Kardinal Filoni im Nordirak: Kurden spenden 10 Millionen für Flüchtlinge

Kardinal Filoni Der päpstliche Sondergesandte im Irak, Kardinal Fernando Filoni, ist in Erbil im nordirakischen Kurdengebiet eingetroffen. Darüber informierte Vatikansprecher Federico Lombardi in Seoul am Rande einer Pressekonferenz, die der Papstvisite in Korea galt. Filoni habe bereits die Bischöfe des Irak und die Behördenvertreter getroffen, stand in einer SMS, die Lombardi den versammelten Journalisten von seinem Mobiltelefon ablas. Kardinal Filoni hätte als Präfekt der vatikanischen Missionskongregation Papst Franziskus bei seiner Koreareise begleiten sollen. Seine Mission im Irak war aber augenscheinlich dringender.

In einer Presseaussendung des Vatikans wird indes bestätigt, dass Kardinal Filoni bereits am Mittwoch den kurdischen Premier Nechirvan Barzani getroffen hatte. „Es ist die Aufgabe der kurdischen Regierung die geflüchteten Christen, Jesiden und anderen Minderheiten, die in den kurdischen Gebieten Sicherheit suchen, zu schützen und zu unterstützen.“ Das habe Barzani bei dem Zusammentreffen dem Kardinal erklärt. Die kurdische Regierung hat bei diesem Treffen eine weitere Spende von zehn Millionen US-Dollar für den erst kürzlich eingerichteten Flüchtlingsfond angekündigt. Aufgrund der zunehmenden Gewaltbereitschaft der Terrorgruppe IS, habe sich die Zahl der Flüchtlinge in den letzten Tagen verdoppelt.

In den Flüchtlingslagern der Orte Erbil, Duhol und Slamiamni befänden sich demnach mehr als eine Millionen Flüchtlinge. Die hauptsächlich syrischen Kurden, arabischen Iraker, Jesiden und Christen leben am Limit. Die humanitäre Krise wird ständig dramatische, zitiert die Vatikannote Barzani. Es fehle an angemessenen Einrichtungen und an psychologischer Betreuung für die vielen flüchtenden Familien. Parks, Kirchen, Schulen und Baustellen dienen unter anderem als vorläufige Notlager und er appelliere an alle zu helfen und forderte die internationale Gemeinschaft auf zu intervenieren. (rv)

Patriarch: Amerikaner sollten nicht nur Erbil schützen

Patriarch Sako Der irakische katholische Patriarch äußert sich zum ersten Mal umfassend zu den Lufteinsätzen der USA im Nordirak. In einem Offenen Brief von diesem Sonntag zeigt sich Erzbischof Louis Raphaël Sako enttäuscht darüber, dass sich die Aktionen der Amerikaner auf den Schutz von Erbil beschränken. Erbil ist Hauptstadt der autonomen Provinz Kurdistan im Nordirak.

Natürlich freue er sich darüber, dass die nach Erbil geflüchteten Christen und Angehörige anderer Minderheiten dank der US-Luftschläge jetzt in Sicherheit seien. Doch allein im Vorort Ankawa müssten die 25.000 Christen, die dort lebten, jetzt für 70.000 Flüchtlinge sorgen. Von diesen Flüchtlingen schliefen nicht wenige „auf der Straße oder in den Parks“. In der nahegelegenen Stadt Dohuk hat die Zahl der Christen nach Angaben des chaldäischen Patriarchen von Babylon die 60.000er-Marke überschritten; die Lage in Dohuk sei „schlimmer“ als in Erbil. Außerdem seien viele Christen und Angehörige anderer Minderheiten nach Kirkuk und Sulaymaniyah geflohen, ja sogar bis in die weit entfernte Hauptstadt Bagdad. Man dürfe sich also nicht nur um Erbil kümmern, so Sako.

Der Patriarch weist auf einen wachsenden humanitären Notstand hin. In ganz Irakisch-Kurdistan herrsche dramatischer Mangel an humanitärer Hilfe: Unterkünfte, Nahrung, Wasser, Medizin würden gebraucht. „Tod und Krankheit treffen die Kinder und die älteren Leute unter den Tausenden von Flüchtlingsfamilien“, so Sako. Niemand koordiniere die Hilfen, die jetzt einliefen, das bremse ihre Wirksamkeit.

„Obamas Haltung ist enttäuschend“

In den christlichen Dörfern zwischen Mossul – das in der Hand der Terrorgruppe „Islamischer Staat“ ist – und Kurdistan seien die Kirchen jetzt „leer und entweiht“; fünf Bischöfe könnten nicht mehr an ihren Bischofssitz zurückkehren, Priester und Ordensleute hätten fliehen und Missionsstationen, Krankenhäuser oder Schulen zurücklassen müssen. Nicht nur für die Kirche, sondern für alle Geflüchteten sei „das Desaster extrem“. Wörtlich fährt der Patriarch dann fort: „Die Haltung von US-Präsident Obama, nur Erbil militärisch zu schützen, ist enttäuschend“. Die Debatten über eine mögliche Teilung des Irak hält er für „erschreckend“: „Die Amerikaner wollen nicht die Stellungen des ‚Islamischen Staats’ in Mossul und der Ninive-Ebene angreifen – also fassen sie keine schnelle Lösung ins Auge, die Hoffnung geben könnte.“ Es sei „deprimierend“, darauf warten zu müssen, dass irakische Armee und kurdische Peschmerga-Kämpfer etwas gegen die islamistischen Gotteskrieger ausrichten – oder darauf, dass sich die streitenden Politiker in Bagdad endlich auf eine neue Regierung einigen.

Der Patriarch von Babylon vermisst eine „Strategie, um die Quelle der Macht und der Ressourcen der islamistischen Terroristen auszutrocknen“. Er sieht die Gefahr, dass sich die IS-Krieger dauerhaft in Teilen des Irak und Syriens einrichten. Vor welcher Wahl stünden denn jetzt die Flüchtlinge aus den Kalifats-Gebieten, fragt sich Sako. Emigrieren könnten doch nur die, die Papiere und Geld dafür hätten. Also bleiben? „In den Flüchtlingslagern darauf warten, dass der Winter kommt? Werden denn überhaupt Schulen wieder öffnen? Wird man die Kinder der Flüchtlinge in den Schulen des Kurdengebiets aufnehmen? Was wird aus dem Eigentum und der Arbeit dieser Tausenden von Unschuldigen, die Hals über Kopf aus ihren Dörfern flüchten mussten?“ Diese Fragen sollten, so Patriarch Sako, „auf dem Gewissen jedes Einzelnen und jeder Organisation lasten, damit etwas für diese Menschen getan wird.“ (rv)

Irak: Lehrerin ermordet

IrakDie Ermordung einer Lehrerin im nordirakischen Mosul lässt die Ängste der christlichen Minderheit wieder hochkommen. Die chaldäische Christin ist das jüngste Opfer einer ganzen Reihe gezielter Anschläge gegen die schrumpfende christliche Gemeinde. Der prominenteste Fall war die Ermordung des chaldäisch-katholischen Erzbischofs von Mosul, Faraj Rahho, im Jahr 2008. Mosul ist als Hochburg des Wahhabismus bekannt, einer besonders extremen Auslegung des sunnitischen Islam, der vor allem von Saudi-Arabien gefördert wird. Der Terror hat zur massiven Flucht und Beeinträchtigung der christlichen Bevölkerung im Irak geführt. Die Regierung kann die Sicherheit der Christen nicht mehr garantieren. (rv)

Irak: „Für Christen weiter lebensgefährlich“

Die Lage in der Stadt Mossul hat sich „in den letzten Monaten leicht verbessert". Das sagt der chaldäische Erzbischof der Millionenstadt im Norden des Irak, Amil Shamaaoun Nona. Im Gespräch mit „Kirche in Not" räumte er allerdings ein, dass es für Christen in Mossul weiterhin lebensgefährlich sei, das Haus zu verlassen.

„In den vergangenen Jahren war Mossul eine sehr gefährliche Stadt – ganz besonders für uns Christen. Mein Vorgänger, Erzbischof Faraj Raho, wurde entführt und ermordet. Ebenso wurden viele unserer Gläubigen getötet, darunter auch ein Priester. Darum haben die meisten Christen Mossul inzwischen verlassen. Im Zentrum der Stadt hatten wir früher acht Pfarreien, jetzt sind es nur noch drei. Die meisten Pfarreien sind heutzutage außerhalb Mossuls angesiedelt, in den Dörfern Karamess, Karakosh und Telkef. In den letzten Monaten hat sich die allgemeine Situation in Mossul aber leicht verbessert und wir hoffen, dass es so weiter geht."

Seit dem Einmarsch der US-Truppen im Jahr 2003 war Mossul immer ein Brennpunkt des Terrors. Sunnitische und schiitische Milizen kämpfen hier um die Vorherrschaft; die Stadt am Tigris ist strategisch wichtig, weil sie gleich an der Grenze zum autonomen Kurdengebiet liegt.

„Die Lage hat sich ein bisschen verbessert, aber nicht sehr. 2008, 2009 und auch noch im vergangenen Jahr wurden viele Christen getötet. Ihre Häuser wurden von Terroristen gestürmt, ganze Familien wurden ermordet oder gezwungen, die Stadt zu verlassen. Das war noch bis vor einem halben Jahr so. Jetzt ist es ruhiger, aber es ist schwer zu sagen, ob es so bleibt. Denn in der Vergangenheit hat es immer wieder Zeiten gegeben, in denen die Lage sich beruhigte. Doch dann haben die Angriffe wieder begonnen."

In Mossul geblieben sind nur noch die Christen, die sich keine Flucht leisten können: arme Leute vor allem aus der Altstadt. Große Probleme in und um Mossul bereiten die Arbeitslosigkeit und eine schlecht funktionierende Stadtverwaltung. Ob sich da mal etwas bessern wird, weiß Erzbischof Nona nicht:

„Das hängt von der Entwicklung der politischen Lage im Irak ab. Denn alle unsere Probleme sind politischer Natur. Wenn die politische Lage so bleibt, werden Mossul und die ganze Region nie zur Ruhe kommen. Wenn allerdings die politischen Gruppen untereinander Frieden finden, sieht die Sache anders aus. Ich bete darum, dass das geschieht, denn dann würde sich Vieles zum Guten wenden."

Nonas Vorgänger, Erzbischof Faraj Raho, war von Terroristen entführt und getötet worden. Kein Wunder, dass er „ein wenig besorgt" war, als der Papst dann ihn, Nona, zum neuen chaldäischen Erzbischof von Mossul ernannte. Angst habe er aber nicht gehabt:

„Denn irgendjemand musste schließlich kommen und den Menschen hier dienen. Ich habe viele Gläubige in meiner Diözese. Und selbst wenn nur noch wenige in der Stadt Mossul übrig geblieben sind, brauchen sie dennoch einen Hirten, der ihnen dient. Dieser Ruf, diese Pflicht, die mir Gott auferlegt hat, wischte meine Besorgnis weg."

Seine Gläubigen in der Stadt könne er allerdings nur sehr selten besuchen, sagt Erzbischof Nona: Vor allem innerhalb Mossuls sei sein „Bewegungsradius sehr begrenzt".

„Es ist dort immer noch lebensgefährlich für uns Christen, und auch ich muss sehr vorsichtig sein, wenn ich mich auf den Straßen bewege. Wenn es also nichts Unaufschiebbares gibt, bleibe ich außerhalb der Stadt."

Einen Leibwächter hat Nona nicht. Sparsamkeit ist nicht der Grund dafür:

„Es ist besser für die Sicherheit, sich ohne Leibwächter zu bewegen. Wenn mich immer jemand begleiten würde, zöge das nur Aufmerksamkeit auf sich. Ohne Leibwächter kann ich mich unauffälliger bewegen. Ich wechsle oft meine Autos und nehme immer unterschiedliche Wege. Im Grunde bewege ich mich wie ein Geheimagent."

Ein Geheimagent, der immerhin häufig Messe mit den Gläubigen feiert. Wenn sie sich dann um den Altar versammeln, lassen sie ihre Sorgen einmal draußen:

„Wir reden über den Glauben. Wir wollen gläubig bleiben gemäß unserer christlichen Prinzipien und Wurzeln. Es ist sehr schwierig über die Zukunft zu reden, weil niemand weiß, was passieren wird. Wir reden über die Gegenwart. Wir fragen uns, wie wir heute als Christen in Mossul leben können, wie wir in einer derartigen Situation zu unserem Recht kommen. Darüber reden wir mehr als über alles andere."

Er lerne „viel von unseren Gläubigen", sagt der Erzbischof: „Vor allem, dass der Glaube umso stärker wird, je schwieriger die Situation ist." Wahrscheinlich lerne er sogar mehr von ihnen als sie von ihm. Denn sie seien es, „die wahrhaft ihren christlichen Glauben leben" und die zum Beispiel trotz Ausgangssperre den lebensgefährlichen Weg zur Kirche zurücklegen. „Das nenne ich lebendigen Glauben!"

„Das Wichtigste ist, das Leben selbst zu kennen. Als ich nach Mossul kam, war für mich nicht die Frage wichtig, wie ich mich verteidigen oder mein Leben retten kann. Ich wollte vielmehr herausfinden, wie ich unter diesen Umständen überhaupt leben kann. Die ständige Angst vor dem Tod und der Verfolgung führt dazu, dass der Mensch seine Menschlichkeit verliert. Es ist darum besser, an das Leben heute in diesem Moment zu denken. Ich führe die Menschen zu einem innerlichen, christlichen Leben, damit sie die christlichen Prinzipien und Werte in sich bewahren. Das ist das einzige Heilmittel für unsere Angst vor der Zukunft und dem Tod." (rv)

Vatikan/Irak: Papst bestätigt neuen Bischof im Irak

Papst Benedikt XVI. hat die Ernennung von Bashar Warda zum chaldäischen Erzbischof der Stadt Arbil im Nordirak bestätigt. Er stimmte damit der Wahl des früheren Leiters des Priesterseminars durch die Synode zu. Dies teilte der Vatikan an diesem Montag mit. Der Redemptoristenpater wurde 1969 in Bagdad geboren und hat unter anderem an der Katholischen Universität Louvain Theologie studiert. Bis zuletzt war er Professor für Moraltheologie am örtlichen Institut für Religionswissenschaft. (rv)