Adveniat-Bischof Overbeck: „Ein Weg einer neuen Solidarität mit den Armen“

Bischof Franz-Josef OverbeckDie Liebe zu den Armen und zugleich eine nüchterne Betrachtung der lateinamerikanischen Wirklichkeit mit all ihren Herausforderungen – diese beiden Punkte nimmt Bischof Franz-Josef Overbeck, der in der Deutschen Bischofskonferenz für Lateinamerika zuständig ist, aus der Wieder-Lektüre des Dokumentes von Aparecida mit, das 2007 unter der federführenden Redaktion von Jorge Mario Bergoglio entstand. Das Abschlussdokument der Vollversammlung der Bischöfe Lateinamerikas und der Karibik dient im Kontext der Papstreise nach Rio Kirchenvertretern und Journalisten als Orientierung, um die Anliegen der katholischen Kirche in Lateinamerika zu verstehen. Wie viel Bergoglio steckt im Dokument von Aparecida? Dazu sagte Bischof Overbeck auf dem Hinflug nach Rio:

„ Ich glaube auf der einen Seite in der für mich wahrnehmbaren typischen jesuitischen Abwägung und Indifferenz der Wirklichkeit, um die es hier geht, das ist sehr nüchtern wahrgenommen und in dem Dokument beschrieben, und zum anderen in der unbedingten Wahrnehmung der Bedeutung der Ortskirche für die Bewertung dessen, was pastoral vor Ort getan werden muss und einer wahrnehmbaren Liebe zu den Armen, was aber nicht nur den früheren Erzbischof von Buenos Aires und heutigen Papst betrifft. Diese Liebe haben viele Bischöfe hier, und das kann man in dem Dokument sehr gut sehen."

Bischof Overbeck glaubt, dass der Papstbesuch in Brasilien viele Menschen ermutigen kann, die bereits im Kampf gegen Armut und Ungerechtigkeit in Lateinamerika engagiert sind. Die Visite werde mit großer Begeisterung aufgenommen werden und die Herzen der Menschen erreichen, ist sich Overbeck sicher.

„Der Besuch eines Papstes ist immer etwas Besonderes, und jetzt ist es der erste Besuch des neuen Papstes, der dazu noch aus Lateinamerika kommt. Deshalb erwarte ich, auch von meiner Erfahrung her, die ich als Bischof in den letzten drei Jahren bei Adveniat gemacht habe, eine enthusiastische Stimmung und für viele eine Bestätigung ihres Weges, der sich ja – sei es, was Bergoglio als Kardinal in Buenos Aires tat, sei es, was er jetzt als Papst tut, als ein Weg einer neuen Solidarität mit den Armen zeigt. Das wird hier auf eine neue Weise die Herzen der Menschen sehr anrühren. Und das erwarte ich – mit einer Wirkung, die auf die Welt ausstrahlen wird." (rv)

Frage an Kardinal Scherer: Wie politisch wird die Kirche mit Papst Franziskus?

Kardinal SchererPapst Franziskus weckt große Hoffnungen in Lateinamerika. Auch bei Befreiungstheologen wie Leonardo Boff, der jetzt in einem Interview zum Papstbesuch in Rio enthusiastisch von „einem neuen Frühling in der Kirche" sprach. Einen „reifen Ansatz" zur Umsetzung der „Option für die Armen" in der katholischen Kirche Lateinamerikas hat laut Jorge Mario Bergoglio die Bischofskonferenz von Aparecida 2007 angeboten: Das Abschlussdokument der Bischofsvollversammlung habe das Apostolische Schreiben „Evangelii Nuntiandi" von Papst Paul VI. „in seinen schönsten Passagen wiederholt", sagte Bergoglio in seiner Zeit als Erzbischof von Buenos Aires gegenüber Journalisten (vgl. Gesprächsband „El Jesuita"). In der Befreiungstheologie habe es „Abwegiges", doch auch „unzählige Helfer" gegeben, die sich so engagiert hätten, „wie die Kirche es verlangt", sagte Bergoglio. Wie politisch wird die katholische Kirche mit Franziskus? Das wollte Anne Preckel von Kardinal Odilo Scherer, dem Erzbischof der brasilianischen Mega-Diözese Sao Paolo, auf dem Weltjugendtag in Rio wissen.

„Das werden wir noch sehen. Natürlich – seine Einstellung der Kultur, der Gesellschaft, der Werte gegenüber wird auch eine Einstellung der Politik weitergeben und der Position der Kirche der verschiedenen Arten der Politik gegenüber in den verschiedenen Ländern. Aber eines sind die Prinzipien, die Papst Franziskus irgendwie klarmacht – Prinzipien, die gültig sein sollen überall: Also erstens – der Mensch steht in der Mitte, nicht die Wirtschaft, nicht irgendwie der Gewinn. Zweitens – die Armen stehen in der Mitte, die Armen, die Kranken, die Vernachlässigten. Auf sie müssen wir schauen, auf sie müssen auch die Regierungen schauen. Und das sind nicht nur Personen, das sind ganze Länder, die als arme Länder in der Welt vernachlässigt sind. Franziskus hat schon mehrmals darauf gezeigt: Wir sollten eine bessere Welt für alle schaffen, wir sollten nicht den Egoismus globalisieren, sondern vielmehr sollten wir die Zuneigung zu den anderen stärken, uns um die Vernachlässigten kümmern – da sollten wir handeln und die Regierungen auch."

Nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil ist „die Option für die Armen" laut Bergoglio mit Nachdruck gefordert worden. Diese Sorge habe auch einen Nährboden für Ideologien abgegeben. Gegen eine „ideologische Infiltration" empfahl der zukünftige Papst eine feste Verwurzelung im Glauben: „In dem Maß, in dem die pastoral Engagierten mehr und mehr die Bedeutung der Frömmigkeit des Volkes entdecken fällt die Ideologie in sich zusammen", sagte damals der argentinische Kardinal. Auch Kardinal Odilo Scherer blickt für das heutige Brasilien in diese Richtung.

„Die Einstellung zu Kirche und Glaube muss viel tiefer verarbeitet werden, das ist nicht irgendwie oberflächlich und Sympathie oder Antipathie – das hat mit dem Glauben zu tun, und da stehen wir fest im Jahr des Glaubens. Und die Kirche – mit Benedikt und jetzt mit Papst Franziskus –ruft dazu auf: Schauen wir auf Jesus Christus, auf das Evangelium, auf den Weg Jesu Christi, auf die tiefen und wirklichen Werte des Lebens zu schauen: Bleiben wir nicht in der Peripherie der Werte oder bei dem stehen, was uns irgendwie in diesem Leben etwas bringen könnte, sondern wir sollten vielmehr auf festen Boden stehen und bauen. Und das wird Papst Franziskus sicher auch den jungen Leuten hier sagen." (rv)

Brasiliens Presse: Sorgen überschatten Papstbesuch

O GloboDie Verletzbarkeit des Papstes: so titelt die Online-Ausgabe der brasilianischen Zeitung „O Globo" ihren Hauptartikel. In dem Artikel werden die Sicherheitsprobleme beim Empfang des Papstes sowie die „Pannen" aufgezählt, die die Organisatoren gemacht hätten. Keinen Zusammenhang sieht die Zeitung zwischen den Protesten und dem Papstbesuch. Jene, die demonstriert hätten, richten ihre Wut gegen die Politiker und Wirtschaftsleute und nicht gegen den Papst, so „O Globo". Rios größte Tageszeitung warnt ebenfalls in der Montagsausgabe vor Beeinträchtigungen für das Alltagsleben. Die Zeitung verweist darauf, dass die erwarteten zwei Millionen Pilger das öffentliche Transportsystem gratis benutzen können. Damit solle ein Verkehrschaos verhindert werden.

Gemeinsam gegen Ungleichheiten kämpfen: so lautet die Schlagzeile beim „Jornal do Brasil" (online), die in Rio de Janeiro produziert wird, und bezieht sich auf das Treffen des Papstes mit der brasilianischen Präsidentin Dilma Rousseff. In den Beiträgen zum Papstbesuch wird vor allem auf jene Botschaften des Papstes hingewiesen, die für die brasilianischen Politiker wichtig seien: soziale Gerechtigkeit und Hoffnung für die Jugend schaffen.

Der Papst erteilt eine Lektion an Einfachheit und Ruhe, schreibt die Online-Ausgabe von „O Dia". Franziskus habe in seiner ersten Rede jegliche Polemik vermieden und stattdessen „ein Zeichen der Hoffnung gesetzt", so die „O Dia". Rio de Janeiro sei mittlerweile von tausenden Pilgern aus aller Welt bevölkert und zeigt hierbei Bilder nicht nur von Jugendlichen sondern bewusst auch von älteren Menschen. Viel Platz räumt das Blatt auch der Geschichte um den Bombenfund in Aparecida.

Vor der Papstankunft stand die Befürchtung rund um die Organisation der Reise im Mittelpunkt der Berichterstattung der brasilianischen Presse. Laut Berichten der Tageszeitung „Folha de Sao Paulo" vom Montag verweisen die Veranstalter des Weltjugendtages, dass die seit Wochen laufenden Sozialproteste auch den Papstbesuch begleiten könnten. „Die Sorge um Sicherheit lässt die Bundespolizei ihr Aufgebot verdoppeln." Die Einheit der Bundespolizei für den Kampf gegen das organisierte Verbrechen werde mit 3.000 Mann präsent sein. Insgesamt seien rund 25.000 Sicherheitskräfte von Militär und Polizei im Einsatz.

Das Blatt „Extra" erinnert an die schwindende Vorrangstellung der katholischen Kirche in Brasilien. „Rio ist der am wenigsten katholische Bundesstaat Brasiliens", heißt es in der Zeitung. Während im Landesdurchschnitt rund 65 Prozent katholisch seien, liege der Katholikenanteil in Rio bei 46 Prozent. 30 Prozent bezeichneten sich als Mitglied einer Pfingstkirche, deutlich mehr als der brasilianische Durchschnitt von 22 Prozent. Rio habe stets Tendenzen vorweggenommen, so das Blatt. Um das Jahr 2030 dürften die aktuellen Zahlenverhältnisse von Rio in ganz Brasilien gelten. (rv)

Vatikansprecher: Bombenfund beeinflusst Papstbesuch nicht

Pater Lombardi PressekonferenzIm brasilianischen Aparecida wurde eine Bombe gefunden, doch dieser Fund habe „keinerlei Auswirkungen auf die Papstreise". Das sagte Vatikansprecher Federico Lombardi vor Journalisten in Brasilien am Montagabend (Ortszeit). Es bestehe kein Anlass zu großer Sorge, fügte er an. Nach Medienberichten wurde in einer öffentlichen Toilette in der Nähe der Wallfahrtskirche von Aparecida am Montag ein Sprengsatz gefunden. Dies habe jedoch nichts mit dem für Mittwoch geplanten Besuch von Franziskus dort zu tun, sagte Lombardi unter Berufung auf die brasilianische Polizei.

Zugleich wies der Vatikansprecher Behauptungen zurück, die Sicherheitslage sei während der Fahrt des Papstes vom Flughafen in die Innenstadt von Rio vorübergehend außer Kontrolle geraten. Franziskus war in seinem kleinen Fiat Idea von einer Menschenmenge umringt worden, so dass die Fahrt vorübergehend gestoppt werden musste. Diese Szene sei eine „einzigartige Erfahrung" des großen Enthusiasmus der Bevölkerung gewesen, so Lombardi.

Der Papst sei „sehr zufrieden" mit seinem Empfang in Rio. Die einzige kurzfristige Programmänderung, die man aus Sicherheitserwägungen vorgenommen habe, sei der Flug mit dem Hubschrauber auf dem letzten Teil der Strecke zum Gouverneurspalast gewesen. Der Flug sei auf Wunsch der brasilianischen Behörden erfolgt, um ein Zusammentreffen mit Demonstranten in der Nähe des Gebäudes zu verhindern, erläuterte der Vatikansprecher.

Im Mittelpunkt des Gesprächs mit Staatspräsidentin Dilma Rousseff standen nach Lombardis Angaben die Lage von Jugendlichen sowie das Thema Flüchtlinge. Rousseff sei sehr beeindruckt vom Besuch des Papstes auf Lampedusa gewesen, hieß es. (rv)

WJT: Mehr Journalisten als bei der Papstwahl

WJT Rio2013Der Weltjugendtag ist ein weltweites Ereignis, was vor allem auch den Medien zu verdanken ist: Berichterstattung rund um die Uhr mit mehr Journalisten, als bei der Papstwahl im März in Rom dabei waren. Marcio Queiroz ist für die Medienarbeit des WJT in Rio verantwortlich.

„Etwa sechstausend Journalisten sind für den Weltjugendtag akkreditiert. Das garantiert wirklich eine weltweite Beachtung dieses Ereignisses. Die ganze Welt richtet ihre Aufmerksamkeit hierher, und zwar nicht nur weil es die erste Auslandsreise von Papst Franziskus ist, sondern auch weil es seine erste Begegnung mit der Jugend der Welt ist."

Kommunikationsdirektor des WJT ist aber nur eine der Aufgaben von Pater Queiroz, im Hauptberuf ist er Pfarrer von Varginha, also der Favela, die der Papst selber auch besuchen wird.

„Wir haben alle mit großer Freude auf die Nachricht reagiert, das bedeutet aber auch viel Verantwortung für uns. Wir wissen, was es für den Heiligen Vater bedeutet, das zu machen was er in Argentinien auch schon gemacht hat, nämlich mit dem Besuch in einer armen Gemeinde an die Peripherien zu gehen. Der Besuch des Papstes fordert uns zu einem Leben auf, das von der Lehre Jesu Christi geprägt ist. Unsere Verantwortung, das Wort Gottes auch zu leben, wächst mit diesem Besuch." (rv)

„Dialog unter Freunden“: Die Papstansprache bei der Begrüßung im Volltext

BrasilienAnsprache Papst Franziskus bei der Begrüßungszeremonie in Rio de Janeiro, Governeurssitz im Guanabara-Palast am 22. Juli 2013, 22.30 Uhr europäischer Zeit

Frau Präsidentin,
geschätzte Vertreter des öffentlichen Lebens,
Brüder und Schwestern, liebe Freunde,

in seiner gütigen Vorsehung hat Gott gewollt, dass die erste internationale Reise meines Pontifikats mir die Möglichkeit bieten sollte, in das geliebte Lateinamerika zurückzukehren, konkret nach Brasilien. Diese Nation rühmt sich seiner festen Bande mit dem Apostolischen Stuhl und seiner tiefen Gesinnung des Glaubens und der Freundschaft, die dieses Land auf einzigartige Weise mit dem Nachfolger Petri stets verbunden sein ließ. Ich danke für diese Güte Gottes.

Um Zugang zum brasilianischen Volk zu haben, muss man, wie ich gelernt habe, durch die Pforte seines großen Herzens eintreten. Daher sei mir erlaubt, jetzt sanft an diese Tür zu klopfen. Ich bitte, eintreten und diese Woche mit Ihnen verbringen zu dürfen. Ich habe weder Gold noch Silber, aber ich bringe das Wertvollste, das mir gegeben wurde: "Jesus Christus! Ich komme in seinem Namen, um die Flamme der brüderlichen Liebe, die in jedem Herzen brennt, zu nähren, und ich möchte, dass mein Gruß alle und jeden erreicht: „Der Friede Christi sei mit euch!"

Mein ehrerbietiger Gruß gilt der Frau Präsidentin und den werten Mitglieder ihrer Regierung. Ich danke ihr für den großherzigen Empfang und für die Worte, mit denen sie der Freude der Brasilianer über meine Anwesenheit in ihrem Land Ausdruck verliehen hat. Ich grüße auch den Herrn Gouverneur dieses Staates, der uns freundlicherweise im Regierungspalast empfängt, und den Bürgermeister von Rio de Janeiro. Ebenso grüße ich die Mitglieder des bei der brasilianischen Regierung akkreditierten Diplomatischen Corps, die weiteren öffentlichen Vertreter und alle, die sich darum bemüht haben, meinen Besuch zu realisieren.

Ein Wort herzlicher Verbundenheit will ich an meine Brüder im Bischofsamt richten, auf denen die Aufgabe lastet, die Herde Gottes in diesem riesigen Land zu leiten, und an ihre geliebten Teilkirchen. Mit meinem Besuch möchte ich die dem Bischof von Rom eigene pastorale Sendung fortführen, die Brüder im Glauben an Christus zu stärken, sie zu ermutigen, die Gründe der Hoffnung zu bezeugen, die von ihm her kommt, und sie dazu anzuregen, allen die unerschöpflichen Reichtümer seiner Liebe anzubieten.

Der Hauptgrund meiner Anwesenheit in Brasilien geht bekanntlich über die Grenzen dieses Landes hinaus. Ich bin ja für den Weltjugendtag gekommen. Ich bin gekommen, um junge Menschen aus allen Teilen der Welt zu treffen, die von den offenen Armen Christi des Erlösers angezogen werden. Sie wollen in seiner Umarmung, ganz nahe an seinem Herzen, eine Zuflucht finden und wieder seinen deutlichen und mächtigen Ruf hören: „Geht und macht alle Völker zu meinen Jüngern" (vgl. Mt 28,19).

Diese jungen Menschen kommen aus den verschiedenen Kontinenten, sprechen verschiedene Sprachen, gehören unterschiedlichen Kulturen an und finden doch in Christus die Antworten auf ihr höchstes und gemeinsames Streben und können ihren Hunger nach einer klaren Wahrheit und einer echten Liebe stillen, die sie über alle Verschiedenheit hinaus verbinden.

Christus bietet ihnen Raum und weiß, dass es keine stärkere Kraft geben kann als die, welche aus dem Herzen der jungen Menschen strömt, wenn sie von der Erfahrung der Freundschaft mit ihm ergriffen werden. Christus hat Vertrauen in die jungen Menschen und vertraut ihnen die Zukunft seiner eigenen Sendung an: „Geht, macht zu Jüngern"; geht über die Grenzen des menschlich Möglichen hinaus und bringt eine Welt von Brüdern hervor. Aber auch die jungen Menschen setzten ihr Vertrauen auf Christus: Sie haben keine Angst, mit ihm das eine Leben zu wagen, das sie besitzen, denn sie wissen, dass sie nicht enttäuscht werden.

Zu Beginn meines Besuches in Brasilien bin ich mir wohl bewusst, dass ich, wenn ich mich an die jungen Menschen wende, auch zu ihren Familien spreche, zu ihren kirchlichen und nationalen Gemeinschaften, aus denen sie kommen, zu den gesellschaftlichen Gruppen, deren Glieder sie sind, zu den Männern und Frauen, von denen in großem Maße die Zukunft dieser Generationen abhängt.

Bei Ihnen ist es geläufig, Eltern sagen zu hören: „Die Kinder sind unser Augapfel". Wie schön ist diese Ausdrucksweise brasilianischer Weisheit, die das Bild des Augapfels auf die Kinder überträgt; dieser ist das Fenster, durch welches das Licht in uns eindringt und uns das Wunder des Sehens schenkt! Was würde aus uns werden, wenn wir uns nicht um unsere Augen kümmerten? Wie könnten wir vorankommen? Mein Wunsch ist, dass sich jeder von uns in dieser Woche von dieser herausfordernden Frage berühren lässt.

Die Jugend ist das Fenster, durch das die Zukunft in die Welt eintritt, und legt uns folglich große Herausforderungen auf. Unsere Generation wird zeigen, dass sie der Hoffnung, die in jedem jungen Menschen besteht, gewachsen ist, wenn sie ihm Raum zu bieten versteht; wenn sie in der Lage ist, die materiellen und geistigen Voraussetzungen für seine volle Entfaltung zu schützen; ihm eine sichere Grundlage zu geben, auf der er sein Leben aufbauen kann; ihm die Sicherheit und die Bildung zu gewährleisten, damit er wird, was er sein kann; ihm bleibende Werte zu vermitteln, für die es sich zu leben lohnt; ihm einen transzendenten Horizont für seinen Durst nach wahrem Glück und für seine Schaffenskraft im Guten zu sichern; ihm das Erbe einer Welt zu übergeben, die dem Maß des menschlichen Lebens entspricht; in ihm die besten Fähigkeiten zu wecken, damit er selbst seine eigene Zukunft gestalten und mitverantwortlich für das Los aller sein kann.

Zum Schluss bitte ich alle um die freundliche Aufmerksamkeit und, wenn möglich, das nötige Einfühlungsvermögen, um so einen Dialog unter Freunden aufzunehmen. In diesem Augenblick weiten sich die Arme des Papstes, um die ganze brasilianische Nation in ihrem vielschichtigen menschlichen, kulturellen und religiösen Reichtum zu umarmen. Von Amazonien bis zur Pampa, von den Trockenregionen bis zum Pantanal, von den kleinen Dörfern bis zu den Metropolen fühle sich keiner von der Zuneigung des Papstes ausgeschlossen. Ich habe die Absicht, Sie alle übermorgen, so Gott will, im Gebet vor Unsere Liebe Frau von Aparecida zu tragen und sie um ihren mütterlichen Schutz für Ihre Häuser und Familie anzurufen. Schon jetzt segne ich Sie alle. Vielen Dank für den herzlichen Empfang! (rv)

Abflug des Papstes gen Rio de Janeiro

B_Franziskus3.Papst Franziskus hat an diesem Montagmorgen seiner Reise zum Weltjugendtag nach Rio de Janeiro begonnen. Um 8.45 Uhr hob die Papstmaschine pünktlich vom römischen Flughafen Fiumicino ab. In Brasilien wird er gegen 21 Uhr europäischer Zeit erwartet, wo er nach dem offiziellen Empfang am Flughafen Präsidentin Dilma Rousseff treffen wird. Der Dienstag ist ein Ruhetag für den Papst, bevor er mit dem Besuch in Aparecida am Mittwoch offiziell sein Reiseprogramm beginnen wird.

Beim Abflug wünschte der Papst allen Italienern „Gelassenheit und Vertrauen in die Zukunft". In einem Grusstelegramm an den italienischen Staatspräsidenten Giorgio Napolitano betonte er, er fliege nach Rio, um die Jugendlichen zu ermutigen, „Zeugen der Hoffnung und Baumeister des Friedens zu sein".
Das Telegramm wurde vom Vatikan am Montagmorgen kurz nach dem Start des Papstes und seiner Begleitung von Rom-Fiumicino in die brasilianische Metropole veröffentlicht.
Zur Verabschiedung des Papstes war der italienische Ministerpräsident Enrico Letta auf den römischen Flughafen gekommen. Er begleitete den Papst auf dem kurzen Weg von dessen Hubschrauber zu Alitalia-Maschine, die ihn nach zwölfstündigen Flug nach Rio bringen sollte. Beim Besteigen des Airbus trug Franziskus selbst sein Handgepäck, eine schwarze Aktentasche. (rv)

Weltjugendtag in Rio: Gebet, Protest, Begegnung

S_Maria_MaggiorePapst Franziskus bricht am Montag zu seiner ersten internationalen Apostolischen Reise auf. Groß sind die Erwartungen nicht nur in Brasilien, ist Franziskus doch der erste lateinamerikanische Papst überhaupt und auf einem Weltjugendtag. Worauf können wir uns bei dieser Reise gefasst machen? Dies fragten wir unsere Kollegin Anne Preckel, die den Weltjugendtag in Rio de Janeiro für das deutschsprachige Programm von Radio Vatikan begleitet.

„Die Erwartungen sind in der Tat riesig, mancher Beobachter hält es für möglich, dass dieser 28. Weltjugendtag alle vorangehenden in den Schatten stellen wird, was Teilnehmerzahlen und Strahlkraft betrifft. Franziskus‘ hat in den ersten Monaten seines Amtes positiv überrascht, er hat Akzente gesetzt sowohl als Hirte – denken wir etwa an die Fußwaschung im römischen Gefängnis oder den Besuch auf Lampedusa und die markante Rede dort – als auch als Papst, der Missstände in der römischen Kurie angeht. Auch scheint er einen guten Draht zur Jugend zu haben, wie er mehrfach bewiesen hat, etwa bei dem Treffen mit Jesuitenschülern im Vatikan, wo Franziskus spontan vom Protokoll abwich und Fragen beantwortete: ,Seid großherzig, seid frei für das Gute und Meister im Dienst für den Nächsten‘ gab er den jungen Leuten dabei mit auf den Weg, und das klang schon so ein wenig wie ein Leitfaden auch für den Weltjugendtag in Rio."

Brasilien erlebt derzeit die größte Protestwelle der letzten Jahrzehnte – ein heißes Pflaster für den Weltjugendtag, oder?

„Ja, dieser Weltjugendtag fällt in einer Umbruchsphase vor allem für die Jugend in Brasilien, die sich die eigene Zukunft nicht mehr stehlen lassen will – um es mal salopp zu formulieren. So wird dieser Weltjugendtag auch ganz klar eine Mischung aus Gebet und Protest, Glaube und Politik sein – das ist hochspannend und man wird sehen, welche Worte Franziskus für diese aktuelle Lage finden wird. In Lateinamerika dürfte vor allem der Wunsch des ersten lateinamerikanischen Papstes nach einer ,armen Kirche für die Armen' auf offene Ohren stoßen. Die ungerechte Verteilung der Ressourcen, Armut und soziale Benachteiligung sind alles Probleme, die auch auf der Agenda der brasilianischen Kirche weit oben stehen, und sie sind Jorge Mario Bergoglio aus seinem Heimatland Argentinien wohl bekannt. Wir dürfen nicht vergessen, dass der BRIC-Staat Brasilien in seinen ,Peripherien' zugleich auch einem Entwicklungsland ähnelt."

Was erhofft sich die brasilianische Kirche von dem Großereignis?
„Den brasilianischen Bischöfen ist es auch ein Anliegen, mit dem Weltjugendtag die Jugend wieder mehr für die katholische Kirche zu gewinnen. Die hat in Brasilien, obwohl das Land insgesamt stark religiös durchdrungen ist, mit sinkenden Katholikenzahlen und Abwanderung zu anderen Konfessionen, vor allem den Pfingstkirchen, zu kämpfen. Und darüber hinaus hofft Brasiliens katholische Kirche auch, dass der Glaube irgendwie doch zur ethischen Grundlage der politischen Reformen wird, die das Volk jetzt will. Einzelne Forderungen hat Dilma Rousseff ja schon erfüllt, etwa in Richtung Strafermittlung, das Volk wird in Brasilien wohl einen langen Atem – ja und auch irgendwie eine ethische Orientierung – brauchen: Viele Forderungen der Demonstranten betreffen strukturelle Probleme wie Mängel in Justiz, Bildungs- und Gesundheitswesen – die lassen sich nicht übers Knie brechen."

Das ursprünglich für Benedikt vorgesehene Reiseprogramm wurde auf Wunsch von Franziskus aufgestockt. Was sind die Highlights?
„Als Glaubensfest mit dem Motto ,Gehet hin und machet zu Jüngern alle Völker' sind natürlich die großen Begegnungen der Jugendlichen mit dem Papst die Höhepunkte – Franziskus plädiert ja für eine ,Kultur der Begegnung', die sozialen Zusammenhalt gerade auch in Krisenzeiten schaffen kann. Bis zu 2,5 Millionen Jugendliche werden in Rio erwartet; Highlight sind die Begrüßungszeremonie auf der Copacabana am Donnerstagabend, zu der über eine Million Pilger erwartet werden, die Gebetsvigil am Samstagabend und die große Abschlussmesse am Sonntag in Guaratiba, ganz in der Nähe von Rio. Auf Wunsch des Papstes ins Reiseprogramm eingefügt wurde der Besuch in Aparecida, der Bergoglios Marienverehrung entgegenkommt, ein Zwischenstopp in einer Favela und dann noch in einem Drogentherapiezentrum in Rio. Doch auch das Rahmenprogramm des Weltjugendtages bietet interessante Programmpunkte für die internationalen Pilger: es gibt zahlreiche Messen und Katechesen in 20 Sprachen, allein acht Katechese-Orte für deutsche Pilger, zwei Kreuzwege und ein reiches Kulturprogramm. Und wenn’s einem zu viel wird unten in der Stadt, kann man den ,Christo Redentor' auf dem Corcovado bewundern, der soll während des Weltjugendtages rund um die Uhr geöffnet bleiben." (rv)

pimentaPapst Franziskus trauert um den Verstorbenen Kardinal Simon Ignatius Pimenta. Der emeritierte Erzbischof von Bombay (dem heutigen Mumbai) war am Freitag im Alter von 93 Jahren verstorben. In einem päpstlichen Schreiben an den Erzbischof von Mumbai, Oswald Gracias, erinnerte der Papst in Dankbarkeit an die vielen Jahre, in denen Kardinal Pimenta seinen Dienst in der katholischen Kirche hingebungsvoll ausgeführt hat. (rv)

Ulrich Nersinger: Die Gendarmen des Papstes

Nersinger_Gendarmen des PapstesSie tragen keine farbenprächtige Uniform, für ein Touristen-Foto taugen die Männer kaum. So wundert es nicht, dass die vatikanische Gendarmerie in der Öffentlichkeit lange im Schatten der Schweizergarde stand – bis zur Vatileaks-Affäre. Ein neues Buch des Vatikan-Kenners Ulrich Nersinger erzählt nun erstmals die Geschichte der Gendarmerie von den Ursprüngen im 14. Jahrhundert bis zum Pontifikat von Franziskus. Ins Rampenlicht der Öffentlichkeit trat die vatikanische Gendarmerie erst mit der Vatileaks-Affäre. Vatikanische Gendarmen verhafteten im Mai 2012 den päpstlichen Kammerdiener Paolo Gabriele. Hätten sie den Dokumentklau nicht verhindern können? Nersinger verneint dies. Die Gendarmen könnten nicht wie ihre deutschen Kollegen den Koffer eines kirchlichen Würdenträgers durchsuchen. (rv)