Kardinal Filoni im Nordirak: Kurden spenden 10 Millionen für Flüchtlinge

Kardinal Filoni Der päpstliche Sondergesandte im Irak, Kardinal Fernando Filoni, ist in Erbil im nordirakischen Kurdengebiet eingetroffen. Darüber informierte Vatikansprecher Federico Lombardi in Seoul am Rande einer Pressekonferenz, die der Papstvisite in Korea galt. Filoni habe bereits die Bischöfe des Irak und die Behördenvertreter getroffen, stand in einer SMS, die Lombardi den versammelten Journalisten von seinem Mobiltelefon ablas. Kardinal Filoni hätte als Präfekt der vatikanischen Missionskongregation Papst Franziskus bei seiner Koreareise begleiten sollen. Seine Mission im Irak war aber augenscheinlich dringender.

In einer Presseaussendung des Vatikans wird indes bestätigt, dass Kardinal Filoni bereits am Mittwoch den kurdischen Premier Nechirvan Barzani getroffen hatte. „Es ist die Aufgabe der kurdischen Regierung die geflüchteten Christen, Jesiden und anderen Minderheiten, die in den kurdischen Gebieten Sicherheit suchen, zu schützen und zu unterstützen.“ Das habe Barzani bei dem Zusammentreffen dem Kardinal erklärt. Die kurdische Regierung hat bei diesem Treffen eine weitere Spende von zehn Millionen US-Dollar für den erst kürzlich eingerichteten Flüchtlingsfond angekündigt. Aufgrund der zunehmenden Gewaltbereitschaft der Terrorgruppe IS, habe sich die Zahl der Flüchtlinge in den letzten Tagen verdoppelt.

In den Flüchtlingslagern der Orte Erbil, Duhol und Slamiamni befänden sich demnach mehr als eine Millionen Flüchtlinge. Die hauptsächlich syrischen Kurden, arabischen Iraker, Jesiden und Christen leben am Limit. Die humanitäre Krise wird ständig dramatische, zitiert die Vatikannote Barzani. Es fehle an angemessenen Einrichtungen und an psychologischer Betreuung für die vielen flüchtenden Familien. Parks, Kirchen, Schulen und Baustellen dienen unter anderem als vorläufige Notlager und er appelliere an alle zu helfen und forderte die internationale Gemeinschaft auf zu intervenieren. (rv)

Papstbrief an Ban Ki-moon: Systematische Gewalt gegen Christen stoppen

UNO-Fahne In einem Brief an den Generalsekretär der Vereinten Nationen, Ban Ki-moon, ruft der Papst die Staatengemeinschaft dazu auf, die systematische Gewalt gegen Christen und andere religiöse Minderheiten im Irak zu stoppen. Der Brief ist auf den 9. August 2014 datiert. Lesen Sie hier das Schreiben, das an diesem Mittwoch bekannt wurde, in einer Arbeitsübersetzung.

Ich habe mit schwerem und schmerzendem Herzen die dramatischen Ereignisse der vergangenen Tage im Nordirak verfolgt, wo Christen und andere religiöse Minderheiten gezwungen wurden, aus ihren Häusern zu fliehen und der Zerstörung ihrer Kultstätten und ihres religiösen Erbes zusehen mussten. Bewegt durch ihre Notlage habe ich Kardinal Fernando Filoni, den Präfekten der Kongregation für die Evangelisierung der Völker, der als Vertreter meiner Vorgänger Papst Johannes Paul II. und Papst Benedikt XVI. den Menschen im Irak diente, gebeten, meine spirituelle Nähe und meine Sorge sowie die der gesamten Katholischen Kirche auszudrücken – angesichts des unerträglichen Leids jener, die lediglich in Frieden, Harmonie und Freiheit im Land ihrer Ahnen leben möchten.

Im selben Geiste schreibe ich Ihnen, Herr Generalsekretär, und führe Ihnen die Tränen, das Leiden und die innigen Verzweiflungsschreie der Christen und anderer religiöser Minderheiten des geliebten Irak vor Augen. Ich erneuere meinen dringenden Appell an die Internationale Gemeinschaft zu handeln, um die gegenwärtig sich vollziehende humanitäre Katastrophe zu beenden. Ich ermutige alle zuständigen Organe der Vereinten Nationen, insbesondere die für Sicherheit, Frieden, humanitäres Recht und Flüchtlingshilfe zuständigen, ihre Anstrengungen in Übereinstimmung mit der Präambel und den entsprechenden Artikeln der Charta der Vereinten Nationen fortzuführen.

Die Welle der brutalen Angriffe im Nordirak muss die Gewissen aller Männer und Frauen guten Willens wachrütteln und sie zu konkreten Handlungen der Solidarität bewegen: Diejenigen müssen geschützt werden, die von Gewalt betroffen oder bedroht sind, und den vielen Vertriebenen muss die notwendige und dringende Hilfe gewährt werden. Auch muss ihnen einen sichere Heimkehr in ihre Städte und Häuser garantiert werden. Die tragischen Erfahrungen des 20. Jahrhunderts und das grundlegendste Verständnis der menschlichen Würde zwingen die Internationale Gemeinschaft insbesondere durch die Normen und Mechanismen des internationalen Rechtes dazu, alles ihr Mögliche zu tun, um weitere systematische Gewalt gegen ethnische und religiöse Minderheiten zu stoppen und zu unterbinden.

In dem Vertrauen, dass mein Appell, den ich mit denen der Orientalischen Patriarchen und anderer religiöser Führer vereine, eine positive Antwort haben wird, nutze ich die Gelegenheit, Ihnen meine größte Hochachtung auszusprechen.

Papst Franziskus (rv)

Korea vor dem Papstbesuch: Radio Vatikan berichtet

Radio Vatikan An diesem Mittwochnachmittag um 16 Uhr römischer Zeit wird Papst Franziskus nach Korea fliegen. Damit startet er eine fünftägige Reise in das ostasiatische Land. Unser Redaktionsleiter, Pater Bernd Hagenkord SJ, ist für uns in Südkorea. Er hat schon mal einige koreanische Zeitungen angeschaut.

Die Erwartungen an den Papst sortieren sich: Ein Blick in die – englischsprachigen – Zeitungen Seouls an diesem Mittwoch geben ein recht vollständiges Bild von dem, was den Papst erwarten wird.

Der „Korean Herald“ zählt auf, wo die Spannungen in der Gesellschaft liegen, die der Papst vorfinden wird. Es geht um die Aufarbeitung des Fährunglücks vom April dieses Jahres, oder vielmehr um das Fehlen der Aufarbeitung, es geht um eine US-Militärbasis in einem Naturschutzgebiet, um staatliche Bauprojekte gegen den Willen der Bevölkerung, und es geht natürlich um die Wiedervereinigung der beiden Koreas.

Auch wenn Kirchenvertreter offiziell die Erwartungen herunter fahren wollen, das sind die Themen, die in den Köpfen und Herzen der Menschen drin stecken.

Ein schwieriges Thema ist auf der Titelseite der „Korea Times“: Eine ehemalige Sex-Sklavin der japanischen Armee während des Zweiten Weltkrieges hofft darauf, dass der Papst das Schicksal all der Frauen anspricht, die von der Besatzungsmacht jahrelang missbraucht wurden. Bis heute erkennt Japan das nicht an, bis heute wird jede Woche im Zentrum Seouls vor der Botschaft Japans demonstriert, wenn auch die Zahlen stetig abnehmen, denn die Frauen werden älter und weniger.

Ein weiteres Thema: Was passiert eigentlich am Samstag im Zentrum der Stadt? Viele Koreaner haben keine Ahnung von katholischer Liturgie, und da viele Fernsehsender, inklusive zweier koreanischer und CNN das live übertragen, wird das in englischsprachigen und koreanischen Zeitungen samt Grafik genau erklärt: Altar, Kreuz, Kardinal, Messgewand, Skulpturen und so weiter.

In einem Interview gerade hat mir Serena Kim, eine katholische Theologieprofessorin hier in Korea, die bei einem der Sender live kommentieren wird, bestätigt, wie sehr dieses Wissen nachgefragt ist. Sie muss alles, aber wirklich alles erklären, was mit Kirche und Liturgie und Papst zu tun hat.

Hier wird der Papst Interesse wecken, was es mit der Kirche auf sich hat. Deren Engagement in den sozialen Fragen kennt man, deren Einsatz für die Demokratisierung des Landes wird in der gesamten Gesellschaft hoch geschätzt, nun aber bekommen alle zu sehen, was das genau ist, die katholische Kirche.

Aus Seoul, Pater Bernd Hagenkord für Radio Vatikan. (rv)

Kardinalstaatssekretär: „Papst wird sich an ganz Asien wenden“

Kardinal Pietro Parolin „Am Tag meiner Abreise lade ich euch ein, euch mit mir im Gebet für ganz Korea und ganz Asien zu verbinden.“ Das schreibt Papst Franziskus in einem Tweet an diesem Mittwoch. Am Nachmittag bricht er von Rom zu seiner dritten internationalen Reise nach Südkorea auf; dabei wird er als erster Papst der Geschichte auch über das Territorium der Volksrepublik China fliegen. Eine entsprechende Genehmigung hatten die Behörden in Beijing 1989 Papst Johannes Paul II. noch verweigert, als dieser Korea besuchte.

Was sind die Besonderheiten von Franziskus’ Reise? Das fragte das vatikanische Fernsehzentrum CTV den Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin.

„Aus meiner Sicht hängt die Bedeutung dieser Reise mit drei Punkten zusammen. Erstens die Tatsache, dass der Papst zum ersten Mal in den Fernen Osten reist, also in eine Weltgegend, die in der Weltpolitik und –wirtschaft eine immer größere Relevanz hat. Der Papst wird sich von dort aus an den ganzen Kontinent wenden, nicht nur an Korea. Alle Länder des Kontinents sind seine Ansprechpartner, und zwar wegen der Feier des asiatischen katholischen Jugendtreffens, an dem Jugendliche aus den Nachbarländern teilnehmen. Das ist der zweite Punkt. Der dritte Punkt ist die Zukunft: Denn diese jungen Leute sind die Zukunft, und darum geht es bei der Papstreise um die Zukunft Asiens.“

Papst Franziskus werde die Jugendlichen in Südkorea dazu ermuntern, „Hauptdarsteller im Leben der Kirche zu werden“, formuliert Kardinal Parolin. Es gehe um „eine aktive Präsenz, um Mitarbeit und Mitverantwortung“. Die Rolle der Laien ist in der südkoreanischen Kirche essentiell, weil Korea wohl das einzige Land der Welt ist, in dem das Christentum ohne Hilfe von ausländischen Missionaren oder Priestern Fuß fasste.

„Die jungen Leute – das wird der wesentliche Punkt des Papstes sein – müssen Evangelisierer ihrer Altersgenossen werden. Wir sind also immer bei diesem wesentlichen Projekt der Evangelisierung. Natürlich wird der Papst auch darauf drängen, sich nicht von trügerischen Werten unserer Gesellschaften blenden zu lassen. Er wird bekräftigen, dass Jesus die wirkliche Antwort auf ihre Fragen und ihre Unruhe ist.“

Franziskus wird in Korea auch 124 Märtyrer seligsprechen: die erste Generation der Evangelisierer des Landes im 18. Jahrhundert.

„Ich glaube, es wird die Tatsache betont werden, dass sich in dieser Gruppe nur ein Priester befindet. Alle anderen waren Laien, Menschen der verschiedensten Berufe und sozialen Schichten. Das unterstreicht diese Eigenschaft der koreanischen Kirche, dass sie aus dem Zeugnis und Einsatz der Laien entstand, denen es gelang, den Glauben zu bewahren und weiterzugeben. Das ist die wesentliche Botschaft: In der Kirche sind wir alle dazu aufgerufen, das Evangelium zu verkünden. Wir alle sind zur Heiligkeit berufen.“

Der Kardinalstaatssekretär bestätigt, dass Papst Franziskus auch Überlebende des dramatischen Fährunglücks vom April treffen wird: Dabei starben fast 300 Menschen vor der koreanischen Küste, bis heute ist der Schock in der Gesellschaft und Politik des Landes spürbar.

„Das hat so viele Wunden aufgerissen und Polemiken in der Gesellschaft ausgelöst! Der Papst will zeigen, dass man diese Schmerzen lindern kann, wenn man den Menschen nahe ist. Diese Nähe ist die Nähe Jesu zu allen Leidenden, sie muss auch die Nähe der Kirche zu allen Leidenden sein.“

Schlusspunkt der Koreareise von Papst Franziskus wird am Montag in Seoul eine Messe für Frieden und Versöhnung auf der koreanischen Halbinsel sein. Das zielt auf das, was Südkoreas Bischöfe ‚den letzten Kalten Krieg’ nennen, nämlich auf die Teilung der Insel. Könnte der Papstbesuch neue Gesprächskanäle zwischen Südkorea und dem nordkoreanischen Regime öffnen, vielleicht auch den Christen in Nordkorea – von denen man fast nichts weiß – in ihrer Isolation Hoffnung geben?

„Das war immer die große Hoffnung des Heiligen Stuhls, der sich immer auch konkret in dieser Richtung engagiert hat. Es ist offensichtlich, welche Spannungen auf der Halbinsel herrschen und wie nötig sie Frieden und Versöhnung hätte. Ich glaube, dass die Papstreise auch in dieser Hinsicht helfen wird, damit die Solidarität mit der notleidenden Bevölkerung (im Norden) weitergeht, und damit neue Räume für Kommunikation und Dialog entstehen. Denn nur dadurch – davon ist der Papst überzeugt – lassen sich die bestehenden Probleme lösen. Wenn es bei allen Beteiligten guten Willen gibt, dann wird sich immer ein Gesprächskanal finden lassen!“ (rv)

Nuntius im Irak: Ja zu US-Intervention

Irak Immer deutlicher signalisiert der Heilige Stuhl seine Billigung für die US-Militärintervention im Irak. Als wichtigstes Ziel sieht man im Vatikan die Eindämmung und Entwaffnung der Terrorgruppe „Islamischer Staat“. Der Nuntius in Bagdad, Erzbischof Giorgio Lingua, sagte im Gespräch mit Radio Vatikan:

„Leider greift man ein, um eine Lage zu reparieren, die man hätte vermeiden können. Aber es ist gut, wenn es wenigstens gelingt, jenen Leuten, die keine Skrupel haben, die Waffen aus den Händen zu nehmen.“

Das Hauptproblem im Irak sei „das der Waffen“, fuhr der Nuntius fort.

„Ich frage mich, wie diese Gruppen an so hochentwickelte Waffen kommen. Sie sind ja nicht selber Waffenproduzenten: Sie müssen sie von irgendwoher haben. Ich glaube, das ist in erster Linie ein Bankrott der Geheimdienste. Man muss den Waffenhandel besser kontrollieren und stoppen. Sonst kommt man hier an kein Ende.“

Bereits der Ständige Beobachter des Heiligens Stuhles bei der UNO in Genf, Erzbischof Silvano Maria Tomasi, hatte vor zwei Tagen ein vorsichtiges „Ja“ zur Militärintervention signalisiert, während Papst Franziskus selbst beim Angelusgebet noch am Sonntag von seiner Hoffnung auf eine „wirksame politische Lösung auf internationaler und lokaler Ebene“ sprach. Die Christen im Irak jedenfalls fühlen sich – nicht zum ersten Mal – von der Welt im Stich gelassen. Das bestätigte uns der Weihbischof von Bagdad, Shlemon Warduni. Die chaldäische Kirche hat deshalb am Sonntag einen dramatischen Appell an die Staatengemeinschaft und alle Christen gerichtet. Warduni:

„Die internationale Bereitschaft zur Zusammenarbeit für den Irak ist sehr schwach. Und sie kam spät. Auch Europa und die USA und die Christen in der ganzen Welt haben geschlafen, als das Kalifat kam. Unsere Tragödie wurde anfangs nicht ernst genommen. Deshalb sind wir an diesen Punkt gelangt, von dem der Appell spricht.“

„Bitte, verkauft den Terroristen keine Waffen!“

In dem Appell – er hat die Form eines Offenen Briefs – zeigt sich Patriarch Louis Sako enttäuscht darüber, dass die USA nur die Stadt Erbil militärisch schützen will. Erbil ist Hauptstadt der autonomen Provinz Kurdistan im Nordirak. „Die Amerikaner wollen nicht die Stellungen des ‚Islamischen Staats’ in Mossul und der Ninive-Ebene angreifen – also fassen sie keine schnelle Lösung ins Auge, die Hoffnung geben könnte“, heißt es in dem Schreiben des Erzbischofs. Die Kämpfer des „Islamischen Staates“ haben alle Christen aus Mossul vertrieben und terrorisieren sie auch in ihren Zufluchtsorten in der Ninive-Ebene. Shlemon Warduni fordert im Namen der Christen des Irak:

„Wir wollen einen Eingriff! Jetzt, sofort. Für die Christen, die Jesiden. Arme Leute! Wie viele Kinder sind gestorben, wie viele Frauen entführt, wie viele Männer ermordet. Deshalb haben wir gesagt, die Welt muss einschreiten – sofort. Und verkauft diesen Leuten keine Waffen!“

Am Anfang führten die IS-Kämpfer im Irak, wie Warduni erinnert, eine überraschend milde Sprache. Die ganze Welt habe sich gerne davon täuschen lassen.

„Sie sagten den Christen, geht nicht weg. Dann haben sie begonnen, die Christen aus ihren Ämtern und Arbeitsstellen zu jagen. Dann haben sie ihre Häuser gekennzeichnet. Dann schrien sie: Christen raus. Sie haben sie verjagt oder ermordet, sofern sie bleiben und nicht zum Islam übertreten wollten. Und sie säten Angst in die Herzen aller. Wenn die Leute IS-Kämpfer sehen, fangen sie schon an zu laufen. Zu Tausenden. 200.000 unserer Leute sind geflohen. Die Kirche hat versucht, die Leute irgendwie unterzubringen, und für die meisten ist das sogar gelungen. Wir rufen die ganze Welt an: Bitte, tut etwas! Bitte, helft uns! Bitte, verkauft keine Waffen!“

Das Grundproblem im Irak ist aus Sicht Wardunis und auch des Heiligen Stuhles politischer Natur: Es ist das Fehlen politischer Einheit. Eine Vielzahl gesellschaftlicher, ethnischer und religiöser Gruppen steht sich teils unversöhnlich gegenüber. Im April hat der Irak gewählt, eine Regierung ist noch immer nicht entstanden. Präsident Fuad Masum hat nun endlich den schiitischen Politiker Haidar al-Abadi mit der Regierungsbildung beauftragt, der versprach, die Gruppen des Irak an der Regierung zu beteiligen.

„Koalition Bagdads mit den Kurden wäre besser…“

Der bisherige Amtsinhaber Nuri al-Maliki, ebenfalls Schiit, legt sich quer. Maliki steht freilich bei Sunniten und Kurden in schlechtem Ansehen. Sie werfen ihm vor, wegen der politischen Ausgrenzung der Sunniten für das Desaster „Islamischer Staat“ verantwortlich zu sein. Weihbischof Warduni:

„Das ist eines der größten Probleme: Die Regierung und alle anderen Parteien müssten an einem Strang ziehen. Aber sie gehen in Deckung, statt zu sagen: Gehen wir zu den Kurden, bilden wir jetzt einen Block zusammen mit ihnen, der die Stärke des Irak zeigt, wir wollen keinen Krieg, wir wollen keine Toten, wir wollen unsere Rechte. Frieden und Sicherheit! Würde die Regierung mit den Kurden koalieren, wären die Dinge sicher besser.“

Der Nuntius in Bagdad stellt die komplizierte Regierungsbildung in Bagdad in einen größeren Zusammenhang.

„Ganz gewiss, es braucht eine Regierung, die alle Volksgruppen miteinbezieht. Sonst wird der Staat immer schwächer. Es ist aber auch klar, dass die Demokratie ihre Zeiten braucht; man kann nicht erwarten, dass sie sich sofort herstellen lässt. Die Demokratie muss auch die Minderheiten miteinbeziehen, alle jene Gruppen, die schwächer sind oder andere Ansichten haben. Das ist ein Weg, der Zeit braucht, den man aber beschreiten muss. Andernfalls wird man nie aus dieser Pattsituation herauskommen.“

In diesen Tagen wird als persönlicher Gesandter des Papstes Kardinal Fernando Filoni im Irak erwartet. Erzbischof Lingua wird nicht nur einen Landsmann, sondern auch einen Vorgänger empfangen: Kardinal Filoni war 2001 bis 2006 Nuntius in Bagdad. Lingua misst dem Besuch des päpstlichen Gesandten eine moralische Bedeutung zu:

„Ich glaube, das ist eine Geste, die von der Bevölkerung sehr geschätzt wird. Das Wichtige ist, dass sie sich nicht verlassen fühlt. Materiell kann dieser Besuch aus dem Vatikan natürlich nicht alle Probleme lösen. Aber er kann die öffentliche Meinung sensibilisieren und die Menschen fühlen lassen, dass es da jemanden gibt, dem sie am Herzen liegen. Oft ist es wirklich dieses Gefühl der Verlassenheit, das dazu führt, dass man die Hoffnung verliert.“ (rv)

Papstreise nach Korea: Bericht von der Grenzlinie

Papstreise Korea2014 An diesem Donnerstag trifft Papst Franziskus in Korea ein, es wird seine dritte große Auslandsreise sein, nach Rio de Janeiro im vergangenen Jahr und Jordanien, Palästina und Israel vor einigen Monaten. Korea ist ein Land, das vor allem durch ein Thema definiert wird: die Teilung in Nord und Süd. Genau von der Grenzlinie meldet sich unser Korrespondent, Pater Bernd Hagenkord, mit einem ersten Bericht.

Eine Holzbrücke, Stacheldraht, viele Fahnen und ein Wachturm, dahinter der Han-Fluss: Das sind sieben Kilometer vor der eigentlichen Grenze, weiter geht es nicht. 10.000 Won – also etwa acht Euro – kostet es, wenn man die buddhistische Friedensglocke in einem kleinen Pavillon schlagen will. Plakate am Stacheldrahtzaun verkünden, wer alles für die friedliche Wiedervereinigung der beiden Koreas ist. Aber wirklich wollen tun es wenige – denn wenn der Norden zusammenbricht oder eine Wiedervereinigung kommt, dann würden die Wirtschaft und der Lebensstil des Südens dies nicht verkraften.

Wir sind in der sogenannten demilitarisierten Zone. Das ist ein zynischer Begriff, denn es gibt wohl kaum eine Zone dieser Welt, in der mehr Waffen und Minen aufeinanderprallen. Diese Zone prägt das Leben in Korea, und auch die Reise von Papst Franziskus steht unter diesem Vorzeichen. Es ist wieder ein Land mit einem ungelösten militärischen Konflikt, in das Papst Franziskus reist. Völlig anders als zum Beispiel im Heiligen Land, aber eben auch ein ungelöster Konflikt. Der Papst wird Impulse setzen – und zwar durch was er sagt, durch sein Auftreten und seine direkte Kommunikation. Spätestens bei der Versöhnungsmesse in Seoul am Sonntag wird er es ganz direkt ansprechen.

Die anderen Dimensionen der Reise werden die Begegnung mit der Jugend Asiens, die Würdigung der Kirche Koreas durch ihre Märtyrer – das sind die Seligsprechungen – sowie die Begegnung mit den Angehörigen der Opfer des Fährunglücks sein. Dieses Fährunglück war eine Katastrophe, die tief im kollektiven Gedächtnis des Landes sitzt und die noch viel Spannung und Proteste hervorruft. Das alles wird wichtig sein bei dieser Reise, aber die Grundfärbung kommt von hier: dem Konflikt Nord-Süd. Papst Franziskus besucht ein Land, das im Kriegszustand ist. Frieden und Versöhnung sind in einer äußerst komplexen Situation. Nach dem Heiligen Land und dem Einsatz für Syrien geht es ein weiteres Mal um ein Thema des Pontifikats von Papst Franziskus.

Aus Korea, P. Bernd Hagenkord SJ (rv)

Vatikan: Anklageschrift gegen islamistischen Terror im Irak

Kardinal Tauran Die Vatikanbehörde, die für den Dialog mit den Muslimen zuständig ist, hat sich erstmals zur Errichtung des „Kalifates“ durch die Terrorgruppe „Islamischer Staat“ geäußert. Mit äußerster Entschiedenheit weist der von Kardinal Jean-Louis Tauran geleitete Päpstliche Rat für den interreligiösen Dialog die Praktiken des „Islamischen Staates“ zurück. Die „religiösen Verantwortlichen, besonders die muslimischen“, werden zu einer „klaren und mutigen Stellungnahme“ zu den Vorgängen im Irak aufgefordert. Das „Kalifat“ ist Ende Juni 2014 ausgerufen worden.

Die Erklärung aus dem Vatikan, die an diesem Dienstag veröffentlich wurde, listet zahlreiche und „unsägliche kriminelle Handlungen“ durch die Dschihadisten des „Islamischen Staates“ auf: Massaker an Menschen aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit, die „grauenhafte Praxis der Enthauptung, der Kreuzigung und des Aufhängens von Leichen an öffentlichen Plätzen“, die erzwungene Wahl für Christen und Jesiden, zu konvertieren, eine bestimmte Steuer zu zahlen oder zu flüchten; die Vertreibung „zehntausender Menschen“, darunter Kinder, Alte, Schwangere und Kranke; die Entführung christlicher und jesidischer Frauen und Mädchen „als Kriegsbeute“; die Auferlegung der „barbarischen Praxis“ der Genitalverstümmelung an Frauen; die Zerstörung christlicher und muslimischer Kultorte; die Besetzung und Entweihung von Kirchen und Klöstern; die Zerstörung christlicher und anderer religiöser Symbole; und schließlich die „niederträchtige Gewalt mit dem Ziel, die Menschen zu terrorisieren und sie zu zwingen, sich auszuliefern oder zu flüchten“.

„Kein Grund“, erst recht kein religiöser, könne „eine solche Barbarei rechtfertigen“, heißt es weiter in der ungewöhnlich deutlich formulierten Mitteilung aus dem Vatikan. Christen und Muslime hätten über Jahrhunderte nebeneinander gelebt, „mit Höhen und Tiefen“, aber sie hätten eine Zivilisation geschafften, „auf die sie stolz sind“. Auf dieser Grundlage habe sich nicht zuletzt der christlich-muslimische Dialog in den vergangenen Jahren entwickelt.

Angesichts der dramatischen Lage der Christen, Jesiden und anderen Religionsgemeinschaften im Irak brauche es eine einstimmige Verurteilung der Vorgänge im „Kalifat“, heißt es in der Mitteilung aus dem Vatikan weiter. Religionsvertreter, „besonders muslimische“, Exponenten des interreligiösen Dialogs und „alle Menschen guten Willens“ müssten „einmütig und ohne Zweideutigkeiten“ die Verbrechen der islamistischen Terrorgruppe im Irak verurteilen und ihre Berufung auf religiöse Motive zurückweisen. Auf dem Spiel stehe geradewegs die Glaubwürdigkeit der Religionen, ihrer Anhänger und ihrer Oberhäupter. Der Vatikan verweist auch darauf, dass die Mehrheit der islamischen Institutionen in Religion und Politik die Wiedererrichtung des Kalifats durch die Dschihadisten der Organisation „Islamischer Staat“ ablehne.

Die Religionsvertreter müssten auch ihren Einfluss bei den Regierungen geltend machen, damit die Verbrechen aufhören, die Täter bestraft werden und ein Rechtsstaat in dem Krisengebiet entstehe, damit die Vertriebenen zurückkehren können. Auch einen neuerlichen Appell gegen den Waffenhandel beinhaltet die Erklärung des Päpstlichen Rates für den Interreligiösen Dialog: „Die religiösen Führer werden nicht verabsäumen zu unterstreichen, dass die Unterstützung, Finanzierung und Bewaffnung des Terrorismus moralisch verwerflich sind.“ Die Erklärung endet mit dem Appell von Papst Franziskus von Ende Juli: „Der Gott des Friedens erwecke in allen ein echtes Verlangen nach Dialog und Versöhnung. Gewalt besiegt man nie mit Gewalt. Gewalt besiegt man mit dem Frieden!“ (rv)

Patriarch: Amerikaner sollten nicht nur Erbil schützen

Patriarch Sako Der irakische katholische Patriarch äußert sich zum ersten Mal umfassend zu den Lufteinsätzen der USA im Nordirak. In einem Offenen Brief von diesem Sonntag zeigt sich Erzbischof Louis Raphaël Sako enttäuscht darüber, dass sich die Aktionen der Amerikaner auf den Schutz von Erbil beschränken. Erbil ist Hauptstadt der autonomen Provinz Kurdistan im Nordirak.

Natürlich freue er sich darüber, dass die nach Erbil geflüchteten Christen und Angehörige anderer Minderheiten dank der US-Luftschläge jetzt in Sicherheit seien. Doch allein im Vorort Ankawa müssten die 25.000 Christen, die dort lebten, jetzt für 70.000 Flüchtlinge sorgen. Von diesen Flüchtlingen schliefen nicht wenige „auf der Straße oder in den Parks“. In der nahegelegenen Stadt Dohuk hat die Zahl der Christen nach Angaben des chaldäischen Patriarchen von Babylon die 60.000er-Marke überschritten; die Lage in Dohuk sei „schlimmer“ als in Erbil. Außerdem seien viele Christen und Angehörige anderer Minderheiten nach Kirkuk und Sulaymaniyah geflohen, ja sogar bis in die weit entfernte Hauptstadt Bagdad. Man dürfe sich also nicht nur um Erbil kümmern, so Sako.

Der Patriarch weist auf einen wachsenden humanitären Notstand hin. In ganz Irakisch-Kurdistan herrsche dramatischer Mangel an humanitärer Hilfe: Unterkünfte, Nahrung, Wasser, Medizin würden gebraucht. „Tod und Krankheit treffen die Kinder und die älteren Leute unter den Tausenden von Flüchtlingsfamilien“, so Sako. Niemand koordiniere die Hilfen, die jetzt einliefen, das bremse ihre Wirksamkeit.

„Obamas Haltung ist enttäuschend“

In den christlichen Dörfern zwischen Mossul – das in der Hand der Terrorgruppe „Islamischer Staat“ ist – und Kurdistan seien die Kirchen jetzt „leer und entweiht“; fünf Bischöfe könnten nicht mehr an ihren Bischofssitz zurückkehren, Priester und Ordensleute hätten fliehen und Missionsstationen, Krankenhäuser oder Schulen zurücklassen müssen. Nicht nur für die Kirche, sondern für alle Geflüchteten sei „das Desaster extrem“. Wörtlich fährt der Patriarch dann fort: „Die Haltung von US-Präsident Obama, nur Erbil militärisch zu schützen, ist enttäuschend“. Die Debatten über eine mögliche Teilung des Irak hält er für „erschreckend“: „Die Amerikaner wollen nicht die Stellungen des ‚Islamischen Staats’ in Mossul und der Ninive-Ebene angreifen – also fassen sie keine schnelle Lösung ins Auge, die Hoffnung geben könnte.“ Es sei „deprimierend“, darauf warten zu müssen, dass irakische Armee und kurdische Peschmerga-Kämpfer etwas gegen die islamistischen Gotteskrieger ausrichten – oder darauf, dass sich die streitenden Politiker in Bagdad endlich auf eine neue Regierung einigen.

Der Patriarch von Babylon vermisst eine „Strategie, um die Quelle der Macht und der Ressourcen der islamistischen Terroristen auszutrocknen“. Er sieht die Gefahr, dass sich die IS-Krieger dauerhaft in Teilen des Irak und Syriens einrichten. Vor welcher Wahl stünden denn jetzt die Flüchtlinge aus den Kalifats-Gebieten, fragt sich Sako. Emigrieren könnten doch nur die, die Papiere und Geld dafür hätten. Also bleiben? „In den Flüchtlingslagern darauf warten, dass der Winter kommt? Werden denn überhaupt Schulen wieder öffnen? Wird man die Kinder der Flüchtlinge in den Schulen des Kurdengebiets aufnehmen? Was wird aus dem Eigentum und der Arbeit dieser Tausenden von Unschuldigen, die Hals über Kopf aus ihren Dörfern flüchten mussten?“ Diese Fragen sollten, so Patriarch Sako, „auf dem Gewissen jedes Einzelnen und jeder Organisation lasten, damit etwas für diese Menschen getan wird.“ (rv)

Nigeria: Boko Haram schickt Mädchen als Attentäterinnen vor

Kardinal Onaiyekan Im Nordosten Nigerias ist es in den letzten Wochen abermals zu blutigen Anschlägen gekommen. Besonders besorgniserregend dabei ist, dass die Terrororganisation Boko Haram inzwischen Mädchen als Selbstmordattentäter vorschickt. Der schwerste dieser Anschläge ereignete sich am 27. Juli, als ein Mädchen vor einer Kirche der Gemeinde San Carlo eine Bombe zündete und vier Menschen mit in den Tod riss. Die junge Frau trug die Bombe unter ihren langen Gewändern. Der Erzbischof von Abuja, Kardinal John Onaiyekan, äußerte sich zu diesem Vorfall gegenüber Radio Vatikan:

„Angriffe von Boko Haram mit Autobomben haben wir schon immer gekannt. Aber derartige Attacken, bei denen minderjährige Mädchen die Bomben unter ihren langen Kleidern tragen, gibt es zum ersten Mal“.

Dies sei deshalb ein enormes Problem, weil die meisten Menschen in Nigeria lange Kleidung tragen. Der Erzbischof betonte in dem Interview, dass dies neue Formen der Kontrolle an Passanten erforderlich mache, auch wenn damit Unannehmlichkeiten verbunden seien.

„Wir hätten uns nie vorstellen können, dass ein Mädchen vor einer Kirche Sprengstoff mit sich tragen könnte. Jetzt wissen wir es und werden neue Maßnahmen ergreifen müssen, mit allen Personen, die vorbeikommen“.

Jedoch, so der Erzbischof weiter, würden die Terrorangriffe keineswegs nur Kirchen betreffen, sondern auch Märkte oder öffentliche Einrichtungen. Ihm zufolge würde allerdings die Regierung zu wenig unternehmen, um Widerstand zu leisten und die Bevölkerung zu schützen.

„Die Regierung betont immer wieder, sie werde den Kampf gegen Boko Haram gewinnen, aber schaut man auf die Resultate, scheint dies nicht zu gelingen: Boko Haram-Terroristen haben ja offenbar nach wie vor die Möglichkeit, zuzuschlagen. Alle wissen, dass man Notiz davon nimmt, wenn eine Kirche von derartigen Anschlägen betroffen ist. Keine Aufmerksamkeit mehr erweckt aber, wenn sie in den Dörfern im Nordosten zuschlagen.“

Stattdessen würden sich Politiker und Journalisten in Nigeria mit anderen Angelegenheiten befassen, wie den anstehenden Wahlen im nächsten Jahr.

„Wir müssen sicher sein können, dass die Regierung sich die Tragweiter dieser Situation bewusst macht, allerdings scheint es, sie habe andere Sorgen auf ihrer politischen Agenda. Auch in den Zeitungen stehen immer nur ein paar Zeilen über Boko Haram, während die Titelseiten immer anderen politischen Themen gelten.“

Im Nordosten Nigerias seien inzwischen so gut wie alle Gebiete von den Boko Haram Terroristen kontrolliert, bestätigt Kardinal Onaiyekan. Viele Menschen würden in Richtung Kamerun fliehen, da sie sich dort mehr Schutz erhoffen. In Nigerias abgelegenen Dörfern im Norden sei die Polizei nicht in der Lage oder willens, Anschläge zu verhindern. (rv)

Vatikan-Diplomat sieht langsames Erwachen des Westens in der Causa Irak

UNO-Fahne Einen militärischen Eingriff im Nordirak, sofortige humanitäre Hilfe und einen Stopp für Waffenlieferungen an Islamisten: das hält Erzbischof Silvano Maria Tomasi für die geeignete Strategie, um die blutige Krise des „Islamischen Staates“ einzudämmen. Erzbischof Tomasi ist ständiger Beobachter des Heiligen Stuhles bei der UNO in Genf. Er sagte uns:

„Die Notwendigkeit, die Christen im Nordirak auch physisch zu schützen, ist evident. Man muss humanitäre Hilfe leisten, Wasser und Nahrung liefern, denn Kinder und Alte sterben dort bereits aus Mangel an Nahrung. Sie mussten gehen ohne irgendetwas, nur in ihrer Kleidung. Man muss sofort helfen, ehe es zu spät ist. Eine Militäraktion ist vielleicht in diesem Moment nötig, es scheint mir aber auch dringend, dass alle jene, die Fundamentalisten mit Geld und Waffen versorgen – einschließlich der Länder, die sie stillschweigend unterstützen – aus der Deckung kommen und diese Unterstützung einstellen, denn sie ist weder für Christen noch für Muslime gut.“

Tomasi sprach von einer „neuen Tragödie im Mittleren Osten“: die grundlegendsten Menschenrechte Zehntausender Menschen und ganzer Gemeinschaften seien verletzt. Die Tatsache, dass es sich bei vielen Opfern um Christen handle, mache die Sache in der westlichen Öffentlichkeit ambivalent.

„Wir stehen vor einer komplizierten Lage. Einerseits sind da die Fundamentalisten, die im Namen eines Kalifates, das sie errichten wollen, zerstören und erbarmungslos morden. Auf der anderen Seite sehen wir eine gewisse Gleichgültigkeit der westlichen Welt. Wenn es Christen sind, deren Rechte es zu verteidigen gilt, gibt es da eine falsche Scham. Es ist ein Moment, in dem die Stimme des Gewissens klar und laut sprechen muss.“

Tomasi beobachtet aber auch eine langsam einsetzende Haltungsänderung bei der internationalen Gemeinschaft. Der Generalsekretär der UNO habe endlich von „inakzeptablen Verbrechen“ durch den „Islamischen Staat“ gesprochen und ausdrücklich als Opfer die Christen benannt. Auch der UN-Sicherheitsrat habe über die Minderheiten im Mittleren Osten gesprochen, besonders die christlichen.

„Neu scheint mir zu sein, dass einige Muslime – etwa der Generalsekretär der Organisation für Islamische Zusammenarbeit – sich ziemlich deutlich ausgedrückt haben, als sie die Christenverfolgung im Irak verurteilten. So wurde von islamischer Seite nicht nur das Recht der Christen auf Leben verteidigt, sondern auch ihr Recht, zu Hause zu leben wie alle anderen Bürger des Irak oder etwa Syriens. Ein Mittlerer Osten ohne Christen wäre eine Verarmung nicht nur für die Kirche, sondern auch für den Islam, dem dann ein Antrieb für Demokratie und ein Sinn für den Dialog mit dem Rest der Welt fehlen würde.“ (rv)