Wie funktioniert eigentlich die Papstdiplomatie?

Am kommenden Montag wird Papst Franziskus die am Vatikan akkreditierten Diplomaten empfangen und eine Grundsatzansprache halten. Uns interessierte in diesem Zusammenhang: Wie funktioniert die päpstliche Diplomatie eigentlich? Ein Gespräch mit Pater Bernd Hagenkord vom Vatican News-Leitungsteam.

Christine Seuss – Vatikanstadt.

Frage: Pater Hagenkord, der Papst schlägt ja in seinen Ansprachen an das Diplomatische Korps den ganz großen Bogen, von Frieden und Krieg, über Menschen- und Waffenhandel, zu Perspektiven der Jugend und anderes im vergangenen Jahr zum Beispiel. Was bezweckt der Papst mit derartigen groß angelegten Ansprachen an die Diplomaten aus aller Welt?

P. Bernd Hagenkord: Es ist so etwas wie eine Grundsatzansprache, also, was ist wichtig, was ist uns in unserer Perspektive als Kirche wichtig, was wollen wir angesprochen haben und wo machen wir uns Sorgen – das sind die Dinge, die der Papst nennt, um einfach mal die große „Zusammenschau“ für den ganzen Planeten zu haben, politisch, gesellschaftlich, moralisch, will er einfach mal all die Dinge versammeln, die besonders wichtig sind. Und das zeigt auch so ein wenig die Prioritäten, die der Vatikan im kommenden Jahr zu setzen gedenkt.

Frage: Inwieweit kann er sich auf dem politischen Parkett denn überhaupt Gehör verschaffen?

P. Bernd Hagenkord: Es ist schon relativ viel, wenn man sich hier in Rom unterhält mit Diplomaten, die am Vatikan akkreditiert sind. Das was der Papst sagt, spielt da schon eine Rolle, nicht nur das, was er bei der Diplomatenansprache sagt, sondern überhaupt, wenn er politische, gesellschaftliche und moralische Themen anspricht. Das spricht offensichtlich eine große Rolle, der Papst wird überall zitiert, bei der UNO, in der EU, überall taucht er als Referenzgröße auf und deswegen ist es eben nicht nur so eine „was ich euch immer schon einmal sagen wollte“-Ansprache, sondern tatsächlich in der diplomatischen Welt und in der politischen Realität offensichtlich wahrgenommen und als wichtig empfunden wird.

Frage: Er wird ja teilweise durchaus deutlich, sogar politisch, könnte man sagen, gibt konkrete Handlungsvorschläge. Ist dieser Papst eigentlich zu politisch für sein Amt?

P. Bernd Hagenkord: Ja, das wird ja immer wieder vorgeworfen, wir hatten jetzt zu Weihnachten in Deutschland die Debatte, was darf eine Predigt politisch aussagen, darf die überhaupt politisch etwas aussagen, und so weiter. Wenn man das Christsein Ernst nimmt, dann will man natürlich auch die Welt verändern, verbessern, vielleicht sogar retten sozusagen. Im gesellschaftlichen Sinn will man die Welt prägen. Und der Papst warnt ja auch davor, als Christ die Welt nicht prägen zu wollen. Was er also macht, ist aus der christlichen und kirchlichen Perspektive heraus Schlüsse zu ziehen, aus dem Glauben für die Gesellschaft. Und das kommt natürlich imminent politisch herüber, weil das mit Gerechtigkeit, mit Würde, mit Leben und Lebensschutz zu tun hat. Und dieser Papst wird dabei sehr konkret. Das mag einigen Menschen auf die Füße treten, aber ich denke, das muss man tun, wenn man wirklich konsequent christlich und kirchlich in der Welt leben will, dann hat das eben Folgen und das benennt der Papst.

Frage: Wie könnte man ganz grundsätzlich Franziskus´ Verständnis von Diplomatie umreißen?

P. Bernd Hagenkord: Sich einmischen. Also, er spricht Dinge an aber immer im Dialog. Er würde niemals einen Dialog abbrechen. Es ist immer besser, zu reden, als nicht miteinander zu reden. Deshalb redet er auch mit jedem, was ihm ja auch schon vorgeworfen worden ist, dass er sich mit Machthabern zusetzt, wo man normalerweise sagen würde, da geht eigentlich kein Dialog. Aber nein, er sagt, wir reden mit allen und versuchen – er nennt das Kultur der Begegnung oder eben Dialog – wir versuchen, im Gespräch dahin zu kommen, dass beide Seiten sich bewegen. Und das ist eben der Sinn von Diplomatie, wie Papst Franziskus sie versteht. Das ist eine sehr kirchliche Diplomatie, sie ist in dem Fall ja einfacher, in dem Sinn, dass sie nichts politisch erreichen muss, also sie muss sich nicht mit politischen Zielen vereinbaren lassen. Auf der anderen Seite ist es schwieriger, weil sie mit einem sehr hohen moralischen Anspruch daher kommt. Also ist es eine ganz besondere Form von Diplomatie, die der Papst macht, aber es ist genau das, nämlich Diplomatie. (vatican news)

Kinderschutz und Prävention: „Das ist und bleibt Chefsache“

Prävention und Hinschauen im Feld von sexueller Gewalt sind kein Selbstläufer, es braucht weiter Anstrengungen, das präsent zu halten: Bischof Stephan Ackermann spricht zum Abschluss des Kongresses zum Thema Kinderschutz im Internet über die Herausforderungen im Alltag der Kirche heute.

Papst Franziskus hatte in seiner Ansprache an die Teilnehmer des Kongresses an der Päpstlichen Universität Gregoriana rhetorisch gefragt, ob die Kirche „in diesen Jahren denn nicht zu Genüge gelernt (hat), dass das Verstecken der Realität von sexuellen Missbräuchen ein äußerst schwerwiegender Fehler und Ursache vieler Übel ist?“. Pater Bernd Hagenkord hat Bischof Ackermann diese Frage weiter gegeben: Hat die Kirche genügend gelernt?

Ackermann: „Wir haben eine große Lerngeschichte hinter uns, das kann man in jedem Fall sagen wenn man auf die letzten sieben Jahre zurück schaut. Aber meine Erfahrung ist auch, dass die Fragen von Prävention und vom Hinschauen bei sexueller Gewalt kein Selbstläufer ist. Es gibt da Ermüdungserscheinungen, damit sinkt die Achtsamkeit ab. Diese Gefahr besteht und insofern ist die Frage des Papstes eine Frage der Gewissenserforschung, die Gefahr bleibt, dass wir etwas nicht wahrhaben wollen und nicht hinschauen.“

RV: Beim Kongress ging es um Kinderschutz im Internet, war das bisher in Ihrer Arbeit schon ein großes Thema?

Ackermann: „Natürlich war das schon Thema, aber nicht in der Breite, wie wir sonst auf das Thema sexualisierte Gewalt geschaut haben. Aber ich bin auch ganz bewusst zu diesem Kongress gekommen, damit man uns nicht vorwerfen kann, dass wir uns sechs, sieben Jahre lang vor allem mit dem Blick zurück beschäftigt haben, also mit der Aufarbeitung so wichtig die ist und weiter gehen muss, darüber aber die aktuellen Gefahrenpotentiale vergessen hätten.“

RV: Es sind bald acht Jahre, dass wir im deutschsprachigen Raum diese Debatte um sexualisierte Gewalt führen, wenn Sie nun auf dieser Erfahrung aufbauend in die Zukunft schauen, was sind die nächsten Herausforderungen, die sich stellen?

Ackermann: „Das ganze Feld bewegt sich ja weiter, kirchlich, aber auch außerhalb der Kirche. Es gibt neue Erkenntnisse, auch in der Wissenschaft, etwa was den Umgang mit Betroffenen angeht. Man kann nicht sagen, dass alles klar sei und wir einen Standard erreicht hätten, bei dem wir jetzt bleiben. Das ist eine permanente Weiterentwicklung. Eine Herausforderung besteht also darin, dabei zu bleiben und zu sehen, dass die Arbeit hier weiter geht.

Es gibt aber auch neue Felder, auf die wir schauen, ich nenne als Beispiel die Flüchtlingsarbeit. Viele sind in der Flüchtlingsarbeit aktiv und melden zurück, wie viele Kinder und Frauen sexuelle Gewalt erlitten haben und traumatisiert wird. Wir müssen auch das in den Blick nehmen. Das ist ein Feld, dass wir 2010 noch gar nicht im Blick gehabt haben. Hier geht es weniger um Missbrauch, der innerhalb der Kirche geschieht, als vielmehr darum, wo kirchliche Akteure Verantwortung wahrnehmen und jetzt achtsam sind auf diese Problematik.

Und dann geht es immer auch darum, die Achtsamkeit präsent zu halten, damit das nicht geschieht, was ich eben gesagt habe, nämlich dass die Aufmerksamkeit irgendwie wieder absinkt. Es ist eine Erfahrung, die mich erschrickt, die aber auf der anderen Seite nicht erstaunlich ist, weil neue Personen Verantwortung übernehmen. Die müssen sich erst einmal mit diesem Feld beschäftigen. Diejenigen, die die letzten Jahre mitbekommen haben und in Verantwortung waren, die wissen darum. Aber ich kann nicht voraussetzen, dass das einmal da ist und dann bleibt. Es muss immer wieder neu informiert werden und das ist eine dicke Herausforderung: die Präventionsarbeit auf Dauer zu stellen.“

RV: In der Kirche waren die mit Missbrauch befassten etwa in der Personalführung ganz zentral eingebunden. Ist das immer noch der Fall? Ist das immer noch ganz klar Teil der kirchlichen Personalpolitik? Oder sinkt auch das mittlerweile ab?

Ackermann: „Das braucht permanente Anstrengung, zu sagen ‚Das ist und bleibt Chefsache‘. Daran liegt es wesentlich, dass auch diejenigen, die auf diesem Feld aktiv sind wissen, dass das ganz klar gewollt ist und eine hohe Priorität hat. Aber ich sage ehrlich, dass das Anstrengung braucht. Und ich sehe auch die Gefahr, dass Dinge wieder absinken, weil man sie für normal und eingegliedert hält.“

RV: Das heißt, dass die rhetorische Frage des Papstes durchaus auch als Warnung gemeint ist.

Ackermann: „Genau, das würde ich auch sagen. Damit ist das Ausrufungszeichen gegeben, das auch in Zukunft zu realisieren. Damit hat er die Gefahr ausgedrückt, dass das wieder in den Hintergrund rückt, und damit wächst dann auch wieder die Gefahr, dass Missbrauch geschieht.“

Der Trierer Bischof Ackermann ist der Beauftragte der Deutschen Bischofskonferenz für den Umgang mit Missbrauchsfällen. (rv)

Synode: Was ist nun mit den wiederverheiratet Geschiedenen?

Bischofssynode„Nach der Liebe, die uns mit Gott vereint, ist die eheliche Liebe die größte Freundschaft“ (AL 123): Der lange erwartete Text ist veröffentlicht, mit Amoris Laetitia legt der Papst seine eigenen Gedanken zum Thema Familie vor. Und alle wollen jetzt nur das eine wissen: wie verhält es sich nun mit Wiederverheirateten Geschiedenen und der Kommunion? Pater Bernd Hagenkord hat genau nachgesehen.

Die Versuchung ist groß, den gesamten Text oder auch nur Kapitel acht nach Hinweisen durchzulesen, wie es sich denn nun mit der so dominanten Frage während des synodalen Prozessen verhält, aber schon der Autor warnt ausdrücklich davor: „Darum empfehle ich nicht, es hastig ganz durchzulesen“ (AL 6), vermutlich um genau das zu vermeiden, nämlich die Suche nach dem Eigenen im Fremden.

Trotzdem ist das eine Frage, um die die öffentliche und innerkirchliche Debatte nicht herum kommt. Wenden wir uns dieser Frage also in einem eigenen Abschnitt zu, um uns dann hoffentlich auch auf dem ganzen Text angemessen zuwenden zu können.

Keine Entscheidung

Vorweg: der Papst trifft keine Entscheidung. Wer vermutet, verlangt oder erwartet hatte, dass dieses Problem nun final und römisch gelöst werde, der wird nicht fündig werden.

Heißt das also, dass nach zwei Jahren Debatte der synodale Prozess als Tiger gesprungen und als Vorleger gelandet ist? Ganz und gar nicht. Mit den Anregungen von Kardinal Walter Kasper, der das Thema ja mit Einwilligung des Papstes in die Debatte eingebracht hatte, war das Thema auf dem Schirm. Das heißt aber nicht, dass sich die nun vorgelegten Gedanken nach zwei Jahren exakt auf dieses Thema beziehen lassen oder sogar eine definitive Antwort darauf geben.

Trotzdem kann man beim Papst ein Vorgehen lernen, das uns in dieser Frage weiter bringt.

Erstens: man muss Urteile vermeiden, die Einzelsituationen nicht berücksichtigen. So steigt der Papst ein. Also: die Realität ist zu komplex, als das man sie über einen Kamm scheren kann. Oder direkt zitiert „Wir wissen, dass es keine Patentrezepte gibt.“

Es gibt weder von der Synode noch von ihm neue, auf alle Fälle anzuwendende generelle gesetzliche Regelungen. Und zwar, weil es die gar nicht geben kann.

Im Gewissen allein mit Gott

Zweitens: eine Norm kann in unterschiedlichen Situationen unterschiedliche Ergebnisse haben. Wir dürfen uns also von der einen Lehre nicht nur ein Ergebnis im Leben erwarten, die Ergebnisse sind so unterschiedlich, wie es die Leben auch sind.

Das Gewissen, also die Mitte und das Heiligtum des Menschen, wo er alleine ist mit Gott, wie der Papst sagt, ist der Ort für die Unterscheidung. Ein gebildetes Gewissen, also eines um das man sich gekümmert hat und das nicht nur Wunsch und Wille ist. Dieses Gewissen ist kein Erfüllungsgehilfe. Wenn wir also das eben Gesagte anwenden bedeutet das, dass nicht schon vorher klar ist, was bei einer solchen Unterscheidung heraus kommen muss. Das Gewissen ist keine Entscheidungsmaschine. „Die Situation ist kirchlich gesehen so, also kann das Gewissen gar nicht anders als ….“ Dieser Schluss gilt nicht.

Der Papst geht noch einen Schritt weiter: Wir können im Gewissen auch erkennen, dass eine Antwort vorerst die einzige ist, die wir in einer bestimmten Situation geben können, auch wenn diese Antwort nicht dem Ideal entspricht. Soll heißen: Auch wenn die Aussagen Jesu klar und deutlich sind und bleiben, gibt es eine graduelle Verwirklichung. Es gibt Lebenssituationen, in denen es nicht die perfekte, saubere, lehrmäßig eindeutige Lösung geben kann oder mag.

Noch einmal: es ist „kleinlich“, wie der Papst sagt, das Handeln nur an der Norm zu messen.

Nicht das Leben an der Norm messen

Drittens: Was der Papst nicht macht, ist einen Weg anzubieten. Das ist ja mit dem Vorschlag von Kardinal Walter Kasper im Vorfeld, eigentlich seit Beginn des synodalen Weges debattiert worden. Das findet sich hier nicht. Das „Wie“ der Unterscheidung bleibt offen. Der Papst stellt nur die Grundsätze fest, nach denen so eine Unterscheidung laufen soll. Was heißt „nur“, er verlangt den Blick auf die Einzelsituationen, auf das konkrete menschliche Leben. Auf der anderen Seite spricht er lange vorher schon und über weite Strecken – und auch nachher zum Abschluss – über das, was Jesus uns für unsere Leben aufgetragen und versprochen hat. Die Unterscheidung, auch wenn sie nicht beim Ideal ankommt, verdunkelt dieses nicht.

Und wie immer bei Papst Franziskus: mit Leben füllen muss das nun jeder Christ und jede Christin, jede einzelne Gemeinde. Franziskus wäre nicht Franziskus, wenn es anders wäre.

Wer nun die wichtigsten Stellen selber nachlesen möchte, dem empfehle ich die beiden Abschnitte ‚Die Normen und die Unterscheidung‘ und ‚Die Logik der pastoralen Barmherzigkeit‘ (AL 304-312). (rv)

Invasion und kulturelle Bereicherung: Verwirrung um Papstworte

Bernd Hagenkord„Arabische Invasion”. Mehr braucht es nicht, um mal wieder einen Papst-Satz durch die Medien zu treiben. Mehr wird auch über die Unterredung vom vergangenen Samstag gar nicht berichtet, dabei ist der Artikel in der Zeitschrift La Vie umgerechnet mehrere Seiten lang. Nur die eine Formulierung und alle wundern sich wieder. Ceterum censeo: man muss den Papst in der Sprechsituation und im Zusammenhang hören oder lesen, seine Sätze funktionieren als Kommunikation mit den Menschen, die vor ihm stehen oder sitzen, nicht als allgemeingültige Aussagen für alle Menschen immer und überall, schon gar nicht wenn es nur einige Worte sind, die heraus genommen werden. Pater Hagenkord hat genauer nachgelesen. (rv)

Vatileaks II: Ein Kommentar

Bernd HagenkordDer Schaden ist erheblich. Nicht, weil neue Dinge an die Öffentlichkeit kommen. Sondern eher, weil niemand wirklich überrascht ist. Von Pater Bernd Hagenkord.

Die Kommentatoren sind sich einig: es sind eigentlich zwei Geschichten, die sich in diesen Tage um die Peterskuppel abspielen. Zum einen sind es Finanzgeschichten um vermietete Wohnungen zum Nulltarif, zu Millionen ohne Abrechnung, zu Vergünstigungen und so weiter, die ein Bild des Vatikan als Selbstbedienungsladen zeichnen. Die zweite Geschichte ist die von den Vertrauensbrüchen, dass Dokumente und Audio-Aufzeichnungen geklaut und weiter gegeben werden.

Der Schaden ist erheblich. Nicht, weil neue Dinge an die Öffentlichkeit kommen. Sondern eher, weil niemand wirklich überrascht ist. Es klingt alles so plausibel. Luxus-Kleriker, fehlende Transparenz, und so weiter. Und dann ist da der Vertrauensbruch. Dahinter stecken aber diejenigen, die offensichtlich Dokumente weiter geben, um ihre eigenen Spielchen zu spielen. Dass sie ehrenvoll handeln und dem Papst eigentlich helfen wollen, glaubt wohl niemand. Also auch hier: ein Selbstbedienungsladen für die eigenen Zwecke.

Aber erinnern wir uns an den vergangenen Dezember, die Ansprache des Papstes an seine Kuriermitarbeiter über die berühmten fünfzehn Krankheiten. Der Kern des Problems liegt – ich verkürze den Papst – in der inneren Haltung. Das hat der Papst erkannt und benannt. Und wie wir jetzt sehen und lesen können: er handelt danach. So schlimm das alles ist, Papst Franziskus steht für einen anderen Vatikan, einen Vatikan der keinen Widerspruch zu seiner Botschaft von Jesus und seiner Barmherzigkeit bildet. Und dass diese Dinge ans Licht kommen ist ein Zeichen dafür, so paradox das klingt, dass er Erfolge hat. Da wehrt man sich gegen die Transparenz. Es ist schmerzhaft, das alles zu lesen. Aber es sind Heilungsschmerzen. (rv)

Vor der Reise: Videobotschaft des Papstes an Kuba

Papstreise KubaMit einer geistlichen Botschaft wandte sich Papst Franziskus über das kubanische Fernsehen am Donnerstagabend Ortszeit an die Gläubigen in dem Land, das er ab diesem Samstag besuchen wird. Er habe eine einfache, aber wichtige und notwendige Botschaft, so der Papst. In dem kurzen Video spricht er vom Zeugnis, das die Christen durch ihre Treue und durch ihre gegenseitige Unterstützung abgäben. Er komme in wenigen Tagen, um diesen gemeinsamen Glauben und diese Hoffnung zu teilen.

Dann spricht der Papst von Jesus, der besser als wir selber wisse, was wir bräuchten, und er spricht vom Gebet, das den Kontakt zu Jesus ermögliche. In der Botschaft wird der religiöse Hintergrund der Reise deutlich, der in der Berichterstattung zur politischen Entspannung zwischen den USA und Kuba etwas zu kurz gekommen ist. Zu all dem verliert der Papst kein Wort, er spricht über das Vergeben, das Lieben, das Begleiten aus dem Geiste Jesu. Er wolle ein „Missionar der Barmherzigkeit“ sein, schließt der Papst seine Botschaft, „Missionar der Zärtlichkeit Gottes“, aber er wolle gleichzeitig auch alle dazu anregen, selber zu solchen Missionaren der unendlichen Liebe Gottes zu werden, so dass die ganze Welt erfahre, dass Gott immer vergebe.

Damit gibt Papst Franziskus seinem in zwei Tagen beginnenden Besuch seine eigene, religiöse Färbung.

Aus Kuba Pater Bernd Hagenkord. (rv)

Papstreise nach Korea: Bericht von der Grenzlinie

Papstreise Korea2014 An diesem Donnerstag trifft Papst Franziskus in Korea ein, es wird seine dritte große Auslandsreise sein, nach Rio de Janeiro im vergangenen Jahr und Jordanien, Palästina und Israel vor einigen Monaten. Korea ist ein Land, das vor allem durch ein Thema definiert wird: die Teilung in Nord und Süd. Genau von der Grenzlinie meldet sich unser Korrespondent, Pater Bernd Hagenkord, mit einem ersten Bericht.

Eine Holzbrücke, Stacheldraht, viele Fahnen und ein Wachturm, dahinter der Han-Fluss: Das sind sieben Kilometer vor der eigentlichen Grenze, weiter geht es nicht. 10.000 Won – also etwa acht Euro – kostet es, wenn man die buddhistische Friedensglocke in einem kleinen Pavillon schlagen will. Plakate am Stacheldrahtzaun verkünden, wer alles für die friedliche Wiedervereinigung der beiden Koreas ist. Aber wirklich wollen tun es wenige – denn wenn der Norden zusammenbricht oder eine Wiedervereinigung kommt, dann würden die Wirtschaft und der Lebensstil des Südens dies nicht verkraften.

Wir sind in der sogenannten demilitarisierten Zone. Das ist ein zynischer Begriff, denn es gibt wohl kaum eine Zone dieser Welt, in der mehr Waffen und Minen aufeinanderprallen. Diese Zone prägt das Leben in Korea, und auch die Reise von Papst Franziskus steht unter diesem Vorzeichen. Es ist wieder ein Land mit einem ungelösten militärischen Konflikt, in das Papst Franziskus reist. Völlig anders als zum Beispiel im Heiligen Land, aber eben auch ein ungelöster Konflikt. Der Papst wird Impulse setzen – und zwar durch was er sagt, durch sein Auftreten und seine direkte Kommunikation. Spätestens bei der Versöhnungsmesse in Seoul am Sonntag wird er es ganz direkt ansprechen.

Die anderen Dimensionen der Reise werden die Begegnung mit der Jugend Asiens, die Würdigung der Kirche Koreas durch ihre Märtyrer – das sind die Seligsprechungen – sowie die Begegnung mit den Angehörigen der Opfer des Fährunglücks sein. Dieses Fährunglück war eine Katastrophe, die tief im kollektiven Gedächtnis des Landes sitzt und die noch viel Spannung und Proteste hervorruft. Das alles wird wichtig sein bei dieser Reise, aber die Grundfärbung kommt von hier: dem Konflikt Nord-Süd. Papst Franziskus besucht ein Land, das im Kriegszustand ist. Frieden und Versöhnung sind in einer äußerst komplexen Situation. Nach dem Heiligen Land und dem Einsatz für Syrien geht es ein weiteres Mal um ein Thema des Pontifikats von Papst Franziskus.

Aus Korea, P. Bernd Hagenkord SJ (rv)

Ukraine, Gaza, Irak: „Gegengewalt wird uns aus den Konflikten nicht heraus führen“

Bernd Hagenkord Aus den vielen ernsten Konflikten in diesen Tagen kommt man nicht heraus, wenn man nur versucht, die Schuldfrage zu klären. Weder in der Ukraine, noch in Gaza oder im Irak kommt man damit weiter, darin sind sich die meisten internationalen Beobachter einige. Was aber wäre ein Ausweg?

Michael Reder ist Professor für Sozial- und Religionsphilosophie an der katholischen Hochschule für Philosophie in München und betreut dort das Projekt „Völkerverständigung“. Pater Bernd Hagenkord hat ihn gefragt, wie man sich vorstellen kann, dass die Konfliktparteien, die bislang nur gegenseitige Schuldzuweisungen kennen, aus der Konfrontation wieder heraus kommen.
„Zuerst ist es wichtig zu verstehen, was den gegenwärtigen Konflikten zu Grunde liegt. Bei aller Unterschiedlichkeit der Konflikte in der Ukaine, in Isarel/Palästina oder im Irak scheint es so zu sein, dass es in allen Konflikten um die Frage von kollektiven Identitäten geht. Da heißt, es gilt erst einmal anzuschauen, wie genau die Situation in diesen Ländern ist und welche Gruppierungen sich ausgeschlossen und diskriminiert gefühlt haben. Nur so kann man deren Reaktionen verstehen, die dann zu Gewalt eskalieren.

Eine solche Analyse fehlt heute teilweise. Es geht eher darum, Schuldige zu suchen und weniger darum danach zu fragen, welche grundlegenden Dynamiken diesen Konflikten zu Grunde liegen. Das wäre meiner Ansicht nach ein erster Weg, damit auch politisch umzugehen. Da geht es im Irak um den Konflikt zwischen Schiiten und Sunniten, in der Ukraine geht es um die Frage der Identität von russischen Minderheiten und im Israel-Palästina-Konflikt um die Selbstständigkeit der Palästinenser. In allen drei Konflikten wurden diese Identitäten unterdrückt, diskriminiert, ausgeschlossen, was dann in eine Gewaltspirale führen kann, aus der man dann schwer wieder heraus kommt.“

Hieße das nicht auch, denen nachzugeben, die den Konflikt schüren? Müsste man nicht eigentlich konfrontativer aus dem Westen heraus dem Konflikt begegnen?

„Es ist zweierlei. Es ist wichtig, dass deutlich gemacht wird, dass Gewalt keine Lösung für Konflikte ist. Der Ruf nach Militarisierung und nach einem verstärkten Einsatz militärischer Gegenmacht wird uns nicht aus den Konflikten herausführen. Auf der anderen Seite geht es darum, zu versuchen sich vorzustellen, wie politische Landschaften in diesen Regionen aussehen können und wie Zugeständnisse gemacht und die Identitäten ernst genommen werden können.

Wir haben das in der Ukraine gesehen, wo es zu Beginn des Konfliktes ganz stark darum ging, ob Russisch als Sprache anerkannt wird oder nicht. Um so ganz fundamentale Fragen geht es in solchen Konflikten, die selber ein Auffangen dieser Gewalt bedeuten.“

Plädoyer für Außenpolitik

Der normale Nachrichtenkonsument reagiert eher mit einer Mischung aus Unverständnis und Ungeduld. Sie sagen, dass es Zeit und Information braucht und dass man auf die Leute zugehen müsste, um aus dem Konflikt wieder heraus zu kommen. Das ist aber auch eine Überforderung für die Menschen hier im Westen, die wir schnellerer Lösungen wollen, wie die Opfer sicherlich auch.

„Es ist eine verständliche Reaktion zu wünschen, dass die Konflikte schnell gelöst werden. Aber Konflikte, die sich über Jahrzehnte hinweg hochgeschaukelt haben und in Gewalt eskaliert sind werden wir nicht von heute auf morgen lösen können.

Ein großes Problem des Westens ist es, dass wir Außenpolitik oft ein wenig Stiefmütterlich betrachten. Man sieht das beispielsweise in Wahlkämpfen, auch in Deutschland, da spielt Außenpolitik immer nur eine sehr untergeordnete Rolle. Es geht da meistens um innenpolitische Fragen, allerhöchstens noch um Europafragen.

In einer globalisierten Welt, in der wir heute leben, geht es darum, dass wir Außenpolitik stärker aufwerten. Da geht es darum, Personal zu investieren und Geld in die Hand zu nehmen, auch mehr wissenschaftliche Forschung zu betreiben. Damit machen wir dann unsere Außenpolitik stärker, um differenzierter auf die Konflikte reagieren zu können.

Man sieht das deutlich, wenn wir auf die arabische Politik schauen, da hat die deutsche Außenpolitik oft sehr holzschnittartig mit Simplifizierungen reagiert; wer ist Islamist? wer ist Fundamentalist? Damit wird nicht differenziert genug auf die jeweiligen Regionen geschaut. Das führt dann dazu, dass wir den Einfluss, den wir in den Konflikten geltend machen können, nicht voll ausgeschöpft haben.“ (rv)

2014: Synode, Konsistorium, Heiligsprechungen und viel mehr

Bernd HagenkordDas neue Jahr bringt neue Pläne, auch für den Papst und den Vatikan. Was steht an und was kommt auf uns zu? Pater Bernd Hagenkord hat für uns zusammen getragen, was so alles auf dem Programm steht. Was wird das erste sein?

„Das ist nicht so einfach zu sagen, weil der Papst sehr spontan ist. Aber geplant ist auf jeden Fall ein gut gefüllter Februar, der Papst wird am 22. in einem Konsistorium neue Kardinäle erheben, davor werden sich die acht Kardinäle zur Vatikanreform treffen, außerdem wird in einer Konferenz die Bischofssynode weiter vorbereitet und eine Kommission trifft sich zur wirtschaftlichen Lage des Vatikan, also ein dichter Monat –
und gar nicht mehr so weit weg. Zum Jahrestag der Rücktrittsankündigung von Papst Benedikt XVI. am 11. Februar, wird sicherlich noch einmal Benedikt zitiert werden.“

Stichwort Kardinalskommission: Wird 2014 jetzt die Kurienreform kommen?

„Ja und Nein. Der Papst hat ja angekündigt, dass das Grundsatzdokument für die Vatikanverwaltung neu geschrieben werden soll, so hatte es der Vatikan bekannt gegeben. Das kann man natürlich nicht über Nacht, auch wenn der Vatikan nun wirklich keine sehr große Behörde ist. Um die internationalen Erfahrungen und auch Erwartungen einzuholen, braucht es Zeit. Aber auf der anderen Seite hat der Papst ja schon mit Reformen begonnen: Es gibt eine ganze Reihe von kleineren Entscheidungen über die Einrichtung von Kommissionen und zur Hilfe von außen, wenn es um die Reform von Strukturen geht, da findet bereits jetzt die Reform statt. Meiner Meinung nach geht es da weniger um einen Tag und um eine Unterschrift und dann wird alles neu, sondern das wird – wie etwa bei der so genannten Vatikanbank der Fall – Schritt für Schritt gehen. Aber einige dieser Schritte werden wir sicherlich 2014 sehen, und das nicht einmal in allzu weiter Ferne.“

Die Bischofssynode im Oktober dieses Jahres ist ebenfalls bereits angesprochen. Sie wird nicht nur in Deutschland mit vielen Hoffnungen und Erwartungen versehen, denn es wird um Familien gehen und damit auch um zerbrochene Familien und um die Geschiedenen…

„Da muss man glaube ich vorsichtig sein. Es ist die erste von zwei Synoden zum Thema, 2014 und dann noch einmal 2015. Es ist ja nicht so, dass man über die weltweit sehr verschiedenen Kulturen hinweg einfach so etwas entscheiden könnte, das will überlegt sein und ich glaube nicht, dass wir von der Synode 2014 eine Revolution erwarten dürfen. Es wird ein wichtiges Ereignis werden, weil der Papst ja wiederholt angekündigt hat, die Weltkirche mehr einzubeziehen, aber das braucht seine Zeit.“

Was steht sonst noch auf dem Programm, wissen wir schon etwas von Papstreisen?

„Es wird immer wieder von einer Reise ins Heilige Land gesprochen, ob das aber stattfinden wird oder nicht ist noch nicht klar, schon gar nicht ist es offiziell. Aber abgesehen von Reisen: Was sicherlich ein großes Fest werden wird ist die Heiligsprechung der beiden Päpste Johannes Paul II. und Johannes XXIII. im April, am Sonntag nach Ostern. Die Osterzeit ist eine sehr volle und liturgisch reiche Zeit, da ist Rom voller Pilger, das wird dann noch einmal mehr werden.“

Sprechen wir einmal über Inhalte: Was wird sich der Papst für 2014 als Thema vornehmen?

„Franziskus ist ja sehr stark darin, seine Themen immer wieder aufzugreifen. Ganz gleich ob das Geschwisterlichkeit ist oder die berühmten Peripherien: Er entwickelt die Dinge weiter, setzt sie in neue Zusammenhänge und spricht zu immer anderen Gruppen, so dass uns diese Themen erhalten bleiben und immer wieder neu angedacht werden. Es ist glaube ich nicht allzu sehr spekulativ, wenn wir einmal vermuten, dass vieles von dem, was wir in den ersten neun Monaten des Pontifikates gehört haben, uns auch weiter begleiten wird. Und das ist ja auch gut so. 2014 wird sicherlich genauso viele und genauso intensive Themen haben, wie 2013 auch schon.“ (rv)

Unser Buchtipp: Männer Gottes

Pater Bernd HagenkordBenedikt Lautenbacher und Andreas Ruffing (Herausgeber): Männer Gottes. 12 Portraits aus Bibel und Tradition. Eine Besprechung von Pater Bernd Hagenkord

Ein neues Jahr steht an und dafür darf ich einen Begleiter anbieten: Männer Gottes heißt er. Das Buch stellt für jeden Monat des Jahres einen Mann Gottes vor, wie die Tradition unseres Glaubens sie hervor gebracht hat. Die Männer tragen in den Überschriften Bezeichnungen wie „kraftvoll und verletzbar“, „Mann der Konflikte“ oder „Im Hintergrund leben“. Es sind aber keine Klischeebilder, die hier abgerufen werden, längst in den Lebenshilfe-Regalen der Buchläden massenhaft vorhandene Idealisierungen.
Es sind Charaktere und Rollen, Biografien und Männlichkeit, die in Beziehung gesetzt werden und auf das Geistliche, das tiefer liegende abgeklopft werden. Berühmte Männer sind darunter wie Jeremia und Paulus – und Jesus – aber auch unbekannte wie Konrad von Parzham. Die Autoren schreiben bewusst aus ihrer eigenen Erfahrung heraus, ihrer eigenen Auseinandersetzung mit ‚ihrem’ Mann. Das macht das Buch zu einem hilfreichen Begleiter für das Jahr, wird der Leser doch in diese Auseinandersetzungen hinein genommen.
Jenseits der Debatte über Gender-Mainstreaming und dergleichen sind die Autoren überzeugt, dass ‚ihre’ Männer uns heute etwas zu sagen haben, dass wir geistlich wachsen können mit Hilfe dieser Lebensgeschichten. Dabei sind die Lebens- und Glaubensbilder herrlich unideologisch, besonders bei den berühmten, von denen wir alle ein Bild im Kopf haben wie bei Jesus oder dem heiligen Martin, hier öffnet das noch einmal neue Zugänge, die lohnen für das kommende Jahr.
Es sind zwölf Männer. Heißt das, dass das Buch nur für Männer geschrieben ist? Das ist schwer zu sagen. Ich denke nein, wenn es sicherlich für Männer besonders attraktiv sein dürfte. Aber vielleicht ist ja gerade das auch für ‚Nichtmänner’ ein guter Zugang.

Das Buch ist im Kösel Verlag erschienen und kostet etwa 15 €. (rv)