Weltjugendtag in Rio: Gebet, Protest, Begegnung

S_Maria_MaggiorePapst Franziskus bricht am Montag zu seiner ersten internationalen Apostolischen Reise auf. Groß sind die Erwartungen nicht nur in Brasilien, ist Franziskus doch der erste lateinamerikanische Papst überhaupt und auf einem Weltjugendtag. Worauf können wir uns bei dieser Reise gefasst machen? Dies fragten wir unsere Kollegin Anne Preckel, die den Weltjugendtag in Rio de Janeiro für das deutschsprachige Programm von Radio Vatikan begleitet.

„Die Erwartungen sind in der Tat riesig, mancher Beobachter hält es für möglich, dass dieser 28. Weltjugendtag alle vorangehenden in den Schatten stellen wird, was Teilnehmerzahlen und Strahlkraft betrifft. Franziskus‘ hat in den ersten Monaten seines Amtes positiv überrascht, er hat Akzente gesetzt sowohl als Hirte – denken wir etwa an die Fußwaschung im römischen Gefängnis oder den Besuch auf Lampedusa und die markante Rede dort – als auch als Papst, der Missstände in der römischen Kurie angeht. Auch scheint er einen guten Draht zur Jugend zu haben, wie er mehrfach bewiesen hat, etwa bei dem Treffen mit Jesuitenschülern im Vatikan, wo Franziskus spontan vom Protokoll abwich und Fragen beantwortete: ,Seid großherzig, seid frei für das Gute und Meister im Dienst für den Nächsten‘ gab er den jungen Leuten dabei mit auf den Weg, und das klang schon so ein wenig wie ein Leitfaden auch für den Weltjugendtag in Rio."

Brasilien erlebt derzeit die größte Protestwelle der letzten Jahrzehnte – ein heißes Pflaster für den Weltjugendtag, oder?

„Ja, dieser Weltjugendtag fällt in einer Umbruchsphase vor allem für die Jugend in Brasilien, die sich die eigene Zukunft nicht mehr stehlen lassen will – um es mal salopp zu formulieren. So wird dieser Weltjugendtag auch ganz klar eine Mischung aus Gebet und Protest, Glaube und Politik sein – das ist hochspannend und man wird sehen, welche Worte Franziskus für diese aktuelle Lage finden wird. In Lateinamerika dürfte vor allem der Wunsch des ersten lateinamerikanischen Papstes nach einer ,armen Kirche für die Armen' auf offene Ohren stoßen. Die ungerechte Verteilung der Ressourcen, Armut und soziale Benachteiligung sind alles Probleme, die auch auf der Agenda der brasilianischen Kirche weit oben stehen, und sie sind Jorge Mario Bergoglio aus seinem Heimatland Argentinien wohl bekannt. Wir dürfen nicht vergessen, dass der BRIC-Staat Brasilien in seinen ,Peripherien' zugleich auch einem Entwicklungsland ähnelt."

Was erhofft sich die brasilianische Kirche von dem Großereignis?
„Den brasilianischen Bischöfen ist es auch ein Anliegen, mit dem Weltjugendtag die Jugend wieder mehr für die katholische Kirche zu gewinnen. Die hat in Brasilien, obwohl das Land insgesamt stark religiös durchdrungen ist, mit sinkenden Katholikenzahlen und Abwanderung zu anderen Konfessionen, vor allem den Pfingstkirchen, zu kämpfen. Und darüber hinaus hofft Brasiliens katholische Kirche auch, dass der Glaube irgendwie doch zur ethischen Grundlage der politischen Reformen wird, die das Volk jetzt will. Einzelne Forderungen hat Dilma Rousseff ja schon erfüllt, etwa in Richtung Strafermittlung, das Volk wird in Brasilien wohl einen langen Atem – ja und auch irgendwie eine ethische Orientierung – brauchen: Viele Forderungen der Demonstranten betreffen strukturelle Probleme wie Mängel in Justiz, Bildungs- und Gesundheitswesen – die lassen sich nicht übers Knie brechen."

Das ursprünglich für Benedikt vorgesehene Reiseprogramm wurde auf Wunsch von Franziskus aufgestockt. Was sind die Highlights?
„Als Glaubensfest mit dem Motto ,Gehet hin und machet zu Jüngern alle Völker' sind natürlich die großen Begegnungen der Jugendlichen mit dem Papst die Höhepunkte – Franziskus plädiert ja für eine ,Kultur der Begegnung', die sozialen Zusammenhalt gerade auch in Krisenzeiten schaffen kann. Bis zu 2,5 Millionen Jugendliche werden in Rio erwartet; Highlight sind die Begrüßungszeremonie auf der Copacabana am Donnerstagabend, zu der über eine Million Pilger erwartet werden, die Gebetsvigil am Samstagabend und die große Abschlussmesse am Sonntag in Guaratiba, ganz in der Nähe von Rio. Auf Wunsch des Papstes ins Reiseprogramm eingefügt wurde der Besuch in Aparecida, der Bergoglios Marienverehrung entgegenkommt, ein Zwischenstopp in einer Favela und dann noch in einem Drogentherapiezentrum in Rio. Doch auch das Rahmenprogramm des Weltjugendtages bietet interessante Programmpunkte für die internationalen Pilger: es gibt zahlreiche Messen und Katechesen in 20 Sprachen, allein acht Katechese-Orte für deutsche Pilger, zwei Kreuzwege und ein reiches Kulturprogramm. Und wenn’s einem zu viel wird unten in der Stadt, kann man den ,Christo Redentor' auf dem Corcovado bewundern, der soll während des Weltjugendtages rund um die Uhr geöffnet bleiben." (rv)