Messe in Aparecida: Von Maria lernen wir wahre Jüngerschaft

„Am Tag nach meiner Wahl zum Bischof von Rom habe ich die Basilika Santa Maria Maggiore in Rom besucht, um meinen Dienst als Nachfolger Petri der Gottesmutter anzuvertrauen. Heute bin ich hierher gekommen, um Maria, unsere Mutter, um ein gutes Gelingen des Weltjugendtags zu bitten und ihr das Leben der lateinamerikanischen Bevölkerung zu Füßen zu legen." Es war ein Augenblick persönlichen Gebetes für Papst Franziskus: Er war in das größte Marienheiligtum Brasiliens gekommen, um sich und sein Pontifikat im Gebet der Mutter Gottes anzuvertrauen.

Zu diesem persönlichen Gebet gehörte für Papst Franziskus aber auch die Erinnerung an die Generalversammlung der Bischöfe Lateinamerikas 2007 in der Kathedrale von Aparecida, an der er maßgeblich mitgearbeitet hatte: In seiner Predigt sprach er davon, wie sehr diese Versammlung und ihre Ergebnisse vom Pilgergeist des Ortes geprägt worden seien.

„Diese Versammlung war ein bedeutungsvolles kirchliches Ereignis. Und tatsächlich kann man sagen, dass das Dokument von Aparecida gerade aus der Verflechtung zwischen der Arbeit der Hirten und dem einfachen Glauben der Pilger hervorgegangen ist, unter dem mütterlichen Schutz Marias. Wenn die Kirche Christus sucht, klopft sie immer am Haus der Mutter an und bittet: „Zeige uns Jesus". Von ihr lernt man die wahre Jüngerschaft. Und das ist der Grund, warum die Kirche immer auf den Spuren Marias in die Mission geht."

Papst Franziskus rief die Menschen auf, die Hoffnung nicht zu verlieren und stets die Gewissheit im Herzen zu haben, das Gott an der Seite der Menschen geht. Es gebe das Böse in der Welt, aber das sei nicht das Stärkste, sondern Gott. Und darum gebe es Grund zur Hoffnung.

„Es ist wahr, dass heute alle, und auch unsere Jugendlichen, ein wenig den Reiz der vielen Götzen spüren, die sich an Gottes Stelle setzen und Hoffnung zu geben scheinen: Geld, Erfolg, Macht, Vergnügen. Im Herzen vieler breitet sich oft ein Gefühl der Einsamkeit und der Leere aus und führt zur Suche nach Kompensationen, nach diesen vergänglichen Götzen. Liebe Brüder und Schwestern, lasst uns Lichter der Hoffnung sein! Lasst uns eine positive Sicht der Wirklichkeit haben! Fördern wir die Großherzigkeit, welche die jungen Menschen kennzeichnet, begleiten wir sie auf ihrem Weg, Protagonisten des Aufbaus einer besseren Welt zu werden: Sie sind ein mächtiger Antrieb für die Kirche und für die Gesellschaft."

Zur Hoffnung auf Gott gehört laut Papst Franziskus eine weitere Verhaltensweise: Sich von Gott überraschen zu lassen. Wie die Fischer nach einem erfolglosen Tag im Fluss Parnaíba die Statue gefunden hätten, die in Aparecida nun verehrt wird, so handle Gott immer wieder gerade inmitten von Schwierigkeiten.

„Gott hält immer das Beste für uns bereit. Aber er verlangt, dass wir uns von seiner Liebe überraschen lassen, dass wir seine Überraschungen annehmen. Vertrauen wir auf Gott! Fern von ihm erschöpft sich der Wein der Freude, der Wein der Hoffnung. Wenn wir in seine Nähe kommen, wenn wir bei ihm bleiben, verwandelt sich das, was kaltes Wasser zu sein scheint, das, was Not, was Sünde ist, in neuen Wein der Freundschaft mit ihm."

In dieser Freundschaft zu leben, dass ist dann die dritte Verhaltensweise, auf die Papst Franziskus in seiner Predigt einging.

„Ein Christ kann nicht pessimistisch sein! Er hat nicht ein Gesicht wie einer, der in ständiger Trauer zu sein scheint. Wenn wir wirklich in Christus „verliebt" sind und spüren, wie sehr er uns liebt, wird unser Herz in einer solchen Freude „entbrennen", dass sie alle ansteckt, die in unserer Nähe leben – wie Benedikt XVI. sagte: „Der Jünger weiß nämlich, dass es ohne Christus kein Licht, keine Hoffnung, keine Liebe und keine Zukunft gibt" (Eröffnungsansprache der V. Generalversammlung der Bischofskonferenzen von Lateinamerika und der Karibik, Aparecida, 13. Mai 2007: Insegnamenti III/1 [2007], 861)."

Bereits zu Beginn der Messe hatte der Papst vor dem Gnadenbild ein persönliches Gebet gesprochen, vor dem Segen sprach er erneut ein Gebet, in dem er sich und seinen Dienst als Bischof von Rom dem Schutz der Mutter Gottes anvertraute. (rv)

Adveniat-Bischof Overbeck: „Ein Weg einer neuen Solidarität mit den Armen“

Bischof Franz-Josef OverbeckDie Liebe zu den Armen und zugleich eine nüchterne Betrachtung der lateinamerikanischen Wirklichkeit mit all ihren Herausforderungen – diese beiden Punkte nimmt Bischof Franz-Josef Overbeck, der in der Deutschen Bischofskonferenz für Lateinamerika zuständig ist, aus der Wieder-Lektüre des Dokumentes von Aparecida mit, das 2007 unter der federführenden Redaktion von Jorge Mario Bergoglio entstand. Das Abschlussdokument der Vollversammlung der Bischöfe Lateinamerikas und der Karibik dient im Kontext der Papstreise nach Rio Kirchenvertretern und Journalisten als Orientierung, um die Anliegen der katholischen Kirche in Lateinamerika zu verstehen. Wie viel Bergoglio steckt im Dokument von Aparecida? Dazu sagte Bischof Overbeck auf dem Hinflug nach Rio:

„ Ich glaube auf der einen Seite in der für mich wahrnehmbaren typischen jesuitischen Abwägung und Indifferenz der Wirklichkeit, um die es hier geht, das ist sehr nüchtern wahrgenommen und in dem Dokument beschrieben, und zum anderen in der unbedingten Wahrnehmung der Bedeutung der Ortskirche für die Bewertung dessen, was pastoral vor Ort getan werden muss und einer wahrnehmbaren Liebe zu den Armen, was aber nicht nur den früheren Erzbischof von Buenos Aires und heutigen Papst betrifft. Diese Liebe haben viele Bischöfe hier, und das kann man in dem Dokument sehr gut sehen."

Bischof Overbeck glaubt, dass der Papstbesuch in Brasilien viele Menschen ermutigen kann, die bereits im Kampf gegen Armut und Ungerechtigkeit in Lateinamerika engagiert sind. Die Visite werde mit großer Begeisterung aufgenommen werden und die Herzen der Menschen erreichen, ist sich Overbeck sicher.

„Der Besuch eines Papstes ist immer etwas Besonderes, und jetzt ist es der erste Besuch des neuen Papstes, der dazu noch aus Lateinamerika kommt. Deshalb erwarte ich, auch von meiner Erfahrung her, die ich als Bischof in den letzten drei Jahren bei Adveniat gemacht habe, eine enthusiastische Stimmung und für viele eine Bestätigung ihres Weges, der sich ja – sei es, was Bergoglio als Kardinal in Buenos Aires tat, sei es, was er jetzt als Papst tut, als ein Weg einer neuen Solidarität mit den Armen zeigt. Das wird hier auf eine neue Weise die Herzen der Menschen sehr anrühren. Und das erwarte ich – mit einer Wirkung, die auf die Welt ausstrahlen wird." (rv)

Frage an Kardinal Scherer: Wie politisch wird die Kirche mit Papst Franziskus?

Kardinal SchererPapst Franziskus weckt große Hoffnungen in Lateinamerika. Auch bei Befreiungstheologen wie Leonardo Boff, der jetzt in einem Interview zum Papstbesuch in Rio enthusiastisch von „einem neuen Frühling in der Kirche" sprach. Einen „reifen Ansatz" zur Umsetzung der „Option für die Armen" in der katholischen Kirche Lateinamerikas hat laut Jorge Mario Bergoglio die Bischofskonferenz von Aparecida 2007 angeboten: Das Abschlussdokument der Bischofsvollversammlung habe das Apostolische Schreiben „Evangelii Nuntiandi" von Papst Paul VI. „in seinen schönsten Passagen wiederholt", sagte Bergoglio in seiner Zeit als Erzbischof von Buenos Aires gegenüber Journalisten (vgl. Gesprächsband „El Jesuita"). In der Befreiungstheologie habe es „Abwegiges", doch auch „unzählige Helfer" gegeben, die sich so engagiert hätten, „wie die Kirche es verlangt", sagte Bergoglio. Wie politisch wird die katholische Kirche mit Franziskus? Das wollte Anne Preckel von Kardinal Odilo Scherer, dem Erzbischof der brasilianischen Mega-Diözese Sao Paolo, auf dem Weltjugendtag in Rio wissen.

„Das werden wir noch sehen. Natürlich – seine Einstellung der Kultur, der Gesellschaft, der Werte gegenüber wird auch eine Einstellung der Politik weitergeben und der Position der Kirche der verschiedenen Arten der Politik gegenüber in den verschiedenen Ländern. Aber eines sind die Prinzipien, die Papst Franziskus irgendwie klarmacht – Prinzipien, die gültig sein sollen überall: Also erstens – der Mensch steht in der Mitte, nicht die Wirtschaft, nicht irgendwie der Gewinn. Zweitens – die Armen stehen in der Mitte, die Armen, die Kranken, die Vernachlässigten. Auf sie müssen wir schauen, auf sie müssen auch die Regierungen schauen. Und das sind nicht nur Personen, das sind ganze Länder, die als arme Länder in der Welt vernachlässigt sind. Franziskus hat schon mehrmals darauf gezeigt: Wir sollten eine bessere Welt für alle schaffen, wir sollten nicht den Egoismus globalisieren, sondern vielmehr sollten wir die Zuneigung zu den anderen stärken, uns um die Vernachlässigten kümmern – da sollten wir handeln und die Regierungen auch."

Nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil ist „die Option für die Armen" laut Bergoglio mit Nachdruck gefordert worden. Diese Sorge habe auch einen Nährboden für Ideologien abgegeben. Gegen eine „ideologische Infiltration" empfahl der zukünftige Papst eine feste Verwurzelung im Glauben: „In dem Maß, in dem die pastoral Engagierten mehr und mehr die Bedeutung der Frömmigkeit des Volkes entdecken fällt die Ideologie in sich zusammen", sagte damals der argentinische Kardinal. Auch Kardinal Odilo Scherer blickt für das heutige Brasilien in diese Richtung.

„Die Einstellung zu Kirche und Glaube muss viel tiefer verarbeitet werden, das ist nicht irgendwie oberflächlich und Sympathie oder Antipathie – das hat mit dem Glauben zu tun, und da stehen wir fest im Jahr des Glaubens. Und die Kirche – mit Benedikt und jetzt mit Papst Franziskus –ruft dazu auf: Schauen wir auf Jesus Christus, auf das Evangelium, auf den Weg Jesu Christi, auf die tiefen und wirklichen Werte des Lebens zu schauen: Bleiben wir nicht in der Peripherie der Werte oder bei dem stehen, was uns irgendwie in diesem Leben etwas bringen könnte, sondern wir sollten vielmehr auf festen Boden stehen und bauen. Und das wird Papst Franziskus sicher auch den jungen Leuten hier sagen." (rv)