dass er es in seiner Tragweite sieht. Wenn die Kirche die Frauen verliert, dann würde sie das nicht überleben, das ist ein direktes Zitat von Franziskus.“

RV: Im Vorwort legen Sie unter anderem einen Essay vor, eine Einordnung der Papst-Aussagen, auch eine Bestandsaufnahme über Frauen im Vatikan, außerdem eine Art biografische Annäherung an das Thema Päpste und Frauen. Vor kurzem wurde doch bekannt, dass Papst Johannes Paul II. über Jahrzehnte eine sehr enge Freundschaft zu einer polnisch-amerikanischen Philosophin unterhalten hat. Gibt es so etwas auch im Fall von Franziskus?

„Genau diese interessante Frage hat ein Journalist vor einigen Tagen dem Papst auf dem Rückflug von Mexiko gestellt. Franziskus wollte nicht so recht mit der Sprache herausrücken, hat aber sehr schön und sehr klar gesagt: ein Mann, der keine freundschaftliche Beziehung zu einer Frau zu unterhalten kann, dem fehlt etwas. Und das gilt auch und erst recht für Priester. „Wir haben noch nicht das Gute erkannt, das eine Frau dem Leben des Priesters und dem Leben der Kirche zu geben vermag, im Sinne eines Ratschlags, im Sinne einer Hilfe oder einer gesunden Freundschaft.“ Ein Jammer, dass Franziskus das nicht schon vor ein paar Monaten gesagt hat: Es würde die Papst-Zitate in meinem Buch gut abrunden. Ich nenne aber in der Hinführung die „Frauen am Weg des Jorge Mario Bergoglio“, angefangen von der Großmutter, sicherlich die wichtigste Frau in seinem Leben, über das Mädchen, in das er sich als Seminarist verliebte, dann gab es eine Vorgesetzte, die ihn – obwohl Kommunistin – sehr prägte und beeindruckte, und noch einige mehr.“

RV: Viele empfinden es so, dass mit Papst Franziskus in der Kirche ein neues Zeitalter angebrochen ist. Auch wenn das eher für die Haltung als für die Inhalte stimmt: Gilt das auch für die Frage der Frau in der Kirche?

„Franziskus hat in seinen drei Jahren Pontifikat eine Menge Baustellen aufgemacht, zu Recht. Und eine davon ist dieser Akt des Neuauslotens für den Ort der Frau in der Kirche. Ich meine, er kann diese Baustelle nicht abschließen in der Zeit, die er noch hat, aber er hat sie aufgemacht, und das ist mehr, als jeder Papst vor ihm getan hat.“

Papst Franziskus: Keine Kirche ohne Frauen. Herausgegeben von Gudrun Sailer. Verlag Katholisches Bibelwerk, 2016. Rund 15 Euro. (rv)

Mexiko: „Auftragsmörder“ und „Drogen“, die Reizwörter im Titel

MexikoMexikos Zeitungen titeln am Mittwoch alle zum Treffen des Papstes mit den Jugendlichen. Mit den Reizwörtern, die sie in der Ansprache von Franziskus hörten: „Jesus würde euch nie dazu einladen, Auftragsmörder zu werden“ und „Drogen sind nicht der Weg“. Unsere Kollegin Gudrun Sailer mit der aktuellen Presseschau aus Mexiko.

Drogen, Gewalt, organisierte Kriminalität, das sind dauernpräsente Themen in Mexikos Medien. Erst recht, wenn die moralische Welt-Autorität, der Papst, ins Land kommt und seinen Finger in diese tiefe Wunde legt. Das Treffen mit den Jugendlichen nimmt daher in allen Zeitungen breiten Raum ein, auch in Reforma, der größten Tageszeitung im Land.

Im Blattinneren heißt es, die sechs Jesuiten, die den Papst in der Nuntiatur trafen, hätten ihrem Mitbruder einen Brief der Angehörigen der 43 verschwundenen Studenten von Iguala überreicht, Franziskus habe diesen Brief gelesen und sei erschüttert gewesen. Ob die Angehörigen dieser Studenten den Papst treffen können oder nicht, ist in Mexiko ein vielbesprochenes Thema. Sie erhielten Karten in den vordersten Reihen der Papstmesse in Ciudad Juarez. Vatikansprecher Lombardi hat mehrmals betont, er wundere sich über den öffentlichen Druck in dieser Frage: In Mexiko gebe es nicht 43 Desaparecidos, sondern nach offiziellen Zahlen 27.000, und der Papst trage sie alle im Herzen. Eine ganze Seite in „reforma“ gilt der Messe mit den Priestern und Ordensleuten. Einer der wenigen kritischen Kommentare gilt den „ignorierten Opfern“, jenen des Missbrauchs durch Priester. „Es ist schade, dass der Papst in seinem Mexiko-Besucht nichts über die pädophilen Priester und ihre Opfer gesagt hat.“ Mehrere dieser Fälle haben das Vertrauen der Bevölkerung, besonders der gebildeten Schichten, in die mexikanische Ortskirche schwer erschüttert.

Mit dem Konterfei des Papstes wird in den Zeitungen auch viel Werbung gemacht. Nicht nur für Radio- und Fernsehübertragungen, die in Mexiko flächendeckend gesendet werden, sondern auch für Apotheken, Versicherungen und Lotterien. (rv)

Mexiko: „Der Papst ist in seinem Element“

Gudrun SailerUnsere Kollegin Gudrun Sailer ist in Mexiko und beobachtet Papst Franziskus auf Schritt und Tritt. Wir wollten von ihr wissen: Wie schlägt sich der Papst?

„Franziskus ist in seinem Element, und das Land ist es auch im Moment des Papstbesuchs. Dabei spart der Papst nicht an klaren Worten, wie er es auch angekündigt hatte. Das ist keine Kuschelkirche, die sich mit den Gegebenheiten arrangiert, die der Papst da mit seinen Worten und Gesten fördern würde. Die Rede an den mexikanischen Episkopat war sehr deutlich: Setzt nicht auf die ‚Pferde und Streitwagen‘ der heutigen Pharaonen, sagte er den Bischöfen, das heißt: haltet euch nicht an die Machthaber, sondern an die Armen; er bat sie auch, transparent zu sein, die Missstände im Land wie Drogenkriminalität und Gewalt mutig, offen und konkret zu benennen und den Migranten zu helfen, denn Mexiko ist ein gewaltiges Durchzugsland der inneramerikanischen Migration, und nicht immer haben Priester, Bischöfe, Laien, Ordensleute für diese Ärmsten der Armen alles getan, was sie tun könnten. Manche Bischöfe haben diese Ansprache denn auch nicht sehr goutiert, war zu erfahren, was wohl zugleich heißt, der Papst hat ins Schwarze getroffen.“

Wie lief es für den Papst bei der Jungfrau von Guadalupe?

„Die „Morenita“ ist das religiöse Wahrzeichen nicht nur Mexikos, sondern ganz Lateinamerikas. Deshalb hat diese Papstreise mit dem Besuch an diesem größten katholischen Wallfahrtsort der Welt eigentlich erst richtig begonnen. Franziskus wirkte recht müde dort, aber es war ihm auch anzusehen, dass es für ihn persönlich ein großer Moment seines Pontifikates ist, allein für fast eine halbe Stunde vor diesem Gnadenbild beten und Kraft schöpfen zu können. Mit der Marienerscheinung von Guadalupe hat ja gewissermaßen das Christentum in Lateinamerika begonnen, dem Kontinent, der heute mit Abstand die meisten Christen aufweist. Und die Muttergottes von Guadalupe steht für das Zugehen auf die Indigenen und die Armen und Bedrängten. Seine Botschaft an die Gläubigen Mexikos von diesem nationalen Heiligtum aus hat der Papst genau kalibriert. Das war sehr schön: Wie klein und ungenügend und ungebildet auch immer ihr euch fühlen mögt, ihr seid gerufen, heute ein neues Heiligtum zu bauen, ein Heiligtum des Lebens, von dem niemand ausgeschlossen ist.“

Warum sollte der Papst unbedingt eine Messe im unbekannten Ecatepec feiern?

„Das ist einer der ärmsten Stadtteile im Riesen-Ballungsraum von Mexiko-Stadt und eine der größten Gemeinden in ganz Mexiko. Als der Papst da durchfuhr auf den frisch nachgezeichneten Straßen, im Papamobil, konnte man das nicht sehen, aber dort herrscht wirkliche Armut, einige Gegenden in Ecatepec haben nicht einmal Fließwasser. Wer immer kann, geht weg von da. Es ist kein Zufall, dass der Papst gerade dort die Mexikaner dazu aufgerufen hat, ein Mexiko zu errichten, aus dem keiner mehr aus Not und Verzweiflung weggehen muss. Wo keiner mehr ausgebeutet wird, wo keiner mehr Kinder beweinen muss, die im Drogenkrieg gestorben sind.“

Der Papst kann in Mexiko seine Muttersprache Spanisch sprechen. Merkt man das?

„Erstaunlicherweise ist er bisher – bis einschließlich dem Besuch im Kinderkrankenhaus – so gut wie gar nicht von den vorbereiteten Texten abgewichen. Das überrascht uns hier alle ein wenig. Vielleicht hängt es mit der Müdigkeit zusammen, die dem Papst momenteweise anzusehen ist. Aber man sieht dennoch, dass er in seinem Element ist. Jede Müdigkeit ist wie weggewischt, wenn er normale Leute sieht. Vor der Nuntiatur sind jedesmal Dutzende, wenn nicht hunderte Menschen, die auf ihn warten, das hat sich herumgesprochen, es kommen jedesmal mehr. Menschen mit Behinderung sind immer in der ersten Reihe, und die herzt und umarmt er mit Inbrunst und spricht mit ihnen. Da merkt man: Ja, das ist Spanisch zu Spanisch, Herz zu Herz.“ (rv)

Wunsch der Männerorden: Auch Laienbrüder als Äbte und Obere

Gudrun SailerDie katholischen Männerorden wünschen sich, dass zukünftig auch Laienbrüder in die höchsten Ämter ihrer Orden zugelassen werden können. Papst Franziskus ist offen für diese Neuerung, sagte im Gespräch mit Radio Vatikan Pater Mauro Jöhri, seines Zeichens Generalminister des Kapuzinerordens; der aus der Schweiz stammende Ordensmann ist zugleich Präsident der weltweiten Union der Generaloberen. Dieses Anliegen trug Jöhri gemeinsam mit dem Jesuitengeneral Adolfo Nicolas Pachon vor einigen Wochen dem Papst in einer Privataudienz vor.

„Es ging unter anderem um die Frage, die nicht nur für uns Kapuziner und Franziskaner, sondern auch für die Benediktiner oder die Salesianer eine zentrale Frage ist, nämlich: dass alle Mitglieder unserer Ordensgemeinschaften, ob Priester oder nicht Priester, Zugang haben zu allen Ämtern im Orden. Sodass zum Beispiel ein Bruder, der Laie ist, also nicht (zum Priester) geweiht, aber volles Mitglied der Ordensgemeinschaft, auch Provinzial oder Abt werden kann. Bisher waren diese Dienste nur den Priestern vorbehalten. Wir meinen, aufgrund unserer Tradition, wenn man vor allem das geweihte Leben in den Mittelpunkt stellt, dass so etwas möglich werden müsste. Das Kirchenrecht muss dazu an, glaube ich, zwei Stellen abgeändert werden, und das kann nur der Papst. Franziskus ist demgegenüber nicht abgeneigt, mit ihm lässt sich darüber sprechen. Jetzt wollen wir entsprechend innerhalb unserer Vereinigung die Kommission für Kirchenrecht einsetzen, damit wir auch die Unterlagen erarbeiten, um die Sache voranzubringen. Das haben wir mit dem Papst besprochen, er hat das gut geheißen.“

RV: Nur Priester können heute Männerorden und -Klöster leiten – war das historisch betrachtet auch so?

„Nein, historisch betrachtet ist das Ordensleben als Bewegung von Laien entstanden. Vor allem auch das Mönchtum. Es gab nur wenige Priester, damit die Mönche die Eucharistiefeiern hatten. Und bei Franz von Assisi war es so, dass die ersten Brüder Laien waren. Dann haben sich auch ein paar Priester gemeldet und er hat sie aufgenommen, sodass unsere Ordensgemeinschaft am Anfang aus Laien und Priestern bestand. Und in der Regel des heiligen Franziskus, die heute noch unsere Regel ist, heißt es im 7. Kapitel: wenn einer gesündigt hat, soll er zu seinem Oberen gehen. Und wenn dieser Priester ist, soll er ihm die Absolution erteilen; ist er nicht Priester, soll er ihn zu einem Priester schicken. Das heißt, zur Zeit des Franz von Assisi war das möglich. Wir Franziskaner bitten einfach darum, dass man uns die Möglichkeit gibt, das Charisma von Franziskus auch heute noch zu leben.“

RV: Dennoch ist dieses Anliegen heute breiter, es verbindet viele Männerorden. Warum?

„Ja, andere Ordensgemeinschaften wünschen sich dasselbe, zum Teil aus folgendem Grund: es besteht die Gefahr, vor allem in der südlichen Hemisphäre, dass sehr viele in die Orden eintreten mit dem einzigen Ziel, Priester zu werden, so dass das geweihte Leben irgendwie in den Hintergrund tritt. Und dann sind es Priester mit einer braunen Kutte (aber eben vorrangig Priester). Es sind nicht zuerst Kapuziner. Es geht darum, dass im geweihten Leben die Identität des Ordensmannes wieder in den Mittelpunkt kommt.“

RV: Das Jahr des geweihten Lebens geht an diesem Dienstag zu Ende. Wie sieht Ihre Bilanz aus?

„Meine Bilanz ist erfreulich! Für mich war vor allem wichtig, dass die Kirche sich bewusst wird – das war nicht nur eine Frage der Orden – es war ein Jahr für die Kirche, für die Gemeinden, die Diözesen, und dass in den Diözesen bewusst wird, dass die Ordensleute da sind und was sie für die Kirche bedeuten, nicht nur indem sie gewisse Dienste ausüben, sondern das geweihte Leben als solches. Der Papst sagt aufgrund des II. Vatikanischen Konzils, dass die Kirche über hierarchische und charismatische Gaben verfügt, und ich glaube, dass wir Ordensleute zu den charismatischen Gaben der Kirche gehören, und dass die Kirche sich darüber bewusst ist und bleibt, uns schätzt und uns entsprechend einsetzt.“

RV: In wenigen Tagen werden Reliquien der Kapuziner Pater Pio und Pater Leopold Mandic nach Rom überstellt, wo sie zur Verehrung im Petersdom ausgestellt werden. Der Glassarg mit dem Leichnam Pater Pios hat noch nie seinen angestammten Ort in San Giovanni Rotondo in Apulien verlassen. Von wem stammte denn diese Idee?

„Diese Idee stammt vom Papst. Es war Papst Franziskus selbst, der darum gebeten hat, wir sollten diese Reliquien für das Heilige Jahr der Barmherzigkeit nach Rom bringen. Wichtig ist zu wissen, dass diese beiden Mitbrüder wirklich im Beichtstuhl heilig geworden sind, das waren Spender der Barmherzigkeit. Padre Pio ist bekannter als Pater Leopold, der aus Montenegro stammte, er war Mitglied der Provinz Venedig, ein ganz kleiner Mann, der kaum sprechen konnte, er konnte nicht predigen, dafür hat er gut zuhören können und hat sein ganzes Leben im Beichtstuhl verbracht. Es gab Bischöfe, die ihren Priestern fast verboten haben, zu ihm zur Beichte zu gehen, weil sie sagten, er sei viel zu barmherzig! Ich glaube, Papst Franziskus kennt diese Gestalt gerade deshalb, weil eine große Nähe zu ihn besteht. Franziskus stellt ja die Barmherzigkeit in die Mitte der Botschaft, wir haben viel zu lange über Moral gesprochen, und die Beichte war belastet mit Angst und mit Kontrolle der Seelen. Und jetzt soll wirklich die Barmherzigkeit die Mitte des Evangeliums sein. Darum holt der Papst solche Gestalten, die so etwas verkörpert haben.“

RV: Warum ist Pater Pio der bekannteste Heilige Italiens der Neuzeit? Weil er die Wundmale Christi trug?

„Natürlich, er war auch als Stigmatisierter gekennzeichnet. Er selbst wünschte sich, dass die Wundmale verschwinden, er war bereit, das Leiden zu tragen, aber er wollte nicht im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stehen. Wir wissen, dass er manchmal auch gewisse Beichtkinder weggeschickt hat, weil er gesehen hat, dass sie nicht ganz ehrlich waren, bis sie ein nächstes Mal kamen. Er hatte Gaben, die andere nicht hatten. Und das ist glaube ich der Grund, warum Papst Franziskus uns gefragt hat. Ich habe dann gesagt, gut, der Papst wünscht, dass wir ihm für zehn Tage die Reliquien bringen, aber vielleicht darf ich auch um etwas bitten? Ich habe gebeten um eine Eucharistiefeier (gefeiert vom Papst) mit meinen Mitbrüdern. Und am 9. Februar werden ungefähr 8000 Kapuziner in Rom sein, um morgens mit Franziskus eine Messe zu feiern.“

RV: Das ist viel, denn Ihr Orden hat 11.000 Brüder, nicht?

„Ja, unser Orden hat noch über 10.000 Mitbrüder, 2.000 davon leben immer noch in Italien, der größte Teil ist noch in Europa, aber mehr als die Hälfte lebt jetzt außerhalb Europas. Aber wissen Sie, einen Gottesdienst mit dem Papst zu feiern – ein Papst, ein Jesuit, der jetzt Franziskus heißt, das ist für uns ein Ereignis, und darum machen sich die Brüder auf die Beine nach Rom für dieses Ereignis.“

RV: Bruder Mauro, Sie waren bei der Familien-Bischofssynode von 2014 anwesend, bei jener von 2015 mussten Sie aufgrund vieler anderer Verpflichtungen Ihre Teilnahme absagen. Nun war 2015 unter den gewählten männlichen Ordensvertretern ein Laienbruder, der – das war ein Novum – vom Synodensekretariat das Stimmrecht erhielt, also Synodenvater war, obwohl er nicht Priester ist. Die drei Ordensfrauen bei der Synode hingegen nahmen ohne Stimmrecht teil. Die Ordensmänner wollten sich dann nach dieser Erfahrung dafür verwenden, dass Ordensfrauen bei Synoden in Zukunft stimmen dürfen. Wie steht es mit diesem Vorhaben?

„Wir haben während der letzten Generalversammlung im November darüber gesprochen. Und dann haben wir uns Gedanken gemacht über die Zukunft der Synode und uns gefragt: Wenn es eine Bischofssynode ist, ist es sinnvoll, dass auch Ordensleute und Ordensschwestern hinzukommen? Dann ist es nicht mehr die Bischofssynode. Ich glaube, wenn man davon ausgeht, dass die Kirche aus hierarchischen und charismatischen Gaben besteht, soll durchaus die Bischofssynode Bischofssynode bleiben, aber dann sollten die Bischöfe auch ein Gegenüber haben, mit dem sie ins Gespräch kommen, und das könnte das ganze Volk Gottes sein. Wir als Ordensleute würden uns eher, glaube ich, beim Volk Gottes einreihen, also bei den Laien, und dort ein Gremium schaffen, wo Ordensfrauen und Ordensmänner und Bewegungen und alle anderen eine Möglichkeit haben, diesen gemeinsamen Weg zu gehen – Synode heißt ja miteinander unterwegs sein mit verschiedenen Aufgaben – sodass die communio in der Kirche voll bewahrt wird und zum Ausdruck kommt. In diesem Sinn haben wir auch als Vereinigung den Vorschlag eingebracht, die nächste Synode soll über die Synodalität der Kirche arbeiten und dieses Thema vertiefen und die entsprechenden Strukturen ins Leben rufen. Das ist unsere Antwort. Die andere Antwort, uns einfach dafür stark zu machen, dass die Ordensfrauen in der Synode ein Stimmrecht bekommen, wird wahrscheinlich kaum erreichbar sein, und vielleicht ist es nicht erwünscht, sondern es ist eher erwünscht, die Sache zu erweitern – von der Überlegung her.“

RV: Papst Franziskus ist seit bald drei Jahren im Amt. Was ist neu geworden mit ihm?

„Als ich vernommen habe, dass ein Jesuit zum Papst gewählt wurde und dass er den Namen Franziskus gewählt hat, musste ich weinen… Es gab eine Zeit nach dem Konzil, wo die geistlichen Bewegungen sehr hoch gehalten worden sind, teils zu Recht, aber man sagte, die Bewegungen lösen jetzt das Ordensleben ab. Das ist nicht der Fall. Und ich glaube, bei Papst Franziskus werden gewisse Gleichgewichte wieder geschaffen. Ordensleute sind wichtig, Bewegungen sind wichtig, die Aufgaben sind etwas verschieden, aber es gibt Platz für beide und für alle in der Kirche. Was mich am meisten freut an Papst Franziskus ist sein Stil."

RV: Und das bedeutet konkret für Sie?

„Seine Volksnähe, die unmittelbare Sprache, die Gebärden und Gesten, die er spontan setzt, wie er unter die Leute geht… Würde es ihm die Sicherheit ermöglichen, dann würde er wahrscheinlich abends in die römischen Armenviertel gehen und den Leuten begegnen. Als ich ihn mit Pater Nicolas traf, haben wir auch die Situation in Bangui, Zentralafrika, erwähnt, wo er praktisch schutzlos unter die Leute ging, und wie er das Heilige Tor in der Kathedrale eröffnet hat. Und er sagte zu uns: Wisst ihr, die Leute, auch Politiker, haben gesagt, Sie haben unserem Volk die Würde zurückgegeben, dadurch, dass Sie so zu uns gekommen sind, wie um zu sagen: Man kann diesen Leuten trauen.“ Und das ist das Neue und Schöne an Papst Franziskus, dass auch Leute außerhalb der Kirche und solche, die nicht mehr kirchlich angebunden sind, seine Autorität, seine natürliche Autorität schätzen. Und wenn man ihm begegnet, dann spürt man, dass er ein freier Mensch ist. Dass er die Struktur vereinfachen möchte, die Struktur auch im Vatikan, das bereitet vielen Leuten, glaube ich, schlaflose Nächte. Aber das ist sein gutes Recht und auch von vielen Seiten erwünscht.“

RV: Was soll dem Papst noch glücken in seiner Amtszeit?

„Ich wünsche mir, dass er diese Reform des Vatikans, der Strukturen, dass ihm das glückt. Ich würde mir wünschen, dass vor allem auf der Ebene der Ökumene mehr glückt. Jetzt steht ja das 500 Jahres-Reformationsgedenken vor uns. Luther wollte nicht eine eigene Kirche gründen, sondern die Kirche seiner Zeit erneuern. Und dann ist es so weit gekommen, weil das Gespräch abgebrochen wurde. Ich wünsche mir, dass auf dieser Ebene einiges geschieht. Als der Papst hier in Rom bei den Lutheranern war, hat er betont, dass aufgrund der gemeinsamen Taufe vieles möglich ist. Ich glaube es auch: da ist vieles möglich, dass bald Interkommunion möglich sei. Ich denke an die vielen gemischten Ehepaare, dass diese offen zur Eucharistie oder zum Abendmahl gehen können. Ich erhoffe mir, dass solche Dinge auch gelingen.“

Das Gespräch führte Gudrun Sailer. (rv)

„Liturgie ist, was uns alle verbindet“

Gudrun SailerZuwachs aus Deutschland an der römischen Kurie: Der aus dem Erzbistum Köln stammende Priester Michael Kahle verstärkt ab sofort die vatikanische Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung. Vor wenigen Tagen hat der 42-jährige gebürtige Solinger seinen Dienst an der Behörde angetreten und fühlt sich dort, wie er im Interview mit Radio Vatikan verrät, außerordentlich herzlich aufgenommen. Gudrun Sailer sprach mit Michael Kahle und wollte zunächst von ihm wissen, wofür genau er in der Liturgie-Kongregation zuständig sein werde.

Kahle: „Aus Deutschland stammend für den deutschen Sprachraum. Denn die Muttersprache ist unter anderem das, was man als große Gabe mit in die Kongregation hineinbringt. Die vielen Schreiben und Dokumente, die aus den einzelnen Teilkirchen nach Rom kommen, müssen übersetzt werden, Fragen müssen behandelt werden, und dazu gehört natürlich auch immer eine Einschätzung, wie die Kirche in Deutschland mit gewissen liturgischen Fragen umgeht. Und dazu möchten die Verantwortlichen hier in Rom auch gerne die Einschätzung eines Priesters haben, der aus diesem Bereich kommt.“

Radio Vatikan: Damit es dann nicht geschieht, dass aus Rom etwas in die Ortskirche zurückgespielt wird, was mit der Ortskirche wenig zu tun hat?

Kahle: „Damit eine Einschätzung da ist: wie sind liturgische Feiern einzuschätzen, wie sind sie zu bewerten, so würde ich das sehen.“

Radio Vatikan: Die Arbeit der Kongregation ist an die Weltkirche gerichtet, es geht nicht um Gottesdienste und Sakramente im Vatikan, sondern überall sonst auf der Welt – es ist ein Dienst nicht für eine Diözese, nicht für eine Teilkirche, sondern für die Weltkirche. Nun gibt es in den verschiedenen Ortskirchen teils voneinander abweichende Regelungen, so wie es auch mehrere verschiedene Mess-Riten gibt. Was kann man da, wenn man aus Deutschland kommt und an dieser Kongregation wirkt, lernen?

Kahle: „Es ist immer wichtig zu schauen, dass die Kirche wirklich eine Weltkirche ist und dass die Liturgie das uns alle Verbindende ist, denn darin drücken wir unseren gemeinsamen Glauben an den dreifaltigen Gott aus. Ich glaube, das gemeinsame Blicken auf die eine Liturgie der Kirche, nach der sich alle ausrichten, das ist das, was man hier in Rom vor allem lernen kann. Das ist auch die große Chance, die die Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung wahrnimmt, nämlich die einzelnen Ortskirchen immer wieder zurückzubinden an die eine Liturgie der Kirche.“

Radio Vatikan: Sie sind, aus Solingen gebürtig, Priester des Erzbistums Köln und waren lange Domzeremoniar in Köln. Beim Deutschlandbesuch von Papst Benedikt XVI. im September 2011 waren Sie Koordinator für die Papstgottesdienste. War es Ihr wacher Blick für die Liturgie, auch die päpstliche, die Sie für Ihre neue Aufgabe in Rom prädestiniert hat?

Kahle: „In der Reihe der Erkenntnis bin ich der letzte gewesen, als der Kölner Erzbischof [Kardinal Rainer Maria Woelki] mir gesagt hat, dass der Heilige Stuhl darum bittet, dass ich nach Rom komme, um die Nachfolge von Monsignore Stephan Hünseler anzutreten, der im vergangenen Jahr zu Gott heimgerufen worden ist. Ich kann Ihnen nicht sagen, welche einzelnen Punkte entscheidend gewesen sind, dass da Wahl auf mich gefallen ist, ich glaube aber, dass es der Dienst an der Liturgie im Hohen Dom von Köln gewesen ist, über mehr als sechs Jahre, an der Seite von Kardinal Joachim Meisner und dem Kölner Domkapitel, dass das sicher ein vorbereitendes Element gewesen ist, und natürlich auch die Beziehung, die ich während des Papstbesuches und in der Vorbereitung der Liturgien des Papstbesuches knüpfen konnte, dass das sicherlich auch eine Rolle gespielt hat.“

Radio Vatikan: Welche Auswirkungen, welchen Einfluss hat die Art und Weise, wie die Päpste ihre eigenen Liturgien feiern, auf die liturgische Sensibilität von Gläubigen heute, gerade auch in Deutschland?

Kahle: „Ich glaube, dass das einen großen Einfluss hat. Gerade wenn Gläubige aus den Ortskirchen nach Rom kommen, um mit dem Nachfolger Petri den Gottesdienst zu feiern, ist das ein Moment höchster Bereitschaft und Sensibilität, liturgische Formen nocheinmal wahrzunehmen und zu praktizieren und mit dem Nachfolger Petri in die Anbetung Gottes zu kommen. Und deshalb verwundert es nicht, dass Papst Franziskus beim Dienstantritt von Kardinal Sarah in der Gottesdienstkongregation diesem mit auf den Weg gegeben hat, die Arbeit von Papst Benedikt XVI. in diesem Bereich fortzusetzen. Denn Papst Benedikt ist es ja gewesen, der in besonderer Weise darauf aufmerksam gemacht hat: die Liturgie der Kirche, vor allem die Feier der Heiligen Messe, ist der höchste Akt der Anbetung Gottes. Und diese Sensibilität versuchen wir auch in der Gottesdienstkongregation weiter im Volk Gottes, in den Teilkirchen auszubreiten und dafür zu sensibilisieren.“

Radio Vatikan: Registrieren Sie – etwa in Deutschland – heute ein eher verflachendes oder ein gerade neu erwachendes Interesse an Liturgie?

Kahle: „Ich glaube, dass gerade die junge Generation ein hohes Interesse an liturgischen Formen, an der Feier der Liturgie mitbringt – vor allem auch im klassischen Bereich. Und dass hier ein würdevoller Gottesdienst vielen jungen Menschen eine große Hilfe ist in ihrer Begegnung mit Gott. Von daher glaube ich, dass das Interesse an der Feier der Liturgie immer weiter wächst.“

Radio Vatikan: Rom ist Ihnen nicht neu, Sie haben hier studiert und waren im deutsch-ungarischen Priesterseminar, haben hier 2001 die Priesterweihe empfangen. Zurück nach Rom zu gehen – war das ein geheimer Wunsch?

Kahle: „Ich persönlich habe nicht damit gerechnet, weil ich bin nach der Zeit als Domvikar einige Jahre Direktor im Collegium Albertinum und damit für die Priesterausbildung zuständig gewesen, und ich habe mit keinem Gedanken in dieser Zeit damit geliebäugelt, wieder nach Rom zurückzukehren. Von daher ist es für mich wirklich eine große Überraschung gewesen, als der Kölner Erzbischof mir das mitteilte, dass der Heilige Stuhl darum bat, dass ich nach Rom zurückkomme. Für mich eine große Überraschung und Neuheit.“

Radio Vatikan: Hoffentlich auch eine freudige Überraschung?

Kahle: „Auch eine freudige Überraschung!“

Radio Vatikan: Mit Interesse habe ich gehört, dass Sie in jungen Jahren Profisportler waren und als Schwimmer an den deutschen Meisterschaften teilgenommen haben. Finden Sie, die sportliche Praxis könnte bei den Priestern und auch den Laienbediensteten im Vatikan mit mehr Anreizen versehen werden?

Kahle: „Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass in einem gesunden Körper auch ein gesunder Geist herrscht! Deshalb finde ich den Sport gerade auch für einen Priester etwas ganz Wesentliches, und vor allem wenn man den ganzen Tag am Schreibtisch sitzt, ist es wichtig, sich Orte und Zeiten zu suchen, an denen man sich auch sportlich betätigen kann. Ich bin zur Zeit noch am Suchen, weil es in Rom nicht ganz einfach ist. Die Schwimmbäder sind nicht dergestalt, dass man da Sport treiben kann, die Parks laden nicht wirklich zum Laufen ein, aber vielleicht wird sich die eine oder andere Möglichkeit ergeben, auch hier in guter Weise Sport treiben zu können!“ (rv)

Kommentar: Der „Klaps auf den Hintern“

Gudrun SailerKindern mal einen Klaps auf den Hintern geben: Papst Franziskus hat keine Einwände gegen diese Form der Zurechtweisung. Das geht aus einer Randbemerkung bei der Generalaudienz am vergangenen Mittwoch hervor. Franziskus sprach über die Rolle des Vaters in der Familie. Vom Redetext abweichend – und aus diesem Grund erreichte die Debatte die meisten Medien mit einem Tag Verzögerung – brachte der Papst Folgendes vor:

„Ein guter Vater versteht es zu warten und zu vergeben, aus der Tiefe seines Herzens. Natürlich weiß er aber auch mit Entschlossenheit zu korrigieren: er ist kein schwacher, nachgiebiger, sentimentaler Vater. Der Vater, der es versteht zu korrigieren, ohne zu erniedrigen, ist derselbe, der Schutz gebietet, ohne sich zu schonen. [In freier Rede fährt der Papst fort:] Einmal habe ich in einer Versammlung mit Ehepaaren einen Vater sagen hören: „Hin und wieder muss ich meine Kinder ein wenig schlagen, aber nie ins Gesicht, um sie nicht zu erniedrigen." Wie schön! Er hat Sinn für die Würde. Er muss strafen, aber er tut es gerecht, und geht voran."

Dazu ein Kommentar von Gudrun Sailer, Radio Vatikan:

Ein solches Verständnis von Erziehung deckt sich nicht dem in Europa verbreiteten Modell. Der berüchtigte „Klaps auf den Hintern" für Kinder ist zwar mancherorts noch in Verwendung, aber er ist verpönt. Zu Recht, wie die Mehrheit der Kinderpsychologen meint. Körperliche Züchtigung ist für das Kind immer demütigend. Und letztlich nicht nur für das Kind: Auf Seite der schlagenden Eltern sind in dieser Situation meistens Wut und Unvermögen im Spiel. Gerechte Erziehung? Fragwürdige Erziehung.

Papst Franziskus´ Bemerkung streift biblische Monumentalsätze wie: „Wo ist ein Sohn, den sein Vater nicht züchtigt?" (Hebr 12,7) Dieses Erziehungsmodell galt über Jahrtausende. In den westlichen Gesellschaften, und nur da, ist es erst in den vergangenen drei, vier Jahrzehnten zunehmend außer Gebrauch geraten. Die Prügelstrafe an deutschen Schulen wurde Anfang der 1970er gesetzlich abgeschafft. Franziskus entstammt einem anderen Kulturkreis und einer anderen Generation als die Eltern unserer Breitengrade. Das soll seine Aussage nicht rechtfertigen noch relativieren, sondern einordnen.

Die Goldwaage im Vatikan ist, zusammen mit manch anderer Gerätschaft, derzeit in päpstlichen Magazinen verstaut. Franziskus legt seine Worte vorab keinem Haustheologen zur Absegnung vor. Das ist Teil seines Selbstverständnisses und Teil seines Pontifikats. Dass Franziskus nicht nur an-, sondern mitunter auch aufregt, haben wir mittlerweile verstanden. Und es liegt eine große Chance darin: die Chance auf Veränderung. Diskutieren wir in unseren Ortskirchen, bitte, wie wir katholischen Eltern es mit dem „Klaps auf den Hintern" halten sollen. Ich wünsche mir, dass ein unumwundenes Nein dabei herauskommt. (rv)